Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Sperrandrohungen  (Gelesen 7366 mal)

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Offline Christian Guhl

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Sperrandrohungen
« am: 12. Januar 2009, 12:05:16 »
Zur Zeit wird seitens Eon-Avacon mal wieder massiv mit Einstellung der Versorgung bei Protestkunden gedroht. Ich dachte, das Thema hätten wir durch.Wenn dagegen vorgegangen und mit einstweiliger Verfügung gedroht wird, kam bisher immer umgehend eine Rücknahme und Entschuldigung. Aber es kann ja auch mal anders ausgehen. Das Kartellamt verweist die Kunden (aufgrund des bestehenden Wettbewerbs) auf den zivilrechtlichen Weg.

Offline Blau Bär

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Sperrandrohungen
« Antwort #1 am: 12. Januar 2009, 15:03:59 »
Betrifft das (auch) die Kunden, die einen gerichtlichen Mahnbescheid erhalten haben oder gerade diese?
Vielleicht als zusätzliche \"Steigerung\"?

Viele Grüße
Blau Bär

Offline Christian Guhl

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« Antwort #2 am: 12. Januar 2009, 15:56:21 »
@Blau Bär
Nein, das ist unabhängig davon. Ich glaube, der Spuk hat erst ein Ende, wenn mal eine einstweilige Verfügung erlassen wird.Aber die meisten Kunden trauen sich nicht, vor Gericht zu gehen. Und mir wird (leider) nicht mit Einstellung der Versorgung gedroht. Ich habe es in der Vergangenheit einmal erlebt, dass eine einstweilige Verfügung erlassen werden sollte. Zuerst einmal bestritten die Eon-Anwälte die Zuständigkeit des Landgerichts, dann wurde alles als \"Computer-Fehler\" dargestellt und die Androhung zurückgenommen. Eine einstweilige Verfügung wurde daraufhin nicht erlassen und der Kunde musste auch noch für einen Teil der Kosten aufkommen. Ich sehe das Ganze als neue Einschüchterungsversuche. Wenn der Kunde sich wehrt, wird alles zurückgenommen, wenn nicht, wird gesperrt und der Kunde wird wohl oder übel alles zahlen. So sortiert man die Wankelmütigen aus und übrig bleibt der harte Kern. Da das nicht sehr Viele sein werden, kann man (die EVUs) damit ganz gut leben.

Offline Blau Bär

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« Antwort #3 am: 13. Januar 2009, 09:28:37 »
O. K. welches Gericht ist definitiv bei einer Sperrandrohung zuständig?
Auch das Landgericht?


Immer ran! Je mehr Leute sich wehren, desto aufwändiger wird es für die EVUs. Schließlich soll es nicht einen kleinen Rest Widerständler geben, die dann ruck-zuck mundtot gemacht werden.


Viele Grüße
Blau Bär

Offline RuRo

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« Antwort #4 am: 13. Januar 2009, 10:44:08 »
Zitat
Original von Blau Bär
O. K. welches Gericht ist definitiv bei einer Sperrandrohung zuständig?
Auch das Landgericht?

Ja - und wenn Sie sich ein wenig abmühen und Ihren Wissensstand selbst erarbeiten wollten, wären Sie unter Verwendung der Suche auch fündig geworden.

Schlimm, diese Mitnahmementalität und dieser Hurra-Stil.
Leiderln hoits z\'sam, sonst gehts nimma recht lang

Offline Christian Guhl

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« Antwort #5 am: 13. Januar 2009, 12:06:36 »
@RuRo
Ich bin auch der Meinung, dass das Landgericht zuständig ist. Aber auf der Seite
http://www.energieverbraucher.de/de/energiepreise_runter/Versorgungssperre/site__1717/ wird ausdrücklich das Amtsgericht genannt.

