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Autor Thema: Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?  (Gelesen 9404 mal)

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Offline ESG-Rebell

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Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?
« am: 02. März 2009, 20:13:43 »
Die Diskussion zwischen RR-E-ft und Black zum Beginn der Verjährung im anderen Thread brachte mich noch auf folgende Idee, die vielleicht nur einem Laien einfallen kann:

Der BGH möchte einem Kunden ja eine konkludentes Einverständnis, also eine Willenserklärung unterstellen, wenn dieser nach Erhalt einer Rechnung diese ohne Vorbehalt bezahlt oder nach Mitteilung eines erhöhten Preises seinen Energiebezug nicht einstellt.

Nun dürfte es sich in der Regel so verhalten, dass die meisten Kunden keinesfalls mit der Höhe des zu zahlenden Entgelts einverstanden sind. Vielmehr werden die meisten Kunden die Abbuchung der Rechnung und der neuen Abschläge dulden, weil sie (je nach Vertragstyp) irrtümlicherweise annehmen,
  • die Preisänderungsklausel in ihrem Vertrag sei wirksam und die Preisneufestsetzung somit zulässig,
  • die Preisneufestsetzung entspräche der Billigkeit,
  • es gebe grundsätzlich keine rechtliche Handhabe zur Gegenwehr gegen einseitige Preisfestsetzungen.
Zitat
§ 119 BGB
Anfechtbarkeit wegen Irrtums

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
Wenn dem Kunden schon eine konkludente Willenserklärung unterstellt wird, so könnte sich dieser doch darauf berufen, diese sei aus einem der obigen Gründe irrtümlich abgegeben worden. Folglich würde er diese Willenserklärung (Einverständiserklärung mit der Preisfestsetzung) wegen Irrtums anfechten.

Ein Kunde, dem der BGH vorhält, er hätte bereits vor X Jahren beginnen müssen, unter Vorbehalt zu zahlen, könnte entgegnen, aufgrund seiner Rechtsunkenntnis bzw. irrigen Rechtsauffassung sei dies unterblieben. Der Zeitpunkt, an dem ein Kunde seinem Versorger zum ersten Mal einen Unbilligkeitseinwand geschickt bzw. die Zahlung unter Vorbehalt erklärt hat, wäre demzufolge das Erleuchtungsereignis, an dem der Kunde seinen Irrtum erkannt hätte.

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline RR-E-ft

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Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?
« Antwort #1 am: 02. März 2009, 22:04:10 »
@ESG-Rebell

Volkes Hochschule

Auch Volkes Hochschule

Wer anfechten wollte, hätte die Anfechtungsfrist gem. § 121 BGB zu beachten.

Nachdem aber schon beim Kunden kein auf Annhame gerichtetes Angebot im Sinne von § 145 BGB zugegangen war, welches dieser überhaupt nur innerhalb der Annhamefrist gem. §§ 147 ff. BGB hätte annehmen können, der Kunde auch nichts erklärt hatte, weiß man schon nicht, was dabei anfechtbar sein sollte.

Der Versorger hatte gerade kein Angebot im Sinne von § 145 BGB unterbreitet, welches vom Kunden nur innerhalb der Annahmefrist hätte angenommen werden können, sondern lediglich ein oft nur vermeintlich bestehendes einseitiges Leistungsbetimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB vermeintlich gem. § 315 Abs. 2 BGB verbindlich ausgeübt, so gelernt an Volkes Hochschule.

Manchmal hat man aber den Eindruck, die Rechtsprechung entferne sich davon, was an Volkes Hochschulen zutreffend gelehrt wird.

Zumeist war zu allererst der Versorger im Irrtum darüber, dass ihm überhaupt im konkreten Vertragsverhältnis ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB zusteht, vgl. nur \"Regionalgas Euskirchen\". Um die einseitigen Preisfestsetzungen der Vergangenheit wegen Irrtums  ggf. noch wirksam anzufechten wird es für die Versorger nun aber mit Rücksicht auf § 121 BGB höchste Zeit. ;)

Offline Black

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Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?
« Antwort #2 am: 03. März 2009, 11:10:18 »
Die Aussage von RR-E-ft hilft hier nicht weiter, da er ja bereits den Ansatz des BGH für verfehlt hält. Das ist aber nicht die Frage gewesen.

Wenn man den BGH so verstehen möchte, dass \"akzeptierte Preise\" eine vertragliche Einigung meint, so muss folgerichtig auch das Anfechtungsrecht des BGB gelten. Auch konkludente Willenserklärungen sind anfechtbar.

