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BGH, Urt. v. 08.07.2009, VIII ZR 314/07 (Gastariferhöhung SW Delmenhorst)

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RR-E-ft:
BGH VIII ZR 314/07 mündliche Verhandlung am 24.06.2009

Es steht eine Zurückverweisung an das LG Oldenburg zu erwarten, wenn die Kläger den substantiiert behaupteten Bezugskostenanstieg substantiiert bestritten haben, die Beklagte dafür weiteren Beweis angeboten hatte; die Kläger  weiter bestritten haben, dass ein etwaiger Bezugskostenanstieg nicht durch rückläufige Kosten bei anderen preisbildenden Faktoren des sog. \"Preissockels\" vollständig ausgeglichen werden konnten (BGH VIII ZR 138/07 Tz. 39) oder wenn die Kläger darüber hinaus (substantiiert) bestritten haben, dass ein etwaiger Bezugskostenanstieg im Vorlieferantenverhältnis zur Anpassung an die Marktverhältnisse notwendig war (BGH VIII ZR 138/07 Tz. 43). Der BGH hat bereits entschieden, dass ein Preisvergleich mit anderen Gaslieferanten zum Billigkeitsnachweis nicht ohne weiteres genügen kann (BGH, VIII ZR 138/07 Tz. 49 f.).

RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von ESG-Rebell

--- Zitat ---Original von uwes
VIII ZR 314/07
--- Ende Zitat ---
Der Verhandlungstermin in der Sache VIII ZR 314/07 wurde vom 24.06.09 auf den 8. Juli 2009, 12.00 Uhr verlegt.

Gruss,
ESG-Rebell.
--- Ende Zitat ---

RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von ESG-Rebell
BGH VIII ZR 314/07

8. Zivilsenat: Ball, Frellesen, Hessel, Achilles, Schneider

Eheleute Saft: RA Dr. Klaas, Prof. Dr. Schmitt
Stadtwerke Delmenhorst (SWD): RA Frau Dr. Ackermann

----- 12:22 --------------------------------------------------------------------------
Ball trägt die Sachlage vor.
Die Gaskunden hatten Feststellung verlangt, dass drei Preiserhöhungen unbillig seien.
Das Berufungsgericht hat die Erhöhungen einer Billigkeitsprüfung nach §315 Satz 3 unterzogen.
Es stellte zutreffend fest, dass die Beklagte die Billigkeit beweisen muss.

Die Billigkeit sei bewiesen durch die Vorlage eines Wirtschaftsprüfungsgutachtens (WPG)
1) Das Vorbringen der Kläger gegen dieses WPG sei nicht substantiiert.
2) Die ausschliessliche Weitergabe von Bezugskostensteigerungen sei bewiesen.

Der Senat hat in beiden Punkten Bedenken.

Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an den Umfang des Vorbringens der Kläger zu weit gefasst. Die Kläger können ein WPG nicht substantiiert im Detail bestreiten.

Ein WPG ist eine Urkunde aber kein Beweis an sich.

Der Nachweis der Billigkeit durch einen Preisvergleich hinsichtlich der Marktüblichkeit kommt nur dann in Frage, wenn die Versorgungsstrukturen der verglichenen Unternehmen identisch sind.

Ein bloßer Preisvergleich mit anderen Versorgern und Einstufung als \"günstig\" in einer Rangliste reicht zum Nachweis der Billigkeit nicht aus.

Die weiteren Argumente hinsichtlich Quersubventionierung etc. dürften in diesem Verfahren wohl nicht relevant werden, da schon aus den oben genannten Gründen eine Rückverweisung an das Landgericht wahrscheinlich ist.

----- 12:30 ---------------------------------------------------------------------------
Dr. Klaas:

Schliesst sich den Ausführungen des Senats an.
Zum Sockelpreis ist in diesem Verfahren nichts zu sagen, da unstreitig die Preiserhöhungen streitgegenständlich sind.

Das WPG ist ein Parteigutachten. Außerdem wurde es erst 1 1/2 Jahre nach Klageerhebung und einem Hinweisbeschluss des AG nachgereicht.

Zu Einsparmöglichkeiten zwecks Kompensation der Bezugskostensteigerungen haben die SWD bislang nichts vorgetragen. Ebenso wenig zu Quersubventionierungen von anderen Eigensparten (Bäder) durch Gasprofite.

Es kann doch nicht angehen, dass Gaskunden diese bezahlen müssen. Das ist doch eher Aufgabe des Steuerzahlers.

----- 12:35 ---------------------------------------------------------------------------
Dr. Ackermann:

Der Sockelbetrag ist als Anfangspreis vereinbart.

Sie geht auf Seite 8 des LG-Urteils ein: \"Die Bescheinigung vermag darzulegen und zu beweisen ...\"

Das Berufungsgericht hat nicht etwa das WPG als maßgeblich erachtet sondern sich mit diesem auseinander gesetzt und eine eigene Überzeugung von seiner Beweiskraft erlangt.

Die Kläger haben das WPG nicht substantiiert bestritten.
Zu der Richtigkeit der Anlage B3 (Differenzveränderung der Bezugskostenänderung) hat das EVU auch einen Zeugenbeweis (Mitarbeiter der SWD) angeboten.

Zudem haben die Kläger die Richtigkeit der Anlage B3 in der ersten Instanz nicht bestritten. Das LG durfte daher von der Richtigkeit der Angaben ausgehen.

