Energiepreis-Protest > Gerichtsurteile zum Energiepreis-Protest
BGH, Urt. v. 08.07.2009, VIII ZR 314/07 (Gastariferhöhung SW Delmenhorst)
uwes:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Es muss abgewartet werden, ob der Senat sich in den Entscheidungsgründen etwa obiter dicta dazu äußert. Nach gut geübter Praxis lässt der Senat nicht entscheidungserhebliche Fragestellungen zumeist offen. \"Es kann offen bleiben/ dahinstehen, ob....\"
Warten wir es also ab.
--- Ende Zitat ---
Das Urteil des Senats ist nach Schluss der mündlichen Verhandlung noch am selben Tage verkündet worden.
Danach wird das (Berufungs-)Urteil der 9. Zivilkammer des LG Oldenburg vom 29.11.2007 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Oldenburg zurückverwiesen.
2 wesentliche Gesichtspunkte sind dort streitgegenständlich:
1. Muss das Delmenhorster Unternehmen den Gaskunden im Rahmen der Verpflichtung zum möglichst preisgünstigen Energiebezug auch Sonderverträge anbieten, die letztlich eine um 0,24 ct/kwh niedrigere Konzessionsabgabe für jeden Sondervertragskunden zur Folge hätten?
2. Kann ein staatlich beherrschtes, ehemaliges kommunales, Unternehmen im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrages mit anderen (kommunalen) Konzernunternehmen den zu erwartenden Gewinn aus dem Gasverkauf an Tarifkunden so kalkulieren, dass neben einer üblichen Kapitalverzinsung so viel an Gewinnen (vor Steuern) übrig bleibt, dass mit eben diesen Gewinnen in Millionenhöhe andere kommunale Aufgaben wie der öffentliche Bäderbetrieb und der ÖPNV mit finanziert werden können? (siehe hier.
Uwes
tangocharly:
--- Zitat ---Original von uwes
[...] 2 wesentliche Gesichtspunkte sind dort streitgegenständlich:
1. Muss das Delmenhorster Unternehmen den Gaskunden im Rahmen der Verpflichtung zum möglichst preisgünstigen Energiebezug auch Sonderverträge anbieten, die letztlich eine um 0,24 ct/kwh niedrigere Konzessionsabgabe für jeden Sondervertragskunden zur Folge hätten?
2. Kann ein staatlich beherrschtes, ehemaliges kommunales, Unternehmen im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrages mit anderen (kommunalen) Konzernunternehmen den zu erwartenden Gewinn aus dem Gasverkauf an Tarifkunden so kalkulieren, dass neben einer üblichen Kapitalverzinsung so viel an Gewinnen (vor Steuern) übrig bleibt, dass mit eben diesen Gewinnen in Millionenhöhe andere kommunale Aufgaben wie der öffentliche Bäderbetrieb und der ÖPNV mit finanziert werden können?
--- Ende Zitat ---
Finde beide Aspekte interessant.
Aber, wo lesen Sie das aus der PM des BGH heraus (Tut mir leid, aber habe dort nur einen flüchtigen Blick drüber gelegt).
uwes:
--- Zitat ---Original von tangocharly
Finde beide Aspekte interessant.
Aber, wo lesen Sie das aus der PM des BGH heraus (Tut mir leid, aber habe dort nur einen flüchtigen Blick drüber gelegt).
--- Ende Zitat ---
Wir befinden uns wieder in der Berufungsinstanz. Das Gericht muss die Billigkeit der Preiserhöhungen prüfen. Dazu wird es gehören, ob (vermeidbare) Kosten, und Preise, die in einem funktionierenden Wettbewerb nicht entstanden wären, zu Begründung einer Preiserhöhung herangezogen werden können. (vgl. § 29 GWB - analog)
Das ist der Grundgedanke.
Im Einzelnen wird das Versorgungsunternehmen daher erklären müssen, ob es notwendig ist, die Kunden ausschließlich in der Grundversorgung zu beliefern und warum es nicht zugunsten der Kunden auch erforderlich gewesen wäre, (auch) Sonderkundenverträge anzubieten um die Konzessionsabgabe zu sparen. Ich halte dies aus Gründen der Vermeidung eines Diskriminierungsvorwurfes (§ 19 IV GWB) auch für erforderlich. Es kommt Spannung dabei auf, wenn man sich vorstellt, wie die swd diesen Umstand erklären wollen. Immerhin ist die Stadt Delmenhorst über einen Eigenbetrieb zu 100% Gesellschafterin der swd und kann nicht daran interessiert sein, auf die Einnahmen zu verzichten. Ob diese Erklärung allerdings ausreicht, um die Billigkeit zu begründen, ist dann Gegenstand der gerichtlichen Urteilsfindung.