Allerdings hat die BGH Rechtsprechung tatsächlich ihre Schwächen eine vertragliche Einigung zu konstruieren. Ich persönlich tendiere daher eher dazu im Falle einer unbeanstandeten Zahlung den § 315 BGB aufgrund von Verwirkung auszuschließen. Die verwirkung ist nicht anfechtbar.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?
« Antwort #3 am: 03. März 2009, 14:33:52 »
@Black

Ich meine schon, dass mein Hinweis darauf, dass für eine Anfechtungserklärung bei Vorliegen eines Anfechtungsgrundes die entsprechende Anfechtungsfrist zu beachten ist, weiterhelfen kann.

Dass die konstruierte Einigung ganz erhebliche Schwächen aufweist, lässt sich nicht leugnen.

Dass ein Anspruch auf gerichtliche Festsetzung eines der Billigkeit entsprechenden Entgelts gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB verwirkt sein kann, ist nicht zu beanstanden.

Hierzu OLG Koblenz, Urt. v. 12.02.2009 - U 781/08 (Kart)

Zitat
Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Verpflichteten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 06.03.86 – III ZR 195/84 -, BGHZ 97, 212). Als Maßstab dafür, wann die Annahme des Zeitmoments eines Verwirkungstatbestandes frühestens in Betracht kommt, dürfte dabei die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren heranzuziehen sein; vor ihrem Ablauf kann eine Verwirkung des Klagerechts aus § 315 Abs. 3 BGB nur bei Hinzutreten ganz besonderer Umstände angenommen werden.

Wenn Sie einen Rechtsverlust des Vertragspartners einer zur einseitigen Leistungsbestimmung berechtigten Partei auf Verwirkung stützen wollten, dann wären wir in diesem Punkt einer Meinung, nachdem der Eintritt der Verwirkung frühestens mit Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren in Betracht kommt.

Offline Black

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Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?
« Antwort #4 am: 03. März 2009, 15:16:58 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Wenn Sie einen Rechtsverlust des Vertragspartners einer zur einseitigen Leistungsbestimmung berechtigten Partei auf Verwirkung stützen wollten, dann wären wir in diesem Punkt einer Meinung, nachdem der Eintritt der Verwirkung frühestens mit Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren in Betracht kommt.

So ganz wird das nichts mit einer Meinung.

Wenn eine Verwirkung erst nach Ablauf der Verjährung eintreten kann geht sie ins Leere und ist daher als Rechtsinstitut wirkungslos.

Ich biete 1 Jahr.

Zitat
LG Saarbrücken, U. v. 16.05.2008 – 7 KFH O 52/08; ZNER 2008, 255

Das Recht auf gerichtliche Nachprüfung der Billigkeit des geschuldeten Entgelts ist verwirkt, wenn der Schuldner den Einwand der Unbilligkeit nicht binnen eines Jahres nach Anfallen des Entgelts gerichtlich geltend macht.
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Offline RR-E-ft

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Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?
« Antwort #5 am: 03. März 2009, 15:43:15 »
@Black

Es geht gerade nicht um die Verwirkung nach Ablauf der Verjährung, die erst mit Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen zu laufen beginnt, sondern um die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren. Ein erheblicher Unterschied, der dazu führt, dass Verwirkung vor Eintritt der Verjährung gegeben sein kann.

Das Rechtsinstitut der Verwirkung wurde entwickelt als die zuvor regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren nicht in jedem Falle geeignet erschien, den Rechtsfrieden zu wahren, Rechtssicherheit zu schaffen. So lag der Fall, wenn jemand kurz vor Ablauf der Verjährung erst nach 29 Jahre klagte.

Durch die Verkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist auf 3 Jahre hat sich nicht etwa auch die Frist für die Verwirkung verkürzt. Vielmehr wäre zu fragen, ob man des Rechtsinstituts der Verwirkung bei so kurzen regelmäßigen Verjährungsfristen überhaupt noch bedarf oder ob dieses nicht etwa seine Daseinsberechtigung zu einem Großteil verloren hat.

Die rechtliche Wertung des LG Saarbrücken hängt in der Luft, ist ja auch nicht weiter begründet.

Die Rechtsprechung des LG Saarbrücken krankt offensichtlich daran, dass sie mit dem nichtkodifizieren außerordentlichen Rechtsinstitut der Verwirkung (deren Voraussetzungen in jedem Einzelfall zu prüfen sind) die kodifizierten Regelungen über das Verjährungsrecht auszuhebeln trachtet.

