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Autor Thema: Vertragsänderung wg. BGH-Urteil, was nun?  (Gelesen 31495 mal)

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Offline tangocharly

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Vertragsänderung wg. BGH-Urteil, was nun?
« Antwort #30 am: 08. April 2009, 23:30:33 »
Das Verständnis des Verstehens von Verstandenem:

Potz Blitz und Donner ! Da finden sich doch tatsächlich Kaffesatz-Leser im Forum.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline Black

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Vertragsänderung wg. BGH-Urteil, was nun?
« Antwort #31 am: 09. April 2009, 09:50:52 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Es besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Belieferung.

Es besteht ein Anspruch auf Abschluss eines Grundversorgungsvertrages, der dann natürlich Basis der Belieferung ist. Wenn ein Lieferanspruch ohne Vertrag bestehen würde, wäre der Abschluss eines Vertrages in jedem Fall überflüssig. Die GVV wäre auch nicht Vertragsbestandteil sondern würde direkt unmittelbar gelten.

§ 1 Abs. 1 S. 2 GVV
Die Bestimmungen dieser Verordnung sind Bestandteil des Grundversorgungsvertrages zwischen Grundversorgern und Haushaltskunden.

Den feinen Unterschied zwischen Anspruch auf Vertragsschluss und Anspruch auf Belieferung ohne Vertrag sollten Sie schon juristisch treffen können.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline userD0009

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Vertragsänderung wg. BGH-Urteil, was nun?
« Antwort #32 am: 09. April 2009, 10:19:35 »
§ 36 Abs. 1 EnWG

\"Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen. Die Pflicht zur Grundversorgung besteht nicht, wenn die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.\"

@Black
Was verstehen Sie unter dem Begriff Versorgung?

Für mich beinhaltet das mehr als nur \"Vertragsschluss\".


Und in § 1 Abs. 1 Satz 1 GasGVV
\"Diese Verordnung regelt die Allgemeinen Bedingungen, zu denen Gasversorgungsunternehmen Haushaltskunden in Niederdruck im Rahmen der Grundversorgung nach § 36 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes zu Allgemeinen Preisen mit Gas zu beliefern haben.\"

Grüße
belkin

Offline RR-E-ft

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Vertragsänderung wg. BGH-Urteil, was nun?
« Antwort #33 am: 09. April 2009, 11:45:33 »
@belkin

Wie wahr, ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.

Zitat
Original von Black
Zitat
Original von RR-E-ft
Es besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Belieferung.

Es besteht ein Anspruch auf Abschluss eines Grundversorgungsvertrages, der dann natürlich Basis der Belieferung ist. Wenn ein Lieferanspruch ohne Vertrag bestehen würde, wäre der Abschluss eines Vertrages in jedem Fall überflüssig. Die GVV wäre auch nicht Vertragsbestandteil sondern würde direkt unmittelbar gelten.

§ 1 Abs. 1 S. 2 GVV
Die Bestimmungen dieser Verordnung sind Bestandteil des Grundversorgungsvertrages zwischen Grundversorgern und Haushaltskunden.

Den feinen Unterschied zwischen Anspruch auf Vertragsschluss und Anspruch auf Belieferung ohne Vertrag sollten Sie schon juristisch treffen können.

@Black

§ 36 Abs. 1 EnWG begründet keinen Anspruch auf Vertragsabschluss, sondern einen gesetzlichen Anspruch auf Versorgung bzw. Belieferung.

Wenn man die Entscheidung des BGH vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 gründlich liest, wird vielleicht auffällig, dass auch § 4 AVBGasV - eine Bestimmung die Kraft Gesetzes als Vertragsbestandteil in jeden Tarifkundenvertrag einbezogen war - ein gesetzliches und eben kein vertragliches Leistungsbestimmungsrecht begründen soll (BGH, aaO. Tz. 17). Bei einem vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrecht hätte die Entscheidung nach Auffassung des BGH wohl anders ausfallen müssen (BGH, aaO. Tz. 32).

