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Autor Thema: Unbillige Weitergabe eines tatsächlichen Bezugskostenanstiegs laut Bundesgerichtshof  (Gelesen 6394 mal)

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Wenn der Versorger im Prozess einen bestrittenen Bezugskostenanstieg nachgewiesen hat, so stellt sich - bei bestehendem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB - die Frage, ob dessen Weitergabe im Wege von Preiserhöhungen der Billigkeit entsprach.

Vgl. Hierzu Hinweisbeschluss LG Köln vom 07.01.2009 - 90 O 41/07

Der BGH hat im Urteil vom 19.11.2008 (VIII ZR 138/07 Rn. 43 ) entschieden, dass nicht jedwede Weitergabe gestiegener Bezugskosten der Billigkeit entspricht.

Zitat
Das schließt allerdings nicht aus, dass jedenfalls die Weitergabe solcher Kostensteigerungen im Verhältnis zum Abnehmer als unbillig anzusehen ist, die der Versorger auch unter Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums ohne die Möglichkeit einer Preiserhöhung aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte. Das Recht zur Preiserhöhung nach § 4 AVBGasV kann, wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, angesichts der sich aus § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 EnWG ergebenden Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zu einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltver-träglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas nicht dazu dienen, dass es zu beliebigen Preisen einkauft, ohne güns-tigere Beschaffungsalternativen zu prüfen (Markert, RdE 2007, 263, 265; Säcker, ZNER 2007, 114, 115), und im Verhältnis zu seinem Vorlieferanten Preisanpassungsklauseln und -steigerungen akzeptiert, die über das hinausgehen, was zur Anpassung an den Markt und die Marktentwicklung im Vorlieferantenverhältnis erforderlich ist (vgl. zu einer entsprechenden Einschränkung des Änderungsrechts von Banken bei Zinsänderungsklauseln in Kreditverträgen BGHZ 97, 212, 217 ff., 222; 158, 149, 155).

Im Gasbereich gilt dabei:

Die Marktentwicklung in den Vorlieferantenverhältnissen wird durch die Entwicklung der Erdgasimportpreise (Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze, amtlich erfasst vom BAFA) sowie die daraus resultierende Entwicklung der Großhandelspreise für Erdgas in Deutschland bestimmt. Dieser Entwicklung können sich die Gasversorger und ihre Vorlieferanten nicht entziehen.

Diese maßgebliche Preisentwicklung wurde für die Jahre 1991 bis 2006 [in Ct/ kWh] im amtlichen Monitoringbericht der Bundesnetzagentur Strom und Gas 2007 auf Seite 155 f. aufgezeigt.

Der Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze hatte sich nach den amtlichen Feststellungen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), Eschborn in den Jahren 2003 bis 2006 wie folgt entwickelt:
 
2003   1,22 Ct/ kWh
2004   1,18 Ct/ kWh
2005   1,61 Ct/ kWh
2006   2,13 Ct/ kWh

Beweis:   

Monitoringbericht der Bundesnetzagentur Strom und Gas 2007,   S. 156, (Anlage B ), Sachverständigengutachten

Der Bericht ist im Internet vollständig veröffentlicht unter

http://www.bundesnetzagentur.de/media/archive/12086.pdf.

Der Wert der Ware Erdgas hatte sich auf der Großhandelsebene infolge der Ölpreisbindung von 2003 auf 2006 mithin nur um 0,91 Ct/ kWh erhöht.

Beweis:   Sachverständigengutachten

Der von der Klägerin behauptete Bezugskostenanstieg war demzufolge nicht notwendig im Vorlieferantenverhältnis zur Anpassung an die Marktsituation.

Sind die Bezugskosten des Versorgers stärker angestiegen als der amtlich festgestellte Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze und die Großhandelspreise für Erdgas in Deutschland nach den amtlichen Feststellungen der Bundesnetzagentur, so kann ein solcher Anstieg im Vorlieferantenverhältnis nicht erforderlich gewesen sein, was zur Folge haben kann, dass die Weitergabe  solcher unnötigen Kosten nicht der Billigkeit entspricht.

