Energiepreis-Protest > Gerichtsurteile zum Energiepreis-Protest
BGH, Urt. v. 24.03.10 VIII ZR 304/08 HEL-Klausel unzulässig
tangocharly:
--- Zitat ---@RR-E-ft
[...]
Die Entscheidung erscheint auf Vorlieferantenverträge übertragbar, soweit in diesen formularmäßig entsprechende HEL- Klauseln Verwendung fanden.
--- Ende Zitat ---
Ja, an diesem Gesichtspunkt müssen wir weiter denken.
Nachdem der VIII. Senat die Begriffe Europarechts- und Kartellrechtswidrigkeit ständig vermeidet, ist mit der genannten Entscheidung - auf der Basis von § 307 BGB - der Übergang nach § 33 Abs. 3 GWB nicht ganz einfach. Da wurde der Kartellsenat am 10.02.2009 (KVR 67/07, Tz. 17) doch schon deutlicher (vielleicht ist aber der VIII. Senat auch nur vor den Bestimmungen gem. Art 16 der Verordnung Nr. 1/2003 des Rates v. 16.12.2002 zur Durchführung der in den Art. 81 u. 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln erstarrt).
Dennoch bleibt die Feststellung der Klauselwidrigkeit nach § 307 BGB nicht folgenlos. Denn neben den Kondiktionsansprüchen (§§ 812 ff. BGB) entstehen auch Schadensersatzansprüche gem. § 311 BGB (vgl. BGH NJW 1984, 2816; OLG Hamm VersR 2001, 1422).
Wenn im Falle der Haushaltskunden ein Versorger mit seinem Vorlieferanten solche Klauseln vereinbart hatte, dann tritt zwar die Rechtsverletzung zunächst nur im Verhältnis Versorger zu Vorlieferanten ein. Der Versorger hat allerdings keinen Schaden, denn er kassiert ja voll beim Kunden.
Geschädigt ist der Kunde, denn bei ihm tritt in Höhe der ungerechtfertigten Gewinnschöpfung der Schaden ein. Der Kunde ist aber nicht von der Bestimmung gem. § 307 BGB tangiert, weil er im Vertragsverhältnis zwischen Versorger und Vorlieferanten nicht Vetragspartei war - und damit nicht \"verletzt\" ist.
Diese vertrackte Situation führt zur sogenannten \"Drittschadensliquidation\" (die natürlich praktisch auf Veranlassung des Versorgers niemals in die Wege geleitet würde).
Um dies in die Gänge zu bringen, kann durch den (geschädigten) Kunden die Abtretung der beim Versorger angestammten Schadensersatzansprüche gefordert werden. Die Abtretungsforderung wird über § 285 BGB begründet.
Bei den Gesamtbelieferungsverträgen ist diese Konstruktion nicht nötig. Denn dort hat der BGH ja die deutsche und europäische Kartellrechtswidrigkeit festgestellt. Dieser Umstand führt direkt zu § 33 Abs. 3 GWB. Und dort ist der Kunde der von der Rechtsverletzung Betroffene, also grundsätzlich auch der Anspruchsinhaber.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von tangocharly
Wenn im Falle der Haushaltskunden ein Versorger mit seinem Vorlieferanten solche Klauseln vereinbart hatte, dann tritt zwar die Rechtsverletzung zunächst nur im Verhältnis Versorger zu Vorlieferanten ein. Der Versorger hat allerdings keinen Schaden, denn er kassiert ja voll beim Kunden.
Geschädigt ist der Kunde, denn bei ihm tritt in Höhe der ungerechtfertigten Gewinnschöpfung der Schaden ein. Der Kunde ist aber nicht von der Bestimmung gem. § 307 BGB tangiert, weil er im Vertragsverhältnis zwischen Versorger und Vorlieferanten nicht Vetragspartei war - und damit nicht \"verletzt\" ist.
--- Ende Zitat ---
Immer schön in der Vertragskette bleiben....
