Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
ESG-Rebell:
@Black
Vielen Dank für Ihre Stellungnahme.
Lassen wir uns nochmal auf die Sachebene zurückkommen.
--- Zitat ---Original von Black
Zunächst einmal widerspricht der Kunde dann vertraglichen Bedingungen eines Vertrages den er (noch) gar nicht abgeschlossen hat.
--- Ende Zitat ---
--- Zitat ---Original von Black
Das Angebot umfasst als Kerninhalt vor allem die Leistung (Strom/Gas) und den Preis für die Leistung
--- Ende Zitat ---
Dies stimmt nicht. Anstelle eines anfänglich vereinbarten Preises darf auch eine Regelung vereinbart werden, die einen Preis bildet.
In der Grundversorgung wird der zu zahlende Preis aufgrund folgender Grundlage gebildet.
Dieser Grundlage widerspreche ich nicht; vielmehr weise ich ausdrücklich darauf hin:
[list=1]
[*]Der Versorger setzt die zu zahlenden Preise einseitig gemäß §36 EnWG fest.
[*]Im Gegenzug steht mir als Schutz vor beliebigen Preisforderungen der Unbilligkeitseinwand nach §315 BGB offen.
[/list=1]
Sollte der Versorger nachweisen, dass seine Preise angemessen sind oder ein Gericht einen billigen Preis festsetzen, so wird dieser für mich verbindlich und folglich zu zahlen. Dann kommt es nicht mehr darauf an, ob ich mit dieser Höhe des Preises einverstanden bin. Insbesondere könnte der Preis auch höher sein als die Preise von Sonderverträgen, wenn der Grundversorger dies stichhaltig begründen konnte.
Der vorsorgliche Unbilligkeitseinwand vermeidet eine konkludent unterstellte Einigung auf einen bestimmten Anfangspreis. Mit der oben genannten Regelung für die Preisbildung und mit der Geltung der StromGVV/GasGVV bin ich einverstanden; den zum Beginn des Lieferzeitpunkts einseitig festgesetzten Preis halte ich jedoch für unbillig.
Davon abgesehen: Den Bedingungen eines Vertrags nach Abschluß zu widersprechen, ist reichlich nutzlos, da diese dann ja bereits bindend sind. Der Sinn und Inhalt eines Vertrags ist ja gerade die Einigung auf dessen Inhalt bevor der Austausch von Leistung und Gegenleistung beginnt.
Gruss,
ESG-Rebell.
@superhaase
Ich persönlich bin sehr froh, dass Black sich so eifrig und sachlich an der juristischen Diskussion in diesem Forum beteiligt.
Daher wünsche ich mir von den anderen Forenteilnehmern, dass sie - bei allem Verständnis - auf der Sachebene bleiben. Dies ist im Ergebnis für alle Beteiligten am nützlichsten.
Black:
--- Zitat ---Original von ESG-Rebell
--- Zitat ---Original von Black
Das Angebot umfasst als Kerninhalt vor allem die Leistung (Strom/Gas) und den Preis für die Leistung
--- Ende Zitat ---
Dies stimmt nicht. Anstelle eines anfänglich vereinbarten Preises darf auch eine Regelung vereinbart werden, die einen Preis bildet.
In der Grundversorgung wird der zu zahlende Preis aufgrund folgender Grundlage gebildet.
Dieser Grundlage widerspreche ich nicht; vielmehr weise ich ausdrücklich darauf hin:
[list=1]
[*]Der Versorger setzt die zu zahlenden Preise einseitig gemäß §36 EnWG fest.
[*]Im Gegenzug steht mir als Schutz vor beliebigen Preisforderungen der Unbilligkeitseinwand nach §315 BGB offen.
[/list=1]
Sollte der Versorger nachweisen, dass seine Preise angemessen sind oder ein Gericht einen billigen Preis festsetzen, so wird dieser für mich verbindlich und folglich zu zahlen. Dann kommt es nicht mehr darauf an, ob ich mit dieser Höhe des Preises einverstanden bin. Insbesondere könnte der Preis auch höher sein als die Preise von Sonderverträgen, wenn der Grundversorger dies stichhaltig begründen konnte.
Der vorsorgliche Unbilligkeitseinwand vermeidet eine konkludent unterstellte Einigung auf einen bestimmten Anfangspreis.
