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Autor Thema: Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?  (Gelesen 181275 mal)

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Offline bolli

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #165 am: 26. August 2009, 14:15:37 »
Zitat
Original von Münsteraner
@ bolli
Bleibt auch die Frage: Wann liegt ein Monopol vor und wann nicht mehr? Ist darauf abzustellen, dass es vielleicht nur 1 Leitungsnetzbetreiber gibt? Oder darauf, dass es z.B. 4 Tarifanbieter gibt, wovon 1 preisgünstiger ist als der aktuelle Anbieter und die anderen teurer?

Dazu hat sich der XI. Senat des BGH schon mal geäußert - Urt. v. 04.03.2008 - KZR 29/06 - siehe auch hier . Danach wäre es wohl die Tatsache, dass es nur einen Leitungsnetzbetreiber hat und hier insoweit ein Monopol bestünde.

Zitat
Denn auch in dieser Konstellation tragen das Leistungsbestimmungsrecht und die damit verbundene Nachprüfungsmöglichkeit gerade dem Umstand Rechnung, dass der Netzbetreiber typischerweise ein Monopol innehat und seine Preisbildung daher, anders als es der VIII. Zivilsenat für den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt angenommen hat, nicht durch den Wettbewerb kontrolliert wird.

Außerdem hat auch die Monopolkommission in ihrem Gutachten von 2009 geäußert:

Zitat
Im wettbewerbsökonomischen Sinne weisen die Marktverhältnisse aktuell nach wie vor keinen funktionsfähigen Wettbewerb auf. Sowohl bei der Belieferung von Gasgroßkunden als auch bei der Belieferung von Gaskleinkunden sind die einzelnen Stadtwerke und endversorgenden Regionalversorger regelmäßig innerhalb ihres zur Versorgung dieser beiden Kundengruppen geeigneten Gasleitungsnetzes marktbeherrschend im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB. Bei der Versorgung von Kleinkunden gibt es häufig sogar gar keinen Wettbewerb, wie im Weiteren noch ausgeführt wird.

Zum Bericht der Monopolkommission

Aus meiner Sicht ist einzig die Entscheidung des VIII. Senats des BGH zum Anerkenntnis des Preissockels bei Vertragsabschluss, der aus Sicht Vieler (zugegebenermaßen eher verbraucherfreundlich orientierter Zeitgenossen) eindeutig dem Billigkeitsgrundsatz bei einseitigem Preisbestimmungsrecht widerspricht, das Problem.
Wie schon mehrfach aufgezeigt, gibt es dabei Konstellationen, die sicher nicht mit diesen Grundsätzen in Einklang zu bringen sind.

Da das Urteil des VIII. Senats sich aber nicht primär mit einem Tarifkundenverhältnis, und schon gar nicht mit einem derart speziellen, welches den Konflikt aufdeckt, beschäftigte, habe ich die Hoffnung, dass bei einem entsprechenden Fall entweder der VIII. Senat, oder falls dieser seine Auffassung nicht revidiert, der Große Senat im Falle einer Anrufung ein eindeutigeres Urteil fällen werden.
Leider hat auch der XI. Senat sich mit seinem Urteil vom 04.03.2008 - KZR 29/06 etwas aus der Verantwortung gestohlen, da er die unterschiedliche Rechtssprechung zwischen VIII. und XI. Senat mit einer anderen Sichtweise in einem Punkt, den der VIII. Senat nicht beleuchtet hatte, begründet hatte. Insofern müssen wir noch ein wenig auf eine endgültige BGH-Entscheidung des Großen Senats warten.



@nomos
Zitat
@Münsteraner, ich gehe von einer einseitigen Preisbestimmung durch den Grundversorger von Anfang an aus. § 1(1) und § 2(1)EnWG sind gültig und eindeutig. Nur ein entsprechend einseitig bestimmter Preis kann nach meiner Überzeugung billig im Sinne des § 315 BGB sein.

Die Billigkeit muss ebenso zutreffen wie die zugesicherte km-Leistung beim PKW-Kauf. Wenn nicht, ist der Preis nicht verbindlich. Eine \"Rüge\" (Widerspruch, Kürzung ...) bei Zweifel und nicht erfolgtem Nachweis ist immer möglich.

Um Black, Ronny und reblaus hier einen Einwand zu ersparen, ist sicher nochmals festzuhalten, dass der VIII. Senat tatsächlich eine andere Auslegung des Sachverhalts gewählt hat.