Im Falle der Verwendung unwirksamer Preisänderungsklauseln besteht neben einem bereicherungsrechtlichen Anspruch aus § 812 BGB auch ein Schadensersatzanspruch aus cic (Palandt, BGB, Vor § 307 Rn. 14).
Dem Versorger kann vom Vorlieferanten nicht entgegengehalten werden, er habe keinen Schaden, da es ihm möglich gewesen sei, die unwirksamen Kostenerhöhungen auf dessen Kunden - die Letztverbraucher - weiterzuwälzen. Der Schaden liegt darin, dass das Gas zu teuer bezogen wurde.
Auch dem bereicherungsrechtlichen Anspruch aus § 812 BGB lässt sich schließlich nicht vom Vorlieferanten entgegenhalten, der Versorger habe das Gas ja zu erhöhten Preisen weiterverkauft. Damit hat der Vorlieferant schließlich überhaupt nichts zu tun und es geht ihn auch nichts an. Seine eigene ungerechtfertigte Bereicherung entfällt hierdurch nicht.
Die Preiserhöhung des Versorgers gegen über den Letztverbrauchern erfolgte schließlich auf Risiko des Versorgers selbst. Der Vorlieferant hingegen trägt das Risiko der Unwirksamkeit eigener Formularklauseln und darauf gestützter Entgeltforderungen gegenüber dem Versorger.
Vorstellbar ist doch, dass der Versorger auch ohne eigenen Kostenanstieg am Markt wegen der Marktsituation (Monopol) eine Preiserhöhung durchsetzen konnte, was er \"Mitschwimmen mit der Marktpreisentwicklung\" nennt (Stromversorger kennen das). Der Schaden liegt dann jedenfalls in der Schmälerung seines Gewinns gegenüber der Situation, dass seine eigenen Bezugskosten nicht oder nicht in diesem Umfang (infolge der unwirksamen Klausel) gestiegen waren, er die Preise für die Letztverbraucher gleichwohl hochgezogen hätte.
Und selbstverstsändlich kehrt der Versorger, der gegenüber seinem Vorlieferanten erfolgreich Rückforderungsansprüche und Schadensersatz geltend macht, die auf diese entfallenden Beträge an die eigenen Kunden- die Letztverbraucher - aus. Schließlich hat man es doch mit redlichen Kaufleuten, wenn nicht sogar gleich Hanseaten zu tun. ;)
Der Versorger hat doch die Letztverbraucherpreise nur deshalb erhöht, weil er bisher dachte, er sei gegenüber seinem Vorlieferanten zur Zahlung der erhöhten Preise verpflichtet und deshalb zur Preiserhöhung gegenüber den Letztverbrauchern gezwungen gewesen. Der wollte und will sich doch selbst gar nicht bereichern, der Gutste. Ihm fehlte nur die Kenntnis von der Rechtslage, wie sie die vorliegende Entscheidung des BGH erstmals höchstrichterlich vermittelt. Jetzt kann er plötzlich seinen Anspruch gegen den Vorliefarenten erkennen, weil es ihm wie Schuppen von den Augen fällt. Und natürlich ist er sich seiner Verantwortung in der Region bewusst... Insbesondere Stadtwerke begreifen sich angeblich als \"starke Partner\" an der Seite ihrer Kunden, sagt uns nicht nur die Radiowerbung. Manche tragen \"Fair\" schon in der Firmierung....
(Bei starken Partnern läuft man freilich möglicherweise auch Gefahr, als Kunde schnell über den Tisch gezogen zu werden.)
tangocharly:
Die Besonderheit an der \"Drittschadenliquidation\" ist die, dass diese Ansprüche gegen den Willen des Geschädigten oder ohne dessen Zustimmung nicht durchgesetzt werden können. Und das ist auch gut so. Denn am Ende könnte der Schadensersatz als Ausgleichposten irgendwo in der Bilanz verschwinden (ebenso wie der etwaige Wertersatz nach § 818 BGB) und der Gaspreis beim Letztverbraucher bleibt, wo er ist.
