Verschiedene Prozesse haben ergeben, dass diejenigen Kunden, die zum Sonderpreis S1 beliefert wurden, Sondervertragskunden der EWE sind.
Aus entsprechenden Veröffentlichungen der EWE ergibt sich, dass der Sonderpreis S1 ausdrücklich kein Allgemeiner Tarif im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes war (so auch OLG Oldenburg, Urt. v. 05.09.08].
Anders verhält es sich bei den Kunden, die bis zum 01.09.2004 in den Allgemeinen Tarifen Kleinverbrauchstarif K und Grundpreistarif G beliefert wurden.
Jene Allgemeinen Tarife wurden von EWE zum 01.09.2004 zu einem einheitlichen Basistarif BT zusammengefasst. Nur diejenigen Kunden, die zum Basistarif beliefert werden, sind Tarifkunden der EWE, denen gegenüber dem Unternehmen ein gesetzliches Preisänderungsrecht zusteht, auf welches im Falle des Widerspruchs der Kunden § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet.
Alle anderen Kunden sind Sondervertragskunden. Diesen gegenüber besteht ein Preisänderungsrecht regelmäßig nur, wenn bei Vertragsabschluss das gesetzliche Preisänderungsrecht über AGB in den Vertrag einebzogen wurde. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Kunde vor Vertragsabschluss entsprchende AGB kannte und sich bei Vertragsabschluss mit der Einbeziehung einverstanden erklärt hatte, § 305 BGB. Dafür müssen vor Vertragsabschluss auch der Text der AVBGasV übergeben worden sein (vgl. LG Gera, Urt. v. 07.11.08].
Nur in diesem Fall findet auch bei jenen Kunden eine Billigkeitskontrolle statt.
Am Landgericht Franfurt/ Oder ist ein Prozess anhängig, bei dem ein gerichtliches Sachverständigengutachten die Billigkeit der einzelnen Gaspreisneufestsetzungen der EWE seit 01.09.2004 klären soll. EWE wurde vom Gericht aufgefordert, dem gerichtlich bestellten Gutachter Zahlenwerk für die Zeit vom 01.01.2003 bis zum 01.11.2008 zur Verfügung zu stellen. Dies will das Unternehmen auch getan haben. Die Prüfung dauert an.
In den bisherigen Verfahren wurde EWE unjmittelbar oder mittelbar von Freshfields Bruckhaus Deringer vertreten. Offensichtlich hat das Unternehmen nun für die Zahlungsklagen \"die Pferde gewechselt\" und lässt sich von Clifford Chance vertreten.
Das Urteil des OLG Oldenburg vom 05.09.2008 befindet sich vor dem Bundesgerichtshof in der Revision.
Es steht eine Rückverweiung an das Berufungsgericht (OLG Oldenburg) zu erwarten, bei dem wohl erst noch geklärt werden muss, ob § 4 AVBGasV etwaig als Allgemeine Geschäftsbedingung die einzeln betroffenen Verträge gem. § 305 II BGB wirksam einbezogen wurde und wo dies der Fall sein sollte, ob die einzelnen Gaspreisneufestsetzungen der Billigkeit entsprachen, was ggf. wohl eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens bedürfen wird.
Sollte das gesetzliche Preisänderungsrecht nicht als AGB wirksam in die betroffenen Verträge einbezogen worden sein, oder sollte die Billigkeit der einzelnen Preisänderungen nicht nachgewiesen werden können, wird es bei der Entscheidung des OLG Oldenburg verbleiben.
EWE ist in den Verfahren mit Clifford Chance gut aufgestellt, weshalb man sich als betroffener Kunde durch einen spezialisierten Anwalt vertreten lassen sollte. Vornehmlich sollte man dabei Kollegen wählen, die bereits entsprechende Verfahren vor den Landgerichten Oldenburg, Aurich und Hannover in Sachen EWE geführt haben.
Auf Zahlung verklagte Kunden müssen bestreiten, dass die zur Abrechnung gestellten Preise bei Vertragsabschluss oder später von den Parteien vereinbart wurden, EWE im konkreten Vertragsverhältnis das Recht hat, die Gaspreise einseitig festzusetzen, die einseitig bestimmten Gaspreise und Gaspreisneufestsetzungen jeweils der Billigkeit entsprechen, sowie
alle Tatsachenbehauptungen, die zur Darlegung der Billigkeit angeführt werden. Insbesondere der Inhalt von WP- Bescheinigungen und von Vorlieferantenbestätigungen muss als inhaltlich falsch bestritten werden, wobei Bestreiten mit Nichtwissen genügt (BGH VIII ZR 314/07). Sondervertragskunden müssen insbesondere darlegen, dass sie nicht in der Grundversorgung beliefert werden. Es muss dargelegt werden, warum Preisvergleiche nicht als Billigkeitsnachweis taugen.
Zweifelhaft ist, ob eine Preisänderungsklausel in den
AGB der EWE der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhalten kann, weil es an einer Regelung entsprechend § 5 Abs. 3 GVV wohl fehlt. Die Frage der Inhaltskontrolle stellt sich jedoch erst, wenn klar ist, dass jene AGB gem. § 305 II BGB wirksam in das betroffene Vertragsverhältnis einbezogen wurden, was eine entsprechende Einverständniserklärung des Kunden voraussetzt.
Siehe auch hier.