Offline Kampfzwerg

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« Antwort #6 am: 13. Januar 2009, 14:20:58 »
Also ich bin ja definitiv für Amtsgericht  ;)

(Jedenfalls im üblichen Regelfall bei einem Vertrag zw. Verbraucher bzw. Nicht-Kaufmann und Versorger)

Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte regelt die ZPO
http://dejure.org/gesetze/ZPO

Auch hier kann sich Stöbern lohnen
http://www.justiz.nrw.de/BS/index.php

Ein Blick in den eigenen Vertrag könnte ebenfalls hilfreich sein, oder auch auf die Homepage des Versorgers.
(AGB, Sonderbedingungen...)

Offline userD0009

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« Antwort #7 am: 13. Januar 2009, 14:27:03 »
@Christian Guhl
@RuRo

M.E. sind die Landgerichte ausschließlich zuständig.

Insbesondere, wenn es sich um Kunden in der Grundversorgung handelt. So heißt es in § 36 Abs. 1 EnWG u.a. \"Energieversorgungsunternehmen haben [...] jeden Haushaltskunden zu versorgen.\" Damit ist die Tatbestandsvoraussetzung des § 102 Abs. 1 S. 1 EnWG, \"Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus diesem Gesetz ergeben, [...]\" m.E. erfüllt.


Wie sehen das die \"Profis\"?

@Kampfzwerg

Seit wann regelt die ZPO die sachliche Zuständigkeit???

Schauen Sie mal bitte in § 1 ZPO, dort heißt es \"Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt.\"

Und in § 102 Abs. 2 EnWG wird geregelt, dass die Rechtsstreitigkeiten [im Sinne des § 102 Abs. 1 EnWG] Handelssachen im Sinne der §§ 93 bis 114 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind.

Grüße
belkin

Offline nomos

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« Antwort #8 am: 13. Januar 2009, 14:36:28 »
@belkin, ich sehe das auch so. Aber haben Sie eine Erklärung dafür, dass große Kanzleien, wie z.B. Becker Büttner Held z.B. in Mahnbescheiden gegen Widersprüchler (Grundversorgung § 315 BGB ....) für das streitige Verfahren als zuständiges Gericht ein Amtsgericht benennen?

Offline Kampfzwerg

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« Antwort #9 am: 13. Januar 2009, 14:46:37 »
@belkin

hier geht es doch immer noch um eine Sperrandrohung und die Hinterlegung einer Schutzschrift?!
Die kann auch durch normalen Zahlungsverzug veranlasst sein, völlig unabhängig von Widerspruch, Mahnbescheiden.
Und das erste Glied in der Kette ist normalerweise eben das AG.
Dort kann man dann ja immer noch einen Antrag auf Abweisung etc. stellen


ZPO
Buch 1
Allgemeine Vorschriften (§§ 1 - 252)
Abschnitt 1
Gerichte (§§ 1 - 49)
Titel 1
Sachliche Zuständigkeit der Gerichte und Wertvorschriften (§§ 1 - 11)
§ 1 Sachliche Zuständigkeit
Titel 2
Gerichtsstand (§§ 12 - 37)§ 12 Allgemeiner Gerichtsstand; Begriff
Titel 3
Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte (§§ 38 - 40)

Offline RuRo

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« Antwort #10 am: 13. Januar 2009, 17:10:19 »
@belkin

Ich bin gedanklich und inhaltlich voll bei Ihnen.

Auch Haushaltskunden ausserhalb der Grundversorgung (siehe § 41 EnWG), eben Sondervertragskunden, fallen darunter, weil im EnWG geregelt, auch wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Verordnung (noch) nicht erlassen hat.

Zitat
Original von RR-E-ft

Der Versorger wird den Kunden regelmäßig bei dem für den Wohnsitz des Kunden/ Ort der Abnahmestelle zuständigen Gericht in Anspruch nehmen.

Neben dem Amtsgericht kommt wegen §§ 102, 108 EnWG auch das Landgericht für einen solchen Antrag in Betracht. Man sollte sich von Anfang an einen Anwalt nehmen, schon damit man einen hat, wenn es zur Gerichtsverhandlung  kommt. Die Schutzschrift soll geradewegs dazu führen, dass beim Gericht über den Antrag des Versorgungsunternehmens erst mündlich verhandelt wird. Und zu einer solchen  Verhandlung will man sicher nicht ohne Anwalt gehen. Das wäre völlig untunlich.

