Vor gut zwei Jahren, am 28.3.2008, hatte ich in dem Thread „Stadtwerke Eschwege“-„Strompreise und § 315 BGB“ unter
http://forum.bdev.de/thread.php?postid=54013#post54013 über meine Erfahrungen aus Würzburg berichtet, mit Hilfe der zuständigen Behörden die Preisgestaltung der örtlichen Stadtwerke zu prüfen. Der Fall Stadtwerke Eschwege liefert eines meiner zentralen Argumente in meinem Streit mit den Stadtwerken Würzburg.
Die
Kommunalaufsicht versagte Ihren Dienst: weder Stadtrat noch Regierung von Unterfranken noch das Bayerische Innenministerium waren bereit, beim Kommunalunternehmen Stadtwerke Würzburg die Quersubvention des öffentlichen Nahverkehrs aus überhöhten Energiepreisen zu beenden. Was davon zu halten ist, habe ich am 15.11.2008 in einem ausführlichen Artikel unter
http://www.cleanstate.de/allgemeine_Verfassungswidrigkeit_der_Quersubventionierung.pdf veröffentlicht.
Die
Finanzbehörden versagte ihren Dienst: vom Finanzamt Würzburg über das Bayerische Landesamt für Steuern bis hin zum Bayerischen Finanzministerium wollte keiner im überteuerten Einkauf von Gas eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Stadtwerke-Aktionär E.ON bzw. in der Quersubventionierung eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Stadtwerke-Aktionär Stadt Würzburg erkennen.
Die
Staatsanwaltschaft Würzburg, als Schwerpunktstaatsanwaltschaft zuständig für die Verfolgung von Wirtschafts- und Steuerstrafsachen in den Landgerichtsbezirken Aschaffenburg, Schweinfurt und Würzburg, konnte in den verlustreichen Zinsderivatgeschäften der Stadtwerke Würzburg keine Untreue erkennen. Einen ganz anderen Eindruck vermittelt das Urteil 4 U 92/08 des OLG Bamberg vom 11.5.2008 zu dem Zivilstreit um Schadenersatz zwischen den Stadtwerken und der Deutschen Bank, siehe im Detail
http://www.betriebs-berater.de/nachrichten/pages/show.php?timer=1249938640&deph=0&id=65499, wo z. B. von „massiven Sorgfaltspflichtverletzungen“ die Rede ist. Die Strafvereitelung im Amt und Rechtsbeugung durch die Staatsanwaltschaft Würzburg wird von der Generalstaatsanwalt Bamberg gedeckt, spätestens seitdem am 1.7.2009 der frühere Leiter der Würzburger Behörde zum Generalstaatsanwalt in Bamberg befördert wurde.
Das
Bundeskartellamt verweigerte 2007 und 2009 ein Eingreifen, als ich die Minderheitsbeteiligungen von E.ON an den Stadtwerken als kartellrechtliches Problem im Sinne von § 19 GWB und von § 1 GWB anzeigte. Mit der Entscheidung KVR 60/07 – E.ON/Stadtwerke Eschwege hat der Bundesgerichtshof am 11.11.2008 festgestellt, dass es der Geschäftsstrategie der E.ON AG entspricht, an zahlreichen Stadtwerken oder sonstigen Stromversorgern Minderheitsbeteiligungen zu erwerben, um auf diese Weise ihre Absatzgebiete zu sichern und den Wettbewerb einzuschränken. Doch sowohl das Bundeswirtschaftsministerium als auch die EU-Kommission deckten die Untätigkeit der Kartellbehörde. Bezeichnenderweise wechselte der Referatsleiter, der in Brüssel meinen Fall bearbeitet hatte, wenige Wochen nach seiner Antwort an mich von der Generaldirektion Wettbewerb zu einer Brüsseler Anwaltskanzlei, die für ihre Klienten aus der Industrie bei der EU Lobbyarbeit betreibt.
Die bisherigen Erfolge, mit denen sich auch der
Bund der Energieverbraucher schmückt, beziehen sich im Wesentlichen auf Sonderverträge und beruhen letztlich \"nur\" auf einer juristischen Formalität mit unwirksamen Preisanpassungsklauseln. Die eigentlichen wirtschaftlichen Hintergründe und speziell die Rolle von E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW bleiben völlig im Dunkeln. Die Preise an sich und die zu Grunde liegenden Kosten der Energieversorgung wurden nie in echten Billigkeitsprozessen nach § 315 BGB geprüft, wenn man von dem lokalen Erfolg am Landgericht Köln unter Az 90 O 41/07 vom 14.8.2009 absieht, vgl.
http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=12406&hilight=K%F6ln. Aus unerfindlichen Gründen teilt der Bund der Energieverbraucher auch nicht meine Kritik am Kartellrechtsverständnis des VIII. Zivilsenats, der mit dem Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 den Willen des Gesetzgebers in sein Gegenteil verkehrt, vgl.
