Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Zeugenbeweis  (Gelesen 13907 mal)

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Offline Pölator

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Zeugenbeweis
« am: 24. November 2008, 08:04:30 »
Guten Morgen werte mündige Bürger!

Da der BGH zuletzt extra auf die Möglichkeit des Zeugenbeweises abzielt, stellt sich mir die Frage, wie so etwas tatsächlich aussieht.

a.)Kommt der Zeuge (anzunehmen: ein MA des VS) und wird vom Richter befragt wie es mit dem Zustandekommen der Preiserhöhung aussieht?

b.) Muss ein Richter dazu irgendwie betriebswirtschaftlich qualifiziert sein, bzw. muss er dies nachweisen? Ich denke in die Richtung, dass ein Prokurist einen schwindelig redet und es Erwachsenen oftmals schwer fällt, zusagen \"Das verstehe ich nicht, bitte nochmals aber einfacher!\"

c.) Dürfen die Beklagten (Kundenanwälte) diesen Zeugen auch befragen?

Einen schönen Wochenbeginn wünscht der Pölator

Offline Black

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Zeugenbeweis
« Antwort #1 am: 24. November 2008, 11:41:40 »
a) Ja
b) Nein
c) Ja
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline ben100

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Zeugenbeweis
« Antwort #2 am: 24. November 2008, 21:04:19 »
ABer ich denke ein einfaches \"Ja, es wurden nur Preiserhöhungen weitergegeben\" wird nicht ausreichen, da ich ihn sofort Fragen würde wie sich die Preise gegenüber letzens geändert haben. Daraufhin dürfte er wohl kaum sagen \"ähm das kann ich nicht sagen\". Er wird hier dann wohl Fakten nennen müssen, da dies ansonsten wohl kaum glaubwürdig wäre.

Auf jedenfall würde ich ihn vereidigen lassen!

Offline RR-E-ft

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Zeugenbeweis
« Antwort #3 am: 24. November 2008, 21:18:41 »
@ben100

Der Zeuge beantwortet die Fragen zu dem Beweisthema, welches im Beweisbeschluss angegeben ist, oder auch nicht, weil er dazu tatsächlich nichts sagen kann.

Die Partei bestimmt mit ihrem Schriftsatz, für welche beweisbedürftige Tatsache der Zeuge Beweis bieten soll. Beweisbedürftig sind nur bestrittene Tatsachenbehauptungen einer Partei.

Bietet der Versorger also nur Zeugen für gestiegene Bezugskosten auf, jedoch auf entsprechendes Bestreiten keinen Beweis dafür, dass gestiegene Bezugskosten nicht durch rückläufige Kosten bei anderen preisbildenden Faktoren vollständig kompensiert wurden, dann dürfte dies für den Billigkeitsnachweis nicht genügen.

Über  bestrittene Tatsachen, zu denen von der darlegungs- und beweisbelasteten Partei kein Beweismittel im Sinne der ZPO  angeboten wurde, wird auch kein Beweis erhoben.

Wurde der Zeuge also nur für die Tatsache eines Bezugskostenanstiegs benannt, ist er eben kein Zeuge für andere bestrittene Tatsachen und wird deshalb zu anderen Tatsachen auch nicht gehört/ vernommen.

Man kann den Antrag stellen, Zeugen zu vereidigen. Wenn das Gericht den Zeugen für unglaubwürdig hält, wird es von einer Vereidigung absehen, um den Zeugen nicht in einen Meineid zu treiben. Paradox aber gängige Praxis. In der Regel bleiben Zeugen, selbst nach Antrag auf Vereidigung unvereidigt. Auch die uneidliche Falschaussage ist strafbar. Der Meineid ist ein Verbrechen und wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr geahndet, wenn er sich im Strafverfahren nachweisen lässt.