BGH-Urteil vom 13.06.07 - VIII ZR 36/06  Tz. 36

Zitat
Kommt zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Kunden - ob ausdrücklich oder konkludent gemäß § 2 Abs. 2 AVBGasV durch Entnahme von Gas aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens - ein Gaslieferungsvertrag zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zustande (vgl. auch RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131, unter II 1 a m.w.N. zum Stromlieferungsvertrag), so ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007, aaO, unter II 1 a).

Insofern können wir uns hier noch des öfteren die eine oder andere Stelle um die Ohren schlagen, es bleiben starke Zweifel an der vollständigen Durchdachtheit der Meinung des VIII. Senats, was deren Exstistenz aber (leider) deshalb nicht beeinträchtigt.

Offline nomos

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #166 am: 26. August 2009, 14:19:32 »
Zitat
Original von Münsteraner
4. Anschließend beschleichen den Verbraucher erhebliche Zweifel, dass die vertragliche Zusicherung, der (bestimmte) Anfangspreis sei der nach billigem Ermessen günstigstmögliche, einer tatsächlichen Überprüfung standhalten könnte. Deshalb bestreitet er gegenüber dem EVU , dass der als \"billig\" vereinbarte Anfangspreis tatsächlich dieser zugesicherten Eigenschaft entsprach/entspricht und beruft sich nach § 315 Abs. 3 BGB auf dessen Unverbindlichkeit insoweit das EVU nicht nachvollziehbare Billigkeitsbelege beibringt.
    @Münsteraner, es fehlt halt der (geregelte) Nachweis der Billigkeit.

    Letztendlich bleibt die Angelegenheit unbefriedigend und der Fall landet vor Gericht. Der Verbraucher kann natürlich bei den Widrigkeiten aufgeben, das ist wohl auch von interessierter Seite einkalkuliert.

    Wie der Nachweis der Billigkeit verbindlich gelöst werden könnte habe ich wiederholt im Forum genannt:

Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
[/list]

@bolli, der Preis wurde also auch nach dem Urteil eindeutig vom Gasversorgungsunternehmen bestimmt. Das doch nur nach billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass der Senat damit die Vereinbarung eines unbilligen Preises als rechtmässig festgelegt hat. Die Billigkeit sehe ich immer noch als Voraussetzung.

Offline Münsteraner

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #167 am: 26. August 2009, 14:43:51 »
Zitat
Kommt zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Kunden - ob ausdrücklich oder konkludent gemäß § 2 Abs. 2 AVBGasV durch Entnahme von Gas aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens - ein Gaslieferungsvertrag zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zustande (vgl. auch RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131, unter II 1 a m.w.N. zum Stromlieferungsvertrag), so ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007, aaO, unter II 1 a).
M.E. braucht man diese Auffassung des 8. Senats gar nicht mal in Frage zu stellen, um zum Ziel einer Überprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB (die der 8. Zivilsenat ja verhindern möchte) zu kommen.

Denn neben der vereinbarten Preishöhe wurde auch dessen implizit zugesicherte Eigenschaft, der nach billigem Ermessen günstigstmögliche zu sein, mitvereinbart. Bei nachträglich aufkommenden Zweifeln an dieser Zusicherung/Mitvereinbarung muss also eine Überprüfung des Anfangspreises nach § 315 Abs. 3 BGB möglich sein. Denn andernfalls würde das Urteil des 8. Zivilsenats den EVU einen Freibrief ausstellen, gegenüber Neukunden der Grundversorgung jederzeit auch unbillige Preise vereinbaren zu können, ohne dass diese (im Gegensatz zu Altkunden) eine Möglichkeit hätten, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Offline RR-E-ft

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #168 am: 26. August 2009, 14:44:31 »
Ich möchte an meine obigen Ausführungen anknüpfen.


Fall:

Der Grundversorger hatte zuletzt die Allgemeinen Preise zum 01.12.2008 neu festgesetzt. Seit dem sind seine Bezugskosten und sonstigen Kosten erheblich  gesunken.

