Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Preiserhöhungen trotz unwirksamer Preisanpassungsklausel – kann das einen Betrugsverdacht begründen?

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Christian Guhl:

--- Zitat ---Original von reblaus
Wenn die Behauptung der Rechtmäßigkeit einer Klausel, die tatsächlich rechtswidrig ist, einen Betrug darstellen würde, müsste jeder Rechtsanwalt, der einen Versorger in einem Verfahren vor Gericht vertritt, und diese Ansicht äußert, mit einem Strafverfahren rechnen.
--- Ende Zitat ---
Nicht der Rechtsanwalt hat den Betrug begangen, sondern derjenige (Versorger), der die Klausel, von der er weiß (oder wissen müsste) das sie ungültig ist, benutzt hat, um die Preise zu erhöhen. Es kann sich heute kein Versorger damit herausreden, er konnte nicht ahnen, dass die Klausel gegen §307 verstößt. Wenn dann diese Klausel (die z.B. keine Verpflichtung zur Preisabsenkung bei rückläufigen Kosten enthält) trotzdem munter weiter verwendet wird und dem Kunden vorgetäuscht wird, man hätte ein wirksames Preisänderungsrecht, ist das Absicht, um den Kunden zu schädigen. Einerseits wird dem Kunden unterstellt, das er schlauer als die Rechtsabteilung des Versorgers sein muss, um eine Verjährung der Rückerstattungsansprüche zu verhindern, andererseits dürfen die juristischen Profis die Ahnungslosen spielen.

reblaus:
Es ist eine Rechtsfrage, ob eine Vertragsklausel unwirksam ist. Darüber darf soviel Unsinn verbreitet werden, wie man will. Etwas anderes wäre es, wenn der Versorger vorspiegelt, es sei ein schriftlicher Vertrag mit einer wirksamen Klausel abgeschlossen worden, und dem tatsächlich nicht so ist.

Vor Gericht darf gelogen werden, dass sich die Balken biegen, wenn man durch die Lüge keinen finanziellen Vorteil erlangt. Ein Betrug vor Gericht nennt sich Prozessbetrug.

nomos:

--- Zitat ---Original von reblaus
......
Vor Gericht darf gelogen werden, dass sich die Balken biegen, wenn man durch die Lüge keinen finanziellen Vorteil erlangt. ...
--- Ende Zitat ---
Also, das sollten Sie genauer begründen.

Wenn z.B. ein Zeuge vor Gericht die Hucke volllügt, ist das durchaus eine Angelegenheit für den Staatsanwalt:


StGB § 153
Falsche uneidliche Aussage
Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.


§ 154 Meineid
(1) Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch schwört, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.


u.a. ZPO §§ : 391, 410, 452 ,138


[/list]

Kampfzwerg:
So ganz neu sind Gedanken zu diesem Thema nicht.;)

Auch die hier diskutierten Aspekte erinnerten mich oftmals, sorry, an \"alten Wein in neuen Schläuchen\"
Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen

Aber jetzt freue ich mich ehrlich, dass derartige Überlegungen, Danke @courage, 2 Jahre später und sowohl unter den Gesichtspunkten sich entwickelnder Rechtsprechung als auch durch den Blickwinkel neuer Diskutanten, wieder aufgegriffen werden.:]
Und, in Anlehnung an den Beitrag von Christian Guhl, entschuldigt, wenn ich nur einen Teil in diesen Thread kopiere und nicht neu formuliere. Aber ich denke, falls man sich die Mühe macht die alten Threads kurz nachzulesen, erschliesst sich der Zusammenhang recht schnell.
siehe also beispielhaft hier:
Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung

Was passiert, wenn...


--- Zitat ---Original von kampfzwerg vom 20.01.2007
Hypothese:
1. Man ist in einen bestehenden S-Vertrag mit Sonderpreisen, ursprünglich vom Versorger mit einem Bauträger in grauer Vorzeit, vor der Schuldrechtreform 2002, abgeschlossen, eingetreten.
Die Möglichkeit einer individuellen Vereinbarung bestand also nicht.
Lt. Urteil OLG Karlruhe vom 28.06.06 ist § 315 anzuwenden.
Der Widerspruch mit 315 wurde 2004 eingereicht.

und

2. Die Preisänderungsklauseln sind gemäß § 307 unwirksam.

3. Der Versorger lässt den Kunden zusätzlich nach Einwand von § 315 i.J. 2004, z.B. 2 Jahre nicht nur in dem Glauben Tarifkunde zu sein, sondern gibt auch noch fahrlässig Falschinformationen, die diesen Glauben stärken:
Er machte sich nicht die Mühe das bestehende Vertragsverhältnis vor seiner Antwort mittels Textbausteinen zu prüfen.