Bei einem gestzlichen Kontrahierungszwang wie § 10 Abs. 1 EnWG 1998 ergeben sich die Rechte und Pflichten nach der Lesart des BGH also nicht aus dem Vertrag, sondern vornehmlich unmittelbar aus dem Gesetz, namentlich den Bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes und den dazu erlassenen Rechtsverordnungen. Bei § 36 Abs. 1 EnWG und den Bestimmungen der Grundversorgungsverordnung verhält es sich nicht anders.

Dass § 1 GVV bestimmt, dass die Regelungen Vertragsinhalt des Grundversorgungsvertrages sind, kann doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein solcher gem. § 2 Abs. 2 GVV zustande kommen können soll.

Denknotwendig muss für das Zustandekommen des Grundversorgungsvertrages gem. § 2 Abs. 2 GVV diese gesetzliche Regelung schon Geltung beanspruchen, bevor der Grundversorgungsvertrag überhaupt zustande gekommen ist. Es besteht offenbar eine direkt unmittelbare Geltung der gesetzlichen Bestimmung.

Sie müssten mit Ihrer feinsinnigen Argumentation wohl sagen, dass § 2 Abs. 2 GVV überhaupt nur als Vertragsinhalt eines breits abgeschlossenen Grundversorgungsvertrages Geltung beanspruchen kann, ein solcher zwischen den Parteien noch nicht besteht, § 2 Abs. 2 GVV deshalb zwischen den Parteien auch noch nicht anwendbar ist und deshalb ein Grundversorgungsvertrag - weil ein solcher nun einmal noch nicht vertraglich vereinbart wurde - nicht besteht und auch nicht nach § 2 Abs. 2 GVV zustandekommen kann.

So ist es aber ganz gewiss nicht. Den feinen juristischen Unterschied sollten Sie bemerkt haben, und soweit Sie sich mit diesem etwa fest verabredet haben, auch treffen können. Der gesetzliche Anspruch auf Belieferung und Versorgung besteht schon vor Vertragsabschluss. § 36 Abs. 2 EnWG bestimmt nicht etwa, dass die gesetzliche Lieferverpflichtung bei Nichtabschluss eines Grundversorgungsvertrages nicht besteht, sondern nur wenn die Versorgung für das Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Solche wirtschaftlichen Gründe sind aber keine rechtlichen Gründe wie etwa  ein fehlender Vertragsabschluss. Die Frage des Vertragsabschlusses ist bei gesetzlichem Kontrahierungszwang eher sekundär. Der Vertragsabschluss ist zumeist eine bloße Fiktion/ wird fingiert.

Das liegt schon daran, dass der Grundversorger gesetzlich zur Belieferung auch des Haushaltskunden verpflichtet ist, dessen Nase ihm nicht passt und mit dem er deshalb schon aus Prinzip keinen Vertrag abschließen möchte. Der Haushaltskunde, dem die Belieferung wegen seiner Nase oder ohne Begründung verweigert wird,  muss konsequenterweise nicht auf Vertragsabschluss, sondern direkt auf Belieferung klagen. Wäre es anders, müsste wohl erst auf Vertragsabschluss und dann auf Vertragserfüllung geklagt werden. So ist es aber nicht vorgesehen.

Wer sich zu Ostern nicht mit anderen Mysterien befasst, wird vielleicht der Frage nachgehen, ob zuerst das Ei oder die Henne da war, oder ob das Ei auf dem Tisch nicht doch vom Osterhasen stammt.

Offline Black

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Vertragsänderung wg. BGH-Urteil, was nun?
« Antwort #34 am: 09. April 2009, 18:28:47 »
Eine Belieferung bedingt einen Vertragsschluss, wobei der Versorger den Vertragsabschluss nicht verweigern darf (soweit wirtschaftl. zumutbar)

Zitat
Gibt es keine Gründe an der gesetzlichen Grundversorgungspflicht zu zweifeln, muss der Strom- oder Gaslieferant unverzüglich die Grundversorgung aufnehmen, wenn der Grundversorgungsvertrag nach Maßgabe der Rechtsverordnung zu § 39 zustande gekommen ist.

