Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
StromGVV -- wann ergibt sich daraus (überhaupt) ein Preisänderungsrecht für den Versorger?
Gulliver08:
Hallo,
die im Betreff gestellte Frage beschäftigt mich jetzt schon einige Zeit und umso mehr, je öfter ich die StromGVV und evtl. ergänzende Bedingungen (EON Bayern; diese beinhalten auch keine Präzisierungen!) durchlese.
In einem Sondervertrag muss ja eine gültige Preisänderungsformel enthalten sein. Nur, besteht bei einem Grundversorgungsvertrag überhaupt ein valides Recht auf Preisänderung des Versorgers, für welches die Formulierung gem. §5, Abs. 2 StromGVV ausreichen würde?
Denn im §17, Abs. 1 Satz 2 StromGVV wird die Anwendung von §315 BGB explizit vorgesehen und dort sind ja die Auflagen beschrieben, denen einseitig formulierte Preisanpassungen genügen müssen.
Ist das nicht in sich ein Widerspruch? Auf der einen Seite nimmt man sich das Recht heraus, auf höchst pauschal formulierte Art und Weise die Preise erhöhen zu dürfen. Andererseits unterwirft man sich aber den Vorgaben des §315 BGB.
Es scheint fast so, dass einem bei Vorliegen der StromGVV problemlos das Recht gegeben wird, gegen Preisanpassung unter Hinweis auf §315 BGB Widerspruch einzulegen. Das scheint mir zu einfach! Kann mir jemand sagen, was ich da evtl. übersehe.
Danke & Gruß
jroettges:
Es ist nur meine Meinung... (?)
Weder in den Vorgängerverordnungen, noch in den jetzigen Grundversorgungs-Verordnungen ist ein einseitiges Preisänderungsrecht begründet.
Vielmehr gingen/gehen diese Verordnungen davon aus, dass es ein solches Recht gibt und regeln bestimmte Aspekte zum Umgang mit diesem.
Das war die im Verfahren gegen die EWE am OLG Oldenburg ( Urteil 5.9.08 ) von den Richtern vertretene Auffassung.
--- Zitat ---Überschrift und unmittelbarer Wortlaut der Vorschrift offenbaren nicht, dass der Verordnungsgeber in § 4 AVBGasV ein Preisanpassungsrecht schaffen wollte. Die Vorschrift trägt die Überschrift \"Art der Versorgung\". Die Art der Versorgung und die Anpassung von Tarifen sind gänzlich verschiedene Regelungsbereiche. Die Überschrift legt es daher für den unbefangenen Betrachter nicht nahe, dass es in dieser Vorschrift inhaltlich um tarifrechtliche Regelungen gehen soll. Dasselbe gilt für den Wortlaut. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 AVBGasV stellt das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. Hiermit wird eine Pflicht (und nicht ein Recht) begründet, jedermann zu allgemeinen Tarifen zu versorgen. § 4 Abs. 2 AVBGasV macht die Änderung von Tarifen davon abhängig, dass zuvor eine öffentliche Bekanntmachung stattfindet. Auch hierdurch wird nicht ein Recht, sondern eine Verpflichtung geschaffen, nämlich die zur Veröffentlichung von Tarifänderungen als Wirksamkeitsvoraussetzung.
--- Ende Zitat ---
Wie das Kind im Märchen von \"Des Kaisers neue Kleider\" hat das Gericht damit das Gespinst zerrissen, das die Versorgungswirtschaft um den § 4 der AVBGasV seit Jahren gesponnen hat.
Dass mit der Verpflichtung zur Versorgung im Rahmen der Grund- und Ersatzversorgung ein einseitiges Recht zur Preisanpassung verbunden ist, das ist unstrittig. Dabei ist dieses Recht keineswegs in den Grundversorgungsverordnungen begründet, sondern ergibt sich aus anderen juristischen Zusammenhängen, wie es RA Fricke hier im Forum verschiedentlich dargelegt hat.