Offline Pölator

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Zeugenbeweis
« Antwort #4 am: 25. November 2008, 11:35:53 »
Hallo,

nehmen wir jetzt mal an, dass 2 Verfahren mit den gleichen Eckdaten fast zeitgleich laufen:
-gleicher Versorger
-gleicher Zeuge
-gleiche Tarife
-gleiches AG, nicht jedoch die gleichen Richter
-gleicher Anwalt bei den Widersprüchlern
-nur die Beträge und Zeitdaten sind unterschiedlich, ansonsten Übereinstimmung der Klageschriften zu 99%

Wenn nun in der zuerst stattfindenden Verhandlung der vom VS eingebrachte Zeuge befragt wird, auch vom Anwalt der Beklagten und merkt, dass es ungünstig läuft für ihn bzw. für den VS, könnte es doch passieren, dass er 2 Wochen später auf exakt die gleichen Fragen anders antwortet oder sich dann windet und sich auf Geschäftsgeheimnisse beruft.

Kann/darf/sollte man dann auf die Antworten aus dem ersten Verfahren zurückgreifen oder darauf hinweisen?
Ich denke in die Richtung \"Unglaubwürdigkeit\" des Zeugen... .

Schönen Tag noch,
der Pölator

Offline Pedro

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Zeugenbeweis
« Antwort #5 am: 25. November 2008, 11:54:53 »
Zusatzfrage:Können \'\'Zeugen\'\' in diesen Verfahren auch vereidigt werden (mit oder ohne Zweifel an deren Glaubwürdigkeit)?
Hat sich erledigt, hatte leider die wieder mal fachlich hervorragende Stellungnahme von RR-E-ft übersehen, sorry!

Offline Black

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Zeugenbeweis
« Antwort #6 am: 25. November 2008, 12:12:17 »
Zitat
Original von Pölator
Hallo,

nehmen wir jetzt mal an, dass 2 Verfahren mit den gleichen Eckdaten fast zeitgleich laufen:
-gleicher Versorger
-gleicher Zeuge
-gleiche Tarife
-gleiches AG, nicht jedoch die gleichen Richter
-gleicher Anwalt bei den Widersprüchlern
-nur die Beträge und Zeitdaten sind unterschiedlich, ansonsten Übereinstimmung der Klageschriften zu 99%

Praktisch würde das eher so laufen: Solche Verfahren werden entweder zur gemeinsamen Verhandlung verbunden oder (wenn ein Verfahren deutlich schneller beendet ist) greift man auf die dem Gericht bekannten Tatsachen des 1. Verfahrens zurück und führt keine erneute Beweisaufnahme durch.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline Pölator

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Zeugenbeweis
« Antwort #7 am: 25. November 2008, 12:57:00 »
Zitat
Original von Black


Praktisch würde das eher so laufen: Solche Verfahren werden entweder zur gemeinsamen Verhandlung verbunden oder (wenn ein Verfahren deutlich schneller beendet ist) greift man auf die dem Gericht bekannten Tatsachen des 1. Verfahrens zurück und führt keine erneute Beweisaufnahme durch.

@black
Ihr Pendel ist kaputt, vielleicht können Sie es noch umtauschen.

Ich vergaß den Hinweis, das dieser Fall keine Konstruktion ist, sondern in Echtzeit passiert.
Wenn es so laufen würde, wie Sie es sagen, was dann, wenn die Beweisführung unterschiedlich ist, bzw. es ein anderer Anwalt macht?

Also, kann man/darf man den Zeugen auf seine ersten Aussagen festnageln?
a.) ja
b.) nein
c.) kann ich das Publikum fragen?
d.) weiß nicht


Gruß
Pölator

Offline RR-E-ft

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Zeugenbeweis
« Antwort #8 am: 26. November 2008, 16:26:47 »
@Pölator

Der Prozessstoff eines jeden Verfahrens richtet sich gesondert nach Behaupten/ Bestreiten/ Beweisen.

Es bedarf deshalb einer gesonderten Beweisaufnahme in jedem Verfahren.

Schließlich ist der Ausgang eines Zeugenbeweises maßgeblich von der Befragung des Zeugen durch die Parteien innerhalb der Beweisaufnahme abhängig und dem persönlichen Eindruck, den sich das Gericht vom Zeugen gemacht hat.

Wenn ein Zeuge in einem anderen Verfahren anders ausgesagt haben sollte, sich dabei ein Widerspruch auftut, so kann sich nicht nur die Frage nach der Glaubwürdigkeit eines solchen Zeugen stellen, sondern auch die Frage ob etwaig eine (uneidliche) Falschaussage in einem der Verfahren vorliegt.

