Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen
tangocharly:
@ reblaus
Sie sind sich hoffentlich darüber im Klaren, was Sie damit ausdrücken wollen ?
--- Zitat ---Der 8. Senat hatte aber gar nicht die Absicht mit einem vernünftigen Urteil in die Annalen der Rechtswissenschaften aufgenommen zu werden. Es ging ihm einzig und allein darum, den Gasversorgern unüberschaubare Rückforderungsansprüche zu ersparen. Dafür hat er das Gesetz benutzt, und es vielleicht bis an die Grenzen des Zulässigen gebogen.
--- Ende Zitat ---
Oder wollten Sie vermitteln, der Gesetzgeber wollte der Versorgungswirtschaft selbiges ersparen. Na egal, welche Institution auch immer selbiges gedacht haben sollte; sodann es aber tatsächlich so sein sollte, so wäre es höchste Zeit, dass dazu - und zwar baldigst ! - eine Vorlage nach Art. 100 GG bzw. Art. 234 EGV ins Auge gefasst wird
reblaus:
@tangocharly
Ich will damit nicht sagen, dass der 8. Senat sich bewusst für Lobbyinteressen hat einspannen lassen. Aber die Rechtsprechung hat sehr genau im Blick, was sie wirtschaftlich mit Grundsatzurteilen anrichten kann. Das ist auch gar nicht zu beanstanden. Ein Juraprofessor kann seine Thesen frei bestimmen, ohne auf die Wirkungen in der Realität Rücksicht nehmen zu müssen. Gerichte können eine Theorie aber nicht ohne Beachtung der Folgen für die Realität in Rechtsprechung umsetzen. Und es erscheint mir schon so, dass der 8. Senat mit seinem Urteil davor zurückgeschreckt ist, den Gasversorgern unkalkulierbare Risiken aufzubürden. Und dafür hat er äußerst unkonventionelle Positionen bezogen, siehe Ausklammerung der Vorlieferantenstufe auch bei Kartellrechtsverstößen, \"Wärmemarkt\" oder das hier diskutierte Thema. Auch ein BGH macht mal einen Fehler. Aber er macht keine drei Fehler in einem Urteil. Das sind die besten Juristen des Landes.
Die Exekutive hat übrigens die Fusion zwischen Eon und Ruhrgas seelenruhig durchgewunken, obwohl sie zuvor vom Bundeskartellamt untersagt wurde. Und der Gesetzgeber hat bei der nächsten Regierungserklärung applaudiert.
Die erfreuen sich alle an starken und reichen Gasversorgern, die dann in die Welt schwärmen um überall Atomkraftwerke aufzukaufen. Wir wollen halt auch unsere Global Player haben. Abgesehen davon sind die Aufsichtsratsvergütungen bei solchen Großunternehmen wesentlich höher als bei einem Stadtwerk. Man muss ja auch an die Pensionszeit denken.
Ziehen Sie mal den Vergleich zwischen der Liberalisierung des Telefonmarktes und der Liberalisierung der Energiemärkte. Können Sie sich noch erinnern wie die Telefontarife in den Keller gestürzt sind. Der Gesetzgeber kann hervorragend liberalisieren, aber er will nicht immer.
Ich halte alle Positionen des 8. Senats für noch vertretbar. Von daher wüsste ich nicht welches Gesetz dem BVerfG vorzulegen wäre, zumal davor ja die verfassungskonforme Auslegung stünde. Eine Vorlage an den EuGH könnte ich mir durchaus vorstellen. Aber nur wegen Kartellfragen. Hoffen wir mal, dass der Kartellsenat des BGH die Schäden von solchen Hochpreisstrategien mehr im Auge hat, und dessen Abwägung ergibt, dass die volkswirtschaftlichen Vorteile günstiger Gaspreise höher sind, als die Nachteile von Wertverlusten für die Eigentümer von Versorgungsunternehmen.
