Das Urteil des LG Augsburg Az. 2 HK O 1154/08 liegt den Parteien und auch dem Bund der Energieverbraucher vor.
Die Begründung des Urteils beginnt damit, dass es sich zwar um keine Handelssache im Sinne des § 102 EnWG handeln würde, das Gericht jedoch als Kammer für Handelssachen gleichwohl entscheiden könne, da angeblich eine Streitgegnossenschaft auf Beklagtenseite vorliege und der Gesamtgegenstandswert größer sei als 5.000 €. (Dann wäre eine andere Kammer zuständig und als gesetzlicher Richter zur Entscheiung berufen gewesen.)
Das Gericht hat angenommen, dass die Beklagten Tarifkunden seien.
Die Beklagten hatten vorgetragen, dass bei Vertragsabschluss Erdgas- Sonderpreise vereinbart worden waren, die günstiger waren als die von der Klägerin als solche veröffentlichten Allgemeinen Tarife im Sinne von § 10 Abs. 1 EnWG.
Die Annahme des Gerichts steht im Gegensatz zur m. E. zutreffenden Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 28.10.2008 (21 U 160/06), welche dem Gericht vorlag, mit der es sich jedoch nicht auseinadergesetzt hat.
In den streitgegenständlichen Verbrauchsdabrechnungen war ausdrücklich vermerkt worden, dass die Klägerin gem. § 36 Abs. 1 EnWG zur Grundversorgung verpflichtet sei und für diese Grundversorgung die Classic- Preise und die Bestimmungen der GasGVV gelten.
Die Belieferung der Beklagten erfolgte jedoch nicht zu diesen Classic- Preisen der Klägerin.
Die Klägerin hatte mit nachgelassenem Schriftsatz vom 23.12.2008 zudem ausdrücklich vorgetragen, dass jeweils
bei Vertragsabschluss keine Preisvereinbarungen getroffen worden seien.
Der BGH hat in Bezug auf Tarifkunden mehrfach entschieden, dass beim Abschluss eines Tarifkundenvertrages bei Vertragsabschluss ein feststehender Preis vereinbart werde, der gerade wegen einer solchen vertraglichen Einigung selbst keiner gerichtlichen Kontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB (mehr) unterliegen soll (VIII ZR 36/06; VIII ZR 138/07).
Die Beklagten haben darauf verwiesen, dass nach dem neuerlichen klägerischen Vortrag die Klage schon
unschlüssig sei, weil ein Kaufpreisanspruch demnach jeweils gegenüber den Beklagten nicht bestehen könne.
Nach der Rechtsprechung des BGH vom 07.02.2006 (KZR 24/04) ist ein Kaufvertrag (zu dem auch Energielieferungsverträge gehören), dann nicht wirksam zustande gekommen, wenn bei Vertragsabschluss kein Preis und auch kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB vertraglich vereinbart wurden. Ohne Preisvereinbarung bei Vertragsabschluss blieb mithin nur die vertragliche Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts als einzige Möglichkeit eines wirksamen Vertragsabschlusses (§ 154 Abs. 1 BGB). Bereits in der Klageerwiderung war die vertragliche Einräumung eines solchen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts bestritten. Wäre ein solches jedoch vertraglich vereinbart gewesen, so hätten die Preise von Anfang an und in vollem Umfange der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterlegen (BGH, Urt. v. 13.06.2007 VIII ZR 36/06).
Die Beklagten hatten von Anfang an die öffentliche Bekanntgabe geänderter Preise bestritten. Dieses Bestreiten der öffentlichen Bekanntgabe geänderter Preise gem. § 10 Abs. 1 EnWG, § 36 Abs. 1 EnWG wurde vom Gericht übergangen, obschon eine solche gem. § 4 Abs. 2 AVBGasV (5 GasGVV) vor der Billigkeitskontrolle Wirksamkeitsvoraussetzung ist.