Entwicklung der Erdgasimportpreise



Die Weitergabe des  lediglich für die Anpassung an die Marktverhältnisse im Vorlieferantenverhältnis tatsächlich notwendigen Bezugskostenanstiegs kann gleichwohl immer noch unbillig sein, nämlich wenn und soweit er durch rückläufige Kosten bei den weiteren Kostenbestandteilen des Preissockels ausgeglichen werden konnte, so der BGH in der Entscheidung vom 19.11.2008 (Rn. 39):

Zitat
Eine auf eine Bezugskostensteigerung gestützte Preiserhöhung kann allerdings - wie die Revisionserwiderung zu Recht einwendet - unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (BGHZ 172, 315, Tz. 26). Unter diesem Gesichtspunkt müssen jedenfalls die Kostenbestandteile des Preissockels in die Beurteilung der Billigkeit der Preiserhöhung einbezogen werden, auch wenn dieser in seiner Gesamtheit, wie ausgeführt (oben unter 1), einer Billigkeitskontrolle entzogen ist (vgl. Dreher, ZNER 2007, 103, 107).

Für die entsprechende Beurteilung ist es notwendig, die weiteren Kostenbestandteile des Preissockels und deren zwischenzeitliche Entwicklung zu kennen (Netzkostenanteil, Kosten der Messung und Abrechnung, ggf. Konzessionsabgaben, Energiesteuern,....).

Im eigentlichen geht es dabei um die Entwicklung der sog. betriebswirtschaftlichen Deckungsbeiträge innerhalb der Preise selbst. Diese dürfen nicht steigen.

Diese Deckungsbeiträge der konkret kalkulierten Preise können auch dann steigen, wenn der Gesamtgewinn des Unternehmens nicht gestiegen ist oder sogar rückläufig war. Ebenso spricht ein gestiegener Gesamtgewinn des Unternehmens nicht zwingend für eine (unbillige) Erhöhung des Deckungsbeitrages innerhalb des konkreten kalkulierten Vertragspreises.

Notwendig ist, dass ein betroffener Tarifkunde hierzu im Prozess etwas vorträgt oder besser vortragen lässt.

[Wurde in einem Sondervertrag kein Preisänderungsrecht vereinbart oder ist ein solches wegen Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel nicht wirksam, so sind auch die vorgenommenen einseitigen Preiserhöhungen unwirksam, ohne dass es darauf ankommt, ob diese einer Billigkeitskontrolle standhielten, vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06].

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Hier ist aber zu beachten, dass der BGH in der gleichen Entscheidung auch einschränkt:

Zitat
Die Revision rügt weiter zu Recht, dass das Berufungsgericht ange-nommen hat, die Beklagte (EVU) müsse vortragen, was sie unternommen habe, um günstigere Preise bei Lieferanten zu erreichen, ihre Behauptung, sie habe sich der Ölpreisbindung nicht entziehen können, sei zumindest unsubstantiiert.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

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@Black

Die von Ihnen zitierte Passage steht dem nicht entgegen.

Unbestritten können sich Gasversorger und deren Vorlieferanten nicht der Ölpreisbindung als solcher entziehen. Der Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze hängt laut BAFA von der Entwicklung der Preise für Mineralöl ab. Nur deshalb (internationale bzw. europäische Ölpreisbindung) ändert sich ja der Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze und mithin auch die Großhandelspreise für Erdgas.

In Europa wird Erdgas auf der Großhandelsebene (Importstufe) regelmäßig  in US- Dollar pro 1.000 Kubikmeter gehandelt, wobei für die europäischen Gaspreise die Entwicklung der Rotterdammer Rohölnotierungen für Nordsee- Öl (Brent) maßgeblich ist. Das ganze nennt sich europäische Preisformel und wird gemeinhin als Ölpreisbindung der Gaspreise bezeichnet.

Die europäischen Gaspreise sind dadurch nicht an die Entwicklung der Heizölpreise (Raffenerieprodukte) in den europäischen Ländern gekoppelt, sondern an die Preise für Erdöl = Rohöl und zudem abhängig vom Wechselkurs zwischen US- Dollar und Euro.

Siehste hier.


Zitat
Ein weiteres Ergebnis der Verhandlungen: Die Seiten gehen zur europäischen Preisformel über und verzichten dabei auf die Zwischenhändler bei den Gaslieferungen. Auf Grundlage dieser Vereinbarungen hatten am 19. Januar die Chefs von Gazprom und Naftogas im Beisein Putins und Timoschenkos einen Liefervertrag für die kommenden zehn Jahre unterzeichnet.