OLG Köln, Urt. v. 11.04.2006 - Az. 22 U 204/05
--- Zitat ---Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis kann auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden (vgl. Staudinger-Marburger § 781 BGB, Rn. 9 und 22). Die Bezahlung einer Rechnung bzw. des ganz überwiegenden Rechnungsbetrages beinhaltet danach das Anerkenntnis, dem Grunde nach Vergütung für die in der Rechnung aufgeführten Leistungen zu schulden (vgl. auch OLG Düsseldorf NJW-RR 98, 376, 377 li. Sp.). Wird wie hier Zahlung auf eine oder mehrere Abschlagsrechnungen geleistet, ist damit zugleich erklärt, dass ein Auftrag besteht, der über die in den Abschlagsrechnungen aufgeführten Leistungen hinausgeht, da Abschlagsrechnungen nur erteilt werden, wenn der Auftrag erst teilweise erfüllt ist, also noch Leistungen und die entsprechende Vergütung ausstehen.
--- Ende Zitat ---
Abweichend davon allerdings BGH, Urt. v. 11.01.2007 - Az. VII ZR 165/05
--- Zitat ---Allein die Zahlung des Werklohns auf eine geprüfte Rechnung rechtfertigt nicht die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses.
--- Ende Zitat ---
Wobei auch in diesem Urteil die konkludente Vereinbarung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses nicht grundsätzlich ausgeschlossen wird. Es muss aber der Wille hinzukommen, Streit oder subjektive Ungewissheit ausräumen zu wollen.
Wenn man andere mit einem Kübel Gülle vollspritzen möchte, sollte man darauf achten, dass die Windrichtung stimmt.
Black:
Immer wieder erstaunlich, wie mit gespielter Entrüstung auf die Meinungen reagiert wird der 8. Senat hätte vor allem eine pragmatische und praktikable Lösung gefunden.
Vor allem wenn die gleichen Personen die Rechtsprechung des BGH als absolut unhaltbar darstellen und dies dann damit begründen wollen, das höchste deutsche Zivilgericht habe mal eben das Schuldrecht AT irgendwie vergessen.
RR-E-ft:
@Black
Ich habe mich gestern mit einem Richter des Kartellsenats des BGH (Berichterstatter in energiekartellrechtlichen Verfahren) getroffen und wir hatten Gelegenheit, uns fast eine Stunde lang auf der gemeinsamen Zugfahrt von J- Paradies nach Leipzig über diverse Fragen auszutauschen, wofür ich sehr dankbar bin.
Mir wurde Unverständnis bezüglich der Rechtsprechung des 8. Zivilsenats vermittelt, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob denn ein einseitig festgesetzter Tarif bei einer nahezu wettbewerbsfreien marktbeherrschenden Stellung zum vereinbarten Preis werden könne [vgl. nur BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04; BGH, Urt. v. 04.03.2008 - KZR 29/06; BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26; BGH, B. v. 10.12.2008 - KVR 2/08]. Auch der Hinweis des 8. Zivilsenats auf eine angebliche Intention des Gesetzgebers und angebliche Geschäftsgeheimnisse löste mit Rücksicht auf die vorgenannten Entscheidungen eher eine verhaltene Erheiterung aus. Wenn der 8. Zivilsenat annehme, das Äquivalnzverhältnis sei auch bei einem für den Versorger besonders profitablen Tarif aufrecht zu erhalten, verstoße dies schon gegen §§ 1, 2 EnWG. Ein überhöhter Gewinnanteil sei demnach abzuschmelzen.
Mein Gesprächspartner war der Meinung, die Ölpreisbindung der Gaspreise habe sich nach den einschlägigen Senatsentscheidungen zu langfristigen Gaslieferverträgen praktisch erledigt. Einig waren wir uns darüber, dass bis auf die Entscheiung VIII ZR 111/02 bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu Rückforderungsansprüchen der Endkunden besteht. Nach Einschätzung meines Gesprächspartners unterliegen die Vorlieferantenpreise der uneingeschränkten kartellrechtlichen Kontrolle und darf sich der Abstand zwischen den Erdgasimportpreisen und den Endverbraucherpreisen (Marge in der Lieferkette ab deutscher Grenze bis zum Letzverbraucher) nicht vergrößern. Behördlich abgesenkte Netzentgelte sind an die Letzverbraucher weiterzugeben. Schon wegen der unterschiedlichen Netzkosten müssten sich die kostenbasierten regionalen Energiepreise unterscheiden, was eine regionale Marktabgrenzung zur Folge habe (BGH, Urt. v. 04.11.2003 - KZR 16/02).