Die Ausgangsfrage zielte in Richtung Amtsgericht. Ich interpretiere die Antwort aus Jena so, dass der Fragesteller doch mal in die zitierten §§ schauen soll, weil sich daraus die Zuständigkeit der Landgerichte ergibt.

Hier der Link als Ergebnis einer Suchabfrage:

Einstweilige Verfügung EVU/Schutzschrift Verbraucher
Leiderln hoits z\'sam, sonst gehts nimma recht lang

Offline Kampfzwerg

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« Antwort #11 am: 13. Januar 2009, 19:05:41 »
Theorie und Praxis. \"Synonym\" für Recht haben und Recht bekommen.
Wir bekommen aber leider nicht immer das, was wir gerne hätten.

Und vielleicht sollte man darüber mal nachdenken:
Was ist möglich? Und was ist wahrscheinlich?
Möglich ist auch, dass mir der Himmel auf den Kopf fällt.

Auch wenn wir glauben, wahlweise davon überzeugt sind, dass die Landgerichte zuständig sind/wären, nützt uns das leider überhaupt nichts.
Denn was passiert, wenn wir eine Schutzschrift beim LG hinterlegen würden (falls das überhaupt möglich wäre, was ich nicht weiss) und der Versorger Anträge etc.  beim AG stellt?

Denn, wie RR-e-ft schrieb:
Zitat
Der Versorger wird den Kunden regelmäßig bei dem für den Wohnsitz des Kunden/ Ort der Abnahmestelle zuständigen Gericht in Anspruch nehmen.

Neben dem Amtsgericht kommt wegen §§ 102, 108 EnWG auch das Landgericht für einen solchen Antrag in Betracht.
gleicher Text, andere Betonung!

Und wahrscheinlich ist eben , dass der Versorger für sämtliche Streitereien zunächst entweder das für den Wohnsitz des Kunden zuständige AG in Anspruch nimmt, es sei denn, vertraglich wäre ein anderer zuständiger Gerichtsstand vereinbart worden, was durchaus möglich wäre, gerade bei Sonderverträgen.
Siehe eben vielleicht doch einmal hier?
http://dejure.org/gesetze/ZPO/38.html

Überlegung/Hypothese:
Unter der Berücksichtigung, dass alle Versorger gerne automatisierte Verfahren (z.B. Textbausteine, Mahnbescheide) in Anspruch nehmen und in dieser Hinsicht auch alle Kunden gleich behandeln (ohne Unterschied TK/SVK)
- was ist wahrscheinlich?

Offline RuRo

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« Antwort #12 am: 13. Januar 2009, 19:46:14 »
@Kampfzwerg

Wir stimmen wohl überein, dass der Gesetztext des EnWG2005 eindeutig ist, oder?

Damit ist die rechtliche Frage abschließend und zutreffend beantwortet.

Durch die Praxis haben wir gelernt, dass dieses \"junge\" Gesetz noch nicht bei allen, die es handhaben sollen, inhaltlich angekommen ist. Das ändert aber nichts am Regelungsgehalt. Trotzdem bleibt die Wahrscheinlichkeit bestehen, dass auch mir der Himmel auf den Kopf fällt.