Seit Anfang der 90er Jahre bis einschließlich 2007 wurde russisches Gas auf Basis der Aschchabader Preisformel in die Ukraine geliefert. Bei der Festlegung des Gaspreises waren nicht die europäischen Preise ausschlaggebend, sondern die günstigen Preise für den Rohstoff aus Zentralasien. Dieses Gas wurde von Gazprom eingekauft.

Die Vorzugsbehandlung der Ukraine wurde dadurch gerechtfertigt, dass Russland bis zu 80 Prozent des für die Endverbraucher in Europa bestimmten Gases durch den Nachbarstaat transportiert. So zahlte Kiew vergangenes Jahr für das russische Gas 179,5 US-Dollar je 1000 Kubikmeter, wobei der in den europäischen Staaten geltende Preis mehr als 400 US-Dollar je 1000 Kubikmeter betrug.

Zitat
Diese Preise werden aber höchstwahrscheinlich ihre Talfahrt fortsetzen, da sie an die sechs Monate alten Erdölpreise in Europa gekoppelt sind. Laut Prognosen wird der europäische durchschnittliche Preis für Erdgas im zweiten Quartal auf 250 US-Dollar je 1000 Kubikmeter Gas fallen, im dritten bzw. vierten sogar auf 175 bis 180 US-Dollar. Der Durchschnittspreis für Europa in Gazproms Etat beträgt 280 US-Dollar je 1000 Kubikmeter Gas.

Im 4. Quartal 2008 lag der europäische Gaspreis bei über 500 US-Dollar je 1.000 Kubikmeter.

Zitat
Europäische Kunden müssen für tausend Kubikmeter Gas des russischen Konzerns Gazprom seit dem 1. Oktober mehr als 500 Dollar (350 Euro) zahlen, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte.

Wie sich die Gaspreise an der deutschen Grenze aufgrund dieser Ölpreisbindung nach der europäischen Preisformel ändern, wird vom BAFA monatlich statistisch erfasst, der Grenzübergangswert oder Erdgasimportpreis monatlich in Ct/ kWh ermittelt und mit zeitlicher Verzögerung von zwei Monaten veröffentlicht.


Maßgeblich ist, ob die Kostenanstieg der Marktentwicklung auf dem vorgelagerten Vorlieferantenmarkt (unter Zugrundelegung der \"europäischen Preisformel\") entspricht oder aber die vertraglichen Abreden zwischen dem Gasversorger und dessen Vorlieferant zu einem darüber hinausgehenden - stärkeren - Bezugskostenanstieg führen. In einem solchen Fall kann die Weitergabe der gestiegenen Bezugskosten nicht der Billigkeit entsprechen.

Steht dem Versorger gegenüber dem Kunden ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht (§ 4 AVBGasV, § 5 GVV) zu, folgt laut BGH daraus eine gesetzliche Verpflichtung, die Preise im laufenden Vertragsverhältnis abzusenken, wenn es rückläufige Kosten zulassen und dies den Kunden günstig ist (BGH, Urt. v. 29.04.2008 KZR 2/07 Rdn. 23, 26). Es besteht dabei - anders als in Sonderverträgen - eine gesetzliche Verpflichtung, rückläufige Kosten durch Preissenkungen an die Kunden weiterzugeben. Oftmals bestehen Zweifel, ob der gesetzlichen Verpflichtung, rückläufigen Kosten nach gleichen Maßstäben Rechnung zu tragen, entsprochen wird.

Der Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze folgt dem Wert von Mineralöl (= Rohöl) und nicht dem Wert von Mineralölprodukten (Heizöl).

Zitat
Der Grenzübergangspreis zeigt den Preis des Erdgases an der deutschen Grenze und folgt in der Regel mit einer gewissen Zeitverzögerung den Preisen für Mineralöl.

Offline RR-E-ft

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Welchen Datums ist denn das \"bundesweit erste Sachverständigengutachten\"?
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

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Es kommt wohl nicht darauf an, ob es sich um das \"bundesweit erste Sachverständigengutachten\" in Sachen BHAG handelte. ;)
Das Gutachten liegt in der Gerichtsakte, muss denknotwendig zeitlich früher liegen als der Hinweisbeschluss des LG Köln vom 07.01.2009.

Offline Black

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Doch, denn daraus wird ja eine gewisse Leitbildfunktion für folgende Gutachten hergeleitet. Andernfalls ist es nur irgendein Gutachten.