Offline Black

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Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?
« Antwort #6 am: 03. März 2009, 15:53:38 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Die rechtliche Wertung des LG Saarbrücken hängt in der Luft, ist ja auch nicht weiter begründet.

Faulpelz, keine ZNER im Hause?:

Zitat
Dieser Bestimmung des Gesetzes ist ein Beschleunigungsgebot zu entnehmen. Aus § 315 Abs. 3 S. 2 2. Hs. wird deutlich, dass der Gesetzgeber den notwendigen Schwebezustand, der sich infolge Angreifbarkeit einer Leistungsbestimmung ergibt, möglichst rasch beenden wollte. Gerade bei Dauerschuldverhältnissen ist eine rasche Klärung durch zeitnahe Geltendmachung des Unbilligkeitseinwandes geboten, weil beide Parteien leistungspflichtig sind, ohne jeweils die genaue (Gegen- )Leistungspflicht zu kennen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei Gestaltungsrechten im Interesse der Rechtssicherheit vielfach vergleichsweise kurze Fristen gesetzt hat, z. B. bei §§ 119, 120 BGB i.V.m. § 121 BGB und § 174 BGB oder § 318 II BGB. Dies kommt auch in § 315 BGB zum Ausdruck, indem in § 315 Abs. 3 S. 2 BGB bezüglich der Verzögerung der Bestimmung durch
den Bestimmungsberechtigten zum Ausdruck kommt, dass die Bestimmung
in diesem Fall durch das Gericht zu treffen ist.

Dieses Beschleunigungsgebot gilt aber nicht nur für den Verpflichteten, sondern auch für den Berechtigten. Dieser hat seinerseits einen Anspruch darauf, dass das geschuldete Entgelt zwischen den Vertragspartnern feststeht und nicht auf unabsehbare Zeit über die Geltung seiner Erklärung im Unklaren gelassen zu werden. Es ist daher erforderlich, dass eine Berufung auf die Unbilligkeit einer Leistungsbestimmung in einer angemessenen Frist erfolgt (Staudinger/ Mayer-Maly, BGB, § 315, Anm. 73) und, falls erforderlich, auch Maßnahmen zur Durchsetzung der billigen Leistungsbestimmung erfolgen.

Das Ziel möglichst rascher Herbeiführung von Rechtssicherheit führt daher dazu, dass im Rahmen der Prüfung des Verwirkungstatbestandes bei § 315 BGB an das Zeitmoment keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind. Es scheint sachgerecht, insoweit die in § 124 BGB normierte Jahresfrist für die Anfechtung nach § 123 BGB heranzuziehen (OLG Jena, NJOZ 08, 642, 615). Diese war aber bei der gerichtlichen Geltendmachung der streitgegenständlichen Forderungen längst verstrichen.

Neben dem hier besonderen Zeitmoment, das gemäß § 242 BGB hier schon vor Eintritt der gesetzlichen Verjährung wirkt, tritt als Umstandsmoment konkret hinzu, dass die Beklagte aufgrund der seit dem Vertragsabschluss im September 2000 laufenden und unbeanstandeten Geschäftsbeziehung zur Klägerin davon ausgehen konnte, dass die Klägerin sie nicht mehr wegen der in den Jahren 2002 bis 2004 bezahlten Entgelte in Anspruch nehmen würde..
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Offline RR-E-ft

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Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?
« Antwort #7 am: 03. März 2009, 16:00:26 »
@Black

O.K. Zu Hause liegt die ZNER immer gut, wenn man sich dort gerade nicht aufhält.

Das LG Saarbrücken hatte versucht, eine Begründung zu liefern. (Danke fürs Abtippen, Dummstellen spart Arbeit)

Ich bleibe gleichwohl bei meiner Auffassung und stütze mich dafür auf das Urteil des BGH vom 05.02.2003- VIII ZR 111/02, in welchem es um die Verjährung von Rückforderungsansprüchen infolge unbilliger Entgeltfestsetzung geht. Weiter stütze ich mich auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 26.11.2008. Weiter sehe ich eine Stütze für meine Auffasung in den Entscheidungen des BGH vom 18.10.2005 - KZR 36/04, vom 07.02.2006 - KZR 8/05 und KZR 9/05 sowie vom 04.03.2008 - KZR 29/06.

Zitat
Die Rechtsprechung des LG Saarbrücken krankt offensichtlich daran, dass sie mit dem nichtkodifizieren außerordentlichen Rechtsinstitut der Verwirkung (deren Voraussetzungen in jedem Einzelfall zu prüfen sind) die kodifizierten Regelungen über das Verjährungsrecht auszuhebeln trachtet
.

