Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
jroettges:
@Black
--- Zitat ---Insoweit ist unstreitig, dass diese Regelungen im Bereich der Grundversorgung ein Preisänderungsrecht begründen.
--- Ende Zitat ---
Das genau haben die Oldenburger Richter anders entschieden und sie haben es bewusst getan.
Die Regelungen begründen kein Preisänderungsrecht.
Sie gehen vielmehr davon aus, dass ein solches Recht besteht und regeln spezielle Aspekte des Umgangs damit.
Das ist der feine Unterschied!
Das konnten alle hören, die bei der Verhandlung anwesend waren.
Aber dazu muss man letztlich den Wortlaut des Urteils abwarten.
Black:
Das ist schön für die Oldenburger Richter - und wahrscheinlich auch schön für den dort klagenden Verbraucher.
Natürlich darf ein jeder Richter von der Rechtsansicht des BGH abweichen. Relevanz im Rahmen der juristischen Grundsatzdiskussion besitzt diese Aussage - bislang wohl auch nur mündlich geäußert - nicht.
elmex:
--- Zitat ---Original von Ronny
Der BGH hat in seinem Urteil vom 29.04.2008 entschieden, dass § 4 Abs. 2 AVBGasV eine Leitbildfunktion zukommt und dass die vom betroffenen Versorger verwendete Klausel diesem Leitbild nicht entspricht, weil nicht die Verpflichtung zur Senkungen der Preise, sondern nur die Berechtigung der Erhöhung der Preise enthielt.
[...]
Der Begriff der Leitbildfunktion besagt, dass eine AGB-Regelung in Sonderkundenverträgen, die einer Regelung in der AVBGasV / GasGVV entspricht, wirksam ist, auch wenn sie den Regelungen des § 307 BGB nicht voll gerecht wird. Hintergrund hierfür ist, dass Normsonderkunden nicht besser gestellt werden sollen als Grundversorgungskunden, was auch unmittelbar einleuchtend ist.
--- Ende Zitat ---
Sie verklären zum einen, dass der Kartellsenat von einer Leitbildfunktion der betreffenden Klauseln im \"weiteren Sinne\" gesprochen hat. Es bleibt also völlig offen, ob der Wortlaut der AVBGasV/GasGVV als Normbild zur einzelvertraglichen Beurteilung von Abweichungen in der Form allgemeiner Geschäftsbedingungen überhaupt und generell in Frage kommen.
Eine Leitbildfunktion konkretisiert lediglich den vorgegebenen rechtlichen oder rechtlich gleichgesetzten Rahmen, von dem aus eine Abweichung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB im Einzelfall zu beurteilen ist. Paradebeispiel sind tarifvertragliche Regelungen im Arbeitsrecht.
Eine Leitbildfunktion bedeutet jedoch gerade nicht automatisch, dass eine zum Leitbild wortgleiche Preisanpassungsklausel automatisch dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entspricht. Danach kann sich nämlich in der Tat auch die Unwirksamkeit ergeben.
Im Übrigen sind die Besonderheiten der leitungsgebundenen Energieversorgung angemessen zu berücksichtigen. Ob sich daraus (wie beispielsweise nach der Rechtsprechung des BAG im Arbeitsrecht) zwingend Einschränkungen des Transparenzgebots an sich oder die Wirksamkeit sog. dynamischer Verweisungsklauseln herleiten läßt, vermag ich an der Stelle zu bezweifeln, jedoch nicht abschliessend zu bewerten...
RR-E-ft:
@Ronny
Also hier wissen alle oder könnten wissen, dass § 315 BGB nur auf solche Vertragsverhältnisse außerhalb der \"gesetzlichen Versorgung\" zur Anwendung kommt, bei denen bei Vertragsabschluss ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der vom Kunden zu zahlenden Entgelte vereinbart wurde und dass in diesem Fall die aufgrund dieses vertraglich vereinbarten Leistungsbestimmungsrechts einseitig festgesetzten Entgelte der Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliegen.
Siehste hier
Mir ist bisher kein solcher Fall bekannt geworden, bei dem ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht bei Vertragsabschluss (wann sonst?) hinsichtlich der vom Kunden zu zahlenden Entgelte vereinbart wurde.
In den Sonderabkommen wurden bei Vertragsabschluss Sonder- Preise vereinbart. Ob diese nachträglich abgeändert werden können, richtet sich ausschließlich danach, ob eine wirksame Preisänderungsklausel einbezogen wurde.
Preisänderungsklauseln unterliegen der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB, für welche der weite Spielraum der Billigkeit nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung viel zu weit ist, vgl. BGH. Urt. v. 13.07.2004 (KZR 10/03) unter II.6:
--- Zitat ---Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum
der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer
Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).
--- Ende Zitat ---
Ich meine, das sei eindeutig.
BGH, Urt. v. 19.10.1999 (XI ZR 8/99) = NJW 2000, 651:
--- Zitat ---Die konkrete Ausgestaltung der beanstandeten Klauseln verstößt unabhängig davon auch gegen das sich aus § 9 AGBG ergebende Transparenzgebot. Danach sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (grundlegend: BGHZ 106, 42, 49 f.; 106, 259, 264 f.). Deshalb verstoßen Anpassungsklauseln, die dem Verwender ein uneingeschränktes Änderungsrecht vorbehalten, ohne daß der Kunde vorhersehen kann, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ihn höhere oder weitere Gebühren treffen, gegen das Transparenzgebot und sind unwirksam (BGHZ 136, 394, 402). Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlaß, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben (Brandner, in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 8. Aufl. § 9 Rdn. 100).
--- Ende Zitat ---
Auch eindeutig.
Nach der Rechtsprechung des BGH kommt § 4 AVBGasV in Bezug auf Preisänderungsklauseln ausdrücklich keine Leitbildfunktion zu, vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 (KZR 2/07) Rdn. 26:
--- Zitat ---Hiernach kommt § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV Leitbildfunktion für die streitige Preisänderungsklausel nicht zu.
--- Ende Zitat ---
Das finde ich auch eindeutig.
@Black
Möglicherweise sprechen Sie vorgenannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes die Relevanz für die aktuelle juristische Diskussion nicht vollständig ab. Es kommt indes auch nicht darauf an, was Sie nun für relevant ansehen oder nicht.
Black:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
--- Zitat ---Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum
der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer
Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).
--- Ende Zitat ---
Diese Wertung ist eigentlich der Tod für jede AGB rechtliche Festlegung eines Preisbestimmungsrechts nach § 315 BGB in Sonderverträgen (sofern man die gesondert zu betrachtende Leitbilddiskussion einmal aussen vor läßt).
--- Ende Zitat ---
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