Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?  (Gelesen 15504 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« am: 14. August 2009, 14:28:58 »
Ich habe zu diesem Thema einen neuen Thread eröffnet.

@Black
Soweit in einem Sondervertrag wirksam vereinbart wurde, dass die Preise einseitig nach billigem Ermessen angepasst werden können, muss der Sockelpreis auch auf solche Verträge angewendet werden. Es kann keinen Unterschied machen, ob ein gesetzliches oder vertragliches Preisanpassungsrecht vorliegt.

Ich stelle die Übertragbarkeit des Sockelpreises nur bei Sonderverträgen mit unwirksamer Preisanpassungsklauseln in Frage.

Ob den Versorgern die praktische Durchführung einer billigen Preisfestsetzung bereits hinreichend bekannt ist, und die Preisfestsetzungen daher auch der Billigkeit entsprechen, wage ich doch sehr zu bezweifeln. Allein das Risiko eines Kalkulationsfehlers wird der Versorger auch in Zukunft nicht ausschließen können. Beim Kunden wird in jedem Fall immer eine subjektive Ungewissheit darüber vorhanden sein, ob der Versorger das auch alles richtig berechnet hat.

Ob in Zukunft keine subjektive Ungewissheit über die Wirksamkeit bereits vereinbarter Preisänderungsklauseln bestehen wird, bezweifle ich ebenfalls. In vielen Fällen dürften sich Versorger und Verbraucher an den Wortlaut von vor Jahren abgeschlossenen Verträgen gar nicht mehr erinnern, so dass allein deshalb eine Unkenntnis vorliegen dürfte. Alte Verträge schlummern doch irgendwo in Aktenordnern und werden gar nicht mehr hervorgeholt.

Selbst wenn über eine Preisänderungsklausel Klarheit herrscht, ist das Ergebnis entweder sie ist wirksam, dann ist der Sockepreis anwendbar. Lautet das Ergebnis aber, dass sie unwirksam ist, würde der Versorger seinen Preis einseitig mit dem Wissen anpassen, dass er dazu gar nicht berechtigt ist. Daraus kann kein Angebot zu einer Vertragsänderung entstehen.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #1 am: 14. August 2009, 14:32:12 »
Preissockel ist bei Sonderverträgen der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis, der nur dann nachträglich einseitig abänderbar ist, wenn eine wirksame Preisänderungsklausel wirksam einbezogen wurde (BGH KZR 2/07,  VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07).

Kein Preissockel besteht hingegen, wenn bei Vertragsabschluss anstatt eines Preises vereinbart wurde, dass ein Vertragsteil nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen soll, was zur unmittelbaren Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB führt.

Ob die Parteien sich bei Vertragsabschluss nun auf einen feststehenden  Preis oder aber auf ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht geeinigt haben, ist immer eine Auslegungsfrage (BGH KZR 36/04, KZR 24/04).

Eine wirksame Preisänderungsklausel setzt schon eine Verpflichtung zur Weitergabe nach Vertragsabschluss gesunkener Kosten voraus [BGH VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08]. Bei nachträglich rückläufigen Kosten kann also eine vertragliche Verpflichtung bestehen, die Entgelthöhe unter die bei Vertragsabschluss vereinbarte Entgelthöhe abzusenken und zugunsten des Kunden anzupassen, ohne dass dem ein \"Preissockel\" im Wege stehen könnte. Dieser wäre unter den genannten Voraussetzungen aufgrund bestehender vertraglicher Verpflichtung teilweise abzutragen.

Zitat
Original von RR-E-ft
Die Frage wird sein, ob der BGH von den Grundsätzen der Entscheidung VIII ZR 199/04 bei unwirksamen Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen abweicht.

Darin hat der BGH zutreffend ausgeführt, dass die Erhöhung in Ausübung eines (vermeintlich) bestehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrecht kein Angbot auf vertagliche Neuvereinbarung eines Entgelts ist, auch vorbehaltslose Überzahlungen deshalb aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 BGB zurückverlangt werden können.