--- Ende Zitat ---
Ihre Argumentation ist zwar in sich schlüssig, weist aber nach meinem Dafürhalten folgende Fehler auf:
1. Der Ausgangspreis ist vertraglich vereinbart und nicht einseitig festgesetzt. Hierzu werden zwar abweichende Ansichten vertreten (denen man auch gerne folgen kann) aber der BGH geht derzeit eben vom VEREINBARTEN Ausgangspreis aus. Wäre der Ausgangspreis tatsächlich auch einseitig festgesetzt könnten sie ihn tatsächlich als unbillig rügen, aber dann könnten sie das auch später tun und müßten es nicht \"vorsorglich\" machen, wie es hier die Idee war. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
2. Es herrscht hier noch immer ein falsches Verständnis der Billigkeitskontrolle vor. Es ist nicht so, dass der Versorger einen Preis (quasi) unverbindlich vorschlägt und dieser erst nach Billigkeitsprüfung verbindlich wird. Wenn sie den Unbilligkeitseinwand erheben behaupten Sie als Kunde bereits dass der Preis unbillig sei, nur das die Beweislast dem EVU zufällt. Sie greifen den Preis aktiv als unbillig an.
Etwas polemisch ausgedrückt: Das ist rechtlich gesehen der gleiche Vorgang, als wenn sie per Musterschreiben behaupten würde der EVU würde als juristische Person gar nicht existieren und daher die Zahlung verweigern. Dann müßte auch der EVU seine \"Existenz\" gerichtlich beweisen. Daraus könnte man aber auch nicht die Regel herleiten \"alle Preise sind bis zum Existenznachweis des EVU durch Offenlegung seiner Gesellschaftspapiere oder Handelsregisterauszüge per Gesetz unverbindlich\".
Wenn Sie also einen Preis in einem Vertrag als unbillig rügen (ihn also nicht akzeptieren) kann das im Einzelfall nur zwei mögliche Folgen haben.
Entweder rücken sie durch den späteren Vertragsschluss konkludent vom vorherigen Einwand wieder ab.,
Oder es kommt kein Vertrag zustande, da Sie sich mit dem EVU nicht über alle Vertragsbestandteile (Preis) einigen konnten.
Ein gutes Beispiel zum Verständnis ist vielleicht auch die Bahn. Ein Beförderungsvertrag kommt hier auch konkludent durch Einsteigen und Mitfahren zustande. Daher muss auch der Schwarzfahrer zahlen, auch wenn er keinen Vertrag eingehen wollte. Verglichen mit der Energieversorgung ist der Widerspruchskunde nun kein heimlicher Schwarzfahrer, sondern jemand der vor dem Einstieg in die Bahn lauthals ausruft:
\"Ich will keinen konkludenten Beförderungsvertrag eingehen. Ich habe nicht vor für diese Fahrt den vollen Preis zu zahlen. Mein Einsteigen ist kein Zeichen eines Vertragsschlusses\"
und dann einsteigt und mit der Bahn fährt. Wird er ohne Fahrschein angetroffen muss er trotzdem die vertraglichen Beförderungskosten zahlen.
superhaase:
--- Zitat ---Original von ESG-Rebell
Davon abgesehen: Den Bedingungen eines Vertrags nach Abschluß zu widersprechen, ist reichlich nutzlos, da diese dann ja bereits bindend sind. Der Sinn und Inhalt eines Vertrags ist ja gerade die Einigung auf dessen Inhalt bevor der Austausch von Leistung und Gegenleistung beginnt.
--- Ende Zitat ---
Genau das trifft eben nicht zu.
Bei einem Vertrag mit vereinbartem einseitigem Preisbestimmungsrecht und daraus resultierendem Recht des Unbilligkeitseinwands, wird eben eine Leistung (hier der Preis) nicht für beide Seiten bindend und unveränderlich vereinbart. Der Versorger hat von Anfang an das Recht zur einseitigen Preisbestimmung. Ferner kenne ich keinen Grundversorgungsvertrag, in dem ein Preissockel getrennt von einer variablen Komponente vereinbart wäre. Ein solcher würde wohl auch hinsichtlich der somit enthaltenen Preisänderungsklausel bzw. -formel nicht vor dem §307 bestehen.
Ich kann jederzeit nach Vertragsabschluss die Billigkeit des aktuellen \"Anfangspreises\" bezweifeln, wenn ich unterstelle, dass die Kosten (Bezugskosten, Netzkosten, Lohnkosten, Kapitalkosten) gesunken sind. Der Versorger hat die Pflicht, den Preis nach unten anzupassen, wenn die Kosten sinken.
