In dem Thread \"Preisspaltung zur Grundversorgung noch zulässig?\"
äußerte RR-E-ft mit Blick auf die beiden BGH-Urteile KZR 4/10 und KZR 5/10 vom 07.12.2010:
Original von RR-E-ft vom 25.02.2011 23:38
Vielleicht wäre es möglich gewesen, mit diesen jüngsten Entscheidungen des BGH noch vor dem Verkündungstermin am 16.02.11 schriftsätzlich zur Rechtslage weiter vorzutragen und somit noch Einfluss zu nehmen auf die Kartellkammer des Landgerichts und deren Entscheidung. Da Letztere nicht bekannt ist, lässt sich von hier aus auch nicht beurteilen, ob die jüngste Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH entscheidenden Einfluss auf die Entscheidung des LG Nürnberg- Fürth hätte haben können bzw. müssen.
Die Entscheidung KZR 5/10 des Kartellsenats vom 7.12.2010 ist von meiner Seite dem Landgericht Nürnberg-Fürth noch vor der Urteilsverkündung zur Kenntnis gebracht worden. Schon in dem Gütetermin am 12.1.2011 deutete das Landgericht Nürnberg-Fürth an, dass es wie das OLG Nürnberg von einem
„Substitutionswettbewerb“ bei Gas ausgehe. Deshalb wies ich über meinen Rechtsanwalt in einem nachträglichen Schriftsatz vom 18.1.2011 auch auf die neueste Rechtsprechung des Kartellsenates am Bundesgerichtshof hin, nämlich auf das Leitsatz-Urteil KZR 5/10 vom 7.12.2010 zum Fall „Entega II“. Darin wurde nochmals entschieden, dass der sachlich maßgebliche Markt der Markt für die leitungsgebundene Gasversorgung von Endkunden ist und der Markt räumlich durch das Verteilnetz der Klägerin definiert wird. Im Detail wird das in den juris-Randnummern 13 – 15 der Urteilsgründe zu KZR 5/10 ausgeführt.
Trotzdem finden sich im Urteil 3 O 3188/10 des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16.2.2011 folgende Aussagen:
Seite 8 des Urteils 3 O 3188/10 vom 16.2.2011
Auch im Bereich Gas hat die Klägerin kein Monopol, da auf den Substitutionswettbewerb im Wärmemarkt abzustellen ist (vgl. BGH, NJW 2007, 2540)
Seite 10 des Urteils 3 O 3188/10 vom 16.2.2011
Für Gas ist entsprechend der Rechtsprechung des 8. Zivilsenats ein Substitutionswettbewerb anzunehmen (BGH NJW 2007, 2540; vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 19.02.2008, 11 U 12/07). Es fehlt insofern an einer konkreten Marktbeherrschung anhand des sachlich, räumlich und zeitlich relevante Marktes (vgl. Bechtold, GWB, 5. Auflage, § 19, Ru. 3).
Als sachlich maßgeblichen Markt ist der einheitliche Wärmemarkt anzusehen (vgl. etwa OLG Frankfurt, Urteil vom 19.02.2008, Az. 11 U 12/07).
Bei der Gasversorgung stützt sich das Landgericht Nürnberg-Fürth auf eine inzwischen veraltete Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats am Bundesgerichtshof. Denn am 29.4.2008 hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes in seinem 1. Leitsatz zum Urteil KZR 2/07 festgehalten:
„
Die Versorgung von Letztverbrauchern mit Erdgas bildet sachlich einen eigenen Markt; ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie besteht nicht (Bestätigung von BGHZ 151, 274, 282 – Fernwärme für Börnsen).“
Diese Definition des sachlich relevanten Marktes zur Gasversorgung hatte mein Anwalt in mehreren Schriftsätzen hervorgehoben, zuletzt am
21.1.2010 auf S. 19 - 22. Die extrem hohen Kosten, eine Heizungsanlage von Gas auf einen anderen Energieträger umzustellen, werden sowohl von mir als auch vom Kartellsenat des BGH als Hemmnis für einen Substitutionswettbewerb angesehen. Deshalb ist die u. a. vom VIII. Zivilsenat des BGH immer wieder zitierte Theorie vom Substitutionswettbewerb in einem einheitlichen Wärmemarkt zu verwerfen.