Er ist aufgrund des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts längst verpflichtet, die Allgemeinen Preise zugunsten der Kunden anzupassen (vgl. BGH VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08]. Die Allgemeinen Preise hätten spätestens zum 01.07.2009 um 30 Prozent abgesenkt werden müssen, was der Versorger jedoch bisher nicht getan hat. Ein Kunde habe einen Grundversorgungsvertrag am 01.07.2009 abgeschlossen, sich dabei eine Billigkeitskontrolle vorbehalten.

Gegenüber den Kunden, deren Grundversorgungsvertrag bereits vor dem 01.12.2008 bestand, besteht dabei eine Verpflichtung des Grundversorgers, die Allgemeinen Preise wegen zwischenzeitlich rückläufiger Kosten abzusenken (BGH VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08].

Hätte der Versorger seiner gesetzlichen Verpflichtung entsprochen, hätten die Allgemeinen Preise am 01.07.2009 niedriger sein müssen, so dass auch dem Kunden, der erst zum 01.07.2009 die Grundversorgung angeboten wurde, ein günstigerer Allgemeiner Preis angeboten worden wäre und nur deshalb nicht angeboten wurde, weil der Versorger gegen seine gesetzliche Verpflichtung verstoßen hatte,  die Allgemeine Preise am Maßstab der Billigkeit zu bilden und zugunsten der Kunden anzupassen.

Da der Allgemeine Preis für alle Kunden mit vergleichbaren Abnahmefällen jederzeit gleich sein muss, haben wohl alle grundversorgten  Kunden Anspruch auf die bisher unterlassene Anpassung der Allgemeinen Preise der Grundversorgung zugunsten der Kunden undzwar unabhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses.  Geschuldet ist deshalb nur der vom Versorger am Maßstab der Billigkeit gebildete Allgemeine Preis der Grundversorgung. Ein Allgemeiner Preis, der diesem Maßstab nicht entspricht, kann wegen des gesetzlichen Preisbestimmungsrechts und der Preisbestimmungspflicht am Maßstab der Billigkeit nicht geschuldet sein.

Auf eine solche Problematik Bezug nimmt BGH KZR 36/04 Tz. 9 ff.

Offline courage

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #169 am: 26. August 2009, 14:48:03 »
Danke an RR-E-ft für die Zusammenfassung. Das hilft, sich als Verbraucher zu orientieren.

Von Ausführungen, wie sie black bisweilen zum Besten gibt, sollte man sich aber nicht meschugge machen lassen:

Zitat
Original von Black
... Auch der Bäcker oder Supermarkt legt für die angebotene Ware vorher einen Preis fest. ... Genau so ist es beim Energiebezug. ... Daher ist der Anfangspreis immer vereinbart.

Hier wird, wider besserem Wissen vermute ich, eine Verwirrungs- und Verdummungsstrategie gefahren, um die interessierten Leser auf falsche Fährten zu führen.

Tatsache ist demgegenüber: Die Markt- und Preismechanismen bei den beiden Produkten Milch und Gas haben auch auf der Endverkaufsstufe so gut wie nichts gemein. Nicht von ungefähr ist eine der Kernfragen ist im Zusammenhang mit der Billigkeit, wie die Preise zustande kommen.

Aus Sicht eines grundversorgten Gaskuden gilt folgendes: er erwartet eine Belieferung zum billigen Preis; das ist die wichtigste Geschäftsgrundlage. Die Billigkeit ist, wie Münsteraner schon gesagt hat, eine zugesicherte Eigenschaft des einseitig festgesetzten Gaspreises. Von nichts anderm kann ein Kunde doch ausgehen. Ein vernunftbegabter Kunde würde auch keinen unbilligen Anfangspreis vereinbaren. Sollten sich Anhaltspunkte zeigen, die die Unbilligkeit vermuten lassen, muss es Rechtsschutz für den betroffenen Kunden geben.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #170 am: 26. August 2009, 14:53:17 »
Der grundversorgte Kunde hat jederzeit Anspruch auf Belieferung zu einem Allgemeinen Preis, der vom Versorger am Maßstab der Billigkeit gebildet wurde. Den Grundversorger trifft eine gesetzliche Verpflichtung aus § 2 Abs. 1, 36 Abs. 1  EnWG.

Bäckern u.a. ist für ihre Ware kein gesetzliches Preisbestimmungsrecht eingeräumt worden, aus welchem sich eine gesetzliche Verpflichtung ergibt, ihre Warenpreise am Maßstab der Billigkeit zu bilden und zugunsten der Kunden nach Vertragsabschluss anzupassen.