Man kann sich schließlich schon kaum vorstellen, dass die EnBW (als Grundversorger) gegen die GVS (als Vorlieferanten) schadensersatzrechtlich vorgehen wird (und all die vielen Fälle, wo sich einer der \"Großen Vier\" im Gesellschaftsbett des kleinen Versorgers befindet).
Bereicherungsausgleich und Schadensersatz sind halt zwei verschiedene Paar Schuhe, siehe u.a. § 819 BGB. Letztlich bleibt dem Tarifkunden aber nur der Weg über die \"DSchL\", zumindest in dem so gestalteten Sachverhalt.
RR-E-ft:
Man kann wohl deutlich sehen, dass insbesondere Stadtwerke durch solche unzulässigen Klauseln und deren Folgen einen Schaden erlitten haben.
Sie waren hierdurch in Bezug auf ihre Großkunden weniger wettbewerbsfähig und haben teilweise deutliche Kundenverluste und damit Absatzverluste hinnehmen müssen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es ihnen zuweilen gelang, diesen Schaden bisher durch Preisgestaltungsspielräume gegenüber Haushaltskunden wettzumachen, die bisher nicht weglaufen konnten. Informierte Haushaltskunden, welche die Preisgestaltungsspielräume (http://www.verivox.de) erkennen, wandern nun auch zunehmend ab.
Der Gewinn sank trotz Absatzverluste freilich bisher selten, weil man sich an den Haushaltskunden noch schadlos hielt. Blieb der Gewinn trotz Absatzrückgang konstant, so wurde die Gewinnspanne pro abgesetzter Mengeneinheit entsprechend ausgeweitet. Logisch.
Wenn jedoch die Absatzmenge durch Kundenverluste sinkt, dann steigt in der Regel der Bezugspreis. Wer große Mengen bezieht, zahlt nun einmal günstigere Preise. Die dadurch bedingt höheren Bezugskosten können dazu führen, dass ein Stadtwerk noch mehr Kunden an Wettbewerber verliert....
Im Wettbewerb hat - anders als in der Planwirtschaft - niemand mehr einen gesicherten Absatz, weil die Kunden im Idealfall immer zum günstigsten Anbieter mit vergleichbaren Konditionen gehen, insbesondere bei einem austauschbaren Gut wie Gas. Versteht sich von selbst, dass die Konzerne oft genug auf der Matte stehen, um die leitungsgemessenen Großkunden der Stadtwerke \"abzuholen\".
======
Fallstudie Stadtwerke K. (Niederrhein)
Geschäftsjahr 2004; 2005; 2006; 2007; 2008
Umsatzerlöse Gas [TEUR] 28.694; 33.326; 35.672; 29.664; 32.818
Gasabsatzmenge [Mio kWh] 942; 903; 841;799;751
Der Absatzverlust betrug jeweils gegenüber dem vorhergehenden Geschäftsjahr
2005 39 Mio kWh
2006 62 Mio kWh
2007 42 Mio kWh
2008 48 Mio kWh
2005 – 2008 191 Mio. kWh bzw. 20,28 Prozent.
Der Jahresverbrauch für ein Einfamilienhaus liegt durchschnittlich bei 20.000 kWh.
Die Preispolitik der Stadtwerke war zu keinem Zeitpunkt auf Neukundengewinnung gerichtet. Der Absatzrückgang entspricht dem Verlust von 9.550 Haushaltskunden mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 20.000 kWh.
Teilt man die in den Jahresabschlüssen (http://www.ebundesanzeiger.de) für die Jahre 2004 bis 2008 ausgewiesenen Umsatzerlöse Gas durch die ausgewiesenen Gasabsatzmengen, ergeben sich die Durchschnittserlöse Gas in den einzelnen Geschäftsjahren, mithin, was ein Kunde in den einzelnen Geschäftsjahren durchschnittlich für Gaslieferungen pro Mengeneinheit zu zahlen hatte (mengengewichtete, spezifische Gasbezuigskosten).
