Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Wann lohnt eine Klage und wann nicht?
Gas-Rebell:
Gasverbraucher, die davon ausgehen, dass die in ihren Sonderverträgen enthaltenen Preisgleitklauseln unwirksam sind und ihnen deshalb nach § 812 BGB Rückforderungsansprüche gegen ihren Versorger zustehen, stehen nach Ablehnung ihres Rückforderungsverlangens durch den Versorger vor der Frage, ob sie nun Rückforderungsklage erheben sollen oder nicht.
Bei der Abwägung spielt sicher nicht nur die Frage der Wahrscheinlichkeit des Obsiegens eine Rolle. Kann es für Sondervertragskunden nicht manchmal (auch im Fall des wahrscheinlichen Obsiegens und selbst unter dem Aspekt des Verjährenlassens eigener Forderungen) sinnvoll sein, nicht selbst Klage zu erheben, sondern einfach abzuwarten, ob der Versorger seine geltend gemachten Nachzahlungsforderungen einklagt?
Zur Verdeutlichung sei folgender Fall angenommen:
Ein Gas-Sondervertragskunde mit Vertragsbeginn 1995 hat seit 2005 Preisänderungen seines Versorgers widersprochen, anfangs nach § 315 BGB (Unbilligkeit) und seit 2007 auch aus § 307 BGB (fehlendes Preisanpassungsrecht, unwirksame Preisgleitklausel).
Zudem sei angenommen, dass der Verbraucher zwischen 2005 und 2009 Zahlungskürzungen i.H.v. von insgesamt 3500 Euro vorgenommen hat, die vom Versorger als rückständig eingefordert werden, was der Sondervertragskunde jedoch ablehnt. Statt dessen hat er auf der Basis der Anfangspreise seines Vertrages aus 1995 zunächst (unter Vorbehalt weiterer Forderungen) für die letzten 3 Jahre (also einschließlich der Jahresrechnung 2006; für Zeiten davor geht er von möglicher Verjährung aus) unter Verrechnung mit Überzahlungen der Vergangenheit gemäß § 812 BGB einen eigenen Rest-Rückzahlungsanspruch i.H.v. 1000 Euro gegenüber den Versorger geltend gemacht, dessen Erfüllung dieser jedoch fristversäumend abgelehnt hat.
Und schließlich sei auch noch angenommen, dass der Sondervertragskunde zwar davon ausgeht, dass er bei einer Klage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegen würde, gleichwohl aber auch Aufwand und Ertrag einer Klage in vernünftigem Verhältnis zueinander sehen möchte.
Vor diesem Hintergrund könnten unserem Beispielskunden nun folgende Erwägungen durch den Kopf gehen:
a) „Wenn ich selbst klage, habe ich, falls ich vor Ort keinen geeigneten Anwalt mit Spezialisierung auf Energierecht finde, die Mehrkosten (Reise etc.) eines auswärtigen Anwalts jedenfalls selbst zu tragen. Bei z.B. 300-400 Euro würden mir von der Rückforderungssumme damit schon erstinstanzlich nur noch 700-600 Euro bleiben, bei Beschreiten des weiteren Instanzenweges sogar u.U. gar nichts mehr (wenn ich nicht sogar noch draufzahle).“
b) „Zudem würde die Klage hinsichtlich Vorbereitung und Terminswahrnehmung für mich einen nicht unerheblichen Zeitaufwand bedeuten, der sich im weiteren Instanzenweg durchaus sogar zu mehreren Arbeitstagen aufsummieren könnte.“
c) „Verzichte ich vor diesem Hintergrund darauf, selbst zu klagen, würden mit dem Jahreswechsel 2009/2010 allerdings meine Ansprüche aus 2006 (u.s.w.) regelverjähren, sodass auch meine durchsetzbare Rückzahlungsforderung immer kleiner werden und sich schließlich bis auf Null reduzieren würde.\"
d) \"Unter dem Strich hätte ich mir allerdings erheblichen Aufwand gespart. Und im Klagefall wegen der Anwaltsmehrkosten auch nur relativ wenig gewonnen. Wäre es da für mich nicht besser, nicht selbst zu klagen, sondern einfach abzuwarten, ob mein Versorger mich verklagt?“
Was wäre diesem Verbraucher vernünftigerweise und unabhängig von anwaltlichen Eigeninteressen zu raten?
berghaus:
--- Zitat ---Zudem sei angenommen, dass der Verbraucher zwischen 2005 und 2009 Zahlungskürzungen i.H.v. von insgesamt 3500 Euro vorgenommen hat, die vom Versorger als rückständig eingefordert werden, was der Sondervertragskunde jedoch ablehnt. Statt dessen hat er auf der Basis der Anfangspreise seines Vertrages aus 1995 zunächst (unter Vorbehalt weiterer Forderungen) für die letzten 3 Jahre (also einschließlich der Jahresrechnung 2006; für Zeiten davor geht er von möglicher Verjährung aus) unter Verrechnung mit Überzahlungen der Vergangenheit gemäß § 812 BGB einen eigenen Rest-Rückzahlungsanspruch i.H.v. 1000 Euro gegenüber den Versorger geltend gemacht, dessen Erfüllung dieser jedoch fristversäumend abgelehnt hat.