Salje, EnWG, zu § 36, Rdn. 14.

Ein unmittelbarer Kontrahierungszwang besteht nicht. Das EVU kann die Belieferung verweigern wenn der Kunde den Liefervertrag nicht unterschrieben hat.

Salje, EnWG, zu § 36, Rdn. 15.

Zitat
Original von RR-E-ft
Sie müssten mit Ihrer feinsinnigen Argumentation wohl sagen, dass § 2 Abs. 2 GVV überhaupt nur als Vertragsinhalt eines breits abgeschlossenen Grundversorgungsvertrages Geltung beanspruchen kann, ein solcher zwischen den Parteien noch nicht besteht, § 2 Abs. 2 GVV deshalb zwischen den Parteien auch noch nicht anwendbar ist und deshalb ein Grundversorgungsvertrag - weil ein solcher nun einmal noch nicht vertraglich vereinbart wurde - nicht besteht und auch nicht nach § 2 Abs. 2 GVV zustandekommen kann.

So ist es aber ganz gewiss nicht. Den feinen juristischen Unterschied sollten Sie bemerkt haben, und soweit Sie sich mit diesem etwa fest verabredet haben, auch treffen können.

Die Regelung des § 2 GasGVV entfaltet lediglich Wirkung, wenn ein Vertrag geschlossen wurde. Nicht vorher.

Zitat
§ 2 Abs. 2 Strom/GasGVV  besagt nicht , dass schon die Entnahme von Gas zum Vertragsschluss führt. Die Vorschrift legt lediglich die Rechtsfolgen fest, wenn durch die Entnahme von Gas ein Versorgungsvertrag zustande kommt.

Ob, die Gasentnahme zum Vertrag führt, ist nach den von der Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über den Vertragsschluss durch sozialtypisches Verhalten zu beurteilen.

Morell, Kommentar zur GasGVV, 2009, zu § 2, Rdn. 49/50.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

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Offline RR-E-ft

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Vertragsänderung wg. BGH-Urteil, was nun?
« Antwort #35 am: 09. April 2009, 18:44:57 »
§ 2 Abs. 2 Satz 1 GasGVV ist zu entnehmen, dass ein Grundversorgungsvertrag dadurch zustande kommen kann, dass Gas aus dem Versorgungsnetz der allgemeinen Versorgung entnommen wird, über das der Grundversorger die Grundversorgung durchführt. Das wollte der Gesetzgeber damit auch ausdrücken.

Für einen anderweitigen Vertragsabschluss durch sozialtypisches Verhalten ist schon deshalb kein Raum, weil andere als Grundversorgungsverträge mit Haushaltskunden gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 GasGVV durch die Gasentnahme aus dem örtlichen Verteilnetz schon deshalb nicht zustande kommen können, weil nicht ersichtlich ist, welches Angebot welches Gasversorgers dadaurch überhaupt nur angenommen werden könnte. Gasversorger, Bedingungen und Preise einer Belieferung bleiben dabei nämlich völlig offen. Gäbe es die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GasGVV nicht, würde dies auch bei der Gasentnahme durch Haushaltskunden gelten. Die gesetzliche Regelung ist damit ersichtlich unabdingbare Voraussetzung für einen Vertragsabschluss durch sog. sozialtypisches Verhalten.

Streicht man also die gesetzliche Fiktion, ist auch für einen Vertragsabschluss durch sozialtypisches Verhalten überhaupt kein Raum.

Für eine für den Vertragsabschluss erforderliche Unterschriftsleistung, wie sie Salje wohl vorschwebt, gibt es nirgends einen Anhalt, nachdem der Vertragsabschluss schon nicht der Schriftform bedarf. Früher hieß es in § 2 Abs. 1 Satz 1 AVBGasV, der Tarifkundenvertrag solle schriftlich abgeschlossen werden. Aber das war eben früher. Heute ist es anders.