Offline Opa Ete

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« Antwort #171 am: 26. August 2009, 14:59:14 »
@RR-E-ft

klingt schön logisch, müsste dann aber auch andersrum gehen:
das EVU hat \"vergessen\" die Preise anzuheben und kann jetzt nachträglich den Anfangslpreis ändern, da springt der Neukunde aber an die Decke.

Offline nomos

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« Antwort #172 am: 26. August 2009, 14:59:34 »
Zitat
Original von RR-E-ft
.......
Da der Allgemeine Preis für alle Kunden mit vergleichbaren Abnahmefällen jederzeit gleich sein muss, haben wohl alle grundversorgten  Kunden Anspruch auf die bisher unterlassene Anpassung der Allgemeinen Preise der Grundversorgung zugunsten der Kunden und zwar unabhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses.
    Das ist so klar wie die berühmte Kloßbrühe. Wer will das ernsthaft widerlegen?
    Nur zu, ich bin gespannt ..... auf die diversen
\"Grundversorgungs-Vereinbarungen\"! [/list]
Zitat
Opa-Ede:
 logisch, müsste dann aber auch andersrum gehen:
das EVU hat \"vergessen\" die Preise anzuheben und kann jetzt nachträglich den Anfangslpreis ändern, da springt der Neukunde aber an die Decke.
    Der Versorger bestimmt, nicht der Verbraucher - \"andersrum\"  geht nicht!

Offline bolli

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« Antwort #173 am: 26. August 2009, 15:09:54 »
Zitat
Original von RR-E-ft
..
Fall:
...

Da der Allgemeine Preis für alle Kunden mit vergleichbaren Abnahmefällen jederzeit gleich sein muss, haben wohl alle grundversorgten  Kunden Anspruch auf die bisher unterlassene Anpassung der Allgemeinen Preise der Grundversorgung zugunsten der Kunden undzwar unabhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses.  Geschuldet ist deshalb nur der vom Versorger am Maßstab der Billigkeit gebildete Allgemeine Preis der Grundversorgung. Ein Allgemeiner Preis, der diesem Maßstab nicht entspricht, kann wegen des gesetzlichen Preisbestimmungsrechts und der Preisbestimmungspflicht am Maßstab der Billigkeit nicht geschuldet sein.

So ähnlich hatte ich ja auch schon meinen Fall oben gebildet und stimme da mit Ihrer Meinung vollkommen überein. Und was anderes als der Verweis auf den VIII. Senat ist den Herren Black und Ronny zu dieser Konstellation auch noch nicht eingefallen. Zumindest haben sie es uns nicht wissen lassen.

Zitat
Auf eine solche Problematik Bezug nimmt BGH KZR 36/04 Tz. 9 ff.
Womit wir wieder bei der unterschiedlichen Rechtsauffassung und damit verbundenen Rechtsprechung zwischen VIII. und XI. Senat wären.  X(

Offline RR-E-ft

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« Antwort #174 am: 26. August 2009, 15:12:33 »
Zitat
Original von Opa Ete
@RR-E-ft

klingt schön logisch, müsste dann aber auch andersrum gehen:
das EVU hat \"vergessen\" die Preise anzuheben und kann jetzt nachträglich den Anfangslpreis ändern, da springt der Neukunde aber an die Decke.

Es gilt ja auch andersrum.

Wenn die Kosten seit der letzten Festsetzung der Allgemeinen Preise zum 01.12.2008 zwischenzeitlich bis zum 01.07. gestiegen waren, der Versorger deshalb die Allgemeinen Preise noch nicht angepasst hatte, so kann die Erhöhung der Allgemeinen Preise auch den Kunden treffen, der den Grundversorgungsvertrag erst zum 01.07.2009 abgeschlossen hatte, und nach dessen Vertragsabschluss die Kosten überhaupt nicht gestiegen waren. Auch dabei steht einer Änderung der Allgemeinen Preise der Grundversorgung am Maßstab der Billigkeit keine Preisvereinbarung entgegen.

Würde man auf ein individuelles Äquivalenzverhältnis abstellen, welches durch einen bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis und die Kosten des Versorgers bei Vertragsabschluss und deren Entwicklung nach Vertragsabschluss gebildet wird, welches zu wahren wäre, dann dürften gegenüber dem Kunden, der den Grundversorgungsvertrag erst  zum 01.07.2009 abgeschlossen hatte, hingegen die Allgemeinen Preise nicht mit der Begründung gestiegener Kosten vor dem 01.07.2009  erhöht werden...  

