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Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?

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RR-E-ft:
@Black

Es geht gerade nicht um die Verwirkung nach Ablauf der Verjährung, die erst mit Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen zu laufen beginnt, sondern um die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren. Ein erheblicher Unterschied, der dazu führt, dass Verwirkung vor Eintritt der Verjährung gegeben sein kann.

Das Rechtsinstitut der Verwirkung wurde entwickelt als die zuvor regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren nicht in jedem Falle geeignet erschien, den Rechtsfrieden zu wahren, Rechtssicherheit zu schaffen. So lag der Fall, wenn jemand kurz vor Ablauf der Verjährung erst nach 29 Jahre klagte.

Durch die Verkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist auf 3 Jahre hat sich nicht etwa auch die Frist für die Verwirkung verkürzt. Vielmehr wäre zu fragen, ob man des Rechtsinstituts der Verwirkung bei so kurzen regelmäßigen Verjährungsfristen überhaupt noch bedarf oder ob dieses nicht etwa seine Daseinsberechtigung zu einem Großteil verloren hat.

Die rechtliche Wertung des LG Saarbrücken hängt in der Luft, ist ja auch nicht weiter begründet.

Die Rechtsprechung des LG Saarbrücken krankt offensichtlich daran, dass sie mit dem nichtkodifizieren außerordentlichen Rechtsinstitut der Verwirkung (deren Voraussetzungen in jedem Einzelfall zu prüfen sind) die kodifizierten Regelungen über das Verjährungsrecht auszuhebeln trachtet.

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Die rechtliche Wertung des LG Saarbrücken hängt in der Luft, ist ja auch nicht weiter begründet.
--- Ende Zitat ---

Faulpelz, keine ZNER im Hause?:


--- Zitat --- Dieser Bestimmung des Gesetzes ist ein Beschleunigungsgebot zu entnehmen. Aus § 315 Abs. 3 S. 2 2. Hs. wird deutlich, dass der Gesetzgeber den notwendigen Schwebezustand, der sich infolge Angreifbarkeit einer Leistungsbestimmung ergibt, möglichst rasch beenden wollte. Gerade bei Dauerschuldverhältnissen ist eine rasche Klärung durch zeitnahe Geltendmachung des Unbilligkeitseinwandes geboten, weil beide Parteien leistungspflichtig sind, ohne jeweils die genaue (Gegen- )Leistungspflicht zu kennen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei Gestaltungsrechten im Interesse der Rechtssicherheit vielfach vergleichsweise kurze Fristen gesetzt hat, z. B. bei §§ 119, 120 BGB i.V.m. § 121 BGB und § 174 BGB oder § 318 II BGB. Dies kommt auch in § 315 BGB zum Ausdruck, indem in § 315 Abs. 3 S. 2 BGB bezüglich der Verzögerung der Bestimmung durch
den Bestimmungsberechtigten zum Ausdruck kommt, dass die Bestimmung
in diesem Fall durch das Gericht zu treffen ist.

Dieses Beschleunigungsgebot gilt aber nicht nur für den Verpflichteten, sondern auch für den Berechtigten. Dieser hat seinerseits einen Anspruch darauf, dass das geschuldete Entgelt zwischen den Vertragspartnern feststeht und nicht auf unabsehbare Zeit über die Geltung seiner Erklärung im Unklaren gelassen zu werden. Es ist daher erforderlich, dass eine Berufung auf die Unbilligkeit einer Leistungsbestimmung in einer angemessenen Frist erfolgt (Staudinger/ Mayer-Maly, BGB, § 315, Anm. 73) und, falls erforderlich, auch Maßnahmen zur Durchsetzung der billigen Leistungsbestimmung erfolgen.