Nicht umsonst wurde es ja betont.  ;)
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Sie sollten den Begriff \"Leitbildfunktion\" ggf. aus Ihren Denkkategorien streichen. Der Beschluss des LG Köln vom 07.01.2009 genügt uns allein zur Ergötzung.

Zitat
Landgericht Köln
Hinweisbeschluss
in dem Rechtsstreit


I.

Die Parteien werden angesichts der durch das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Volksw. Canty aufgeworfenen Frage nach der Berechnungsmethode, welche für die Vergleichsbeurteilung zwischen Bezugskosten- und Tarifänderung maßgeblich ist, auf folgendes hingewiesen:

1.

Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kommt es darauf an, ob die seit dem 01.12.2004 vorgenommenen Tariferhöhungen jeweils der Billigkeit entsprechen. Das bedeutet, dass jede einzelne Tariferhöhung gesondert auf ihre Angemessenheit zu überprüfen ist. Zeigt sich dabei auch nur hinsichtlich einer einzelnen der in Rede stehenden Tariferhöhungen ein Missverhältnis im Vergleich zu der für die Erhöhung zum Anlass genommenen Veränderung der Bezugskosten, so kann dieser Umstand auch die nachfolgenden von den Beklagten angegriffenen Tariferhöhungen „infizieren\", sofern diese nicht zum Anlass einer Korrektur des Ungleichgewichts genommen wurden (vgl. zuletzt BGH vom 19.11.2008, Az. VIII ZR 138/07 Rn. 15). Eine solche Fernwirkung des einmal unbillig erhöhten Tarifes stellt sich insbesondere dann ein, wenn auf der Grundlage des einmal verzerrten Verhältnisses zwischen Kosten- und
 
Tarifseite anschließend weitere Erhöhungen vorgenommen werden, selbst wenn diese isoliert betrachtet in einem angemessenen Verhältnis zwischen Bezugskostenerhöhung und Tariferhöhung stehen. Sogar eine spätere Umkehrung des verzerrten Verhältnisses zu Gunsten des zunächst Benachteiligten kann nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht dazu herangezogen werden, die infolge der Verzerrung unbillige Tariferhöhung rückwirkend zu heilen, sondern allenfalls eine Korrektur für die Zukunft bewirken. Denn zu berücksichtigen ist, dass von einer solchen späteren Korrektur diejenigen Kunden nicht mehr zu profitieren vermögen, deren Vertragsverhältnis zur Klägerin (etwa infolge Umzugs) zwischenzeitlich beendet wurde.

Aus den vorstehenden Grundsätzen folgt ferner, dass die klägerseits durchweg vorgenommenen Durchschnittsermittlungen auf Jahresbasis oder gar längeren Zeiträumen den Anforderungen an die gemäß § 315 BGB für jede Tariferhöhung spezifisch durchzuführende Billigkeitsprüfung nicht gerecht wird. Abgesehen davon sind Durchschnittsberechnungen je nach Größe des Betrachtungszeitraums und Schwankungsbreiten der in die Betrachtung weiterhin einbezogenen Größen für die Beurteilung des Verlaufs der Entwicklung innerhalb dieses Zeitraums nicht hinreichend aussagekräftig. Dies mag anhand eines einfachen Beispiels erläutert werden: So kann eine deutlich über der Bezugskostensteigerung liegende Tariferhöhung, welche zu Beginn des Betrachtungszeitraums vorgenommen wurde, gegen Ende dieses Zeitraums wieder zurückgenommen worden sein, mit der Folge, dass bei der klägerseits summarisch durchgeführten Delta-Berechnung die Tariferhöhung der Bezugskostensteigerung zwar entspräche; unberücksichtigt bliebe bei dieser Betrachtung jedoch der Umstand, dass über einen Großteil des Betrachtungszeitraums ein Ungleichgewicht bestand, welches sich zu Lasten des Kunden auch kostenmäßig ausgewirkt hat. Für die Billigkeitsprüfung kommt es demgegenüber darauf an, dass die durchgeführten Tariferhöhungen möglichst detailgetreu die Erhöhung der Betriebskosten auf der Klägerseite widerspiegeln beziehungsweise deren Entwicklung nachzeichnen.

2.
 