Weder mit diesen Argumenten noch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Kartellsenats setzt sich das Landgericht Nürnberg-Fürth als Kartellgericht auseinander. Vielmehr folgt es blind den \"Vorgaben\" des OLG Nürnberg und des VIII. Zivilsenats am BGH. Mit den vielen kartellrechtlichen Vorwürfen konnte das Gericht so \"kurzen Prozess\" machen.
Der negative Höhepunkt ist jedoch das Verständnis, das der Vorsitzende Richter Horst Rottmann und die beiden Richterinnen Magdalena Schroeter und Karoline Kneissl in dem Urteil unter Aktenzeichen 3 O 3188/10 zur Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB äußern. Der 3. Zivilsenat des Landgerichts Nürnberg-Fürth hält in seiner Urteilsbegründung vom 16.2.2011 fest:
Seite 8 des Urteils 3 O 3188/10 vom 16.2.2011
„Die Klagepartei hat zu den beiden hier maßgeblichen Wasserpreisen, also insbesondere zu der angegriffenen Preiserhöhung, ein Privatgutachten vorgelegt, das die Kalkulation mit den wesentlichen Tatsachengrundlagen in substantiierter und nachvollziehbarer Form darlegt (Anlage K12). Insbesondere ist aufgrund der ausgeführten Kostenstrukturen die Preiserhöhung als im Rahmen dargetan. Die von der Beklagten Partei erhobenen Einwände (Schriftsatz vom 20.10.2009, S. 6 ff., Bl. 480 ff. d. A.) fordern eine Vortragstiefe, die angesichts des der Klägerin im Rahmen des § 315 Abs. 1 und 3 BGB zustehenden Ermessensspielraumes (vgl. etwa OLG Nürnberg, Urteil vom 09.12.2008, Az. 1 U 1105/08 ) nicht verlangt werden kann. Die Anforderungen dürfen hier nicht überspannt werden. Die Einwendungen des Beklagten gegen die Berechnungen der Klagepartei greifen somit im Ergebnis nicht durch.“
Zu meinem Nachteil sprachen die Richter der 3. Zivilkammer in ihrem Urteil vom 16.2.2011 einem
substantiiert bestrittenen Privatgutachten zum Trinkwasserpreis volle Beweiskraft zu. Die Richter haben damit die Beweisgrundsätze aus § 279 Abs. 3 ZPO und aus § 286 ZPO missachtet und sich über die Beweisregeln hinweggesetzt, die in den §§ 355 – 370 ZPO zur Beweisaufnahme und in den §§ 402 – 414 ZPO zum Beweisverfahren definiert sind. Das Gericht hat die im Grundgesetz zugesicherten Verfahrensgrundrechte zu meinem Nachteil mehrfach verletzt. Angesichts meines umfangreichen, mehrfachen Vortrags zum Privatgutachten ist die Weigerung, das Privatgutachten der Stadtwerke Würzburg gerichtlich zu prüfen, nur mit Vorsatz zu erklären. Die rechtswidrige Akzeptanz des Parteigutachtens durch das Gericht wirkt sich zu meinem Nachteil aus, weil die Trinkwasserpreise nun von mir in der geforderten Höhe zu zahlen wären, wenn ich nicht erfolgreich Berufung einlege.
Bereits im Schriftsatz vom 14.4.2009 zum Verfahren 30 C 3420/08 am Amtsgericht Würzburg hatte ich ausführlich begründet, warum ich von der Klägerin beauftragte Wirtschaftsprüfergutachten nicht als Beweismittel akzeptiere, siehe
Seite 15 – 16 im Schriftsatz vom 14.4.2009. In dem Schriftsatz vom 14.4.2009 hatte ich meine Position mit höchstrichterlicher Rechtsprechung begründet, so u. a. mit BVerfG, 1 BvR 2203/98 vom 28.12.1999, BVerwG, B. v. 15.08.2003 – 20 F.8.03 und BGH-Urteil II ZR 67/07 vom 02.06.2008.