Auch durch dieses Gespräch sehe ich mich in meinen Auffassungen bestätigt. Nach wie vor kein Verständnis habe ich dafür, wenn vollkommen unbewiesene Behauptungen über die höchstrichterliche Rechtsprechung aufgestellt werden, insbesondere die Frage von Rückforderungsansprüchen habe dabei eine Rolle gespielt.
Zur Ergänzung kann ich vielleicht weiter mitteilen, dass ein Vorsitzender Richter am Landgericht Leipzig in mündlicher Verhandlung am gestrigen Tage mit umfassender Erörterung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich bestrittener einseitiger Gaspreisneufestsetzungen 2004 ff. zu erkennen gab, dass er der Rechtsprechung des 8. Zivilsenats des BGH nicht blind folgen werde. Keinesfalls werde er blind aus dortigen Entscheidungen abschreiben. Der Vorsitzende hatte an diesem Tage wegen der Komplexität der Sach- und Rechtslage vorsorglich nur eine einzige mündliche Verhandlung terminiert, um sich die entsprechende Zeit zu nehmen.
Die von manchen aufgestellten Behauptungen zu den Instanzgerichten haben sich auch dabei nicht bestätigt. Zufrieden reiste ich danach zurück nach J- Paradies (Lichtstadt).
reblaus:
--- Zitat ---Original von reblaus (05.03.2009 19.24 unter Kartellrecht)
Nur mit welchem Recht wird bei der ungerechtfertigten Bereicherung angesetzt werden können, dass die inländischen Preisbestandteile entsprechend dem Preis für leichtes Heizöl zu steigen haben. Man wird daher zu prüfen haben, ob sich die inländischen Preisbestandteile beim Vorhandensein von Wettbewerb entsprechend dem Preis für leichtes Heizöl entwickelt hätten. Das halte ich für Blödsinn.
--- Ende Zitat ---
--- Zitat ---Original von reblaus (06.03.2009 14:21 unter Kartellrecht)
Schließlich ist der freie Marktzutritt auch durch Art. 12 GG geschützt. Er ist sogar die entscheidende Grundvoraussetzung, dass ein freies Gewerbe überhaupt entstehen und weiterexistieren kann. Ohne freien Marktzutritt kann niemand Geschäfte abschließen, es sei denn, er ist Teil der privilegierten Marktteilnehmer. Ohne Aussicht auf Geschäftsmöglichkeiten sind aber Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse völlig wertlos. Es ist daher kontraproduktiv die Bekämpfung von Kartellen zu erschweren, in dem man dem Schutzerfordernis für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse größere Bedeutung zuweist.
(…)
Bei § 315 BGB dürfen die Beweiserleichterungen des Versorgers nicht soweit gehen, dass er seine Verstrickung in das Kartell verheimlichen kann. Wenn er verstrickt ist, sind Preiserhöhungen unbillig, die auf unwirksamen Bezugspreiserhöhungen beruhen. Die Folge ist, dass er lediglich Kostensteigerungen aus ungerechtfertigter Bereicherung weitergeben darf. Die Rechtsprechung des BGH zur Überprüfung der Ölpreisbindung halte ich nicht für einschlägig, weil dies allenfalls ein Verstoß gegen „einfaches“ Kartellrecht darstellen würde, was begründen könnte, dies nicht so streng zu sehen.
(…)
Beweisschwierigkeiten dürften sich aus der Feststellung des Schadens ergeben. So unüberwindlich halte ich das allerdings nicht. Wir haben die Steigerungen der Grenzübergangspreise und die Preissteigerungen beim Endverbraucher. Dann kennen wir die Kosten der Durchleitung, daraus berechnet sich ein gigantischer Betrag der in den vergangenen Jahren kassiert wurde, ohne dass ich irgendeine Leistung erkennen kann, die diese Summe rechtfertigen könnte. Das ist der Ausbeutungsgewinn.
--- Ende Zitat ---
Irgendwie habe ich einem Gespräch im Zug gelauscht und den Inhalt am 5.03. und 6.03. in diesem Forum brühwarm ausgeplaudert. Das war sehr indisket von mir. Dass ich jetzt überführt wurde, mich fremden Federn geschmückt zu haben geschieht mir Recht. :D
Das mit den Rückforderungsansprüchen erkläre ich bei Gelegenheit noch mal etwas genauer.
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