Das Ziel möglichst rascher Herbeiführung von Rechtssicherheit führt daher dazu, dass im Rahmen der Prüfung des Verwirkungstatbestandes bei § 315 BGB an das Zeitmoment keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind. Es scheint sachgerecht, insoweit die in § 124 BGB normierte Jahresfrist für die Anfechtung nach § 123 BGB heranzuziehen (OLG Jena, NJOZ 08, 642, 615). Diese war aber bei der gerichtlichen Geltendmachung der streitgegenständlichen Forderungen längst verstrichen.

Neben dem hier besonderen Zeitmoment, das gemäß § 242 BGB hier schon vor Eintritt der gesetzlichen Verjährung wirkt, tritt als Umstandsmoment konkret hinzu, dass die Beklagte aufgrund der seit dem Vertragsabschluss im September 2000 laufenden und unbeanstandeten Geschäftsbeziehung zur Klägerin davon ausgehen konnte, dass die Klägerin sie nicht mehr wegen der in den Jahren 2002 bis 2004 bezahlten Entgelte in Anspruch nehmen würde..
--- Ende Zitat ---

RR-E-ft:
@Black

O.K. Zu Hause liegt die ZNER immer gut, wenn man sich dort gerade nicht aufhält.

Das LG Saarbrücken hatte versucht, eine Begründung zu liefern. (Danke fürs Abtippen, Dummstellen spart Arbeit)

Ich bleibe gleichwohl bei meiner Auffassung und stütze mich dafür auf das Urteil des BGH vom 05.02.2003- VIII ZR 111/02, in welchem es um die Verjährung von Rückforderungsansprüchen infolge unbilliger Entgeltfestsetzung geht. Weiter stütze ich mich auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 26.11.2008. Weiter sehe ich eine Stütze für meine Auffasung in den Entscheidungen des BGH vom 18.10.2005 - KZR 36/04, vom 07.02.2006 - KZR 8/05 und KZR 9/05 sowie vom 04.03.2008 - KZR 29/06.


--- Zitat ---Die Rechtsprechung des LG Saarbrücken krankt offensichtlich daran, dass sie mit dem nichtkodifizieren außerordentlichen Rechtsinstitut der Verwirkung (deren Voraussetzungen in jedem Einzelfall zu prüfen sind) die kodifizierten Regelungen über das Verjährungsrecht auszuhebeln trachtet
--- Ende Zitat ---
.

§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB regelt keine Beschleunigung sondern zwei alternative Voraussetzungen dafür, dass die Festsetzung einer der Billigkeit entsprechen Leistung durch ein Gericht beansprucht werden kann, ohne dass dieser Anspruch zeitlich befristet wäre. Die Norm regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Gericht - auf Antrag der einen oder der anderen Partei - nur zur Bestimmung einer der Billigkeit entsprechenden Leistung befugt ist, vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 02.10.1990 - VIII ZR 240/90 am Ende.


--- Zitat ---Zu Recht hat es das Berufungsgericht auch abgelehnt, die Preisbestimmung selbst durch Urteil zu treffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Das ist nur zulässig, wenn die Bestimmung durch die dazu befugte Partei nicht der Billigkeit entspricht oder verzögert wird und eine hinreichende tatsächliche Grundlage für eine ersetzende gerichtliche Bestimmung vorhanden ist. Eine Verzögerung liegt ersichtlich nicht vor. Ob und gegebenenfalls inwieweit die Preisfestsetzung der Klägerin unbillig ist, kann dagegen wegen  des zur Nachprüfung ungeeigneten Vortrags der Klägerin nicht beurteilt werden.
--- Ende Zitat ---

Der andere Vertragsteil hat demnach einen entsprechenden Anspruch nur, wenn die Leistungsbestimmung verzögert wurde oder die Unbilligkeit der getroffenen Leistungsbestimmung positiv feststeht. Liegt keine dieser Voraussetzungen vor, muss der Antrag auf gerichtliche Bestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB als unbegründet zurückgewiesen werden. Dies hat zur Folge, dass dem anderen Vertragsteil eine Klage auf gerichtliche Festsetzung einer der Billigkeit entsprechenden Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB regelmäßig schon nicht zumutbar ist, weil deren Ausgang davon abhängt, ob der Versorger überhaupt die notwendigen Daten offenlegt, wo dies nicht erfolgt, die Klage abzuweisen ist.