Übergangen wurde auch der detaillierte Vortrag der Beklagten zur Preisentwicklung auf dem vorgelagerten Großhandelsmarkt und Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze anhand amtlicher Feststellungen (BAFA, BNetzA) und der durchschnittlichen Bezugskosten und durchschnittlichen Gasabgabepreise des behaupteten Vorlieferanten Bayerngas GmbH anhand dessen (dem Gericht vorgelegter) Geschäftsberichte.
Dies steht m. E. im Widerspruch zur Entscheidung des BGH vom 19.11.2008 (VIII ZR 138/07 Rn. 43).
Schließlich wurde das zulässiges Bestreiten des behaupteten Bezugskostenanstiegs und der fehlenden Kompensationsmöglichkeit übergangen.
Unabhängig davon, dass BGH ein Bestreiten mit Nichtwissen genügen lässt (III ZR 277/06), hatten sich die Beklagten mit den Bescheinigungen inhaltlich auseinandergesetzt.
Die Anforderungen an die Substanziierungslast des Bestreitenden hängen davon ab, wie substanziiert der darlegungsbelastete Gegner - hier die Klägerin - vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungsbelasteten Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvor-trag substanziieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweisbelasteten Partei ist (BGH, Urteile vom 30. September 1993 -VII ZR 178/91 - NJW 1993, 3196 unter III. 1.; vom 11. Juli 1995 - X ZR 42/93 - NJW 1995, 3311, 3312 unter II. 3.; vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98 - NJW 1999, 1404, 1405 unter II. 2. b) aa); jew. m.w.N.).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe hat das Berufungsgericht das einfache Bestreiten der Beklagten zu Recht als nicht ausreichend erachtet. Ange-sichts des von der Klägerin vorgelegten Zahlenmaterials durfte sich die Beklagte nicht auf pauschales Bestreiten beschränken. Vielmehr war sie als mit dem betrieblichen Rechnungswesen vertraute Handelsgesellschaft imstande, zu den von der Klägerin vorgelegten Einzelheiten ihrer Kalkulation substanziiert Stellung zu nehmen, und daher zu eingehender und differenzierter Erwiderung verpflichtet.
Das Gericht zog die Wirtschaftsprüferbescheingungen gleichwohl als angeblichen Urkundenbeweis heran, obschon es sich - auch nach dem Vortrag der Klägerin - um keine Beweismittel handelte.
Zudem hatten die Beklagten auf die Rechtsprechung des BVerfG verwiesen, wonach die Verwertung als Beweismittel unzulässig ist. Auch mit dieser hat sich das Gericht nicht auseinandergesetzt.
Schließlich wurde das Bestreiten hinsichtlich der gelieferten Energiemengen übergangen, welches selbstredend aufrecht erhalten wurde. In der mdl. Verhandlung hatte der Vorsitzende zudem erklärt, einmal erklärtes Betreiten bleibe bestehen. Das fehlende Verständnis des Richters für den Sachverhalt wird ggf. daran deutlich, dass er die Messeinrichtungen Balgenzähler, die nur Gasvolumen messen, als \"Balkenzähler\" bezeichnete. Diese Zähler messen den Energiegehalt der Gasmengen[in kWh] überhaupt nicht. Da die Zähler den Energiegehalt überhaupt nicht erfassen, ist es insoweit auch unerheblich, ob die Zähler nun geeicht waren oder nicht.
Die Entscheidung ist für die Beklagten berufungsfähig, die selbst im Sinne des § 511 Abs. 1 ZPO mit einem 600 € übersteigenden Beschwerdegegenstand betroffen sind.
Ob für die Beklagten, für welche wegen unzulässiger Berufung eine Gehörsrüge nach § 321a ZPO, und hiernach ggf. eine Verfassungsbeschwerde sinnvoll sein kann, ist zu prüfen. Dies betrifft insbesondere die Verletzung rechtlichen Gehörs gem. § 103 GG durch die Verwertung nach der Rechtsprechung des BVerfG unzulässiger Beweismittel.