Die wenigsten Tarifkundenverträge wurden schriftlich abgeschlossen.

Offline Black

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Vertragsänderung wg. BGH-Urteil, was nun?
« Antwort #36 am: 09. April 2009, 19:04:17 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Für einen anderweitigen Vertragsabschluss durch sozialtypisches Verhalten ist schon deshalb kein Raum, weil andere als Grundversorgungsverträge mit Haushaltskunden gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 GasGVV durch die Gasentnahme aus dem örtlichen Verteilnetz schon deshalb nicht zustande kommen können, weil nicht ersichtlich ist, welches Angebot welches Gasversorgers dadaurch überhaupt nur angenommen werden könnte.

Zitat
Regelmäßig ist davon auszugehen, dass im Abschluss des für die Durchführung der Grundversorgung erforderlichen Verträgen mit Netzbetreibern ein Angebot des Grundversorgers auf Abschluss eines Grundversorgungsvertrages liegt, dass vom Kunden durch Inanspruchnahme der Belieferung angenommen wird.

Morell, Kommentar zur GasGVV, 2009, zu § 2, Rdn. 1.
BGH, 15.02.2006, WM 2006, 1442
BGH, Beschl. vom 20.12.2005, WuM 2006, S. 2007
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Offline RR-E-ft

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Vertragsänderung wg. BGH-Urteil, was nun?
« Antwort #37 am: 09. April 2009, 19:34:07 »
Zitat
Regelmäßig ist davon auszugehen, dass im Abschluss des für die Durchführung der Grundversorgung erforderlichen Verträgen mit Netzbetreibern ein Angebot des Grundversorgers auf Abschluss eines Grundversorgungsvertrages liegt, dass vom Kunden durch Inanspruchnahme der Belieferung angenommen wird.

Morell, Kommentar zur GasGVV, 2009, zu § 2, Rdn. 1.
BGH, 15.02.2006, WM 2006, 1442
BGH, Beschl. vom 20.12.2005, WuM 2006, S. 2007

Ziemlicher Quark.

Morell zitiert wohl Entscheidungen zum Vertragabschluss nach § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV, wonach der Vertrag dadurch zustande kommt, dass Fernwärme aus dem Veteilungsnetz des Fernwärmeversorgungsunternmehmens entnommen wird, und die Versorgung zu den für gleichartige Versorgungsverhältnisse geltenden Preisen erfolgt. Die Identität des Versorgers und die geltenden Preise zu den Bedingungen der AVBFernwärmeV stehen somit fest, mithin die essentialia negotii, wenn man mal von den Anschlusswerten absieht, die im Zweifel der Fernwärmeversorger gem. §§ 315, 316 BGB zu bestimmen hat.  Die Anschlusswert- Klippe konnte dabei in den zur Entscheidung anstehenden Fällen jeweils umschifft werden.

Das lässt sich nicht auf den Fall übertragen, dass ohne Berücksichtigung der Geltung von § 2 Abs. 2 GasGVV Gas aus dem Verteilnetz entnommen wird. Wer der Gasversorger am anderen Ende der Leitung tatsächlich ist und welche Preise und Bedingungen für die Belieferungen gelten sollen, ist nicht klar, so dass schon mangels eines hinreichend bestimmten Angebots kein Vertragsabschluss durch sog. sozialtypisches Verhalten erfolgen kann.  Am anderen Ende der Leitung könnte auch Gazprom sitzen...

Morell verkennt wohl schon, dass sich ein hinreichend  bestimmtes Angebot, dass alle essentialia negotii umfasst, an denjenigen richten muss, der ohne zuvor einen Vertrag abgeschlossen zu haben, Gas aus der Leitung entnimmt. Fehlt es an einem solchen Angebot  ist die Annahme eines Angebotes durch sog. sozialtypisches Verhalten ausgeschlossen.