Dass solche einseitigen Preisanpassungen nur nach einer öffentlichen Ankündigung mit einer Frist von 6 Wochen wirksam werden können, das regeln die Grundversorgungsverordnungen.
Dass solche einseitig ausgesprochenen Preisanpassungen nach §315 BGB auf Antrag einer gerichtlichen Billigkeitsüberprüfung unterliegen, das hat der BGH in seinem Urteil vom 19.11.08 nun endgültig klargestellt.
Black:
--- Zitat ---Original von jroettges
Dabei ist dieses Recht keineswegs in den Grundversorgungsverordnungen begründet, sondern ergibt sich aus anderen juristischen Zusammenhängen, wie es RA Fricke hier im Forum verschiedentlich dargelegt hat.
--- Ende Zitat ---
Nun der BGH hat das anders gesehen, den in der Entscheidung vom 13. Juni 2007 (Az. VIII ZR 36/07) bezeichnet er § 4 AVBGasV und § 5 GasGVV als gesetzliches Preisanpassungsrecht der EVU (Rdn. 14 - 15).
--- Zitat ---Original von jroettgesDass solche einseitig ausgesprochenen Preisanpassungen nach §315 BGB auf Antrag einer gerichtlichen Billigkeitsüberprüfung unterliegen, das hat der BGH in seinem Urteil vom 19.11.08 nun endgültig klargestellt.
--- Ende Zitat ---
Nur, dass an diese Rechtsfrage schon nach den beiden vorherigen BGH Entscheidungen und diverser unterinstanzlicher Urteilen niemand mehr gezweifelt hat. Nicht mal das EVU. Die Anwendbarkeit des § 315 BGB in der Grundversorgung ist ständige Rechtsprechung.
Nebenbei hat der BGH jedoch auch geurteilt, dass er trotz Bejahung der Monopolstellung des EVU den Preissockel nicht in die Kontrolle einbezieht (womit er eine vorherige Entscheidung bestätigt hat). Dieser Punkt wird von den Verbraucherzentralen in Ihrer Freude über die \"Klarstellung\" der Anwendbarkeit des § 315 BGB oft vergessen.
RR-E-ft:
@Gulliver08
Ein Preisänderungsrecht ergibt sich aus der StromGVV nur bezüglich Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG, die vom sog. Grundversorger auf vertraglicher Grundlage beliefert werden und mit diesem keinen Sondervertrag abgeschlossen haben (etwa längere Vertragsbindung), also zu den als solchen veröffentlichten Allgemeinen Preisen der Grundversorgung gem. § 36 Abs. 1 EnWG beliefert werden.
Außerdem ergibt sich dieses gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht auch gegenüber denjenigen Kunden, die im Rahmen der zeitlich befristeten Ersatzversorgung gem. § 38 EnWG beliefert werden.
Bei Sonderverträgen sieht es anders aus.
Gulliver08:
Hallo RR-E-ft,
danke für Ihre Ausführungen. Im Sinne des § 3 Nr.22 EnWG bin ich per Definition ein Haushaltskunde, beliefert mit Strom auf Basis StromGVV. Damit hätte der Versorger wohl ein Bestimmungsrecht für die Lieferpreise; diese Preisfindung muss jedoch den Kriterien des § 315 BGB genügen.
Damit scheint mir in diesem Fall auch ein Widerspruch gegen die beiden angkündigten Strompreiserhöhungen möglich und rechtmäßig.
Gilt bei Strompreisen ebenfalls die Beschränkung auf den Erhöhungswert, was den Nachweis der Billigkeit anbelangt, wie das vor Kurzem der BGH für Gaskunden in der Grundversorgung festgelegt hat (Urteil vom 19.11.2008)? Oder muss die Billigkeit auch für den Sockelpreis nachgewiesen bzw. kann angezweifelt werden? Ich habe dazu bisher kein Urteil gefunden, was diese Frage beantworten würde.
Danke für eine Rückmeldung.
Besten Gruß
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