Bei Preisanpassungsklauseln, die der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhalten, stellt sich die Frage nach der Rückforderung wegen der Unwirksamkeit der Klausel und der Rechtsgrundlosigkeit der Erhöhung  nicht. Da sind dann ggf. andere Fragen zu stellen, etwa wie bei OLG Düsseldorf.

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #2 am: 14. August 2009, 14:58:37 »
@ reblaus

Der Begriff des Sockelpreises ist etwas missverständlich, denn selbstverständlich gibt es gerade in Sonderverträgen einen vertraglich vereinbarten Anfangspreis, der (zunächst) den Preissockel bildet.

Die Frage ist daher nicht ob der Gedanke des Sockelpreises auf Sonderverträge übertragbar ist, sondern ob in der unwidersprochenen Hinnahme von Preisanpassungen eine Veränderung dieses Sockels zu erkennen ist.

Im Übrigen ist mir unklar, warum Sie bei der relativ simpleren Frage der Billigkeit, bei der der Versorger nur Bezugskostensteigerungen direkt weitergeben darf eine latente Unsicherheit unterstellen die zur Neuvereinbarung führen kann und bei der juristisch schwierigeren Frage, ob eine Klausel AGB-rechtlich wirksam ist und die auch von Gerichten in verschiedenen Instanzen teilweise unterschiedlich gewertet wird, davon ausgehen, bei Unwirksamkeit des Preisanpassungsrechts sei dies dem Versorger die ganze Zeit bekannt gewesen.

Abwegig auch die annahme es herrsche bereits deshalb rechtliche Unsicherheit , weil der Kunde seinen Vertragsinhalt nicht aus dem Kopf hersagen könne und der Vertragstext in irgendeiner Schublade ruht.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #3 am: 14. August 2009, 15:13:52 »
Ein Berliner Versorger hat die bestehende Rückzahlungspflicht im Falle unwirksamer Klauseln frühzeitig erkannt und aus Gründen kaufmännischer Vorsicht wohl Rückstellungen gebildet. Wenn keine entsprechenden Rückstellungen gebildet wurden, kann dies nicht zu Lasten der Kunden gehen. Der Berliner Versorger hatte übder Veranstaltungen des Branchenverbandes Gelegenheit, auch viele andere Versorger über die Konsequenzen unwirksamer Klauseln zu informieren.  

Ich meine auch, es macht keinen Unterschied, ob nun tatsächlich oder nur vermeintlich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Vertragsverhältnis  besteht. Bei der (wenn auch nur vermeintlichen) Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts fehlt es immer schon an einem auf Annahme gerichteten Angebot zur Entgeltneuvereinbarung, so dass schon mangels eines solchen Angebots eine konkludente Annahme und in deren Folge eine Neuvereinbarung ausscheidet. Die Wirksamkeit eines einseitig bestimmten Entgelts richtet sich - bei wirksamen einseitigen  Leistungsbestimmungsrecht - ausschließlich nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB und nicht etwa nach §§ 145 ff. BGB. (Eine unwiderrufliche Willenserklärung gem. § 315 Abs. 2 BGB ist kein Antrag gem. § 145 BGB).

Zitat
Original von RR-E-ft
Die Frage wird sein, ob der BGH von den Grundsätzen der Entscheidung VIII ZR 199/04 bei unwirksamen Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen abweicht.

Darin hat der BGH zutreffend ausgeführt, dass die Erhöhung in Ausübung eines (vermeintlich) bestehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrecht kein Angbot auf vertagliche Neuvereinbarung eines Entgelts ist, auch vorbehaltslose Überzahlungen deshalb aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 BGB zurückverlangt werden können.