Das Angebot des Grundversorgers auf Grundversorgung zu den veröffentlichten Allgemeinen Preisen und zu den Bedingungen der GasGVV richtet sich nur an Haushaltskunden.

Offline Black

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Vertragsänderung wg. BGH-Urteil, was nun?
« Antwort #38 am: 09. April 2009, 19:51:27 »
Morell, Salje, der gesamte 8. Senat des BGH,..... anscheinend alles juristische Geisterfahrer die Ihnen auf Ihrem unbeirrten Weg entgegenfahren....

....und dann erdreisten sich diese Personen auch noch Standartkommentare herauszugeben oder höchstrichterlich Recht zu sprechen.
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Offline RR-E-ft

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« Antwort #39 am: 09. April 2009, 19:56:02 »
@Black

Ach, was muss man oft von bösen Buben hören oder lesen...

Ein Vertragsabschluss vermittels Annahme durch sog. sozialtypisches Verhalten setzt zunächst ein inhaltlich hinreichend bestimmtes Vertragsangebot, das alle vertragswesentlichen Punkte umfassen muss,  voraus. Sonst geht es eben nicht mit einem Vertragsabschluss.

Junge Menschen lernen das wohl im Erstsemester. Einige macht womöglich das Alter dann vergesslich. Bei den Herausgebern von Standardkommentaren mag dies vielleicht auch an der eigenen Erhabenheit liegen, welche die eigentlichen Basics schon mal vergessen lassen können. Wer heute noch als Voraussetzung einer Belieferung die Unterschrift unter einem Vertrag fordert, die noch nie wirklich Voraussetzung war, kann mit dieser Auffassung wohl  nicht durchdringen, auch wenn er einen ganzen Kommentar nur dazu verfassen und herausgeben würde.  Hinsichtlich des gesamten 8. Senats des BGH muss ich wohl deutlich missverstanden worden sein. Ich bin nachwievor davon überzeugt, dass sich dort eine Mehrheit durchgesetzt hat.

Offline jroettges

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Vertragsänderung wg. BGH-Urteil, was nun?
« Antwort #40 am: 09. April 2009, 20:03:55 »
Zitat
Regelmäßig ist davon auszugehen, dass im Abschluss des für die Durchführung der Grundversorgung erforderlichen Verträgen mit Netzbetreibern ein Angebot des Grundversorgers auf Abschluss eines Grundversorgungsvertrages liegt, dass vom Kunden durch Inanspruchnahme der Belieferung angenommen wird.

Morell, Kommentar zur GasGVV, 2009, zu § 2, Rdn. 1.
BGH, 15.02.2006, WM 2006, 1442
BGH, Beschl. vom 20.12.2005, WuM 2006, S. 2007

??? Einzahl / Mehrzahl, dass /das ???

Hoffentlich ist das Zitat nur saumäßig schlecht abgeschrieben.

Bitte, wer macht mir den Satz mal verständlich?

Offline Black

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Vertragsänderung wg. BGH-Urteil, was nun?
« Antwort #41 am: 09. April 2009, 20:05:05 »
Für unsere kleine Gäste:

Soetwas nennen Juristen einen Meinungsstreit. Wobei in der Regel die Meinung, die  von der überwiegenden Anzahl der Juristen vertreten wird oft als \"herrschende Meinung\" bezeichnet wird. Die Gegenfraktion nennt man dann \"Mindermeinung\".

Wenn diese Gegenfraktion dann noch sehr sehr klein ist - und auch im Rahmen der Meinungsverkündung nicht durch einen sehr gewichtigen Ruf (z.B. aufgrund eines eigenen Kommentars etc.) auffällt  - spricht man sogar von \"absoluter Mindermeinung\".