Ob und inwieweit die Gewinnspanne so kalkuliert werden kann, dass über den normalen Unternehmensgewinn hinaus auch die Kosten für ansonsten strukturell defizitäre kommunale Einrichtungen wie Bäder- und Busbetriebe mit finanziert werden können ist eine rein wirtschaftliche Betrachtung. Wenn das Unternehmen im Wettberb um die Preise stehen würde, dann wäre diese Art von Kalkulation nicht möglich. Man würde dann den Gewinn eben nicht so hoch kalkulieren können. Da es aber keinen wirksamen Wettbewerb gibt, ist die höhe der kalkulierten Gewinnspanne eben so eine \"Ermessenssache\" Nimmt man allerdings die Verpflichtung aus dem Gewinnabführungsvertrag als Kostenbelastung, so stellt sich auch hier die Frage, ob Kosten, die im wirksamen Wettbewerb nicht entstanden wären, bei der Preisgesteltung Berücksichtigung finden können. Auch hier wird die gerichtliche Entscheidungsfindung angestrebt.
Uwes
RR-E-ft:
Die Entscheidung vom 08.07.2009 - VIII ZR 314/07 ist nun veröffentlicht.
--- Zitat ---Eine Beweiserhebung (hier: durch Zeugenvernehmung) ist nicht deshalb entbehrlich, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen durch ein Privatgutachten belegt sind, dessen Richtigkeit der Gegner bestreitet, ohne die Unzulänglichkeit des Gutachtens substantiiert darzulegen.
--- Ende Zitat ---
Der BGH lehnt weiter eine Gesamtpreiskontrolle auch bei festgestellter Monopolstellung ab.
--- Zitat ---Tz. 17
Gleichwohl ist eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB nach der zu dieser Vorschrift entwickelten \"Monopolrechtsprechung\" (vgl. BGHZ 172, 315, Tz. 33 m.w.N.) nicht gerechtfertigt. Einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle von allgemeinen Tarifen (Preisen) eines Gasversorgungsunternehmens in analoger Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB steht ent-gegen, dass sie der Intention des Gesetzgebers zuwider liefe, der eine staatliche Prüfung und Genehmigung dieser Tarife wiederholt abgelehnt hat. Auch bei der gerichtlichen Kontrolle der Billigkeit der Tariffestsetzung fände für das betroffene Gasversorgungsunternehmen eine Preisregulierung statt, wenn der Tarif nach Auffassung des Gerichts unbillig überhöht und deshalb durch Urteil zu bestimmen wäre (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 19. November 2008, aaO, Tz. 17 - 23).
--- Ende Zitat ---
Dies überzeugt nicht, nachdem jedes Urteil nur zwischen den Parteien Wirkung entfaltet. Hier soll aber doch das Gericht zumindest im Verhältnis der Parteien angehalten sein, ggf. die Tarifpreise neu zu bestimmen.
--- Zitat ---Tz. 34
Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Preiserhöhungen nicht der Billigkeit entsprechen, ist der Hilfsantrag der Beklagten auf Bestimmung des zwischen den Parteien geltenden Arbeitspreises Erdgas zum 1. Oktober 2004 und 1. Oktober 2005 zu berücksichtigen.
--- Ende Zitat ---
--- Zitat --- Tz. 3
Die Beklagte erhöhte den Arbeitspreis für Erdgas im Heizgastarif zum 1. Oktober 2004 von 3,18 Cent/kWh auf 3,58 Cent/kWh, zum 1. Oktober 2005 auf 4,16 Cent/kWh und zum 1. Januar 2006 auf 4,52 Cent/kWh (jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer). Die Kläger widersprachen der Preiserhöhung.
Mit ihrer Klage haben die Kläger die Feststellung begehrt, dass die von
der Beklagten im dem zwischen den Parteien geschlossenen Gaslieferungsvertrag zum 1. Oktober 2004, 1. Oktober 2005 und 1. Januar 2006 vorgenommenen Erhöhungen des Arbeitspreises Erdgas unbillig und unwirksam seien. Die Beklagte hat Klageabweisung, hilfsweise die Bestimmung des zwischen den Parteien geltenden Arbeitspreises Erdgas zum 1. Oktober 2004 und 1. Oktober 2005 beantragt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und ausgeführt, mangels Darlegung der Preiskalkulation der Beklagten könne es auch deren Hilfsantrag nicht entsprechen. Auf die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
--- Ende Zitat ---
Das wäre dann aber wohl keine Preisregulierung im Sinne von Tz. 17.
Der Gesetzgeber hat eine gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB vorgesehen, vgl. nur § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV.
Nachdem der gleiche Senat die Verpflichtung zur Tarifabsenkung bei rückläufign Kosten anerkannt hat [BGH VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08], darf man sich fragen, wie wohl die gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB auf den Hilfsantrag ausfallen müsste, wenn sich herausstellen sollte, dass etwa zum 01.10.2004 die Gesamtkosten gar nicht gestiegen, sondern tatsächlich gesunken waren. Es ist also wohl theoretisch nicht ausgeschlossen, dass eine gerichtliche Ersatzbestimmung zu geringeren als den bis zum 01.10.2004 geltenden Preisen führt.