In der Grundversorgung stellt der BGH für die fingierte Neuvereinbarung (die von mir aus v. g. Gründen angezweifelt wird)  entscheidend auf § 2 Abs. 2 AVBV/ GVV ab (\"Nicht anders kann es liegen...\"), der jedoch bei Sonderverträgen gerade nicht gilt. Es gibt grundsätzlich keinen konkludenten Abschluss eines Sondervertrages. Schweigen gilt im nichtkaufmännischen Verkehr auch nicht als Annahme. Nunmehr führt der Senat selbst aus, dass bei rückläufigen Kosten gerade auch in der Grundversorgung eine Verpflichtung zur nachträglichen Preisabsenkung besteht, die durch keine Vereinbarung suspendiert werden kann, zumal wenn der Kunde die maßgebliche zwischenzeitliche Kostenentwicklung des Versorgers selbst gar nicht kennt.

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #4 am: 14. August 2009, 16:05:17 »
Zitat
Original von RR-E-ft
 Es gibt grundsätzlich keinen konkludenten Abschluss eines Sondervertrages. Schweigen gilt im nichtkaufmännischen Verkehr auch nicht als Annahme.

Vertreten Sie nicht an anderer Stelle die kühne These, dass auch der Kunde, der ohne Abschluss eines ausdrücklichen Sondervertrages einseitig zu Sondertarifen oder per Bestabrechnung beliefert wird als Sonderkunde anzusehen sei?
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #5 am: 14. August 2009, 16:14:01 »
Wer zu besonderen Tarifen, die parallel neben den Allgemeinen Tarifen angeboten werden, auf vertraglicher Grundlage beliefert wird, hat einen Sondervertrag. Wie dieser Vertrag zustande gekommen ist, ist im Einzelfall zu prüfen. Ein besonderer Preis muss besonders vereinbart worden sein. Wäre der Vertrag nicht wirksam zustande gekommen, handelt es sich schon um keine Belieferung auf vertraglicher Grundlage. (Dann würde man sich nur laufend bereichern).

Der Senat sagt in BGH VIII ZR 36/06, dass sich der Tarifkunde mit dem Versorger auf einen feststehenden Allgemeinen Tarif einigt, wodurch ein Äquivalenzverhältnis vereinbart sei, welches durch Anpassungen zu wahren sei. Auch dies steht zu bezweifeln. Eine Bestabrechnung kann damit jedoch m.E. nicht gemeint sein, so dass eine solche wohl besonderer Absprachen bedarf.

Große Zweifel habe ich zudem daran, dass in einen Sondervertrag eine Preisanpassungsklausel bei konkludentem Vertragsabschluss wirksam einbezogen worden sein könnte, § 305 II BGB. Wo aber schon keine Preisänderungsklausel in einen Sondervertrag wirksam einbezogen wurde, stellt sich weder die Frage nach der Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel noch nach einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht, es sei denn es gäbe eine Praxis, wonach bei Sonderverträgen immer der Versorger die Leistung erst nach Vertragsabschluss bestimmen soll. Gibt es eine solche?

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #6 am: 14. August 2009, 16:34:04 »
@Black
Sie verstehen mich falsch.

Grundlage für meine Theorie ist die Annahme, dass eine Vertragsänderung nur dann durch Zahlung einer Rechnung vorgenommen werden kann, wenn dieser Rechnung eine subjektive Ungewissheit innewohnt, und diese Rechtsprechung nicht der Rechtsprechung zum Preissockel widerspricht. Dann ergibt sich daraus zwingend, dass der bezahlten Jahresabrechnung in der Grundversorgung eine subjektive Ungewissheit innewohnt, die durch die Zahlung geregelt wird. Bei dieser subjektiven Ungewissheit konnte es sich aber im vom BGH entschiedenen Fall nur um die einseitig vorgenommene Preisänderung gehandelt haben, denn über diese wurde laut BGH eine vertragliche Vereinbarung dahingehend getroffen, dass der neue Preis der zukünftige Vertragspreis sei.

Die subjektive Ungewissheit muss ja nicht soweit gehen, dass der Versorger den Preis nur zufälligerweise in billiger Weise festlegen kann. Es muss doch nur ein gewisses Restrisiko bestehen, dass bei der Preisfestsetzung Fehler gemacht wurden. Mit letzter Sicherheit wird das kein Versorger ausschließen können. Beim Kunden ist die subjektive Ungewissheit naturgemäß höher, da er die Richtigkeit der Preisfestsetzung von sich aus gar nicht beurteilen kann.