In dem
Schriftsatz vom 20.10.2009, Seite 6, verwies ich auf das BGH-Urteil VIII ZR 314/07 vom 8.7.2009. Im Zusammenhang mit einem Streit um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen hatte der BGH bestätigt, dass ein Privatgutachten nicht als Beweismittel im Sinne der §§ 355 ff. ZPO gilt. Der Leitsatz des Urteils VIII ZR 314/07 lautet diesbezüglich unmissverständlich: „
Eine Beweiserhebung (hier: durch Zeugenvernehmung) ist nicht deshalb entbehrlich, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen durch ein Privatgutachten belegt sind, dessen Richtigkeit der Gegner bestreitet, ohne die Unzulänglichkeit des Gutachtens substantiiert darzulegen.“
Obwohl ich als Beklagter nach dem BGH-Urteil vom 8.7.2009 nicht verpflichtet war, Tatsachen aus dem PWC-Gutachten zu überprüfen, habe ich auf den Seiten 6 – 13 des
Schriftsatzes vom 20.10.2009 und in der Anlage B12 substantiiert dargelegt, warum die Bescheinigung von PWC vom 2.9.2009 nicht aussagekräftig ist. Zum einen stellte ich das grundsätzliche Problem dar, dass die Unternehmensstruktur der Stadtwerke Würzburg bei der Trinkwasserversorgung völlig intransparent ist und damit Kosten beliebig verschoben werden können. Darüber hinaus stellte ich 13 konkrete Fragen an das PWC-Gutachten, das die Stadtwerke Würzburg als Parteigutachten eingebracht hatten.
Sachverständigengutachten sind stets mit der gebotenen Distanz und mit hoher Sorgfalt kritisch zu würdigen. Bei inhaltlichen Zweifeln muss das Gericht den Gutachter zur Klarstellung und Vervollständigung veranlassen, siehe BGH-Urteil VI ZR 284/93 vom 27.09.1994 oder den Aufsatz des früheren BGH-Richters Hans-Peter Greiner „Die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats“ in der Festschrift für Achim Krämer zum 70. Geburtstag am 19. September 2009, herausgegeben von Uwe Blaurock, Loachim Bornkamm, Joachim und Christian Kirchberg, Berlin, New York (de Gruyter Recht) 2009, Seiten 461–474. Im vorliegenden Fall sind nicht nur schwer wiegende Mängel des Gutachtens aufgezeigt worden, sondern sogar entscheidungserhebliche Gesetzesverstöße z. B. bei der Kalkulationsmethode zur Abschreibung, vgl. Frage 5 auf Seite9/10 im
Schriftsatz vom 20.10.2009. Auch die in Frage 6 aufgezeigten Widersprüche zwischen der Abschreibung nach Wiederbeschaffung und den Investitions- und Instandhaltungskosten hätten vom Gericht unbedingt aufgeklärt werden müssen, vgl. Seite 10 im
Schriftsatz vom 20.10.2009. Das Gericht hat eine eigene Sachkunde zum Gegenstand des PWC-Gutachtens nicht dargelegt.
Die Tatsache, dass das Landgericht Nürnberg-Fürth sämtliche 13 entscheidungserheblichen Fragen komplett überging, bedeutet nicht nur eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, sondern auch eine Verweigerung des effektiven Rechtsschutzes. Meine Fragen und Einwände als unzulässige „
Vortragstiefe“ zu bewerten, die „
angesichts des der Klägerin im Rahmen des § 315 Abs. 1 und 3 BGB zustehenden Ermessensspielraumes nicht verlangt werden kann“, das widerspricht allen Beweisgrundsätzen eines fairen Verfahrens. Diese Beweisgrundsätze sind in der Zivilprozessordnung und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung definiert. Mit ihrem Urteil verletzten die Richter Rottmann, Schroeter und Kneissl auch das Willkürverbot.
Wenn man es mit solchen sogenannten \"Richtern\" zu tun hat, dann ist ein Prozess um die Billigkeit oder Kartellrechtswidrigkeit von Preisen wirklich ein \"
äußerst schwieriges Unterfangen\". Natürlich werde ich mit allen Mitteln unseres scheinbaren Rechtsstaates darum kämpfen, solche \"Richter\" dauerhaft aus der Justiz zu entfernen. Doch die
andernorts so geschätzten Staatsanwaltschaften sind mir bislang mehr durch Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt als durch Gesetzestreue aufgefallen, sobald es um Wirtschaftskriminalität mit politischer Einflussnahme geht. Deshalb gehe ich nicht mit allzu großen Hoffnungen in die weiteren juristischen Auseinandersetzungen.
Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email:
Lothar.Gutsche@arcor.de