Die
Pressemitteilung des Bundeskartellamtes vom 1.12.2008 offenbart noch Schlimmeres, als ich befürchtet hatte. Methodisch ist das Vorgehen der Behörde völlig unhaltbar, im Detail:
Pressemitteilung Bundeskartellamt vom 1.12.2008:
Für 2008 stützt das Bundeskartellamt seine Betrachtung auf einen Vergleich der Tarife, die mehrheitlich von den Kunden von Ziel- und Vergleichsunternehmen genutzt werden.
Die Anwendung des Vergleichsmarktkonzeptes im Rahmen der Missbrauchsaufsicht ist untauglich, wenn keine wettbewerblichen Vergleichsmärkte existieren. Da die Gaspreise branchenweit im gesamten Bundesgebiet ein überhöhtes Niveau haben, sind nur relativ geringe Differenzen zwischen dem billigsten und dem teuersten Anbieter zu beobachten. Die bundesweite Preisüberhöhung hat zwei wesentliche Ursachen:
- die völlig überteuerte Beschaffung im Vorleistungsbereich bei einem Kartell von Ferngaslieferanten; die Überteuerung ist an der immer stärker zunehmenden Differenz zwischen Erdgasimportpreisen und Endkundenpreisen direkt ablesbar
- die Beteiligung der Oligopolisten E.ON, RWE und anderer Großkonzerne an mehreren hundert Stadtwerken und Regionalversorgern, die den Gasmarkt regelrecht verschließen. Mit der Entscheidung KVR 60/07 – E.ON/Stadtwerke Eschwege hat der Bundesgerichtshof am 11.11.2008 festgestellt, dass es z. B. der Geschäftsstrategie der E.ON AG entspricht, an zahlreichen Stadtwerken oder sonstigen Stromversorgern Minderheitsbeteiligungen zu erwerben, um auf diese Weise ihre Absatzgebiete zu sichern und den Wettbewerb einzuschränken. Im Sondergutachten \"Strom und Gas 2007\" berichtete die Monopolkommission in Nr. 437: \"Die zahlreichen Mehrheits- und Minderheitsbeteiligungen der überregionalen Ferngasunternehmen an Downstream-Firmen sind daher weniger effizienzorientierter als vorrangig strategischer Natur und dienen der eigenen Absatzsicherung. Die Erwartung, dass sich durch die vertikale Vorwärtsintegration der überregionalen Ferngasunternehmen sinkende Preise ergeben, trifft für die Gaswirtschaft so nicht zu.\" und in Nr. 438:\"Zum einen erlauben die Beteiligungen eine Teilhabe an den Erträgen der Regionalgesellschaften und Stadtwerke, zum anderen erhöhen sie erheblich die Markteintrittsbarrieren für potentielle Wettbewerber.\"
Statt eines untauglichen Benchmarks erscheint regulierungsökonomisch sinnvoll allein eine Kostenbetrachtung und eine Kostenregulierung, und zwar für die gesamte Wertschöpfungskette.
Pressemitteilung Bundeskartellamt vom 1.12.2008:
Eine zentrale Rolle haben hierbei die eigenen Beschaffungskosten gespielt. Das Bundeskartellamt hat jedoch auch hier Vergleiche zum Beschaffungsverhalten anderer Versorger gezogen, um nicht ungeprüft die tatsächlichen Beschaffungskosten anzuerkennen.
Das Bundeskartellamt hätte erkennen müssen, dass die Einkaufskonditionen den Ferngaslieferanten in den letzten Jahren riesige Gewinne eingebracht haben. Alle Stadtwerke mussten Gas viel zu teuer einkaufen und gaben die kartellrechtswidrig überhöhten Beschaffungskosten notgedrungen an ihre Endkunden weiter. Eine reine Betrachtung der Endkundenebene ist vollkommen unzureichend, wenn man die Situation auf den Vorleistungsmärkten für Ferngas berücksichtigt.