Nun kann natürlich eine \"Mindermeinung\" auch mal zur \"herrschenden Meinung\" mutieren. Dafür müssen nur genügend Vertreter von der herrschenden Meinung abfallen (oder wegsterben, gab es auch schon). Aus diesem Grund ist es natürlich schon aus selbsterhaltungstrieb notwendig möglichst laut zu \"trommeln\".
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Offline RR-E-ft

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Vertragsänderung wg. BGH-Urteil, was nun?
« Antwort #42 am: 09. April 2009, 20:20:41 »
Beispiel für eine herrschende, lange bestehende, nicht aussterben wollende Meinung, die unerschütterlich fest auf §§ 145 ff. BGB gründet:

Zitat
Ein Vertragsabschluss vermittels Annahme durch sog. sozialtypisches Verhalten setzt zunächst ein inhaltlich hinreichend bestimmtes Vertragsangebot, das alle vertragswesentlichen Punkte umfassen muss, voraus. Sonst geht es eben nicht mit einem Vertragsabschluss.

Brox (BGB AT 16.A. Rn. 199) schreibt zutreffend zum Vertragsabschluss durch sog. sozialtypisches Verhalten, dass es abzulehnen ist, dass ein Vertrag ohne Angebot und Annahmeerklärung zustande kommen könne.  Eine entsprechende Auffassung finde im Gesetz keine Stütze, das für einen Vertragsabschluss Angebot und Annahme verlangt.  Man brauche die sog. Lehre vom sozialtypischen Verhalten auch nicht. Meist könne in der Inanspruchnahme einer Leistung eine (konkludente) Willenserklärung erblickt werden.

Freilich bedarf es eines entsprechend bestimmten Angebotes, welches so überhaupt nur angenommen werden kann.

Zitat
I. Die Lehre vom faktischen Vertrag bzw. vom sozialtypischen Verhalten wird mittlerweile von der überwiegenden Meinung abgelehnt. Die Vertreter der ablehnenden Meinung sehen sie als Systembruch innerhalb des BGB an. Auch der BGH scheint in der neueren Rechtsprechung dieser Linie zu folgen; allerdings lässt er es in BGHZ 95, 393 (= NJW 86, 177) „dahinstehen“, ob und unter welchen Voraussetzungen aus § 242 unmittelbar eine vertragliche Forderung als „an sich“ nicht bestehendes Recht begründet werden kann. Larenz hat die Lehre vom sozialtypischen Verhalten später aufgegeben (vgl. Larenz, AT 7. A., § 28 II, S. 536).
II. Das sozialtypische Verhalten stellt vielmehr regelmäßig eine konkludente Willenserklärung dar.

Quelle: http://www.rewi.euv-frankfurt-o.de/de/lehrstuhl/br/intrecht/lehre/LV_WS_2008_2009/GK_I_Mat/faktVertr.doc

Zitat
Die Lehre vom sozialtypischen Verhalten wird jedoch von der ganz hM abgelehnt.  Dies wird zunächst damit begründet, daß sie keine Stütze im Gesetz finde.  Denn im Gesetz wird für den Vertragsschluß Angebot und Annahme verlangt.  Auch wird die Lehre als unnötig angesehen, da in der Inanspruchnahme meist eine konkludente Willenserklärung zu sehen ist.  

Quelle: http://www.jurawelt.com/studenten/skripten/zivr/1791

Die Entnahme von Strom und Gas aus dem Verteilnetz, ohne dass die Belieferung einem bestehenden Vertragsverhältnis zugeordnet werden kann, führt aus genannten Gründen regelmäßig nicht (mehr) zu einem konkludenten Vertragsabschluss, sondern zu einem zeitlich befristeten gesetzlichen Ersatzversorgungsverhältnis gem. § 38 EnWG.

Prof. Säcker, HU Berlin:

Zitat
Ein Vertragsschluss erfolgt grundsätzlich durch die Abgabe von zwei korrespondierenden Willenerklärungen, Angebot und Annahme (vgl. §§ 145, 147 BGB). Allerdings handelt es sich vorliegend um ein Massengeschäft des täglichen Lebens. Nach einer Ansicht soll der Vertrag in diesen Fällen nicht durch rechtgeschäftliche Erklärung, sondern aufgrund der tatsächlichen Inanspruchnahme der angebotenen Leistung zustande kommen (sog. Lehre vom faktischen Vertrag oder Lehre vom sozialtypischen Verhalten). Gegen diese Auffassung spricht jedoch, dass sie gegen den Grundsatz der Privatautonomie verstößt, da der Vertragsschluss nicht mehr vom Willen der Parteien abhängt.