Es handelt sich um eine recht einfache mathematische Problemstellung der Division.
Als Ergebnis dieser Rechenoperation ergeben sich folgende Durchschnittserlöse in den einzelnen Geschäftsjahren, ausgewiesen in Ct/ kWh sowie die Veränderungen gegenüber dem Vorjahr:
2004 3,05 Ct/ kWh
2005 3,69 Ct/ kWh, DELTA + 0,64 Ct/ kWh
2006 4,24 Ct/ kWh, DELTA + 0,55 Ct/ kWh
2007 3,71 Ct/ kWh, DELTA - 0,53 Ct/ kWh
2008 4,37 Ct/ kWh, DELTA + 0,66 Ct/ kWh
2004 – 2008 DELTA + 1,32 Ct/ kWh
Ganz anders ein Haushaltskunde dieser Stadtwerke:
Dem betroffenen Haushaltskunden (kein zwischenzeitlicher Tarifwechsel) wurde für dessen Gasbezug in den einzelnen Jahren jeweils vom 01.01. bis zum 31.12. nachfolgend genannte Gaskosten (netto, ohne Mehrwertsteuer) zur Abrechnung gestellt, jeweils für nachfolgend genannte Gasmengen:
2004 1.436,53 € für 38.339 kWh
2005 1.396,71 € für 31.795 kWh
2006 1.544,43 € für 30.016 kWh
2007 1.474,39 € für 28.511 kWh
2008 1.605,22 € für 29.423 kWh
Teilt man die dem betroffenen Haushaltskunden abverlangten Gaskosten durch die Gasbezugsmengen, ergeben sich für diesen folgende durchschnittlichen (mengengewichteten spezifischen) Gasbezugskosten in den einzelnen Geschäftsjahren sowie die Veränderungen gegenüber dem Vorjahr:
2004 3,75 Ct/ kWh
2005 4,39 Ct/ kWh, DELTA + 0,64 Ct/ kWh
2006 5,15 Ct/ kWh, DELTA + 0,76 Ct/ kWh
2007 5,17 Ct/ kWh, DELTA + 0,02 Ct/ kWh
2008 5,46 Ct/ kWh, DELTA + 0,29 Ct/ kWh
2004 – 2008 DELTA +1,71 Ct/ kWh
Die Stadtwerke hatten die Arbeitspreise für Haushaltskunden wie folgt einseitig geändert:
Vom 01.01.03 bis zum 31.12.04 keine Änderung.
HEL-bedingte Bezugkostensenkungen, die es in dieser Zeit - wie andernorts - wohl um 0,20 Ct/ kWh gegeben haben muss, wurden jedenfalls nicht an Haushaltskunden weitergegeben.
01.01.2005 + 0,47 Ct/ kWh netto
01.10.2005 + 0,42 Ct/ kWh netto
01.01.2006 + 0,39 Ct/ kWh netto
01.10.2006 + 0,25 Ct/ kWh netto
01.01.2007 - 0,17 Ct/ kWh netto
01.08.2008 + 0,70 Ct/ kWh netto
Die spezifischen Gasbezugskosten des betroffenen Haushaltskunden sind mithin in dem Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2008 gegenüber der davor liegenden Basisperiode vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2004 um 1,71 Ct/ kWh gestiegen.
Wenn die WIBERA demgegenüber tatsächlich ermittelt haben will, dass die Stadtwerke die tariflichen Abgabepreise im Betrachtungszeitraum vom 01.01.05 bis zum 31.12.2008 gegenüber der davorliegenden Basisperiode um 1,2320 Ct/ kWh erhöht hat, dann muss diese entweder falsche Daten zu Grunde gelegt haben oder methodisch falsch vorgegangen sein.
Selbst nach dem einem bestrittenen Vortrag hatten die Stadtwerke im Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2008 gegenüber der davor liegenden Basisperiode nur einen spezifischen Bezugskostenanstieg um 1,34 Ct/ kWh zu verzeichnen.