Wird die von der Klägerin vorgelegte Delta- Tabelle nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen einer Überprüfung unterzogen, so lässt sich schon aufgrund der klägerseits vorgegebenen Zahlen und unabhängig von den weitergehenden gutachterlichen Feststellungen bereits folgendes konstatieren:

Zum 01.12.2004 wurde eine Tariferhöhung um 0,43 Cent/kWh vorgenommen, obgleich die vorangegangene (von der Klägerin so kalkulierte) Bezugskostensteigerung seit dem 01.10.2004 lediglich 0,0939 Cent/kWh betrug. Damit bestand eine Differenz zu Lasten der Tarifkunden im Umfang von 0,3361 Cent/kWh, welche auch durch die nicht an die Tarifkunden weitergereichte kalkulatorische Bezugskostensteigerung zum 01.01.2005 um 0,2728 keineswegs vollständig ausgeglichen wurde, wobei ohnehin nur ein Ausgleich für die Zukunft in Betracht gekommen wäre. Eine Umkehrung des Verhältnisses zwischen kalkulatorischer Bezugskostensteigerung und Tariferhöhung hat sich vielmehr erst zum 01.07.2005 eingestellt, ohne dass diese auch nur annähernd geeignet gewesen wäre, das vorangegangene Ungleichgewicht zu nivellieren. Das gilt schon wegen der nach den vorstehenden Ausführungen ausgeschlossenen Rückwirkung einer solchen Maßnahme, aber auch mit Rücksicht darauf, dass sich die nunmehr kundenfreundliche Tarifgestaltung nur über drei bezugsarme Monate der warmen Jahreszeit erstreckte, nämlich bis zum 01.10.2005. Sie vermochte daher den durch die frühere kundenfeindliche Gestaltung über sieben teilweise bezugsstarke Monate bewirkten Nachteil nicht annähernd zu kompensieren. Ab dem 01.10.2005 lag der Tarif sodann wiederum durchweg, wenn auch teilweise nur geringfügig, über den klägerseits kalkulierten Bezugskosten, und zwar bis zum 01.01.2007. Erst danach drehte sich das Verhältnis wiederum zu Gunsten der Tarifkunden um, allerdings im Umfang von lediglich 0,00819 Cent/kWh bis zum 01.04.2007 und von 0,02592 Cent/kWh bis zum 01.07.2007. Auch insoweit vermochte noch nicht einmal ein Ausgleich der zuvor über mehr als zwei Jahre fortgeschriebenen Verschiebung zu Lasten der Kunden stattzufinden, geschweige denn eine Heilung dieses Ungleichgewichts, das wegen seiner Dauer auch nicht mehr als im Rahmen der Billigkeitsprüfung noch hinnehmbare Abweichung erachtet werden dürfte.

3.

Nach Auffassung der Kammer kommt es daher nicht mehr entscheidend darauf an, ob die von der Klägerin kalkulierten Bezugskostensteigerungen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Unabhängig davon bestehen jedoch auch durchgreifende Bedenken gegen den kalkulatorischen Ansatz der Klägerin, da dieser die tatsächliche Entwicklung der Bezugskosten unter Berücksichtigung der Bezugsmengen, wie sie vom Gutachter anhand der Rechnungen nachvollzogen wurden, nicht hinreichend reflektiert. Auch insoweit steht der von der Klägerin auf das gesamte Gasbezugsjahr bezogenen Betrachtung der Umstand entgegen, dass im Laufe dieses Jahres Tariferhöhungen ausgebracht wurden, deren Billigkeit sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Erhöhung richtet und nicht nach einem zurückbezogenen Jahressaldo. Schließlich ist zu bedenken, dass die gutachterliche Anknüpfung an die tatsächlichen Rechnungsbeträge auch deswegen nicht zu beanstanden, sondern sogar vorzugswürdig ist, weil für die Beurteilung der tatsächlichen Kostenbelastung der Klägerin zu bestimmten Zeitpunkten eben die in den Rechnungen ausgewiesenen Summen und Bezugsmengen maßgeblich sind. Eine Nachberechnung für frühere Monate kann erst ab dem Zeitpunkt als Kostenbelastung der Klägerin berücksichtigt werden, in welchem diese durch Nacherhebung entsprechender Zahlungsbeträge auch anfällt; sie kann nicht auf die früheren Monate zurückbezogen werden, weil hierdurch die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen der Nachberechnung, namentlich die erst nachträglich vorgenommene Kostenbelastung verfälscht würden. Diese vom Gutachter seinen Ausführungen zugrunde gelegte Sichtweise ist auch keineswegs ungewöhnlich, insbesondere nicht in solchen Bereichen, in denen es auf den Zeitpunkt der tatsächlichen kostenmäßigen Belastung ankommt, wie beispielsweise in Teilen des Steuerrechts.