4. Wie weit könnte man also mit einer Rückforderung zurückgehen?

5. In welcher Höhe und für welchen Zeitraum liesse sich Schadenersatz zzgl. geltend machen?

3J. sind nach der regelmäßigen Verjährungsfrist (nach der Schuldrechtsreform 2002) normal.
Ausnahmen bestätigen aber die Regel, wie das OLG Karlsruhe zu SV-Kunden und § 315 ausführte.

Falls daher fahrlässige Täuschung und eine Verletzung der Sorgfaltspflicht durch den Versorger seit 2004, immerhin 2 J. lang, vorläge?


§ 812 BGB regelt den Herausgabeanspruch aus ungerechtferigter Bereicherung.
Dies ist bei erfolgter Leistung auf ohne rechtlichen Grund gestellte Forderungen der Fall.
(gem. § 307 unwirksame Preisänderungsklauseln, unwirksame Einbeziehung der AGB in den SV-Vertrag)
Ergo Anspruch auf Rückzahlung.

Hinzu käme m.E.
§ 823 "Schadensersatzpflicht" wegen Vorsatz oder Fahrlässigkeit
und ggf.
§ 819 BGB "Verschärfte Haftung bei Kenntnis und bei Gesetzes -oder Sittenverstoß":
(1) Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre.

--- Ende Zitat ---



--- Zitat ---Original von Kampfzwerg vom 03.04.2007
Interessant ist allerdings die aufgestellte Denk-Aufgabe/Konstellation in Bezug auf den Zeitraum vor meiner Kürzung.
Der Versorger kann sich wohl kaum damit herausreden, dass er keine Kenntnis des Sondervertrags hatte.
Also bleibt nur die Nicht-Kenntnis der Unwirksamkeit der von ihm verwendeten Preisänderungsklauseln.
Diese Unwirksamkeit wiederum hätten ihm nach Veröffentlichung entsprechender Urteile des BGH bekannt sein müssen.

Die Frage ist, ob ich dann wirklich in der Pflicht wäre ihm die Kenntnis der Urteile nachzuweisen?
Wer von uns hat denn eine konzerneigene Rechtsabteilung?
Abgebucht hat er deswegen, weil er mit der Unkenntnis seiner Kunden kalkuliert. Wohingegen ich nach Treu und Glauben abbuchen ließ.

Das enthebt ihn wiederum aber nicht der Rückzahlung aufgrund ungerechtferigter Bereicherung, falls den Kunden das irgendwann einmal auffällt.

--- Ende Zitat ---



--- Zitat ---Original von reblaus Etwas anderes wäre es, wenn der Versorger vorspiegelt, es sei ein schriftlicher Vertrag mit einer wirksamen Klausel abgeschlossen worden, und dem tatsächlich nicht so ist.

--- Ende Zitat ---
Der umgekehrte Fall könnte in der Realität in einem massgeblichen Anteil der Fälle allerdings eher wahrscheinlich sein. Der Versorger behauptet den Vertragsschluss eines Grundversorgungsvertrags, konkludent mittels Gasentnahme, obwohl in der (grauen) Vorzeit ein Sondervertrag geschlossen wurde. Möglicherweise liegt dieser aufgrund des (urzeitlichen Abschluss-)Datums allerdings nicht mehr im Original vor, sondern bestenfalls nur noch auf Mikrofiche ;)

Und, unter Berücksichtigung vorstehender Überlegungen und Erreichung eines finanziellen Vorteils des Versorgers, wären wir im Ergebnis vielleicht genau hier:
 
--- Zitat ---original von reblaus Vor Gericht darf gelogen werden, dass sich die Balken biegen, wenn man durch die Lüge keinen finanziellen Vorteil erlangt. Ein Betrug vor Gericht nennt sich Prozessbetrug.
 
--- Ende Zitat ---

courage:

--- Zitat ---Original von Christian Guhl
... Wenn dann diese Klausel (die z.B. keine Verpflichtung zur Preisabsenkung bei rückläufigen Kosten enthält) trotzdem munter weiter verwendet wird und dem Kunden vorgetäuscht wird, man hätte ein wirksames Preisänderungsrecht, ist das Absicht, um den Kunden zu schädigen. ...
--- Ende Zitat ---

Eines der Tatbestandsmerkmale von Betrug, nämlich die Absicht, wäre damit schon mal geklärt.

Wie sieht es beim Merkmal  \"Vermögensvorteil\" aus? Der Kunde soll zahlen und so das Vermögen zum Vorteil des Versorgers mehren. Der Versorger möchte sich also einen Vermögensvorteil verschaffen. Damit trifft auch dieses Tatbestandsmerkmal zu.

Der Vermögensvorteil muss jedoch \"rechtswidrig\" sein. Da das Zahlungsverlangen des bösgläubigen Versorgers auf einer unwirksamen Preisanpassungsklausel beruht, ist der verschaffte Vermögensvorteil wohl auch rechtswidrig.

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