Offline ben100

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Zeugenbeweis
« Antwort #9 am: 26. November 2008, 18:17:00 »
Grundsätzlich wird doch wohl ein Zeuge nicht nur mündlich Zeugnis über etwas ablegen können, was anhand von Unterlagen beweisbar ist.

Das ist doch absurd!!!

Was ist denn wenn man dann den Antrag stellt den Zeugen als befangen zu bewerten, da er bei dem EV beschäftigt ist und ihn zu Details befragt.

Offline RR-E-ft

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Zeugenbeweis
« Antwort #10 am: 26. November 2008, 18:26:31 »
@ben100

Möglicherweise wird der Zeuge einräumen müssen, beim Versorger beschäftigt zu sein, insbesondere dann, wenn er gerade als Mitarbeiter des Unternehmens von diesem als Zeuge benannt wurde....

Möglicherweise könnte man ihn zur eigenen Weiterbeschäftigungsprognose befragen, wenn seine Aussage zum eigentlichen Beweisthema zuungunsten des Versorgers ausfallen sollte.

Der Mitarbeiter eines Energieversorgers kann Zeuge sein. Die Beweisaufnahme durch Befragung des Zeugen ist in der ZPO geregelt.

Offline Fridericus Rex

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Zeugenbeweis
« Antwort #11 am: 26. November 2008, 18:31:51 »
Zitat
Original von Pölator
Muss ein Richter dazu irgendwie betriebswirtschaftlich qualifiziert sein, bzw. muss er dies nachweisen?

Eine köstliche Idee, ich stelle mir gerade Hr. Ficke vor, wie er einem Richter vor der Zeugenvernehmung Kontrollfragen über dessen betriebs-/ energiewirtschaftliches Wissen stellt  :D

Ich glaube nicht das ein Zeuge befangen sein kann, er entscheidet ja nichts. Genausowenig können ja auch die Anwälte befangen sein, und die versuchen ja auch dem Gericht etwas einzureden.

Offline tangocharly

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Zeugenbeweis
« Antwort #12 am: 26. November 2008, 18:37:42 »
Der Zeuge kann nicht befangen sein i.S.d. Zivilprozessordnung.
Ein Zeuge kann auch nicht abgelehnt werden.

Aber man kann einen Zeugen \"in die Pfanne hauen\", wenn er vor Gericht lügt. Das besorgt dann aber schon ein gewissenhafter Richter selber, indem er die Akte zuschlägt und mit Stempel an die Staatsanwaltschaft im gleichen Hause weiter leitet.

Ach ja, manchmal wollen Anwälte dem Gericht etwas einreden. Das kennt man aber auch umgekehrt. Das Resultat findet sich dann, so Gott will, in der nächsten Instanz.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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Zeugenbeweis
« Antwort #13 am: 26. November 2008, 18:40:31 »
@Fridericus Rex

Wir Anwälte sind nicht befangen, sondern parteiisch, weil wir nach den Regeln der Kunst für unsere Mandanten streiten müssen, sonst leicht mit diesen in Streit geraten. Leider gehören grundlegende betriebswirtschaftliche Kenntnisse noch nicht überall zum Inhalt der juristischen Ausbildung.  Iudex non calculat, womöglich weil er es nicht gelernt hat.

Offline tangocharly

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Zeugenbeweis
« Antwort #14 am: 26. November 2008, 19:15:52 »
Zitat
Original von RR-E-ft
@Fridericus Rex

Wir Anwälte sind nicht befangen, sondern parteiisch, weil wir nach den Regeln der Kunst für unsere Mandanten streiten müssen, sonst leicht mit diesen in Streit geraten. [...].

So wird Fridericus Rex in Wikipedia zitiert (sicher schon bekannt):

Zitat
Im Jahre 1726 verfügte König Friedrich Wilhelm I. von Preußen mit der ihm eigenen Ironie die Einführung einer einheitlichen Juristentracht in den Gerichten seines Territoriums:

„Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man diese Spitzbuben schon von weitem erkennt.“
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