§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB regelt keine Beschleunigung sondern zwei alternative Voraussetzungen dafür, dass die Festsetzung einer der Billigkeit entsprechen Leistung durch ein Gericht beansprucht werden kann, ohne dass dieser Anspruch zeitlich befristet wäre. Die Norm regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Gericht - auf Antrag der einen oder der anderen Partei - nur zur Bestimmung einer der Billigkeit entsprechenden Leistung befugt ist, vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 02.10.1990 - VIII ZR 240/90 am Ende.

Zitat
Zu Recht hat es das Berufungsgericht auch abgelehnt, die Preisbestimmung selbst durch Urteil zu treffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Das ist nur zulässig, wenn die Bestimmung durch die dazu befugte Partei nicht der Billigkeit entspricht oder verzögert wird und eine hinreichende tatsächliche Grundlage für eine ersetzende gerichtliche Bestimmung vorhanden ist. Eine Verzögerung liegt ersichtlich nicht vor. Ob und gegebenenfalls inwieweit die Preisfestsetzung der Klägerin unbillig ist, kann dagegen wegen  des zur Nachprüfung ungeeigneten Vortrags der Klägerin nicht beurteilt werden.

Der andere Vertragsteil hat demnach einen entsprechenden Anspruch nur, wenn die Leistungsbestimmung verzögert wurde oder die Unbilligkeit der getroffenen Leistungsbestimmung positiv feststeht. Liegt keine dieser Voraussetzungen vor, muss der Antrag auf gerichtliche Bestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB als unbegründet zurückgewiesen werden. Dies hat zur Folge, dass dem anderen Vertragsteil eine Klage auf gerichtliche Festsetzung einer der Billigkeit entsprechenden Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB regelmäßig schon nicht zumutbar ist, weil deren Ausgang davon abhängt, ob der Versorger überhaupt die notwendigen Daten offenlegt, wo dies nicht erfolgt, die Klage abzuweisen ist.

Wäre Ihre Auffassung zutreffend, hätten Zahlungsklagen von Versorgern wohl von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg, bei denen Verbraucher unverzüglich die Einrede der Unbilligkeit erhoben und Rechnungsbeträge gekürzt haben, Versorger erst kurz vor Ablauf der regelmäßigen Verjährung die Zahlungsansprüche gerichtlich geltend gemacht und dabei nun erst incident eine gerichtliche Billigkeitskontrolle vorgenommener einseitiger Leistungsbestimmungen anstreben.

Als wackeliges Hilfsargument können wir das ja für Fälle, in denen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers bestand, in unsere Klageerwiderungen aufnehmen.
Dann sehen wir schon, ob Sie in der Praxis bei Ihrer Auffassung bleiben und was daraus vor Gericht wird.

Offline Black

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Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?
« Antwort #8 am: 03. März 2009, 17:28:58 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Wäre Ihre Auffassung zutreffend, hätten Zahlungsklagen von Versorgern wohl von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg, bei denen Verbraucher unverzüglich die Einrede der Unbilligkeit erhoben und Rechnungsbeträge gekürzt haben, Versorger erst kurz vor Ablauf der regelmäßigen Verjährung die Zahlungsansprüche gerichtlich geltend gemacht und dabei nun erst incident eine gerichtliche Billigkeitskontrolle vorgenommener einseitiger Leistungsbestimmungen anstreben.

Das kommt darauf an, ob der Versorger im Einzelfall durch sein Verhalten Anlass zum Vertrauen des Kunden gegeben hat, er werde den Betrag nicht mehr einfordern (Umstandsmoment). Der Kunde tut dies durch Zahlung des Betrages.
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Offline userD0009

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Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?
« Antwort #9 am: 03. März 2009, 18:35:20 »
Unglaublich, dass das Gericht auf eine Fundstelle verweist, welche überhaupt nicht existiert. § 315 BGB wird im Staudinger von Volker Rieble kommentiert, und unter RdNr. 73 heißt es