Der spezifische Bezugskostenanstieg des betroffenen Haushaltskunden liegt deutlich über dem behaupteten spezifischen Bezugskostenanstieg der Stadtwerke.
Die Preisgestaltung der Stadtwerke erweist sich damit gegenüber dem betroffenen Haushaltskunden und mit diesem vergleichbaren Kunden als unbillig. Die Stadtwerke haben ihren in die Preise einkalkulierten Gewinnanteil unter Verletzung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses nachhaltig erhöht.
Näheren Aufschluss gibt die Betrachtung der Entwicklung der spezifischen Gasbezugskosten aller Gaskunden der Stadtwerke mit den spezifischen Gasbezugskosten des betroffenen Haushaltskunden in den einzelnen Geschäftsjahren, die sich wie folgt ergeben:
Jahr Kosten Kleinkunde ./. Kosten aller Kunden = Abweichung
2004 3,75 Ct/ kWh ./. 3,05 Ct/ kWh = 0,70 Ct/ kWh
2005 4,39 Ct/ kWh ./. 3,69 Ct/ kWh = 0,70 Ct/ kWh
2006 5,15 Ct/ kWh ./. 4,24 Ct/ kWh = 0,90 Ct/ kWh
2007 5,17 Ct/ kWh ./. 3,71 Ct/ kWh = 1,46 Ct/ kWh
2008 5,46 Ct/ kWh ./. 4,37 Ct/ kWh = 1,09 Ct/ kWh
Nach alldem ergibt sich Folgendes:
Die Stadtwerke haben im Jahre 2006 gegenüber allen Kleinkunden wie dem betroffenen Haushaltskunden die spezifischen Gaskosten um 0,20 Ct/ kWh stärker erhöht als im Durchschnitt über alle ihre Kunden.
Die Stadtwerke haben mithin andere Kunden weit weniger stark belastet.
Die Stadtwerke haben im Jahr 2007 im Durchschnitt über alle ihre Kunden die spezifischen Gasbezugskosten um 0,53 Ct/ kWh abgesenkt.
Kunden, die zu den von den Stadtwerken einseitig festgesetzten und von dieser öffentlich bekannt gemachten Gasentgelten beliefert werden, hatten hingegen überhaupt keine Entlastung im Jahre 2007, sondern wurden sogar leicht stärker belastet als noch im Jahre 2006.
Aus einem Schreiben der Stadtwerke an einen Haushaltskunden ergibt sich, dass die Stadtwerke für das Geschäftsjahr 2005 für Haushaltskunden wie den Betroffenen eine Gasmenge von 450 Mio. kWh auf dem Markt beschafft haben wollen.
Hieraus kann gefolgert werden, dass von der Gasabsatzmenge der Stadtwerke im Geschäftsjahr 2005 im Umfange von insgesamt 942 Mio. kWh weniger als die Hälfte an Haushaltskunden wie den Betroffenen abgesetzt wurde.
Wurde dieses Verhältnis beibehalten und entlasteten die Stadtwerke im Jahre 2007 ihre gesamten Kunden durchschnittlich um 0,53 Ct/ kWh, die Haushaltskunden wie den Betroffenen jedoch überhaupt nicht, so muss eine andere Kundengruppe der Stadtwerke im Jahre 2007 bei den spezifischen Gasbezugskosten deutlich über 1,00 Ct/ kWh entlastet worden sein.
