Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
Ronny:
@RuRo
--- Zitat --- Alle Diskutierenden wissen es doch, wir kommen zum § 315 Abs. 3 BGB nur bei Haushaltskunden in der Grundversorgung und Letztverbrauchern in der Ersatzversorgung.
--- Ende Zitat ---
Nein, alle von Herrn Fricke informierten Forumsteilnehmer glauben dies zu wissen. Das ist ein großer Unterschied. Herr Fricke verbreitet umtriebigst die Auffassung, dass § 315 BGB bei Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung ganz grundsätzlich keine Anwendung finde. Das kann man auch ganz anders sehen.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 29.04.2008 entschieden, dass § 4 Abs. 2 AVBGasV eine Leitbildfunktion zukommt und dass die vom betroffenen Versorger verwendete Klausel diesem Leitbild nicht entspricht, weil nicht die Verpflichtung zur Senkungen der Preise, sondern nur die Berechtigung der Erhöhung der Preise enthielt.
--- Zitat --- Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist, und enthält damit gerade dasjenige zu einer ausgewogenen Regelung notwendige Element, das der von der Beklagten vorgegebenen vertraglichen Anpassungsklausel fehlt. (BGH KZR 2/07, Rn. 26)
--- Ende Zitat ---
Der Begriff der Leitbildfunktion besagt, dass eine AGB-Regelung in Sonderkundenverträgen, die einer Regelung in der AVBGasV / GasGVV entspricht, wirksam ist, auch wenn sie den Regelungen des § 307 BGB nicht voll gerecht wird. Hintergrund hierfür ist, dass Normsonderkunden nicht besser gestellt werden sollen als Grundversorgungskunden, was auch unmittelbar einleuchtend ist.
Aus der oben zitierten Passage lässt sich mühelos ableiten, dass eine Preisanpassungsklausel, die diese Verpflichtung zur Senkung enthält, wirksam ist.
Weiter lässt sich daraus ableiten, dass eine Klausel, die den Wortlaut des § 4 Abs. 2 AVBGasV oder der Nachfolgeregelung des § 5 Abs. 2 GasGVV enthält, ebenso wirksam ist (hierzu gibt es auch schon Urteile, vgl. OLG Celle, Urteil vom 13.01.2008. 13 U 152/07), siehe hier, Revisionsverfahren vor dem BGH läuft).
Über derartige Klauseln hatte der BGH nur noch nicht zu entscheiden gehabt, sondern nur über die von der ENSO verwendete Klausel.
Jede einzelne AGB-Preisanpassungsklausel ist gesondert zu bewerten. Pauschalisierungen sind hier völlig fehl am Platze!
Man kann über die vom BGH gewählten Formulierungen gewiss streiten, aber auch dem hartgesottensten Frickefan sollte bewusst sein, dass die Rechtslage nicht so sonnenklar sein kann, wie Herr Fricke das behauptet.
Warum sollte außerdem ein Kunde außerhalb der Grundversorgung, der schon günstigere Vertragskonditionen in Anspruch nicht, eigentlich rechtlich bessergestellt sein als ein Grundversorgungskunde, und keinerlei Preiserhöhungen bezahlen müssen? Ich kann ja nachvollziehen, dass viele Cleverle eine Chance sehen, eine Menge Geld zu sparen, aber mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun.
Zu guter Letzt: Was wäre denn die Folge, wenn Preisanpassungen im laufenden Vertragsverhältnis unwirksam wären? Die Versorgungsunternehmen müssten alle Normsonderkundenverträge kündigen und würden nur noch Festpreisprodukte oder Grundversorgungstarife anbieten. Dass dies nicht zu sinkenden Preisen führen würde, dürfte allgemeine Meinung sein.
Ronny
AKW NEE:
@ Ronny
Grundsätzliches: wenn Sie zitieren, geben Sie doch bitte an, wen oder woraus Sie zitieren
Sie schreiben:
--- Zitat ---Nein, alle von Herrn Fricke informierten Forumsteilnehmer glauben dies zu wissen. Das ist ein großer Unterschied. Herr Fricke verbreitet umtriebigst die Auffassung, dass § 315 BGB bei Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung ganz grundsätzlich keine Anwendung finde. Das kann man auch ganz anders sehen.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 29.04.2008 entschieden, dass § 4 Abs. 2 AVBGasV eine Leitbildfunktion zukommt und dass die vom betroffenen Versorger verwendete Klausel diesem Leitbild nicht entspricht, weil nicht die Verpflichtung zur Senkungen der Preise, sondern nur die Berechtigung der Erhöhung der Preise enthielt.
--- Ende Zitat ---
Richtig Leitbildfunktion, aber nicht automatisch Rechtsgrundlage!
Weiter schreiben Sie:
--- Zitat ---Weiter lässt sich daraus ableiten, dass eine Klausel, die den Wortlaut des § 4 Abs. 2 AVBGasV oder der Nachfolgeregelung des § 5 Abs. 2 GasGVV enthält, ebenso wirksam ist (hierzu gibt es auch schon Urteile, vgl. OLG Celle, Urteil vom 13.01.2008. 13 U 152/07), siehe hier, Revisionsverfahren vor dem BGH läuft).
--- Ende Zitat ---
Wenn ich Ihrem Vorschlag folge und unter siehe hier lese, kann ich lesen, wie sorgfältig Herr Fricke den Sachverhalt beschreibt.
Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass Sie hier die Erklärungen von Herrn Fricke benutzen um ihre Sichtweise zu bestätigen. So einfach wie Sie am Anfang Ihrer Mail eine Schublade öffnen, ist die Welt wohl doch nicht.
jroettges:
@Ronny
Das alles kommt mir sehr bekannt vor! So argumentierte ein bundesweit durch die Gerichtssäle wandelnder Anwalt der Versorgerseite auch in den Verhandlungen beim OLG Oldenburg, zuletzt am 5.9.08. Er nervt mit stundenlangen, ermüdenden und letzlich von niemanden mehr nachvollziehbaren Kaskaden von Zitaten und kommt so tatsächlich immer bei Adam und Eva an.
Er ist aber dort in Oldenburg auf Richter gestoßen, die sich die so strapazierten §§ 4 der AVBGasV und 5 der GVVGas wenigstens mal durchgelesen haben. Sie haben damit aus der Sicht der Versorger \"gesündigt\" wie das Kind in Christian Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern.
Was bitte steht denn in den beiden Paragraphen? Da wird, in ausschließlich für die Grund- und Ersatzversorgung geltenden Verordnungen, etwas zu zwingend einzuhaltenen Fristen und Abläufen gesagt. Mehr nicht.
Die Oldenburger Richter haben sich sogar der Mühe unterzogen, Geschichte und Hintergründe dieser Vorschriften zu recherchieren. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Gesetzgeber in diesen §§ ein Preisänderungsrecht begründen wollte. Das ergibt sich aus ganz anderen Überlegungen. Die §§ gehen schlicht davon aus, dass Grundversorger ein Recht zur einseitigen Preisänderung in der Grundversorgung haben und regeln Aspekte des Umgangs damit. Nicht mehr und nicht weniger.
Damit war es für die Richter auch ohne Belang, ob die beiden Verordnungen überhaupt wirksam in die einzelnen Vertragsverhältnisse eingbezogen worden sind und ob ein solcher Einbezug prinzipiell überhaupt möglich ist.
§ 36 sagt \"Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.\"
Die Ermächtigung für die AVBGasV/GVVGas ergibt sich aus § 39 EnWG. In § 41 steht die Ermächtigung für eine Verordnung für \"Verträge über die Belieferung von Haushaltskunden mit Energie außerhalb der Grundversorgung\", die bisher aber leider nicht existiert.
Wenn also Versorger jahrelang selbst so deklarierte Verträge \"außerhalb der Grundversorgung\" nicht den Bestimmungen des § 41 entsprechend gestalten, sondern stattdessen krampfhaft versuchen, die Verordnungen für die Grundversorgung zu strapazieren, müssen sie sich nicht über die Folgen wundern.
Mir ist bisher keine Entscheidung bekannt, in der der BGH den Versorgern in Verträgen außerhalb der Grundversorgung ein einseitiges Recht auf Preisanpassung zugebilligt hätte, sofern es sich nicht jeweils aus diesen Verträgen herleiten lies. Der BGH hat vielmehr in mehreren Entscheidungen das genaue Gegenteil geurteilt.
Auch das Urteil des BGH vom 29.4.08 sagt im Zusammenhang mit der Diskussion der ominösen \"Leitbildfunktion\" in Randnummer 29 \"Der Preis, den sie (Sondervertragskunden) zu zahlen haben, ergibt sich nicht aus dem allgemeinen, für jedermann geltenden Tarif der Beklagten, sondern aus der vertraglichen Vereinbarung in ... des Gasbezugsvertrages.\"
Im Übrigen wird die \"Leitbildfunktion\" in der Urteilsbegründung mehr verneint als bestätigt. Sie kann danach allenfalls für einzelne Aspekte gelten, gerade nicht aber für Preisanpassungsklauseln.
tangocharly:
@jroettges
Ihr Kommentar zur \"Leitbildfunkton\" ist richtig. Von einer \"Leitbildfunktion\" - so wie sich die Revision des dortigen Verfahrens das vorstellte - kann keine Rede sein.
Und wer es nachlesen will Rn. 25, 26
Black:
--- Zitat ---Original von jroettges
Er ist aber dort in Oldenburg auf Richter gestoßen, die sich die so strapazierten §§ 4 der AVBGasV und 5 der GVVGas wenigstens mal durchgelesen haben. Sie haben damit aus der Sicht der Versorger \"gesündigt\" wie das Kind in Christian Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern.
Was bitte steht denn in den beiden Paragraphen? Da wird, in ausschließlich für die Grund- und Ersatzversorgung geltenden Verordnungen, etwas zu zwingend einzuhaltenen Fristen und Abläufen gesagt. Mehr nicht.
Die Oldenburger Richter haben sich sogar der Mühe unterzogen, Geschichte und Hintergründe dieser Vorschriften zu recherchieren. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Gesetzgeber in diesen §§ ein Preisänderungsrecht begründen wollte. Das ergibt sich aus ganz anderen Überlegungen. Die §§ gehen schlicht davon aus, dass Grundversorger ein Recht zur einseitigen Preisänderung in der Grundversorgung haben und regeln Aspekte des Umgangs damit. Nicht mehr und nicht weniger.
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--- Ende Zitat ---
Dass es sich bei den Regelungen in § 4 AVBGasV (nun § 5 GasGVV) um ein gesetzliches Preisanpassungsrecht handelt ist vom BGH nun mehrfach bestätigt worden (BGH VIII ZR 36/06; BGH KZR 2/07 Rdn. 26) Insoweit ist unstreitig, dass diese Regelungen im Bereich der Grundversorgung ein Preisänderungsrecht begründen.
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