http://www.cleanstate.de/Kartellrecht_und_Billigkeit_laut_VIII_%20Senat_BGH.pdf. Vermutlich passt es nicht zum Weltverständnis beim Bund der Energieverbraucher, dass die Energiepreise ein Beleg für schwerste Defizite in unserer Demokratie und speziell in der Justiz sind.Wir hatten in Deutschland schon einmal eine Justizkrise mit einer Wirtschaftskrise, siehe
http://www.derhistoriker.de/weimar/00+Politische_Justiz_in_der_Weimarer_Republik.pdf. Heute sind Teile der Justiz offenbar direkt vom Großkapital abhängig. Die Antworten der Bundesregierung vom 18.3.2010 zur Beförderung und Besoldung der Richter sowie zur Weisungsabhängigkeit der Staatsanwälte passen zu diesem Bild, vgl.
Bundestags-Drucksache 17/1097 zu einer Anfrage der Linken über die Umsetzung der Resolution 1685 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats.
Formal handelt es sich bei dem Prozess der Stadtwerke Würzburg um einen Zivilprozess gegen mich als einen zahlungsunwilligen Energiekunden. In den Jahren 2005 und 2006 hatte ich die Preise für Strom und Gas unter Hinweis auf § 315 BGB nur gekürzt, seit Ende 2006 zahle ich überhaupt nichts mehr für Strom, Gas und Trinkwasser. Ich verlangte mit einem umfangreichen Fragenkatalog, die Billigkeit der Preise nachzuweisen. Tatsächlich geht es in dem Verfahren um den Einfluss der Stadt Würzburg und E.ONs auf die Energie- und Trinkwasserpreise. Im Kern der Auseinandersetzung stehen Kartelldelikte, Untreue durch überteuerten Einkauf, Steuerhinterziehung durch verdeckte Gewinnausschüttung, Untreue durch Zinsderivatgeschäfte, die sich alle auf die Preise für Energie und Trinkwasser auswirken. Damit steht auch die Untätigkeit der oben genannten Behörden vor Gericht. Sämtliche Schriftsätze aus den ersten beiden Instanzen am Amtsgericht Würzburg und am Landgericht Würzburg stehen im Internet bei der Würzburger Kanzlei Bohl & Collegen unter
http://www.ra-bohl.de/html/strompreise.html als pdf-Dokumente zum Download bereit. Der zentrale Schriftsatz stammt vom 18.2.2009, siehe
http://www.ra-bohl.de/Schriftsatz_18.02.09.pdf, und ist wie folgt gegliedert:
1. Strompreis
1.1 Benchmark des Pestel-Instituts
1.2 Preisdifferenzierung Tarifabnehmer - Geschäftspartner
1.3 Preisvergleich Sondervertrag – Grundversorgung
1.4 Marktanteilsverluste durch Kundenwechsel
1.5 Einpreisung der CO2-Zertifikate
2. Gaspreis
2.1 Preisdifferenzierung Kraftwerksgas – Haushaltskunden
2.2 Akzeptanz von Preiserhöhungen größer als Anstieg der Erdgasimportpreise
2.3 Preisvergleich Grundversorgung – Sonderverträge
2.4 Stadtwerke-Beteiligung von E.ON
2.5 Kartellrechtswidrigkeit der Gasbezugsverträge
2.6 Zeitpunkt der Einführung von Sonderverträgen
2.7 Marktanteilsverluste durch Kundenwechsel
3. Wasserpreis
3.1 Quersubvention des Dallenbergbades
3.2 Finanzierung der Verluste aus Zinsspekulationen
4. produktübergreifende Belege für Preismissbrauch
4.1 Ineffizienzen im Netzbetrieb
4.2 Verlust aus Zinsspekulationsgeschäften
4.3 Höhe der Eigenkapitalrendite
4.4 Verwendung der Gewinne zur Quersubventionierung ÖPNV
Die Argumente aus diesem Schriftsatz wurden später immer wieder vertieft und mit aktuellen Urteilen des BGH und Entscheidungen des Bundeskartellamtes erweitert. Doch die grundsätzliche Linie zum Nachweis der Kartellrechtswidrigkeit der Preise steckt in dem Schriftsatz vom 18.2.2010.
Mit Beschluss vom 8.4.2010 unter Aktenzeichen 30 C 2420/08 erklärte sich das Amtsgericht Würzburg für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht Nürnberg-Fürth. Damit folgte das Amtsgericht dem Urteil des Landgerichts Würzburg, das am 17.3.2010 unter Aktenzeichen 42 S 1337/09 die erste Instanz nach § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aufhob und an die 1. Instanz mit der Auflage zurückverwies, den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Kartellgericht zu verweisen, siehe
http://www.ra-bohl.de/Urteil_LG_Wurzburg.pdf. In Nürnberg-Fürth steht also ein höchst interessanter Prozess bevor. Über den Fortgang des Verfahrens werde ich hier, bei der Kanzlei Bohl & Collegen, in der Würzburger Lokalpresse und bei Cleanstate berichten.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche
Email:
Lothar.Gutsche@arcor.de