Den Stadtwerken war es folglich jedenfalls möglich, im Jahre 2007 die Gaspreise auch gegenüber dem betroffenen Haushaltskunden weit stärker abzusenken als um 0,17 Ct/ kWh (netto) zum 01.01.2007. Gaskunden wie der betroffene Haushaltskunde wurden gegenüber dem Durchschnitt über alle Kunden im Jahre 2007 mithin um mehr als 0,76 Ct/ kWh benachteiligt, wie sich aus der obigen Aufstellung ergibt:
Jahr, Kosten des betroffenen Kunden ./. Kosten aller Kunden = Abweichung
2004 3,75 Ct/ kWh ./. 3,05 Ct/ kWh = 0,70 Ct/ kWh
2005 4,39 Ct/ kWh ./. 3,69 Ct/ kWh = 0,70 Ct/ kWh
2006 5,15 Ct/ kWh ./. 4,24 Ct/ kWh = 0,90 Ct/ kWh
2007 5,17 Ct/ kWh ./. 3,71 Ct/ kWh = 1,46 Ct/ kWh
2008 5,46 Ct/ kWh ./. 4,37 Ct/ kWh = 1,09 Ct/ kWh
Die Stadtwerke nahmen gegenüber dem betroffenen Haushaltskunden bei der leitungsgebundenen Versorgung mit Gas bei Vertragsabschluss und im streitgegenständlichen Zeitraum eine Monopolstellung ein, da sie keinen weiteren Gaslieferanten ihr Versorgungsnetz für die Belieferung von Letztverbrauchern wie dem Betroffenen zur Verfügung stellte (vgl. BGH KZR 21/06 Rn. 6, VIII ZR 320/07 Rn. 35, VIII ZR 81/08 Rn. 22, VIII ZR 304/08 Rn. 39).
Die Stadtwerke hatten und haben in allen Geschäftsjahren eine marktbeherrschende Stellung bei der Belieferung von Haushaltskunden wie dem Betroffenen in dem durch ihr Niederdruckverteilnetz räumlich beschränkten Markt, weil sie auf diesem zu jeder Zeit einen Marktanteil von deutlich über einem Drittel hatte.
Die Stadtwerke haben diese marktbeherrschende Stellung durch eine unzulässige Preisspaltungspolitik, bei welcher sie die Gaspreise einzelner Kundengruppen deutlich gegenläufig bestimmte, zu Lasten aller Haushaltskunden, auch gegenüber dem Betroffenen missbräuchlich ausgenutzt. Ihre Preisbestimmungen erweisen sich deshalb als kartellrechtswidrig und unwirksam (BGH, Urt. v. 23.06.2010 KZR 21/08].
Sie können somit auch nicht mehr im Rahmen der Billigkeit liegen (BGH, Urt. v. 29.04.2008 KZR 2/07 Rn. 15).
Ein Marktpreis für leitungsgebundenes Gas für Endverbraucher wie den Beklagten hat sich mangels wirksamen Wettbewerbs nach wie vor nicht über Angebot und Nachfrage herausgebildet (BGH Urt. v. 24.03.2010 VIII ZR 304/08 Rn. 39).
Obschon der Gasabsatz der Stadtwerke von 2004 auf 2008 wie vorgetragen um über 20 Prozent gesunken war, ist der Gewinn aus der Gasversorgung nicht entsprechend gesunken.
Die Stadtwerke haben deshalb offensichtlich – in Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung - ihren Gewinnanteil pro abgesetzter Mengeneinheit [Ct/ kWh] zu Lasten der Letztverbraucher und insbesondere des betroffenen Haushaltskunden zwischenzeitlich erhöht.
Jene Stadtwerke hatten zudem behauptet, eine Entwicklung von Gasvertriebskosten (ohne Gasbezug) in den Jahren 2004 bis 2008, weshalb ein behaupteter Anstieg der spezifischen Gasbezugskosten nicht ausgeglichen werden konnte:
2004 227.892,44 €
2005 234.197,63 €
2006 265.558,26 €
2007 261.558,66 €
2008 423.203,92 €
Es sind wahrlich zwei Stellen nach dem Komma und mithin Angaben bis auf den letzten Cent gemacht worden, was darauf schließen lässt, dass jede verklebte Briefmarke spitz abgerechnet wurde.
Gemessen an den Gasabsatzmengen betrugen dies spezifischen Gasvertriebskosten indes nur zwischen 0,02 Ct/ kWh und 0,06 Ct/ kWh.