Auch beim Landgericht kann eine Schutzschrift hinterlegt werden; ich habe es nach Erhalt der Sperrandrohung selbst praktiziert. Gürtel und Hosenträger für den sicheren Halt des Beinkleids zu tragen, waren mir seinerzeit so wichtig, dass der Schutzbrief auch beim Amtsgericht hinterlegt wurde (in Augsburg sind beide Instanzen sogar in einem Gebäude untergebracht) - man weiß ja nie, wie der Versorger so agiert  ;)

In § 38 ZPO lese ich fortwährend Vereinbarung verbunden mit Sachverhalten (unter Kaufleuten, jurist. Person des öffentlichen Rechts, öffentliches Sondervermögen) die auf 99 % der Energiekunden überhaupt nicht zutreffen. Warum sollte der Verbraucher einen anderen Gerichtsstand vereinbaren? - ich sehe da keinen plausiblen Grund.
Leiderln hoits z\'sam, sonst gehts nimma recht lang

Offline userD0009

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« Antwort #13 am: 13. Januar 2009, 20:09:04 »
@Kampfzwerg

Gegen eine Sperrandrohung muss der Verbraucher vorgehen, und nicht das EVU.

Eine Schutzschrift hinterlegt immer der jenige, der meint in einem einstweiligen Rechtschutzverfahren der Antragsgegner zu sein. Mithin ist das bei einer Sperrandrohung, wenn zunächst das EVU.

Sollte sich das EVU Zutritt verschaffen müssen zum Ausbau der Zählereinrichtung, so dreht sich das Ganze.

Es besteht in aller Regel für den Erlass einer einstweiligen Verfügung zum Ausbau der Zählereinrichtung kein Verfügungsgrund.

Denn der Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Sperrung stellt eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache dar.
Dieser Grundsatz kann zwar im Rahmen einer sog. Leistungsverfügung durchbrochen werden, allerdings nur dann, wenn der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist und/oder die Leistungshandlung so kurzfristig zu erwirken ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist.

Warum die Einstellung der Energieversorgung so dringlich sein soll, ist in aller Regel nicht nachzuvollziehen, ganz im Gegenteil dazu, dass die Versorgung mit Energie für den Abnehmer von existenzieller Bedeutung ist, und daher ein Verfügungsgrund besteht.

Damit spielt die Frage, wo man eine Schutzschrift hinterlegt, oder hinterlegen kann, für den Verbraucher in aller Regel keine Rolle.
Im übrigen sei als Beispiel der Arbeitskampf zwischen der GdL und der Deutschen Bahn AG vor zwei Jahren angeführt. Damals habe die GdL an allen deutschen Arbeitsgerichte Schutzschriften hinterlegt.

Sollte man als Verbraucher die Befürchtung haben, dass das EVU gegen einen vorgeht, so kann ich nur empfehlen beim AG und LG eine Schutzschrift zu hinterlegen. Dies sollte jedoch ein/e Anwalt/in machen, der/die dann auch auf die Problematik der Vorwegnahme der Hauptsache hinweisen kann/wird.

Zu Ihrem Verweis auf § 38 ZPO sei angemerkt, dass gem. § 40 ZPO eine solche Vereinbarung unulässig ist.
Und wie @RuRo hinweist, gilt es nie, wenn ein Verbraucher beteiligt ist.


Die Frage ist daher allein, ob §§ 102, 108 EnWG eine solche Streitigkeit(Sperrandrohung) erfassen oder nicht.
M.E. ist dies der Fall, ebenso LG Köln, Urt. v. 11.01.2007, Az. 84 O 106/06, IR 2007, 89-90.
Es mag auch andere Ansichten dazu geben.

Grüße
belkin

Offline RR-E-ft

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Sperrandrohungen
« Antwort #14 am: 13. Januar 2009, 20:16:48 »
Der Streit könnte wegen §§ 102, 108 EnWG deshalb vor die dort genannten Landgerichte gehören, wenn etwa um die gesetzliche Verpflichtung zur Grundversorgung gem. § 36 Abs. 1 EnWG gestritten wird.

Der grundversorgte Kunde wird sich auf die gesetzliche Versorgungspflicht des Grundversorgers berufen, der Grundversorger hingegen darauf, dass er von dieser Verpflichtung ausnahmsweise suspendiert sei, weil ein Recht zur Einstellung der Versorgung nach der Grundversorgungsverordnung bestehe. Gestritten wird dabei über Rechte und Pflichten aus dem Energiewirtschaftsgesetz.

 

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