Es spricht schon für wenig ökonomischen und wettbewerblichen Sachverstand beim Bundeskartellamt, wesentliche Teile der Wertschöpfungskette für Erdgas von der Förderung bis zum Endverbraucher einfach auszublenden. Die Beschaffung von Erdgas konzentriert sich in Deutschland auf ganz wenige Gesellschaften, es gibt nur 7 überregionale und 8 regionale Ferngasgesellschaften. Gerade die teure Beschaffung und die mangelhafte Regulierung der Ferngasmärkte wurde immer wieder von der Monopolkommission beklagt. Im 16. Hauptgutachten stellte die Monopolkommission auf den Seiten 65/66 zu § 3 Abs. 2 Satz 2 GasNEV über die Ausnahmeregelung für die Regulierung der Netzentgelte auf der Fernleitungsebene folgendes fest, siehe
Bundestags-Drucksache 16/2460 vom 25.8.2006:
„Nach Auffassung der Monopolkommission stellt diese Ausnahmeregelung, mit der die Betreiber von Gasfernleitungsnetzen nicht nur von der kostenbasierten Entgeltregulierung nach § 21 Abs. 2 EnWG, sondern gemäß § 21 a EnWG auch von der in den kommenden Jahren die kostenbasierte Regulierung ablösenden Anreizregulierung befreit werden, eine wettbewerbspolitisch nicht zu rechtfertigende Privilegierung der Betreiber von Gasfernleitungsnetzen dar. Nach Auffassung der Monopolkommission entbehrt die Annahme, dass im Bereich der Gasfernleitungsnetze funktionsfähiger aktueller oder potentieller Leitungswettbewerb herrscht, der eine sektorspezifische Kostenregulierung überflüssig macht, jeder Grundlage.
Ökonomisch betrachtet weisen die Gasfernleitungsnetze ebenso wie die lokalen Verteilnetze alle wesentlichen Elemente eines nicht angreifbaren natürlichen Monopols auf. So ist die Kostenstruktur der Gasfernleitungen durch erhebliche Größenvorteile und den damit verbundenen degressiven Verlauf der Durchschnittskosten über den gesamten relevanten Nachfragebereich gekennzeichnet. Gleichzeitig führen die beim Bau einer Ferngasleitung zu tätigenden Investitionen aufgrund fehlender alternativer Verwendungsmöglichkeiten zu versunkenen Kosten in beträchtlichem Ausmaß. Potentieller Leitungswettbewerb kann unter diesen Bedingungen keine disziplinierende Wirkung auf das Marktverhalten monopolistischer Ferngasnetzbetreiber entfalten.“
Die Monopolkommission befürchtet, dass „der Durchleitungswettbewerb auf der Ebene der Gasfernleitungsnetze auch in Zukunft durch monopolistisch überhöhte Netzentgelte behindert wird.“ Die Monopolkommission kann „vor dem Hintergrund der hochkonzentrierten Marktstrukturen“ nicht ausschließen, dass „der Wettbewerb in der Strom- und Gaswirtschaft auch durch einen funktionsfähigen Durchleitungswettbewerb kaum noch wiederbelebt werden kann.“
Pressemitteilung Bundeskartellamt vom 1.12.2008:
Das Bundeskartellamt hat sich für die Zusagenlösung entschieden, denn die Höhe der erreichten Vorteile für den Verbraucher kommt dem Betrag bei einer möglichen förmlichen Entscheidung sehr nahe.
Mit den ach so rühmlichen 127 Millionen Euro bekommen die deutschen Verbraucher grob geschätzt etwa 1 % des Betrages zurück, den sie jährlich für Erdgas zu viel bezahlen. Der volkswirtschaftliche Schaden beträgt z. B. allein im Jahr 2007 tatsächlich etwa 12 Mrd. Euro. Dieser Wert lässt sich errechnen, wenn man die Entwicklung des Erdgasimportpreises den Verbraucherpreisen gegenüberstellt und als Bezugsjahr das Jahr 2000 wählt, in dem die Welt der Gaspreise vielleicht noch in Ordnung war.
Rechtlich deckt das Bundeskartellamt auch noch die Verstöße des Gesetzgebers gegen EU-Recht, indem es die Probleme im Ferngasmarkt übersieht und nicht in Zusammenhang bringt mit den überteuerten Endkundenpreisen. Hinsichtlich seiner medialen Wirkung handelt es sich bei dem Kartellverfahren gegen die 33 Gasversorger um ein großes mediales Schauspiel, quasi modernes Theater im 21. Jahrhundert. Tatsächlich praktiziert das Bundeskartellamt ein Täuschungsmanöver, um den Betrug der Energieverbraucher zu Gunsten des deutschen Energiekartells zu tarnen. Die
Gleichschaltung ist in unserem Lande offenbar schon ziemlich weit fortgeschritten, zumindest kann das Bundeskartellamt nicht mehr als unabhängig gelten.
Lothar Gutsche