Merkwürdig ist der Anstieg der behaupteten Gasvertriebskosten bei stets rückläufigen Gasabsatzmengen.
Die genannten Daten sind kaum zu glauben.
Aus den veröffentlichten Jahresabschlüssen (http://www.ebundesanzeiger.de) ergeben sich indes allein gezahlte Konzessionsabgaben wie folgt:
im Geschäftsjahr 2005 1,154 Mio. €
im Geschäftsjahr 2006 1,141 Mio. €
im Geschäftsjahr 2007 1,032 Mio. €
im Geschäftsjahr 2008 1,094 Mio. €
In einer Verbrauchsabrechnung vom 15.01.2009 für den Zeitraum 01.01.2008 bis 31.12.2008 weisen die Stadtwerke auf Seite 2 gegenüber dem betroffenen Haushaltskunden erstmals einen „Anteil Netznutzung“ in Höhe von 327,31 € aus.
Bei dem dabei zur Abrechnung gestellten Verbrauch in Höhe von 29.423 kWh ergibt sich ein Anteil Netznutzung in Höhe von 1,112429 Ct/ kWh (netto) ( = 32.731 Ct / 29.423 kWh).
Der Anteil Netznutzung betrifft sowohl den Grundpreis als auch den Arbeitspreis.
Um das rechnerisch nachzuvollziehen, muss man nicht erfolgreich an Mathematik- Olympiaden teilgenommen haben. Grundschulwissen reicht fast aus.
Die Stadtwerke haben nicht vorgetragen, wie sich die Netzkosten, die einen ganz erheblichen Anteil an den Gaskosten des betroffenen Haushaltskunden haben, und die weiteren preisbildenden Faktoren des Grund- und Arbeitspreises sich zwischenzeitlich entwickelt hatten, so dass eine Billigkeitskontrolle i. Ü. nicht erfolgen kann.
RR-E-ft:
Die Seminare bei der Gaswirtschaft haben wohl doch etwas bewirkt.
--- Zitat ---BGH Urt. v. 24.03.2010 VIII ZR 304/08 Rn. 45:
Auch wenn damit insgesamt achtundneunzig Prozent der Gesamtbezugskosten der Beklagten an die Preisentwicklung für leichtes Heizöl anknüpfen und die restlichen zwei Prozent an die - wohl einem ähnlichen Trend unterliegenden - Kosten für schweres Heizöl, ist damit nicht gesichert, dass die Ölpreisbindung, der die Beklagte gegenüber ihren Vorlieferanten unterliegt, ihrer Art und ihrem Umfang nach im Wesentlichen der von der Beklagten gegenüber ihren Endkunden praktizierten HEL-Bindung entspricht.
Denn es ist offen, ob die Vorlieferanten der Beklagten bei ihrer Preisbestimmung dieselben oder jedenfalls vergleichbare örtliche Notierungen als Referenzgröße (einschließlich der Verbrauchssteuern) heranziehen, ob sie neben dem HEL-Parameter zusätzliche Bemessungsfaktoren vorsehen, ob sie einen ähnlichen Äquivalenzfaktor wie die Beklagte ansetzen und ob sie dieselben Berechnungszeiträume zugrunde legen. Es ist gerichtsbekannt (§ 291 ZPO), dass in der Praxis vielfältige Ausgestaltungen einer HEL-Preisbindung existieren. Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen zu den Einzelheiten der Preisbildung der Vorlieferanten zeigt die Revision nicht auf.
--- Ende Zitat ---
Exakt diese Frage würde sich wohl auch stellen, wenn man dazu käme, dass HEL- Formeln zwischen Gasversorger und dessen Vorlieferanten bzw. Vorlieferanten und Vor-Vorlieferanten formularmäßig vereinbart wurden, mithin kontrollfähige AGB darstellen. Immerhin hieß es bisher solche Klauseln seien Standard, was wohl eine Standardisierung im Gaspreis- Kartell voraussetzte.
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