----- 12:40 ---------------------------------------------------------------------------
Dr. Klaas:

Das WPG wurde doch erst nach der Verhandlung vorgelegt und es hat lediglich die Richtigkeit der Anlage B3 bestätigt.

Nach Sichtung der Anlage B3 hatte das AG einen Aufnahmebeschluss zur Offenlegung der Kalkulation erlassen.

Der Klage wurde dann statt gegeben, weil die SWD dem Beschluss nicht nachgekommen waren.

-------------------------------------------------------------------------
Ball:

Das LG sprach nicht von unstreitig sondern von bewiesen.

Eine Urkunde ist kein Beweis sondern eine urkundlich unterlegte Darlegung.

Die Ausführung des LG, pauschales Bestreiten sei unerheblich, ist falsch.
Der Kunde darf bestreiten mit den Worten: \"Ich weiß es nicht.\"

Ball und Ackermann diskutieren. Sie kann ihn aber nicht überzeugen.

Ackermann: Die Kläger haben nur pauschal bestritten und das auch erst in der zweiten Instanz.

Ball: Dies hätte das LG beanstanden können; hat es aber nicht.
Entscheidend ist die letzte Verhandlung in der zweiten Instanz. Und dort wurde bestritten.
----- 12:45 ---------------------------------------------------------------------------

Das Verfahren wird voraussichtlich an das LG zurück verwiesen.

Gruss,
ESG-Rebell.
--- Ende Zitat ---


Vielen Dank an ESG- Rebell !!!

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Anmerkung:


Wir nehmen aus dieser Verhandlung für uns mit:

1.

Der Versorger trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit.
Das wusste man schon aus VIII ZR 36/06 und VIII ZR 138/07.

2.

WP- Bescheinigungen sind zwar Urkunden, jedoch keine zulässigen Beweismittel, sondern allenfalls substantiierter Parteivortrag.

Das bestätigt unsere hier immer wieder vetretene Auffassung.

Die Versorger und deren Anwälte hatten insoweit (vorgeblich) eine Passage in der Senatsentscheidung vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 falsch verstanden, nämlich dass Wirtschaftsprüfer- Bescheinigungen als Billigkeitsnachweis im Sinne eines Beweises taugen könnten.

Frau Kollegin Dr. Ackermann hat offensichtlich entweder nicht verstanden, dass das Parteigutachten niemals eine eigene Beweiskraft haben kann, von welcher sich ein Gericht eine Überzeugung machen könnte, weil es schon kein zulässiges Beweismittel sondern immer nur Teil des Parteivortrags sein kann, oder aber ein entsprechend vorhandenes, zutreffendes Verständnis gut zu verbergen gesucht.

3.

Verbraucher können die in einer als Parteigutachten vorgelegten WP- Bescheinigung (\"Testat\") genannten  Tatsachen in der Regel  einfach mit Nichtwissen bestreiten, da ihnen mangels eigener Kenntnisse über die maßgeblichen Tatsachen ein weitergehendes Bestreiten gar nicht möglich ist.

Auch das bestätigt unsere hier immer wieder vertretene Auffassung.
 
Siehe hier.

4.

Preisevergleiche reichen in der Regel nicht aus, um einen Billigkeitsnachweis zu führen. Das wusste man schon aus der Senatsentscheidung vom 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 49 ff.

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Die Rückverweisung an das LG Oldenburg stand bereits vor der Verhandlung zu erwarten.



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

tangocharly:

--- Zitat ---@Uwes
Es geht u.a. um die Frage, ob die Tarifkunden so hohe Gaspreise bezahlen müssen, dass damit die defizitären öffentlichen Einrichtungen im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrages mit finanziert werden können udn ob der Versorger im Rahmen seines Monopols statt der teureren Tarifkundenveträge günstigere Sonderkundenverträge hätte anbieten müssen um wenigstens Konzessionsabgaben zu sparen.
--- Ende Zitat ---

Und wie lautet die Antwort:

--- Zitat ---Die weiteren Argumente hinsichtlich Quersubventionierung etc. dürften in diesem Verfahren wohl nicht relevant werden, da schon aus den oben genannten Gründen eine Rückverweisung an das Landgericht wahrscheinlich ist.
--- Ende Zitat ---

Kommen sie noch (diese Argumente) oder kommen sie dann (später) nicht (in Betracht) ?

Eine klare Absage ist diese Äußerung des VIII.Senats jedenfalls nicht.

RR-E-ft:
@tangocharly

Es muss abgewartet werden, ob der Senat sich in den Entscheidungsgründen  etwa obiter dicta dazu äußert. Nach gut geübter Praxis lässt der Senat nicht entscheidungserhebliche Fragestellungen zumeist offen. \"Es kann offen bleiben/ dahinstehen, ob....\"

Das Urteil des LG Oldenburg  ist ersichtlich bereits aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft und deshalb aufzuheben und zurückzuverweisen.

Warten wir es also ab.

Wo der Senat sich ohne Not  zu obiter dicta veranlasst sah, führten diese oftmals in eine Sackgasse, vgl. nur Sentatsentscheidung vom 28.03.2007 - VIII ZR 144/06, wonach auch ein Allgemeiner Tarif als Anfangspreis vertraglich vereinbart sei.

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