In der Klageerwiderung wurde von den Beklagten ausgeführt:
Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten ist aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten. Dieser muss die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes ermöglichen. Die Beteiligten müssen die Möglichkeit haben, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Zu einem wirkungsvollen Rechtsschutz gehört auch, dass der Richter in die Richtigkeit bestrittener Tatsachen nicht ohne hinreichende Prüfung bejaht. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage (vgl. BVerfG, 1 BvR 2203/98 vom 28.12.1999, Absatz 12)
Eine Beweisführung durch einen neutralen, zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen (Wirtschaftsprüfer) als Beweismittler scheidet aus. Denn ein gerichtliches Sachverständigengutachten ist als Beweismittel unverwertbar, wenn es auf Geschäftsunterlagen beruht, die eine der Parteien nur dem Sachverständigen, nicht dem Gericht und der Gegenpartei zur Verfügung gestellt hat und die im Verfahren auch nicht offen gelegt werden (vgl. BVerwG, B. v. 15.08.2003 – 20 F.8.03, BGH, Urt. v. 12.11.1991 – KZR 18/90, BGHZ 116, 47).
Die gerichtliche Verwertung eines solchen Sachverständigengutachtens versagt nicht nur den Beteiligten, welche die geheim gehaltenen Tatsachen nicht kennen, das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz). Das Gericht verletzt auch seine Pflicht, ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten sorgfältig und kritisch zu würdigen, insbesondere auch daraufhin zu überprüfen, ob es von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht. Dieser Pflicht und dem Gebot der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs kann das Gericht nur entsprechen, wenn der Sachverständige die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen seines Gutachtens offen legt (vgl aaO., m. w. N.).
Wo dies bereits für ein gerichtliches Sachverständigengutachten gilt, gilt dies erst recht für ein eingeführtes Privatgutachten einer Partei.
Der BGH hat sich in einer Entscheidung vom 02.06.2008 zu Aktenzeichen II ZR 67/07, mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit Privatgutachten Beweiskraft haben.
Hierzu führt der BGH aus:
[...] Diese Privatgutachten stellten - lediglich - qualifizierten Parteivortrag dar (BGH, Urt. v.14. April 1981 - VI ZR 264/79, VersR 1981, 576 f.; Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. § 402 Rdn. 2 m.w.Nachw.). Hiergegen hat die Beklagte (GA II, 23 bis 28 ) umfängliche Einwendungen erhoben. Die daraufhin von der Klägerin vorgelegte Gegenäußerung des Privatgutachters stellte wiederum nur Parteivortrag dar, dem sich das Berufungsgericht unter Verstoß gegen Art. 103 GG angeschlossen hat. Das Berufungsgericht hätte den qualifizierten Parteivortrag der Klägerin nur dann - wie geschehen - gemäß § 286 ZPO seiner Entscheidung zugrunde legen dürfen, ohne dadurch den Anspruch der Beklagten aus Art. 103 GG zu verletzen, wenn es eigene Sachkunde besaß und darlegte, dass es deswegen in der Lage war, die streitigen Fragen abschließend zu beurteilen (vgl. Sen.Beschl. v. 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, ZIP 2007, 1524 ff., Tz. 9). Anderenfalls musste das Berufungsgericht, wie von den Parteien beantragt, zu dem tatsächlichen Wert der Grundstücke im Zeitpunkt der Veräußerung Beweis erheben durch Einholung des beantragten gerichtlichen Sachverständigengutachtens. [...]
Vorliegend ist es nicht anders. Es ging um komplexe Fragen, welche auch das Gericht aus eigener Sachkunde nicht beantworten kann.
Soweit für einzelne Beklagte deshalb die Berufung unzulässig ist, ist die Möglichkeit einer Gehörsrüge gem. § 321a ZPO gegeben.
Die bedauerliche Entscheidung des Landgerichts Augsburg erscheint in wesentlichen Punkten nicht tragfähig.
Dieses Urteil des LG Augsburg ist für andere Kunden dieses Versorgers allein deshalb irrelevant, weil das Gericht meint, die Entscheiung beruhe auf nicht ausreichend substantiiertem Bestreiten der Beklagten.