Wäre Ihre Auffassung zutreffend, hätten Zahlungsklagen von Versorgern wohl von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg, bei denen Verbraucher unverzüglich die Einrede der Unbilligkeit erhoben und Rechnungsbeträge gekürzt haben, Versorger erst kurz vor Ablauf der regelmäßigen Verjährung die Zahlungsansprüche gerichtlich geltend gemacht und dabei nun erst incident eine gerichtliche Billigkeitskontrolle vorgenommener einseitiger Leistungsbestimmungen anstreben.

Als wackeliges Hilfsargument können wir das ja für Fälle, in denen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers bestand, in unsere Klageerwiderungen aufnehmen.
Dann sehen wir schon, ob Sie in der Praxis bei Ihrer Auffassung bleiben und was daraus vor Gericht wird.

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Wäre Ihre Auffassung zutreffend, hätten Zahlungsklagen von Versorgern wohl von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg, bei denen Verbraucher unverzüglich die Einrede der Unbilligkeit erhoben und Rechnungsbeträge gekürzt haben, Versorger erst kurz vor Ablauf der regelmäßigen Verjährung die Zahlungsansprüche gerichtlich geltend gemacht und dabei nun erst incident eine gerichtliche Billigkeitskontrolle vorgenommener einseitiger Leistungsbestimmungen anstreben.
--- Ende Zitat ---

Das kommt darauf an, ob der Versorger im Einzelfall durch sein Verhalten Anlass zum Vertrauen des Kunden gegeben hat, er werde den Betrag nicht mehr einfordern (Umstandsmoment). Der Kunde tut dies durch Zahlung des Betrages.

userD0009:
Unglaublich, dass das Gericht auf eine Fundstelle verweist, welche überhaupt nicht existiert. § 315 BGB wird im Staudinger von Volker Rieble kommentiert, und unter RdNr. 73 heißt es


--- Zitat ---1. Rechtsnatur
   
a) Gestaltungsrecht
Das Leistungsbestimmungsrecht des § 315 ist durch Gestaltungsakt auszuüben; es handelt sich um ein Gestaltungsrecht (allg M: Soergel/Wolf12 § 315 Rn 31; MünchKomm/Gottwald4 § 315 Rn 33). Das Leistungsbestimmungsrecht muß also durch einseitige empfangsbedürftige Gestaltungserklärung, die unwiderruflich und bedingungsfeindlich ist (arg § 388 S 2), ausgeübt werden, damit die Rechtsänderung bewirkt wird. Spezifikum des Gestaltungsrechts ist seine Einseitigkeit: Die Rechtswirkung tritt ohne Mitwirkung oder Zustimmung, ja gegen den Willen des Gestaltungsgegners ein (im Unterschied zu Ansprüchen auf Vertragsschluß, Rn 161). Bötticher sieht deshalb die „Hauptsache“ im „Nichtangewiesensein auf die Mitwirkung des Gestaltungsgegners“ (in: FS Dölle [1963] I 43). Gerade beim vertragsersetzenden Leistungsbestimmungsrecht wird das augenscheinlich: An die Stelle des zweiseitigen Vertrages tritt die einseitige Gestaltung. Bötticher spricht deshalb von einem „ausfüllenden Gestaltungsrecht“ (in: FS Dölle [1963] I 51 f). Das unterscheidet die Leistungsbestimmung von der Stellvertretung: Sie erlaubt zwar ebenfalls die Begründung oder Änderung von Rechtsverhältnissen - aber nicht notwendig durch einseitig gestaltende Erklärung, sondern ebenso durch Vertrag. Dort fehlt es am „Einbruch in das Vertragsprinzip“ (Larenz, AT7 § 30 II a, S 594).


--- Ende Zitat ---

Was soll man von einer solcher Argumentation seitens des Gerichts halten?

Grüße
belkin

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