Man darf sich wohl auch fragen, ob es sich vielleicht dann um eine Preisregulierung handeln würde, wenn alle betroffenen Tarifkunden des Versorgers dabei gleichermaßen verfahren wären.
Man darf sich wohl auch fragen, wie es sich mit den Allgemeinen Tarifen noch verhält, wenn das Gericht nur hinsichtlich solcher Tarifkunden, die sich wehren, den Tarif neu festsetzt, gegenüber den anderen Tarifkunden des gleichen Versorgers jedoch die von diesem einseitig festgesetzten Tarifpreise weiter Geltung beanspruchen sollen.
Je nachdem, wie sich die Tarifkunden verhalten hatten, käme es wohl auf ewig zu einer Preisspaltung zwischen den Tarifkunden des gleichen Versorgers. Denn versorgerseits zu kündigen sind Tarifkundenverträge ebensowenig wie Grundversorgungsverträge, vgl. § 116 EnWG, § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV.
Wer im Ganzen wohl irgendwie einen Widerspruch sieht, der hat es wohl nur nicht richtig verstanden.
Das Amtsgericht Delmenhorst hatte eine Ersatzbestimmung auf den Hilfsantrag abgelehnt und kann sich dabei m.E. wohl auf die Entscheidung des BGH vom 02.10.1991 - VIII ZR 240/90 stützen.
--- Zitat --- BGH VIII ZR 240/90 am Ende
Zu Recht hat es das Berufungsgericht auch abgelehnt, die Preisbestimmung selbst durch Urteil zu treffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Das ist nur zulässig, wenn die Bestimmung durch die dazu befugte Partei nicht der Billigkeit entspricht oder verzögert wird und eine hinreichende tatsächliche Grundlage für eine ersetzende gerichtliche Bestimmung vorhanden ist. Eine Verzögerung liegt ersichtlich nicht vor. Ob und gegebenenfalls inwieweit die Preisfestsetzung der Klägerin unbillig ist, kann dagegen wegen des zur Nachprüfung ungeeigneten Vortrags der Klägerin nicht beurteilt werden.
--- Ende Zitat ---
Im Übrigen verhält sich die Entscheidung zur Darlegungs- und Beweislast für die die Billigkeit begründenden Umstände. Die Darlegungs- und Beweislast für diese trägt der Versorger.
Der Senat stellt noch einmal klar, dass ein Billigkeitsnachweis durch Preisvergleiche regelmäßig ausscheidet. Bezüglich Parteivortrags auch in Form qualifizierten Parteivortrags in Form von WP- Bescheinigungen genüge einfaches Bestreiten mit Nichtwissen, so dass über streitige Tatsachen dann Beweis erhoben werden muss.
Der Senat weist darauf hin, dass eine Preiserhöhung dann unbillig sein kann, wenn und soweit ein Bezugskostenanstieg durch rückläufige andere Kosten kompensiert werden konnte, was die Parteien noch nicht erörtert hätten.
tangocharly:
.... und dass der BGH nun auch noch Tautologien liebt .....
--- Zitat --- Tz.: 32
Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich dem nicht entgegenhal-
ten, die Beklagte sei nicht grundrechtsfähig, weil sie zu 100 Prozent der Stadt
D. gehöre. Selbst wenn die Beklagte sich nicht auf die Grundrechte
aus Art. 12 und 14 GG berufen könnte (vgl. dazu BVerfG, NJW 1990, 1783
m.w.N.), bedeutete das nicht, dass ihr Interesse an der Geheimhaltung von Be-
triebs- und Geschäftsgeheimnissen im Sinne des § 172 Nr. 2 GVG von vorn-
herein außer Betracht zu bleiben hätte. Denn das vorstehend dargestellte Ge-
bot der Abwägung und des Ausgleichs zwischen dem Gebot effektiven Rechts-
schutzes und dem Geheimnisschutz erfasst das rechtliche Interesse am Schutz
von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unabhängig davon, ob dieses auch
verfassungsrechtlich abgesichert ist (vgl. BVerwGE 90, 96, 101 zur Berücksich-
tigung der Belange einer Gemeinde als Grundstückseigentümerin in der abfall-
rechtlichen Planfeststellung).
--- Ende Zitat ---
........ trägt auch nicht gerade zur Erheiterung bei.
Wenn schon die Verfassung, wie das Bundesverfassungsgericht das sieht, nichts dafür hergibt, dann muß halt auf eine andere \"Verfassung\" zurück gegriffen werden, wenn auch nur auf die Gerichtsverfassung (GVG).
Ergibt sich der Schutz der Geschäftsgeheimnisse, dem der 172 GVG Rechnung trägt, nun aus der \"Natur der Sache\" oder gar aus den \"Moses\'schen Steintafeln\" oder wird einfach etwas geschützt, weil es geschützt werden soll (Tautologie).
Eine Banane für den VIII.Senat ....
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