Entscheidend muss aber sein, dass sich beide Vertragsparteien über diese Ungewissheit im Klaren sind. Dann kann der Versorger die Jahresabrechnung mit dem konkludenten Angebot versehen, ob der Kunde die Preisfestsetzung akzeptieren will. Im Gegenzug kann dann der Kunde sagen ok ich akzeptiere, indem er die Rechnung bezahlt.

Bei der unwirksamen Preisanpassungsklausel ist beiden Parteien (auch dem Versorger!) in der Regel unbekannt, dass die Klausel unwirksam ist. Zumindest war das in der Vergangenheit so. Wenn aber zumindest einer Partei nicht bekannt ist, dass eine Ungewissheit besteht, kann sie auch freiwillig keine Regelung zu dieser Ungewissheit treffen.

Aber auch bei den anderen möglichen Varianten, kommt man zu keinem anderen Ergebnis

Wenn dem Versorger bekannt wäre, dass die Klausel unwirksam ist, so dürfte er unterjährig nicht mehr auf die Klausel zurückgreifen, um den Preis einseitig zu verändern, er würde ansonsten ein Recht vortäuschen, das ihm gar nicht zusteht. Ist beiden Parteien bekannt dass die Klausel unwirksam ist, besteht keine Ungewissheit. Dann wäre zudem fraglich, warum der Kunde bezahlt, obwohl er weiß, dass er hierzu gar nicht verpflichtet ist.

Ziehen beide Seiten die Wirksamkeit der Klausel in Zweifel, so müsste eine Vereinbarung darauf abzielen, diese Ungewissheit zu beseitigen. Es müsste daher die Preisänderungsklausel in eine wirksame Klausel geändert werden. Dies dürfte mittels Zahlung, weiterer Gasentnahme und Zuwarten unmöglich zu bewerkstelligen sein. Allenfalls käme in Frage das einseitige Preisänderungsrecht für die Zukunft abzubedingen, und einmalig einen neuen Preis festzusetzen. Spätestens die nächste einseitige Preisanpassung wäre in diesem Falle unwirksam, so dass dies auch kein wirksamer Weg darstellt, die Preise über Jahre hinweg stufenweise anzuheben.

Während sich die Kenntnis der subjektiven Ungewissheit bei einem wirksamen Preisänderungsrecht schon aus der Vertragsbeziehung ergibt, so ist bei der unwirksamen Preisänderungsklausel zu fragen, aus welchen Umständen das Gericht schließen soll, dass der Kunde Kenntnis von der Unwirksamkeit oder Zweifel an der Wirksamkeit der Klausel hat. Dies ist immerhin Voraussetzung für einen Willen den Preis zu verändern.

Der Sockelpreis spielt nur dann eine Rolle, wenn auf dem Sockel Preiserhöhungen aufbauen, anderenfalls handelt es sich um einen gewöhnlichen Vertragspreis. Das Kind muss nun mal einen Namen haben, ich denke Sie wissen um was es gehen soll.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #7 am: 14. August 2009, 16:48:53 »
Ich bin mir relativ sicher, dass Versorger nur solche Entgelte zur Abrechnung stellen, von denen sie fest überzeugt sind, dass diese auch geschuldet sind, möglicherweise nur die Fälligkeit noch vom Rechnungzugang abhängt.  

Alles andere liefe wohl auf einen Betrugsversuch oder bei erteilter Einzugsermächtigung auf Untreue hinaus.

Die Verbrauchsabrechnungen sind demnach auch kein Angebot an den Kunden, nur im Falle seines Einverständnisses mit der Rechnung zu bezahlen, sonst aber einfach zu sagen, er sei nicht damit einverstanden und zahle deshalb nicht. Wäre es ein Angebot, stünde ihm die Ausschlagung desselben frei, was er jedoch erkennen können muss. Nichts anderes besagt BGH VIII ZR 199/04.

Wir sind weit davon entfernt, dass Verbrauchsabrechnungen lediglich Angebote an die Kunden darstellen, die sich einfach ausschlagen ließen.