II.

Die Kammer sieht daher derzeit keine Veranlassung, den Gutachter mit einer ergänzenden Stellungnahme zu beauftragen, auch nicht zu den bekiagtenseits aufgeworfenen Fragen, welche ohnehin für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung sind, da es auf die Art und Weise der Rechnungsstellung gegenüber den Beklagten nicht (mehr) ankommt,

Einer ergänzenden Beauftragung des Gutachters bedarf es allerdings dann, wenn und soweit die Klägerin hilfsweise die Festsetzung eines der Billigkeit entsprechenden Preises im Verhältnis zu den Beklagten begehren sollte, was ihrem allein auf Zahlung gerichteten Antrag nicht zu entnehmen ist.

III.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis....

Köln, 07.01.2009
10. Kammer für Handelssachen



Das Gericht hätte dafür eines Sachverständigengutachtens noch nicht einmal bedurft, sondern allein einer gewissen kaufmännischen Erfahrung, die man bei Kammern für Handelssachen bei den Landgerichten (Handelsrichter) erwarten darf:

Preise, insbesondere kalkulatorische bzw. prognostizierte, sind keine Kosten und bilden die tatsächliche Ist- Kostenentwicklung nicht zutreffend ab.
Entsprechende Schlüsse zu allfälligen Delta- Tabellen, hätte das Gericht selbst ziehen können.

KfH beim LG Erfurt.

Bei Richtern an Amtsgerichten würde ich eine entsprechende Erfahrung hingegen nicht unbedingt vermuten.

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Mindestens seit 2005 Angebot für Stadtwerke/Regionalversorger ohne Ölpreisbindung auf dem Markt

Zitat
Auf der Verkaufsseite bietet WINGAS ihren Kunden, zu denen Regional- und Kommunalverteiler, aber auch Kraftwerksbetreiber und Industrieunternehmen gehören, flexible Verträge. Dies betrifft die Laufzeiten, aber auch die Preisfindung. Neben der Ölpreisbindung offeriert das Unternehmen hier eine Orientierung an Spotmärkten wie zum Beispiel Zeebrügge/Belgien, oder Festpreisformeln. \"Die Mehrzahl unserer Kunden hat sich jedoch überwiegend für eine Ölpreisbindung als wesentliche Preiskomponente entschieden\", sagte Feldmann.

Zitat
Die absolute Höhe des deutschen Gaspreises ergibt sich durch Addition von Steuern und Abgaben, die etwa 30 % des Gesamtpreises ausmachen. Hinzu kommen Kosten für Speicherung, Transport und Verteilung in Deutschland, die etwa 40 % des Gaspreises für den deutschen Verbraucher bestimmen. Demgegenüber machte der Gasimportpreis im 1. Halbjahr 2005 etwa 30 % des Gesamtgaspreises für Haushaltskunden aus. \"Diese Zusammensetzung zeigt, dass man zur Beurteilung des aktuellen Gaspreises nicht allein die Ölpreisbindung heranziehen darf\", sagte Feldmann.

Die Erdgasimportpreise (Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze laut BAFA)  hatten sich zwischenzeitlich nominal verändert.



Es geht auch ohne

Zitat
Das bedeute aber nicht, dass Wingas ausschließlich mit Ölpreisbindung weiterverkaufe. Den Kunden würden mehrere Optionen eingeräumt bis hin zu Festpreisen.

Weitere Angebote für Stadtwerke
Altenativen und Preisspielräume

Zitat
Von Vorteil ist für natGAS dabei, dass zum Ende des laufenden Gaswirtschaftsjahres viele Bezugsverträge von Stadtwerken mit ihren bisherigen Lieferanten auslaufen. Da im Einkauf immer noch größere Spielräume liegen, kann es sich kaum ein Versorger leisten, keine alternativen Angebote einzuholen – ganz gleich ob für eine Vollversorgung oder Teillieferung.