--- Ende Zitat ---
Zunächst zur Klarstellung:
Verrechen- oder Aufrechenbares entsteht ja nur, wenn ich nicht nur die überhöhten Forderungen der Jahresrechnung, sondern darüber hinaus von dem, was dem Versorgerer aufgrund des Preises von 1995 zusteht, noch mehr einbehalten habe.
Am meisten Verrechenbares, aber nicht genug, entsteht ja durch gar nichts mehr zahlen.(Hiervon wird im Forum jedoch meist abgeraten.)
Nun meine Wunschvorstellung:
Ich schreibe dem Versorger noch vor dem Verjährungsjahresende, daß ich von den ihm für 2009, 2008 und 2007 nach dem Vertrag von 1995 zustehenden Beträgen von mir einbehaltene 900 EUR ausdrücklich mit meinen Rückforderungen von 900 EUR aus der Jahresrechnung 2006 verrechne (oder mit diesen aufrechne) in der Hoffnung, dass ich der Verjährung der 900 EUR am Jahresende 2009 ein Schnippchen geschlagen haben werde.
Wenn ich dann irgendwann verklagt werde und Recht bekomme, dass der Preis von 1995 noch gilt, will ich sagen können: \"Das,was dir, Versorger, danach für 2007 - 2009 eigentlich noch zusteht, ist weg, weil ich es schon 2009 mit meinen Rückforderungen aus 2006 verrechnet habe.\"
Wo ist da der juristische Denkfehler?
berghaus 11.11.09
Gas-Rebell:
@ berghaus
M.E. wird da zunächst einmal zu klären sein, ob ein vertragliches Aufrechungsverbot besteht, z.B. aufgrund einer entsprechenden Klausel in wirksam einbezogenen AGB. Wenn ja, dürfte Ihre Strategie nicht aufgehen.
Allerdings könnten Sie vom Versorger erst einmal fordern, die aufgrund einer unwirksamen Preisanpassungsklausel bisher falschen Jahresrechnungen durch korrekte zu ersetzen. Bis dahin sollten Sie dann in Bezug auf die geforderten Beträge ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen können. Reblaus hat mehrfach auf diese Möglichkeit hingewiesen.
berghaus:
@Gas-Rebell
ich gehe mal davon aus, dass in diesem (fiktiven) Fall, ein vertragliches Aufrechnungsverbot nicht besteht.
--- Zitat ---Allerdings könnten Sie vom Versorger erst einmal fordern, die aufgrund einer unwirksamen Preisanpassungsklausel bisher falschen Jahresrechnungen durch korrekte zu ersetzen
--- Ende Zitat ---
Ich verstehe das zunächst so, dass man von dem, was man dem Versorger nach dem Vertrag von 1995 zahlen muss und möchte, nur dann etwas zurückbehalten darf, wenn keine vertragsgemäßen Rechnungen vorliegen.
Verstehe ich das auch richtig, dass deshalb die Beträge der falschen Rechnungen nicht fällig geworden sind und deshalb die Überzahlungen nicht verjähren konnten?
Und wenn das so ist, verjähren dann Ende 2009 die Rückforderungen ab 2006 (3 Jahre) noch nicht oder die ab 1999 (10 Jahre) oder gar die ab 1996 (1. Jahresrechnung) nicht?
Wenn aber die Verjährung durch die Nichtfälligkeit nicht gehemmt wird, hätte ich gerne eine Antwort auf meine Frage, ob die (zulässige) Aufrechnung bewirkt, dass der Versorger die ihm zustehenden Einbehaltungsbeträge der Jahre 2007 bis 2009 nicht mehr bekommen kann, weil sie mit dem Rückforderungsbetrag aus 2006, der Ende 2009 in die Verjährung rutschen würde, ausdrücklich aufgerechnet worden ist.
berghaus 12.11.09
Gas-Rebell:
@ berghaus
Als Nichtjurist kann ich zu Ihren weitergehenden Fragen lediglich Vermutungen äußern. Deshalb verweise ich lieber auf das fachmännische Urteil von reblaus & Co., der/die hiermit gern zur Stellungsnahme aufgefordert sind.
Wobei mir zum Thema Aufrechnung auch noch eine ergänzende Frage an unsere Experten einfällt:
Ist es zur Aufrechnung notwendig, genau zu definieren, mit welchen Forderungen in welcher Höhe aus welchen Jahren man aufrechnet oder genügt es, beispielsweise zu erklären: \"Die Ihnen nach Maßgabe der vereinbarten Anfangspreise meines Sondervertrages noch zustehenden und bisher von mir nicht bezahlten Rechnungsbeträge verrechne ich mit meinen rechtsgrundlosen Überzahlungen der Vergangenheit. Zu den jeweiligen Beträgen und dem sich ergebenden Restsaldo verweise ich auf die beiliegende Aufstellung.\"?
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