Zitat
Vgl. RGZ 102, S. 344 ff.; BGHZ 6, S. 378 ff.; Flume, AT II § 5, 3 b.
Mit der Neufassung des EnWG 2005 wurde die Entnahme von Energie durch Letztverbraucher ohne vorangehenden ausdrücklichen Vertragsschluss gesetzlich geregelt (sog. Ersatzversorgung). Gem. §
38 Abs. 1 EnWG kann das Energieversorgungsunternehmen von dem Abnehmer die von ihm für den Fall der Ersatzversorgung veröffentlichen Allgemeinen Preise verlangen.



Erfolgt darüber hinaus eine Belieferung ohne Vertragsabschluss dann werden sich gegenseitige Ansprüche wohl nur aus den bereicherungsrechtlichen Vorschriften ergeben. Der Versorger, der bereicherungsrechtliche Ansprüche erhebt, wird wohl darzulegen und zu beweisen haben, dass gerade er es war, der eine Leistung erbracht hat, um welche die andere Partei ungerechtfertigt bereichert sein soll.

Offline Black

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« Antwort #43 am: 14. April 2009, 12:52:31 »
@R-E-ft

Sie möchten also folgendes Bild der Rechtslage vermitteln:

- Die Grundversorgung bedarf keines Vertrages. Der Kunde hat auch ohne Vertragsschluss einen gesetzlichen Anspruch auf Belieferung.

- Wenn ein Kunde einfach Strom oder Gas entnimmt, kommt dadurch kein Grundversorgungsvertrag zustande, da es an einem entsprechenden Angebot des Grundversorgers fehlt. Die Bezahlung der Energie kann hier nur bereicherungsrechtlich erfolgen, sofern der Grundversorger beweisen kann, dass gerade seine Energie verbraucht wurde.



Habe ich Sie da richtig verstanden?
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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« Antwort #44 am: 14. April 2009, 17:45:31 »
@Black

Wenn der Grundversorger durch die Veröffentlichung Allgemeiner Preise der Grundversorgung für Haushaltskunden diesen gegenüber ein Angebot unterbreitetet und ein Haushaltskunde hiernach ohne vorherigen Vertragsabschluss Strom oder Gas aus dem örtlichen Verteilnetz entnimmt, dann kann dadurch gerade wegen der gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 2 GVV ein Grundversorgungsvertrag zustande kommen. Der gesetzliche Anspruch auf Grundversorgung besteht bereits vor einem solchen Vertragsabschluss.

Wo es durch die Entnahme von Strom und Gas  nicht zu einem solchen Vertragsabschluss eines Grundversorgungsvertrages kommt, erfolgt die Belieferung zunächst im Rahmen einer zeitlich befristeten Ersatzversorgung, auf welche ebenso ein gesetzlicher Anspruch besteht.

Endet diese zeitlich befristete Ersatzversorgung und kommt es zuvor zu keinem Vertragsabschluss, so richten sich hiernach die gegenseitigen Ansprüche nach den bereicherungsrechtlichen Bestimmungen. In einem Zahlungsprozess des EVU gelten die allgemeinen Regeln zur Darlegungs- und Beweislast, auch hinsichtlich etwaiger bereicherungsrechtlicher Ansprüche.

Anerkannt ist, dass unter Umständen  ein Dissens nur über den Preis von Energielieferungen bei Vertragsabschluss entgegen § 154 Abs. 1 BGB über ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des EVU gem. §§ 315, 316 BGB überwunden werden kann - welches der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt - (BGH, Urt. v. 02.10.1991 - VIII ZR 240/90).

Da bin ich u.a. mit Säcker einer Meinung.

 

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