Zitat
1. Rechtsnatur
   
a) Gestaltungsrecht
Das Leistungsbestimmungsrecht des § 315 ist durch Gestaltungsakt auszuüben; es handelt sich um ein Gestaltungsrecht (allg M: Soergel/Wolf12 § 315 Rn 31; MünchKomm/Gottwald4 § 315 Rn 33). Das Leistungsbestimmungsrecht muß also durch einseitige empfangsbedürftige Gestaltungserklärung, die unwiderruflich und bedingungsfeindlich ist (arg § 388 S 2), ausgeübt werden, damit die Rechtsänderung bewirkt wird. Spezifikum des Gestaltungsrechts ist seine Einseitigkeit: Die Rechtswirkung tritt ohne Mitwirkung oder Zustimmung, ja gegen den Willen des Gestaltungsgegners ein (im Unterschied zu Ansprüchen auf Vertragsschluß, Rn 161). Bötticher sieht deshalb die „Hauptsache“ im „Nichtangewiesensein auf die Mitwirkung des Gestaltungsgegners“ (in: FS Dölle [1963] I 43). Gerade beim vertragsersetzenden Leistungsbestimmungsrecht wird das augenscheinlich: An die Stelle des zweiseitigen Vertrages tritt die einseitige Gestaltung. Bötticher spricht deshalb von einem „ausfüllenden Gestaltungsrecht“ (in: FS Dölle [1963] I 51 f). Das unterscheidet die Leistungsbestimmung von der Stellvertretung: Sie erlaubt zwar ebenfalls die Begründung oder Änderung von Rechtsverhältnissen - aber nicht notwendig durch einseitig gestaltende Erklärung, sondern ebenso durch Vertrag. Dort fehlt es am „Einbruch in das Vertragsprinzip“ (Larenz, AT7 § 30 II a, S 594).


Was soll man von einer solcher Argumentation seitens des Gerichts halten?

Grüße
belkin

Offline RR-E-ft

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Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?
« Antwort #10 am: 03. März 2009, 18:48:18 »
@belkin

Nichts ist davon zu halten.

Zitat
Original von RR-E-ft

§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB regelt keine Beschleunigung sondern zwei alternative Voraussetzungen dafür, dass die Festsetzung einer der Billigkeit entsprechen Leistung durch ein Gericht beansprucht werden kann, ohne dass dieser Anspruch zeitlich befristet wäre. Die Norm regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Gericht - auf Antrag der einen oder der anderen Partei - nur zur Bestimmung einer der Billigkeit entsprechenden Leistung befugt ist, vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 02.10.1990 - VIII ZR 240/90 am Ende.

Zitat
Zu Recht hat es das Berufungsgericht auch abgelehnt, die Preisbestimmung selbst durch Urteil zu treffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Das ist nur zulässig, wenn die Bestimmung durch die dazu befugte Partei nicht der Billigkeit entspricht oder verzögert wird und eine hinreichende tatsächliche Grundlage für eine ersetzende gerichtliche Bestimmung vorhanden ist. Eine Verzögerung liegt ersichtlich nicht vor. Ob und gegebenenfalls inwieweit die Preisfestsetzung der Klägerin unbillig ist, kann dagegen wegen  des zur Nachprüfung ungeeigneten Vortrags der Klägerin nicht beurteilt werden.

Der andere Vertragsteil hat demnach einen entsprechenden Anspruch nur, wenn die Leistungsbestimmung verzögert wurde oder die Unbilligkeit der getroffenen Leistungsbestimmung positiv feststeht. Liegt keine dieser Voraussetzungen vor, muss der Antrag auf gerichtliche Bestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB als unbegründet zurückgewiesen werden. Dies hat zur Folge, dass dem anderen Vertragsteil eine Klage auf gerichtliche Festsetzung einer der Billigkeit entsprechenden Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB regelmäßig schon nicht zumutbar ist, weil deren Ausgang davon abhängt, ob der Versorger überhaupt die notwendigen Daten offenlegt, wo dies nicht erfolgt, die Klage abzuweisen ist.

Man sollte die von Ihnen zitierte Kommentarstelle ganz groß kopieren, schön einrahmen und hübsch verpacken lassen und dann zB. dem Vorsitzenden Richter am BGH Ball zukommen lassen, auf dass er es sich in sein Richterzimmer hängen kann. Vielleicht wird es ja dort auch mal gelesen. Am besten geeignet erschiene mir persönlich eine großformatige Ausführung hinter halbdurchlässigem Spiegelglas, so dass man gleichzeitig lesen und sich selbst im Spiegel betrachten kann.

Ein einseitiges Gestaltungsrecht hat nun einmal mit einer vertraglichen Einigung absolut überhaupt nichts zu tun.

Offline Black

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Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?
« Antwort #11 am: 05. März 2009, 11:15:06 »
Kartellrechtsdebatte bitte abtrennen und verschieben. Das Thema des Threads lautet \"Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten\"
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

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Offline DieAdmin

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« Antwort #12 am: 05. März 2009, 11:50:36 »
@all,

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