Bei Abschluss eines Grundversorgungsvertrages weiß man als Kunde  indes schon nicht, ob die Kosten seit der letzten Festsetzung der Allgemeinen Preise nun zwischenzeitlich gesunken oder gestiegen sind und ob deshalb gerade eine Berechtigung zur Erhöhung der Preise oder aber eine Verpflichtung zu deren Herabsetzung besteht.  Klar ist nur, dass keinerlei Preisvereinbarung mit einem grundversorgten Kunden daran, nämlich an dem gesetzlichen Recht und der gesetzlichen Pflicht die Allgemeinen Preise am Maßstab der Billigkeit festzusetzen und ggf. anzupassen,  etwas zu ändern vermag.

Offline Black

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« Antwort #175 am: 26. August 2009, 15:14:19 »
@RR-E-ft

Ich hoffe Ihnen ist klar, dass Sie hier bei Ihren juristisch ungeschulten Verbrauchern ein scheinbar glasklares und gefestigtes Bild einer vermeintlichen Rechtslage aufbauen, die aber einzig auf einer von Ihnen vertretenen Mindermeinung beruht, die der BGH in mehrfacher Rechtsprechung nicht geteilt hat.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline Münsteraner

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« Antwort #176 am: 26. August 2009, 15:15:52 »
Ich erlaube mir mal zwischendurch den kleinen Hinweis, dass ich meinen Beitrag oben noch ergänzt habe.

Zitat
M.E. braucht man diese Auffassung des 8. Senats gar nicht mal in Frage zu stellen, um zum Ziel einer Überprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB (die der 8. Zivilsenat ja verhindern möchte) zu kommen.  

Denn neben der vereinbarten Preishöhe wurde auch dessen implizit zugesicherte Eigenschaft, der nach billigem Ermessen günstigstmögliche zu sein, mitvereinbart. Bei nachträglich aufkommenden Zweifeln an dieser Zusicherung/Mitvereinbarung muss also eine Überprüfung des Anfangspreises nach § 315 Abs. 3 BGB möglich sein. Denn andernfalls würde das Urteil des 8. Zivilsenats den EVU einen Freibrief ausstellen, gegenüber Neukunden der Grundversorgung jederzeit auch unbillige Preise vereinbaren zu können, ohne dass diese (im Gegensatz zu Altkunden) eine Möglichkeit hätten, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Auch von daher wäre eine Ungleichbehandlung gegeben.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #177 am: 26. August 2009, 15:24:19 »
Zitat
Original von RR-E-ft

Es gilt ja auch andersrum.

Wenn die Kosten seit der letzten Festsetzung der Allgemeinen Preise zum 01.12.2008 zwischenzeitlich bis zum 01.07. gestiegen waren, der Versorger deshalb die Allgemeinen Preise noch nicht angepasst hatte, so kann die Erhöhung der Allgemeinen Preise auch den Kunden treffen, der den Grundversorgungsvertrag erst zum 01.07.2009 abgeschlossen hatte, und nach dessen Vertragsabschluss die Kosten überhaupt nicht gestiegen waren. Auch dabei steht einer Änderung der Allgemeinen Preise der Grundversorgung am Maßstab der Billigkeit keine Preisvereinbarung entgegen.

Würde man auf ein individuelles Äquivalenzverhältnis abstellen, welches durch einen bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis und die Kosten des Versorgers bei Vertragsabschluss und deren Entwicklung nach Vertragsabschluss gebildet wird, welches zu wahren wäre, dann dürften gegenüber dem Kunden, der den Grundversorgungsvertrag erst  zum 01.07.2009 abgeschlossen hatte, hingegen die Allgemeinen Preise nicht mit der Begründung gestiegener Kosten vor dem 01.07.2009  erhöht werden...  