Dies folgt zwingend aus der Einräumung des Unbilligkeitseinwands im Gegenzug zum einseitigen Preisbestimmungsrecht, und ferner aus dem EnWG.
Das ist ja gerade der offensichtliche und unumstößliche Widerspruch zu dem fiktiven Preissockel.
Eine juristisch ausführliche und umfassende Begründung, wie dieses Konstrukt des Preissockels ins Rechtssystem und in die Logik des Denkens passen soll, ist der BGH bisher schuldig geblieben.
Ich sehe in diesem Fall bei einer potentiellen Bestätigung des \"Preissockels\" durch den großen Senat deshalb durchaus unser Rechtssystem gefährdet, weil das m.E. einer höchstrichterlichen Rechtsbeugung gleichkommen würde und eindeutig der Intention des Gesetzgebers widersprechen würde.
Auch an der Fragestellung dieses Threads erkennt man, wie unsinnig der fiktive Preissockel ist: \"Kann ich schon vor Vertragsabschluss den Vertragsbedingungen widersprechen?\"
Hinsichtlich dieser Frage muss ich Black Recht geben. Sie können ein Vertragsangebot nur annehmen oder ablehnen. Beides gleichzeitig ist nicht möglich. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dies irgendwie rechtlich (durch ein Gesetz) gestützt werden kann.
Andererseits gilt natürlich Ihr Argument, dass in einem Grundversorgungsvertrag ein Preisbestimmungsrecht und folglich das Recht zum Unbilligkeitseinwand vereinbart werden - und eben gerade kein Preis und auch keine \"Preisuntergrenze\". Daher ist der Unbilligkeitseinwand nach Vertragsabschluss jederzeit möglich. Es ist auch nirgendwo etwas darüber zu finden, dass für einen Unbilligkeitseinwand erst irgendeine Schonfrist oder sowas ablaufen muss.
Zuletzt:
Wir müssen nicht \"nochmal auf die Sachebene zurückkommen\", da wir diese bisher nicht verlassen hatten. Ich kann nicht erkennen, wo Sie hier Unsachlichkeit gesehen haben - bei allem Verständnis ... :)
ciao,
sh
Black:
Zusammenfassend:
Wer glaubt der Ausgangspreis sei auch vom Versorger einseitig bestimmt muss nicht vorher widersprechen sondern kann dies - nach dieser Rechtsansicht - auch später während des Vertrages tun. Die 8. Zivilkammer des BGH lehnt diese Ansicht jedoch bislang gerade ab.
Wer dagegen glaubt der Ausgangspreis sei vertraglich vereinbart, kann dieser Vereinbarung nicht widersprechen BEVOR sie überhaupt getroffen wurde.
elmex:
Die Diskrepanz zwischen den Entscheidungen der beiden Senate ist offensichtlich.
So geht der achte Senat im Falle von Haushaltskunden (Verbraucher) von einem vereinbarten, und damit nicht mehr angreifbaren Preissockel aus, obgleich dem gegenüberstehenden Versorger (Unternehmer) bei Tarifkunden/Kunden der Grundversorgung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht kraft Gesetz eingeräumt wird. Dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht umfasst jedoch denknotwendigerweise auch den zugrunde liegenden Preissockel und erlaubt schon aus Gründen der kartellrechtlichen Gleichbehandlung keine Unterscheidung zwischen Preissockel und Erhöhung.
Dementgegen führt der Kartellsenat (Urteil vom 4.3.2008 - KZR 69/08 ) aus, dass im Rahmen eines Netznutzungsvertrages zwischen zwei Unternehmen (Netzbetreiber/Endverteiler) dem Netzbetreiber ein gesetzlich vorgegebenes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zusteht,vermöge dessen im Zweifel die gesamten Netzentgelte einer Billigkeitskontrolle zu unterziehen sind, ohne dass es darauf ankommt, ob bereits ein einseitig vorgegebener Preis widerspruchslos gezahlt, oder der einseitig festgelegte Preis konkret beziffert wurde. Von einem vereinbarten Preissockel ist hier nicht die Rede.
Danach werden offensichtlich Unternehmen besser gestellt als Verbraucher. Nach dieser divergierenden Rechtsprechung kommt Unternehmern bei faktisch gleicher Sachlage (fehlender Wettbewerb auf dem jeweiligen Marktsegment) ein effektiverer Schutz zu, als dies bei Verbrauchern der Fall ist.
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