Immerhin gibt es wohl noch so etwas wie das Abstraktionsprinzip. Zur Abrechnung gestellt wird eine (ggf. vermeintlich) bereits bestehende Schuld und keine erst noch zu vereinbarende Schuld.
Selbst die Zahlung auf eine vom Kunden geprüfte Rechnung ist reine Erfüllungshandlung ohne weiteren Erklärungsgehalt (BGH VIII ZR 265/07).

Nach Ihrer These wären wohl die Gegenabrechnungen, die viele Verbraucher aufmachen, Gegenangebote, die durch Schweigen des vollkaufmännischen Versorgungsunternehmens angenommen werden?

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #8 am: 14. August 2009, 17:02:17 »
Zitat
Original von reblaus

Grundlage für meine Theorie ist die Annahme, dass eine Vertragsänderung nur dann durch Zahlung einer Rechnung vorgenommen werden kann, wenn dieser Rechnung eine subjektive Ungewissheit innewohnt, und diese Rechtsprechung nicht der Rechtsprechung zum Preissockel widerspricht. Dann ergibt sich daraus zwingend, dass der bezahlten Jahresabrechnung in der Grundversorgung eine subjektive Ungewissheit innewohnt, die durch die Zahlung geregelt wird.

Aha. Und woher entnehmen Sie, dass \"Unsicherheit\" bei irgendeinem Beteiligten notwendiges Tatbestandsmerkmal der Preisneuvereinbarung ist?
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #9 am: 14. August 2009, 17:06:25 »
Man braucht immer Angebot und Annahme gem. §§ 145 ff. BGB und gerade keine Unsicherheit über diese.
Eine unwiderrufliche Willenserklärung gem. § 315 Abs. 2 BGB ist kein auf Annahme gerichtetes Angebot gem. § 145 BGB.

Nach der These wären wohl offene Verbrauchsabrechnungen nicht erfolgreich einklagbar, weil die Nichtzahlung im Zweifel nur zeigt, dass der Kunde das darin verkörperte Angebot des Versorgers endgültig ausgeschlagen, jedenfalls nicht fristgerecht angenommen  hat, um eine beim Versorger noch (latent) bestehende Unsicherheit zu beenden.  :D

Da habe ich so meine Zweifel.

Möglicherweise sollen wir nur wieder auf die Schippe genommen werden.

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #10 am: 14. August 2009, 17:51:37 »
@Black
Zitat
BGH Urt. v. 11.11.2008, Az.  VIII ZR 265/07 Tz. 11 f.

Die Wertung einer rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Erklärung als Anerkenntnis setzt vielmehr in der Regel eine Interessenlage voraus, die zur Abgabe eines Anerkenntnisses Anlass gibt. Eine solche Interessenlage kann namentlich darin liegen, ein zwischen den Parteien bestehendes Schuldverhältnis einem Streit oder zumindest einer (subjektiven) Ungewissheit über den Bestand des Rechtsverhältnisses oder seine Rechtsfolgen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen zu entziehen (BGHZ 66, 250, 255; BGH, Urteil vom 1. Dezember 1994 - VII ZR 215/93, WM 1995, 402, unter II 2 g; Urteil vom 11. Juli 1995, aaO; Urteil vom 11. Januar 2007, aaO). Dazu ist indessen nichts festgestellt.

Für die Bezahlung einer Rechnung ohne Erhebung von Einwendungen ist hiervon keine Ausnahme zu machen Der Umstand, dass eine Rechnung vorbehaltlos beglichen wird, enthält über seinen Charakter als Erfüllungshandlung (§ 363 BGB) hinaus keine Aussage des Schuldners, zugleich den Bestand der erfüllten Forderungen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen außer Streit stellen zu wollen. Das gilt auch für die tatsächlichen Grundlagen der einzelnen Anspruchsmerkmale. Zwar wird es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht als ausgeschlossen angesehen, der vorbehaltlosen Begleichung einer Rechnung zugleich eine Anerkenntniswirkung hinsichtlich der zu Grunde liegenden Forderung beizumessen. Dies erfordert aber stets ein Vorliegen weiterer Umstände, die geeignet sind, eine derartige Wertung zu tragen. Solche Umstände sind hier nicht festgestellt. Für sich genommen rechtfertigt die Bezahlung der Rechnung nicht die Annahme eines Anerkenntnisses (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007, aaO, Tz. 9).

