Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Konkludente Willenserklärung wegen Irrtums anfechten?
ESG-Rebell:
Die Diskussion zwischen RR-E-ft und Black zum Beginn der Verjährung im anderen Thread brachte mich noch auf folgende Idee, die vielleicht nur einem Laien einfallen kann:
Der BGH möchte einem Kunden ja eine konkludentes Einverständnis, also eine Willenserklärung unterstellen, wenn dieser nach Erhalt einer Rechnung diese ohne Vorbehalt bezahlt oder nach Mitteilung eines erhöhten Preises seinen Energiebezug nicht einstellt.
Nun dürfte es sich in der Regel so verhalten, dass die meisten Kunden keinesfalls mit der Höhe des zu zahlenden Entgelts einverstanden sind. Vielmehr werden die meisten Kunden die Abbuchung der Rechnung und der neuen Abschläge dulden, weil sie (je nach Vertragstyp) irrtümlicherweise annehmen,
[*]die Preisänderungsklausel in ihrem Vertrag sei wirksam und die Preisneufestsetzung somit zulässig,
[*]die Preisneufestsetzung entspräche der Billigkeit,
[*]es gebe grundsätzlich keine rechtliche Handhabe zur Gegenwehr gegen einseitige Preisfestsetzungen.
[/list]
--- Zitat ---§ 119 BGB
Anfechtbarkeit wegen Irrtums
(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
--- Ende Zitat ---
Wenn dem Kunden schon eine konkludente Willenserklärung unterstellt wird, so könnte sich dieser doch darauf berufen, diese sei aus einem der obigen Gründe irrtümlich abgegeben worden. Folglich würde er diese Willenserklärung (Einverständiserklärung mit der Preisfestsetzung) wegen Irrtums anfechten.
Ein Kunde, dem der BGH vorhält, er hätte bereits vor X Jahren beginnen müssen, unter Vorbehalt zu zahlen, könnte entgegnen, aufgrund seiner Rechtsunkenntnis bzw. irrigen Rechtsauffassung sei dies unterblieben. Der Zeitpunkt, an dem ein Kunde seinem Versorger zum ersten Mal einen Unbilligkeitseinwand geschickt bzw. die Zahlung unter Vorbehalt erklärt hat, wäre demzufolge das Erleuchtungsereignis, an dem der Kunde seinen Irrtum erkannt hätte.
Gruss,
ESG-Rebell.
RR-E-ft:
@ESG-Rebell
Volkes Hochschule
Auch Volkes Hochschule
Wer anfechten wollte, hätte die Anfechtungsfrist gem. § 121 BGB zu beachten.
Nachdem aber schon beim Kunden kein auf Annhame gerichtetes Angebot im Sinne von § 145 BGB zugegangen war, welches dieser überhaupt nur innerhalb der Annhamefrist gem. §§ 147 ff. BGB hätte annehmen können, der Kunde auch nichts erklärt hatte, weiß man schon nicht, was dabei anfechtbar sein sollte.
Der Versorger hatte gerade kein Angebot im Sinne von § 145 BGB unterbreitet, welches vom Kunden nur innerhalb der Annahmefrist hätte angenommen werden können, sondern lediglich ein oft nur vermeintlich bestehendes einseitiges Leistungsbetimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB vermeintlich gem. § 315 Abs. 2 BGB verbindlich ausgeübt, so gelernt an Volkes Hochschule.
Manchmal hat man aber den Eindruck, die Rechtsprechung entferne sich davon, was an Volkes Hochschulen zutreffend gelehrt wird.
Zumeist war zu allererst der Versorger im Irrtum darüber, dass ihm überhaupt im konkreten Vertragsverhältnis ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB zusteht, vgl. nur \"Regionalgas Euskirchen\". Um die einseitigen Preisfestsetzungen der Vergangenheit wegen Irrtums ggf. noch wirksam anzufechten wird es für die Versorger nun aber mit Rücksicht auf § 121 BGB höchste Zeit. ;)
Black:
Die Aussage von RR-E-ft hilft hier nicht weiter, da er ja bereits den Ansatz des BGH für verfehlt hält. Das ist aber nicht die Frage gewesen.
Wenn man den BGH so verstehen möchte, dass \"akzeptierte Preise\" eine vertragliche Einigung meint, so muss folgerichtig auch das Anfechtungsrecht des BGB gelten. Auch konkludente Willenserklärungen sind anfechtbar.
Allerdings hat die BGH Rechtsprechung tatsächlich ihre Schwächen eine vertragliche Einigung zu konstruieren. Ich persönlich tendiere daher eher dazu im Falle einer unbeanstandeten Zahlung den § 315 BGB aufgrund von Verwirkung auszuschließen. Die verwirkung ist nicht anfechtbar.
RR-E-ft:
@Black
Ich meine schon, dass mein Hinweis darauf, dass für eine Anfechtungserklärung bei Vorliegen eines Anfechtungsgrundes die entsprechende Anfechtungsfrist zu beachten ist, weiterhelfen kann.
Dass die konstruierte Einigung ganz erhebliche Schwächen aufweist, lässt sich nicht leugnen.
Dass ein Anspruch auf gerichtliche Festsetzung eines der Billigkeit entsprechenden Entgelts gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB verwirkt sein kann, ist nicht zu beanstanden.
Hierzu OLG Koblenz, Urt. v. 12.02.2009 - U 781/08 (Kart)
--- Zitat ---Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Verpflichteten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 06.03.86 – III ZR 195/84 -, BGHZ 97, 212). Als Maßstab dafür, wann die Annahme des Zeitmoments eines Verwirkungstatbestandes frühestens in Betracht kommt, dürfte dabei die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren heranzuziehen sein; vor ihrem Ablauf kann eine Verwirkung des Klagerechts aus § 315 Abs. 3 BGB nur bei Hinzutreten ganz besonderer Umstände angenommen werden.
--- Ende Zitat ---
Wenn Sie einen Rechtsverlust des Vertragspartners einer zur einseitigen Leistungsbestimmung berechtigten Partei auf Verwirkung stützen wollten, dann wären wir in diesem Punkt einer Meinung, nachdem der Eintritt der Verwirkung frühestens mit Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren in Betracht kommt.
Black:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Wenn Sie einen Rechtsverlust des Vertragspartners einer zur einseitigen Leistungsbestimmung berechtigten Partei auf Verwirkung stützen wollten, dann wären wir in diesem Punkt einer Meinung, nachdem der Eintritt der Verwirkung frühestens mit Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren in Betracht kommt.
--- Ende Zitat ---
So ganz wird das nichts mit einer Meinung.
Wenn eine Verwirkung erst nach Ablauf der Verjährung eintreten kann geht sie ins Leere und ist daher als Rechtsinstitut wirkungslos.
Ich biete 1 Jahr.
--- Zitat ---LG Saarbrücken, U. v. 16.05.2008 – 7 KFH O 52/08; ZNER 2008, 255
Das Recht auf gerichtliche Nachprüfung der Billigkeit des geschuldeten Entgelts ist verwirkt, wenn der Schuldner den Einwand der Unbilligkeit nicht binnen eines Jahres nach Anfallen des Entgelts gerichtlich geltend macht.
--- Ende Zitat ---
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