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OLG Düsseldorf: Unwirksamkeit von Langfristverträgen

Bestehende Langfristverträge zwischen Gasverorgern und Vorliefernaten waren nichtig (bestätigt durch BGH, B. v. 10.02.2009 KVR 67/07), so dass keine Preiserhöhungen auf darin enthaltene Preisänderungsklauseln gestützt werden konnten. Preisänderungsklauseln mit automatischer HEL- Bindung können  zudem gegen § 307 BGB verstoßen  und  auch zwischen Unternehmen deshalb unwirksam sein, vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 04.11.2008

Gasversorger konnten demnach entsprechende Gaspreiserhöhungen rechtlich abwehren in dem sie sich auf die Unwirksamkeit entsprechender Verträge und darin enthaltener Klauseln beriefen. Hätten die Unternehmen unter Wettbewerbsdruck gestanden, hätten sie solche Möglichkeit auch wahrgenommen und nicht einfach einen beliebigen Bezugskostenanstieg auf einen Teil ihrer Kunden (nämlich alternativlose und somit \"gefangene\" HuK- Gaskunden)  abzuwälzen gesucht.

Wenn Gasversorger behaupten, in Vorlieferantenverträgen seien automatische HEL- Klauseln enthalten und sie hätten in Bezug auf diese keine Wahl gehabt, so müsste es sich dabei wohl denknotwendig um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Vorlieferanten gehandelt haben, unabhängig von der Frage, ob es sich dabei nicht zugleich um kartellrechtswidrige Preis- und Konditionenabsprachen (Preis- und Konditionenkartell) zwischen den jeweils marktbeherrschenden  Vorlieferanten handelte, wovon auszugehen ist, wenn es vorgeblich auf dem vorgelagerten Gasbeschaffungsmarkt keine Alternativen gab.

Bei wirksamen Wettbewerb stellt sich der Preis einer Ware bei den Grenzkosten ein, mithin bei importiertem Erdgas Wert der Ware an der deutschen Grenze zzgl. Netzkosten der vorgelagerten Netze zzgl. ggf. Energiesteuer und einen \"Schnaps oben drauf\" (ggf. 10 - 20 Prozent).

Die Erdgasimportpreise werden vom BAFA monatlich ermittelt und verööfentlicht. Die Netzentegelte einschließlich der Kosten aller vorgelagerten Netze werden bei jedem Netzbetreiber ebenso wie die Kosten der Messung und Abrechnung für Standard- Lastprofilkunden aufgrund der gesetzlichen Publizitätspflicht im Internet veröffentlicht. Sie sind auf den Verbrauchsabrechnungen gem. § 40 EnWG gesondert auszuweisen. Ebenso gesondert auszuweisen sind die Energiesteuern un die Konzessionsabgaben gem. § 4 KAV.

Man kann deshalb von den gefortderten Letzverbraucherpreisen (bestehend aus Grund- und Arbeitspreis) die Netzkosten, Kosten der Messung und Abrechnung, Erdgassteuer und Konzessionsabgaben abziehen und erhält so die verbleibende Differenz zu den Erdgasimportpreisen, die oftmals beträchtlich ausfällt. Zudem lässt sich ausmachen, ob diese Differenz sich zwischenzeitlich vergrößert hat, was bei wirksamen Wettbewerb ausgeschlossen sein sollte.
 
Derzeit ist die verbleibende Differenz bei  den Haushalts- Letztverbraucherpreisen jedoch noch so groß, dass der \"Schnaps oben drauf\" schlichtweg einige wohl völlig besoffen machen muss.

Erdgas ist ein sog. commodity, welches sich dadurch auszeichnen müsste, dass es für alle Kunden gleichpreisig ist. Weil es sich um ein commodity handelt, ist es - wie Elektrizität oder Rohöl - grundsätzlich zum Börsenhandel geeignet, wo sich über Angebot und Nachfrage (und Spekulation mit deren zukünftiger Entwicklung) ein Markt- Preis bildet.

Spätestens seit 2007 werden die Börsenpreise für Erdgas, die sich an der EEX für verschiedene Marktgebiete bzw. an anderen virtuellen Handelspunkten (z.B. TTF) bilden, als Marktdaten veröffentlicht.

Tatsächlich ist jedoch bisher noch oft eine Preissegmentierung und mithin eine nicht marktkonforme Preisspaltung bezüglich verschiedener Kundengruppen zu beobachten. Eine solche Preissegmentierung ist nur auf Märkten mit unvollkommen entwickelten Wettbewerb möglich. Sie setzt Marktbeherrschung voraus. Die Börsenpreisbildung führt hingegen zu Einheitspreisen für Gas. Auf einem einheitlichen Markt kann es schließlich für ein commodity auch nur einen Marktpreis geben.

 

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