Bei Abschluss eines Grundversorgungsvertrages weiß man als Kunde  indes schon nicht, ob die Kosten seit der letzten Festsetzung der Allgemeinen Preise nun zwischenzeitlich gesunken oder gestiegen sind und ob deshalb gerade eine Berechtigung zur Erhöhung der Preise oder aber eine Verpflichtung zu deren Herabsetzung besteht.  Klar ist nur, dass keinerlei Preisvereinbarung mit einem grundversorgten Kunden daran, nämlich an dem gesetzlichen Recht und der gesetzlichen Pflicht die Allgemeinen Preise am Maßstab der Billigkeit festzusetzen und ggf. anzupassen,  etwas zu ändern vermag.


@Black

Hat der VIII. Zivilsenat denn nunmehr in den Entscheidungen vom 15.07.2009 VIII ZR 225/07 und VIII ZR 56/08 wie schon der Kartellsenat des BGH in dessen Entscheidung vom 29.04.2008 KZR 2/07 eine gesetzliche Verpflichtung festgestellt, die Allgemeinen Tarife (Preise) bei zwischenzeitlich rückläufigen Kosten seit der letzten Preisfestsetzung zugunsten der Kunden herabzusetzen, so wie ich es hier wiedergegeben habe?

Offline reblaus

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« Antwort #178 am: 26. August 2009, 15:28:54 »
Der Versorger ist unzweifelhaft nach § 1 EnWG zu einer günstigen Preisgestaltung verpflichtet. Ich stimme RR-E-ft dahin zu, dass für vergleichbare Abnahmefälle auch nur ein Preis den günstigen Preis darstellen kann, und dieser nicht zwischen Bestands- und Neukunden auseinanderfallen darf. Dadurch ergibt sich, dass es sich bei dem anfänglichen Vertragspreis schon rein rechnerisch um den billigen Preis handeln muss.

Anderenfalls ist unbestreitbar, dass der BGH im Anfangspreis einen vertraglich vereinbarten Preis sieht. Wenn dieses anfängliche Vertragsangebot des Versorgers nun nicht der Billigkeit entspricht, ist dagegen kein Unbilligkeitseinwand möglich. Es ist aber denkbar, dass es sich bei § 1 EnWG um ein Schutzgesetz handelt. Verstößt der Versorger gegen seine gesetzliche Pflicht, steht dem Verbraucher ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB zu.

Der entscheidende Unterschied zu einer späteren Preisänderung liegt in der Beweislast. Beim Anfangspreis muss der Kunde die Unbilligkeit des Preises beweisen, bei der Preisänderung liegt die Beweislast beim Versorger.

Die Diskussion ob mit anfänglichem Widerspruch überhaupt ein Vertrag zustande kommt, verstehe ich nicht so ganz. Beim gesetzlichen Preisänderungsrecht wird scharf kritisiert, dass die GasGVV keine transparente Regelung getroffen hat, nach der auch Otto Normalverbraucher kapiert, dass und wieso es dieses Preisänderungsrecht gibt. In § 2 GasGVV ist transparent und für jedermann klar nachvollziehbar die Rechtsfolge benannt, die auf Gasentnahme aus dem Netz folgt, und es wird einfach so getan, als gäbe es diese Regelung nicht. Es scheint sich daher nicht so sehr um ein Verständnisproblem bei intransparenten Regelungen zu handeln, sondern eher darum, dass Vorschriften nur dann beachtet werden, wenn sie zum eigenen Vorteil beitragen.

Dass eine solche Rechtsauslegung vor Gericht kein Erfolg beschieden sein sollte, liegt hoffentlich auf der Hand.

Offline nomos

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« Antwort #179 am: 26. August 2009, 15:57:21 »
Zitat
Original von reblaus
Der entscheidende Unterschied zu einer späteren Preisänderung liegt in der Beweislast. Beim Anfangspreis muss der Kunde die Unbilligkeit des Preises beweisen, bei der Preisänderung liegt die Beweislast beim Versorger.
    @reblaus, muss nicht jeder einseitig bestimmte Preis der Billigkeit entsprechen?

    Ist ein beispielsweise zum 1.9.09 in der Grundversorgung einseitig bestimmter Preis unterschiedlich zu sehen? Davon abhängig, ob es sich um einen Anfangspreis oder einen geänderten Preis handelt?

    Was gilt bei einer im Änderungsfall für den einseitig bestimmten Preis zum 1.9.09 festgestellten Unbilligkeit in Bezug auf ein Vertragsverhältnis, das am 1.9.09 begonnen hat? Der Preis, dessen Unbilligkeit festgestellt wurde? Was muss da vom Kunden noch bewiesen werden?

 

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