Nicht die Ungewissheit ist Tatbestandsmerkmal, sondern die subjektive Ungewissheit. Objektiv braucht überhaupt keine Ungewissheit zu bestehen, da sich die objektiven Umstände durch eine gerichtliche Beweiserhebung feststellen lassen können.

@RR-E-ft
Das Angebot liegt auch nicht in der einseitigen Preiserhöhung, wie das LG Dresden fälschlicherweise angenommen hat, sondern erst in der Zusendung der Abrechnung, das wurde von BGH VIII ZR 36/06 eindeutig entschieden.

Sie werden daher auch nicht auf die Schippe genommen, sondern auf die ständige Rechtsprechung des BGH hingewiesen, die Sie gerne aber nur sehr auszugsweise als Beweis zitieren, dass der BGH sich selbst widerspräche.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #11 am: 14. August 2009, 18:00:03 »
Ich meine aufgezeigt zu haben, warum die Zusendung der Abrechnung kein Angebot sein kann.

Was soll denn die Folge einer Ausschlagung des Angebotes oder die Folge der schweigende Annahme eines Gegenangebotes sein?

Soll man jeder Rechnung widersprechen, diese unbezahlt lassen, um  sich dann ggf. vor Gericht darüber zu unterhalten, was mit der Rechnung überhaupt gemeint gewesen sein soll (um dann ggf. noch sofort anzuerkennen)?

Aus der Entscheidung VIII ZR 36/06 geht nicht klar hervor, worauf die Fiktion der Neuvereinbarung beruhen soll, insbesondere da auf § 2 Abs. 2 AVBV Bezug genommen wird, der mit der Abrechnung nichts zu tun hat. \"Nicht anders kann es liegen\", zeigt schon, dass es an einer nachvollziehbaren Begründung fehlen soll, man im Ungefähren bleiben wollte.

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #12 am: 14. August 2009, 18:08:49 »
@RR-E-ft
Zitat
BGH Urt. v. 13.06.2007 Az. 36/06 Tz. 36

Nicht anders kann es liegen, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer gemäß § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 4 Abs. 2 AVBGasV öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat,

Klarer kann man sich gar nicht ausdrücken, was akzeptiert werden muss, und was folglich das Angebot darstellt.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #13 am: 14. August 2009, 18:12:01 »
Zitat
Original von reblaus
@RR-E-ft


Klarer kann man sich gar nicht ausdrücken, was akzeptiert werden muss, und was folglich das Angebot darstellt.



Zitat
BGH, VIII ZR 138/07 Tz. 24

Hat der Abnehmer den zuvor maßgeblichen Preis im Wege einer vertraglichen Vereinbarung akzeptiert, kann er gegenüber dem neuen Tarif nicht einwenden, schon der alte Preis sei unbillig überhöht gewesen. Denn mit dem in dem alten Preis zum Ausdruck kommenden Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hat er sich im Wege einer Vertragserklärung einverstanden erklärt.

Eine Vertragserklärung meint die Annahme eines Angebotes im Wege einer vertraglichen Vereinbarung.


Zitat
BGH VIII ZR 36/06 Tz. 36

Der Berücksichtigung der etwaigen Unbilligkeit vergangener Preiserhöhungen im Rahmen der Überprüfung der hier streitgegenständlichen Preiserhöhung zum 1. Oktober 2004 steht aber entgegen, dass der Kläger die auf diesen Tarifen basierenden Jahresabrechnungen (vgl. § 24 Abs. 1 AVBGasV) unbeanstandet hingenommen hat. Kommt zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Kunden - ob ausdrücklich oder konkludent gemäß § 2 Abs. 2 AVBGasV durch Entnahme von Gas aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens - ein Gaslieferungsvertrag zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zustande (vgl. auch RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131, unter II 1 a m.w.N. zum Stromlieferungsvertrag), so ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007, aaO, unter II 1 a). Nicht anders kann es liegen, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer gemäß § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 4 Abs. 2 AVBGasV öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis.

