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Autor Thema: Erfurter Gasversorger nimmt Klage zurück  (Gelesen 8827 mal)

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Offline RR-E-ft

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Erfurter Gasversorger nimmt Klage zurück
« am: 20. Juni 2005, 14:21:44 »
[ 8-C-1051-05 ]

In Erfurt hatte ein Gaskunde die Unbilligkeit gegen die Gaspreise eingewandt und hiernach seine Rechnungen gekürzt.

Dabei wurden nicht nur - wie von den Verbraucherverbänden empfohlen - die aus den Preiserhöhungen resultierenden Mehrforderungen nicht gezahlt, sondern die Rechnungsbeträge darüber hinaus gekürzt.

Das Gasversorgungsunternehmen verklagte daraufhin den Kunden beim Amtsgericht Erfurt, Az. 8 C 1051/05, auf Duldung der Versorgungssperre und auf Zahlung der ausstehenden Beträge. Es ging um einen Gesamtbetrag knapp unter 300 EUR.

Es war der erste bekannte Fall in Thüringen und überhaupt, in dem ein Gasversorger nach dem Unbilligkeitseinwand - entgegen der Linie des Branchenverbandes BGW seinen Kunden auf Zahlung verklagte.

Möglicherweise hatte der Gasversorger vor Klageerhebung den deutlichen Unbilligkeitseinwand auch schlicht übersehen und es handelte sich dabei um ein folgenreiches Versehen.

In der Klageschrift fand sich kein Hinweis auf den Unbilligkeitseinwand und auch keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Problematik des § 315 BGB.

Wegen des geringen Streitwertes unter 600 EUR wollte das Amtsgericht eine Entscheidung im vereinfachten Verfahren gem. § 495a ZPO treffen, d. h. ohne mündliche Verhandlung und ohne Berufungsmöglichkeit.

Der beklagte Kunde verlangte jedoch ausdrücklich eine mündliche Verhandlung und die Zulassung der Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung angesichts der in der Thüringer Presse weit verbreiteten Aufrufe der Verbraucherzentrale Thüringen e. V., sich in dieser Weise gegen die Preiserhöhungen der Gaslieferanten zu Wehr zu setzen.

Außerdem wandte er die Unbilligkeit gegen den Gesamtpreis ein und verwies auf die Rechtslage im Zusammenhang mit der Unbilligkeit gem. § 315 BGB.

Diese Vorgehensweise ist effektiv.

Im Rahmen solcher Zahlungsklagen muss ein Gasversorgungsunternehmen regelmäßig seine Preiskalkulation offen legen, so die Gaspreisurteile des Landgerichts Mannheim und des Amtsgerichts Heilbronn.

Aus welchen Gründen auch immer wollte die klagende Stadtwerke Erfurt Gasversorgung GmbH dies dann wohl doch nicht riskieren:

Sie beauftragte ihre Rechtsanwälte, die Klage zurückzunehmen.

Nun hat der Erfurter Gasversorger nicht nur die ausstehenden Zahlungen nicht durchgesetzt, sondern darüber hinaus auch noch die angefallenen Prozesskosten und die Kosten des Rechtsanwaltes des Kunden zu zahlen.

Offensichtlich erlauben die hohen Gaspreise solch kostspieligen Aktionen.



So bleibt wieder ein Fall unentschieden.

Tatsache ist, dass die Rechnungen nicht voll bezahlt wurden.

Anscheinend ist dies auch beim Erfurter Gasversorger nicht mehr notwendig.

Andernfalls hätte er seine Klage nicht zurückgenommen.


Nur sollten eben alle Kunden der Stadtwerke Erfurt Gasversorgung GmbH darüber informiert werden, dass es nicht mehr notwendig ist, nach dem Unbilligkeitseinwand die Rechnungen noch vollständig zu bezahlen:  

Gesperrt wird nicht, geklagt auch nicht.

Es gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz für alle Erfurter Gaskunden.
 

Weil das ganze Vorgehen den Anschein erweckt, dass der Versorger bei seinen Gaspreisen etwas zu verbergen hat, ist dies nun Veranlassung genug, sich die Preisentwicklung in Erfurt genauer unter die Lupe zu nehmen.



Bemerkenswert erscheint noch, dass für ein Gespräch der VZ Thüringen mit diesem Versorger eigens Justiziare der E.ON Tochter Thüga aus München nach Erfurt eingeflogen wurden, die mutig das große Wort schwangen, sogar Musterprozesse in Erfurt in Aussicht stellten.

Hat wohl alles nichts geholfen....

Gegen sehr aktive Verbraucherverbände, welche die Verbraucher umfassend über ihre Rechte informieren, ist ersichtlich wenig auszurichten.

Wenn das genannte Verfahren das  "Muster" sein sollte, welches von den Münchner E.ON - Justiziaren so mutig in Aussicht gestellt wurde, dann können die Thüringer über die Kraftanstrengungen des Konzerns, der den gesamten Thüringer Energiemarkt fest im Griff hat, wohl nur noch müde lächeln.

Schließlich haben nicht nur die Thüringer 1989 schon ganz andere Verkrustungen aufgebrochen. Seinerzeit gab es ganz andere Widrigkeiten zu überwinden. Wie man heute noch erfahren kann, ist es gelungen.
 

Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline joebi

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Erfurter Gasversorger nimmt Klage zurück
« Antwort #1 am: 23. Juni 2005, 18:39:22 »
Sehr geehrter Herr Fricke.
Ich interressiere mich für das am AG - Erfurt ergangene Urteil,Az 8 C 1051/05, Gasversorger nimmt Urteil zurück.Wo kann ich es bekommen?
Freundliche Grüsse
joebi

Offline RR-E-ft

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Erfurter Gasversorger nimmt Klage zurück
« Antwort #2 am: 23. Juni 2005, 19:10:51 »
@joebi

Es gab kein Urteil, das der Versorger zurücknehmen konnte.

Wie das so ist bei einer Klagerücknahme:

Es gibt kein Urteil.

Genau zu diesem Zweck wurde die Klage ja zurück genommen.

Wenn Urteile vorliegen und die Gerichte und Aktenzeichen sind bekannt, kann man bei dem Gericht gegen eine Gebühr eine Abschrift (Parteien und deren Vertreter geschwärzt) abfordern.

Die Gebühr liegt in der Regel um die 15 EUR, bei umfangreichen Entscheidungen auch schon höher.

Die Versorger haben zumeist Zugriff auf die Urteile über den VKU- Nachrichtendienst, in den wichtige Entscheidungen eingespeist werden.

Das Gaspreisurteil des LG Mannheim vom 16.08.2004 - Az. 24 O 41/04 -scheint nicht dazu zu gehören.

Jedenfalls wurde dieses Urteil in noch keinem einzigen Schreiben eines Versorgers genannt, obschon es sich zu allen Fragen der aktuellen Auseinandersetzung sehr umfassend vortrefflich verhält.



Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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