Es müsste sich zunächst für den Kunden erkennbar um ein Angebot gehandelt haben, was aber schon nicht der Fall ist. BGH VIII ZR 199/04

Eine einseitige Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 2 BGB, deren Geltung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB allein von der Billigkeit abhängt,  mutiert nicht zwischenzeitlich zu einem Angebot gem. § 145 BGB, dessen vertragliche Geltung allein von der fristgerechten Annahme abhängt.

Zitat
Original von RR-E-ft
Ich meine aufgezeigt zu haben, warum die Zusendung der Abrechnung kein Angebot sein kann.

Was soll denn die Folge einer Ausschlagung des Angebotes oder die Folge der schweigende Annahme eines Gegenangebotes sein?

Soll man jeder Rechnung widersprechen, diese unbezahlt lassen, um  sich dann ggf. vor Gericht darüber zu unterhalten, was mit der Rechnung überhaupt gemeint gewesen sein soll (um dann ggf. noch sofort anzuerkennen)?

Wer schon einen Energielieferungsvertrag abgeschlossen hat, dem fehlt zudem das Erklärungsbewusstsein zum Abschluss einer Neuvereinbarung.


Zitat
BGH VIII ZR 144/06 Tz. 20

Zwar nimmt nach ständiger Rechtsprechung (RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003, aaO, unter II 1 a m.w.N.) derjenige, der aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, hierdurch das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrages konkludent an. Das gilt aber nicht, wenn zwischen den Parteien bereits ein ungekündigtes Vertragsverhältnis besteht, auf dessen Grundlage die betreffenden Versorgungsleistungen erbracht werden. Dem Schweigen des Beklagten auf das Schreiben vom 15. April 2002 sowie seiner weiteren Abnahme des Stroms kam unter diesen Umständen keine Erklärungsbedeutung zu.

Schließlich kann schon zwischen der Tariferhöhung und dem Zeitpunkt der Jahresabrechnung durch zwischenzeitlich rückläufige Kosten eine Verpflichtung bestanden haben, den Tarif zugunsten des Kunden anzupassen, also wieder abzusenken.

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
Ist der Sockelpreis auf Sonderverträge übertragbar?
« Antwort #14 am: 14. August 2009, 18:50:16 »
@RR-E-ft
Es steht Ihnen frei die Rechtsprechung aus BGH VIII ZR 265/07 abzulehnen. Immerhin handelt es sich auch hier um eine Arbeit des Ball-Senats. Dass Sie die Rechtsprechung in BGH VIII ZR 36/06 seit langem als fehlerhaft betrachten ist hinlänglich bekannt.

Nur habe ich unmissverständlich klar gemacht, dass die beiden Urteile die Grundlage für meine Theorie darstellen. Dass die Theorie nicht existierte, wenn es die beiden Urteile nicht gäbe, sollte selbstverständlich sein. Dies bedarf keiner gesonderten Erörterung.

Der Kunde kennt die unterjährig einseitige Preiserhöhung, auf deren Basis die Jahresabrechnung erstellt wurde. Dies reicht aus, um als Angebot zum Anerkenntnis gewertet zu werden.

Sie bringen die Dinge schon wieder durcheinander. Die Frage, ob die Preiserhöhung objektiv der Billigkeit entspricht hat mit dem Angebot überhaupt nichts zu tun. Wenn der Kunde das Angebot nicht annehmen will, wird der der Jahresabrechnung die Unbilligkeitseinrede entgegen halten. Nur weil die Möglichkeit besteht, dass die Preiserhöhung auch unbillig gewesen sein könnte, kann überhaupt von einer subjektiven Ungewissheit ausgegangen werden.

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz