Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln  (Gelesen 10572 mal)

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Offline Ronny

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« am: 12. September 2008, 07:33:28 »
@RuRo

Zitat
Alle Diskutierenden wissen es doch, wir kommen zum § 315 Abs. 3 BGB nur bei Haushaltskunden in der Grundversorgung und Letztverbrauchern in der Ersatzversorgung.

Nein, alle von Herrn Fricke informierten Forumsteilnehmer glauben dies zu wissen. Das ist ein großer Unterschied. Herr Fricke verbreitet umtriebigst die Auffassung, dass § 315 BGB bei Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung ganz grundsätzlich keine Anwendung finde. Das kann man auch ganz anders sehen.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 29.04.2008 entschieden, dass § 4 Abs. 2 AVBGasV eine Leitbildfunktion zukommt und dass die vom betroffenen Versorger verwendete Klausel diesem Leitbild nicht entspricht, weil nicht die Verpflichtung zur Senkungen der Preise, sondern nur die Berechtigung der Erhöhung der Preise enthielt.

Zitat
Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist, und enthält damit gerade dasjenige zu einer ausgewogenen Regelung notwendige Element, das der von der Beklagten vorgegebenen vertraglichen Anpassungsklausel fehlt. (BGH KZR 2/07, Rn. 26)
Der Begriff der Leitbildfunktion besagt, dass eine AGB-Regelung in Sonderkundenverträgen, die einer Regelung in der AVBGasV / GasGVV entspricht, wirksam ist, auch wenn sie den Regelungen des § 307 BGB nicht voll gerecht wird. Hintergrund hierfür ist, dass Normsonderkunden nicht besser gestellt werden sollen als Grundversorgungskunden, was auch unmittelbar einleuchtend ist.

Aus der oben zitierten Passage lässt sich mühelos ableiten, dass eine Preisanpassungsklausel, die diese Verpflichtung zur Senkung enthält, wirksam ist.

Weiter lässt sich daraus ableiten, dass eine Klausel, die den Wortlaut des § 4 Abs. 2 AVBGasV oder der Nachfolgeregelung des § 5 Abs. 2 GasGVV enthält, ebenso wirksam ist (hierzu gibt es auch schon Urteile, vgl. OLG Celle, Urteil vom 13.01.2008. 13 U 152/07), siehe hier, Revisionsverfahren vor dem BGH läuft).

Über derartige Klauseln hatte der BGH nur noch nicht zu entscheiden gehabt, sondern nur über die von der ENSO verwendete Klausel.

Jede einzelne AGB-Preisanpassungsklausel ist gesondert zu bewerten. Pauschalisierungen sind hier völlig fehl am Platze!

Man kann über die vom BGH gewählten Formulierungen gewiss streiten, aber auch dem hartgesottensten Frickefan sollte bewusst sein, dass die Rechtslage nicht so sonnenklar sein kann, wie Herr Fricke das behauptet.

Warum sollte außerdem ein Kunde außerhalb der Grundversorgung, der schon günstigere Vertragskonditionen in Anspruch nicht, eigentlich rechtlich bessergestellt sein als ein Grundversorgungskunde, und keinerlei Preiserhöhungen bezahlen müssen? Ich kann ja nachvollziehen, dass viele Cleverle eine Chance sehen, eine Menge Geld zu sparen, aber mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun.

Zu guter Letzt: Was wäre denn die Folge, wenn Preisanpassungen im laufenden Vertragsverhältnis unwirksam wären? Die Versorgungsunternehmen müssten alle Normsonderkundenverträge kündigen und würden nur noch Festpreisprodukte oder Grundversorgungstarife anbieten. Dass dies nicht zu sinkenden Preisen führen würde, dürfte allgemeine Meinung sein.


Ronny

Offline AKW NEE

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #1 am: 12. September 2008, 09:20:44 »
@ Ronny

Grundsätzliches: wenn Sie zitieren, geben Sie doch bitte an, wen oder woraus Sie zitieren

Sie schreiben:

Zitat
Nein, alle von Herrn Fricke informierten Forumsteilnehmer glauben dies zu wissen. Das ist ein großer Unterschied. Herr Fricke verbreitet umtriebigst die Auffassung, dass § 315 BGB bei Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung ganz grundsätzlich keine Anwendung finde. Das kann man auch ganz anders sehen.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 29.04.2008 entschieden, dass § 4 Abs. 2 AVBGasV eine Leitbildfunktion zukommt und dass die vom betroffenen Versorger verwendete Klausel diesem Leitbild nicht entspricht, weil nicht die Verpflichtung zur Senkungen der Preise, sondern nur die Berechtigung der Erhöhung der Preise enthielt.

Richtig Leitbildfunktion, aber nicht automatisch Rechtsgrundlage!


Weiter schreiben Sie:

Zitat
Weiter lässt sich daraus ableiten, dass eine Klausel, die den Wortlaut des § 4 Abs. 2 AVBGasV oder der Nachfolgeregelung des § 5 Abs. 2 GasGVV enthält, ebenso wirksam ist (hierzu gibt es auch schon Urteile, vgl. OLG Celle, Urteil vom 13.01.2008. 13 U 152/07), siehe hier, Revisionsverfahren vor dem BGH läuft).

Wenn ich Ihrem Vorschlag folge und unter siehe hier lese, kann ich lesen, wie sorgfältig Herr Fricke den Sachverhalt beschreibt.

Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass Sie hier die Erklärungen von Herrn Fricke benutzen um ihre Sichtweise zu bestätigen. So einfach wie Sie am Anfang Ihrer Mail eine Schublade öffnen, ist die Welt wohl doch nicht.

Offline jroettges

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #2 am: 12. September 2008, 09:22:15 »
@Ronny

Das alles kommt mir sehr bekannt vor! So argumentierte ein bundesweit durch die Gerichtssäle wandelnder Anwalt der Versorgerseite auch in den Verhandlungen beim OLG Oldenburg, zuletzt am 5.9.08. Er nervt mit stundenlangen, ermüdenden und letzlich von niemanden mehr nachvollziehbaren Kaskaden von Zitaten und kommt so tatsächlich immer bei Adam und Eva an.

Er ist aber dort in Oldenburg auf Richter gestoßen, die sich die so strapazierten §§ 4 der AVBGasV und 5 der GVVGas wenigstens mal durchgelesen haben. Sie haben damit aus der Sicht der Versorger \"gesündigt\" wie das Kind in Christian Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern.

Was bitte steht denn in den beiden Paragraphen? Da wird, in ausschließlich für die Grund- und Ersatzversorgung geltenden Verordnungen, etwas zu zwingend einzuhaltenen Fristen und Abläufen gesagt. Mehr nicht.

Die Oldenburger Richter haben sich sogar der Mühe unterzogen, Geschichte und Hintergründe dieser Vorschriften zu recherchieren. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Gesetzgeber in diesen §§ ein Preisänderungsrecht begründen wollte. Das ergibt sich aus ganz anderen Überlegungen. Die §§ gehen schlicht davon aus, dass Grundversorger ein Recht zur einseitigen Preisänderung in der Grundversorgung haben und regeln Aspekte des Umgangs damit. Nicht mehr und nicht weniger.

Damit war es für die Richter auch ohne Belang, ob die beiden Verordnungen überhaupt wirksam in die einzelnen Vertragsverhältnisse eingbezogen worden sind und ob ein solcher Einbezug prinzipiell überhaupt möglich ist.

§ 36 sagt \"Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.\"

Die Ermächtigung für die AVBGasV/GVVGas ergibt sich aus § 39 EnWG. In § 41 steht die Ermächtigung für eine Verordnung für \"Verträge über die Belieferung von Haushaltskunden mit Energie außerhalb der Grundversorgung\", die bisher aber leider nicht existiert.

Wenn also Versorger jahrelang selbst so deklarierte Verträge \"außerhalb der Grundversorgung\" nicht den Bestimmungen des § 41 entsprechend gestalten, sondern stattdessen krampfhaft versuchen, die Verordnungen für die Grundversorgung zu strapazieren, müssen sie sich nicht über die Folgen wundern.

Mir ist bisher keine Entscheidung bekannt, in der der BGH den Versorgern in Verträgen außerhalb der Grundversorgung ein einseitiges Recht auf Preisanpassung zugebilligt hätte, sofern es sich nicht jeweils aus diesen Verträgen herleiten lies. Der BGH hat vielmehr in mehreren Entscheidungen das genaue Gegenteil geurteilt.

Auch das Urteil des BGH vom 29.4.08 sagt im Zusammenhang mit der Diskussion der ominösen \"Leitbildfunktion\" in Randnummer 29 \"Der Preis, den sie (Sondervertragskunden) zu zahlen haben, ergibt sich nicht aus dem allgemeinen, für jedermann geltenden Tarif der Beklagten, sondern aus der vertraglichen Vereinbarung in ... des Gasbezugsvertrages.\"

Im Übrigen wird die \"Leitbildfunktion\" in der Urteilsbegründung mehr verneint als bestätigt. Sie kann danach allenfalls für einzelne Aspekte gelten, gerade nicht aber für Preisanpassungsklauseln.

Offline tangocharly

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #3 am: 12. September 2008, 09:57:13 »
@jroettges

Ihr Kommentar zur \"Leitbildfunkton\" ist richtig. Von einer \"Leitbildfunktion\" - so wie sich die Revision des dortigen Verfahrens das vorstellte - kann keine Rede sein.

Und wer es nachlesen will Rn. 25, 26
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline Black

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #4 am: 12. September 2008, 10:05:58 »
Zitat
Original von jroettges

Er ist aber dort in Oldenburg auf Richter gestoßen, die sich die so strapazierten §§ 4 der AVBGasV und 5 der GVVGas wenigstens mal durchgelesen haben. Sie haben damit aus der Sicht der Versorger \"gesündigt\" wie das Kind in Christian Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern.

Was bitte steht denn in den beiden Paragraphen? Da wird, in ausschließlich für die Grund- und Ersatzversorgung geltenden Verordnungen, etwas zu zwingend einzuhaltenen Fristen und Abläufen gesagt. Mehr nicht.

Die Oldenburger Richter haben sich sogar der Mühe unterzogen, Geschichte und Hintergründe dieser Vorschriften zu recherchieren. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Gesetzgeber in diesen §§ ein Preisänderungsrecht begründen wollte. Das ergibt sich aus ganz anderen Überlegungen. Die §§ gehen schlicht davon aus, dass Grundversorger ein Recht zur einseitigen Preisänderung in der Grundversorgung haben und regeln Aspekte des Umgangs damit. Nicht mehr und nicht weniger.
.

Dass es sich bei den Regelungen  in § 4 AVBGasV (nun § 5 GasGVV) um ein gesetzliches Preisanpassungsrecht handelt ist vom BGH nun mehrfach bestätigt worden (BGH VIII ZR 36/06; BGH KZR 2/07 Rdn. 26) Insoweit ist unstreitig, dass diese Regelungen im Bereich der Grundversorgung ein Preisänderungsrecht begründen.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline jroettges

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #5 am: 12. September 2008, 12:00:24 »
@Black

Zitat
Insoweit ist unstreitig, dass diese Regelungen im Bereich der Grundversorgung ein Preisänderungsrecht begründen.

Das genau haben die Oldenburger Richter anders entschieden und sie haben es bewusst getan.
Die Regelungen begründen kein Preisänderungsrecht.
Sie gehen vielmehr davon aus, dass ein solches Recht besteht und regeln spezielle Aspekte des Umgangs damit.
Das ist der feine Unterschied!

Das konnten alle hören, die bei der Verhandlung anwesend waren.
Aber dazu muss man letztlich den Wortlaut des Urteils abwarten.

Offline Black

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #6 am: 12. September 2008, 12:30:08 »
Das ist schön für die Oldenburger Richter - und wahrscheinlich auch schön für den dort klagenden Verbraucher.

Natürlich darf ein jeder Richter von der Rechtsansicht des BGH abweichen. Relevanz im Rahmen der juristischen Grundsatzdiskussion besitzt diese Aussage - bislang wohl auch nur mündlich geäußert - nicht.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline elmex

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #7 am: 12. September 2008, 12:45:55 »
Zitat
Original von Ronny

Der BGH hat in seinem Urteil vom 29.04.2008 entschieden, dass § 4 Abs. 2 AVBGasV eine Leitbildfunktion zukommt und dass die vom betroffenen Versorger verwendete Klausel diesem Leitbild nicht entspricht, weil nicht die Verpflichtung zur Senkungen der Preise, sondern nur die Berechtigung der Erhöhung der Preise enthielt.

[...]

Der Begriff der Leitbildfunktion besagt, dass eine AGB-Regelung in Sonderkundenverträgen, die einer Regelung in der AVBGasV / GasGVV entspricht, wirksam ist, auch wenn sie den Regelungen des § 307 BGB nicht voll gerecht wird. Hintergrund hierfür ist, dass Normsonderkunden nicht besser gestellt werden sollen als Grundversorgungskunden, was auch unmittelbar einleuchtend ist.


Sie verklären zum einen, dass der Kartellsenat von einer Leitbildfunktion der betreffenden Klauseln im \"weiteren Sinne\" gesprochen hat. Es bleibt also völlig offen, ob der Wortlaut der AVBGasV/GasGVV als Normbild zur einzelvertraglichen Beurteilung von Abweichungen in der Form allgemeiner Geschäftsbedingungen überhaupt und generell in Frage kommen.

Eine Leitbildfunktion konkretisiert lediglich den vorgegebenen rechtlichen oder rechtlich gleichgesetzten Rahmen, von dem aus eine Abweichung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB im Einzelfall zu beurteilen ist. Paradebeispiel sind tarifvertragliche Regelungen im Arbeitsrecht.

Eine Leitbildfunktion bedeutet jedoch gerade nicht automatisch, dass eine zum Leitbild wortgleiche Preisanpassungsklausel automatisch dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entspricht. Danach kann sich nämlich in der Tat auch die Unwirksamkeit ergeben.

Im Übrigen sind die Besonderheiten der leitungsgebundenen Energieversorgung angemessen zu berücksichtigen. Ob sich daraus (wie beispielsweise nach der Rechtsprechung des BAG im Arbeitsrecht) zwingend Einschränkungen des Transparenzgebots an sich oder die Wirksamkeit sog. dynamischer Verweisungsklauseln herleiten läßt, vermag ich an der Stelle zu bezweifeln, jedoch nicht abschliessend zu bewerten...

Offline RR-E-ft

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #8 am: 12. September 2008, 13:52:39 »
@Ronny

Also hier wissen alle oder könnten wissen, dass § 315 BGB nur auf solche Vertragsverhältnisse außerhalb der \"gesetzlichen Versorgung\" zur Anwendung kommt, bei denen bei Vertragsabschluss ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der vom Kunden zu zahlenden Entgelte vereinbart wurde und dass in diesem Fall die aufgrund dieses vertraglich vereinbarten Leistungsbestimmungsrechts einseitig festgesetzten Entgelte der Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliegen.

Siehste hier

Mir ist bisher kein solcher Fall bekannt geworden, bei dem ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht bei Vertragsabschluss (wann sonst?) hinsichtlich der vom Kunden zu zahlenden Entgelte vereinbart wurde.

In den Sonderabkommen wurden bei Vertragsabschluss Sonder- Preise vereinbart. Ob diese nachträglich abgeändert werden können, richtet sich ausschließlich danach, ob eine wirksame Preisänderungsklausel einbezogen wurde.

Preisänderungsklauseln unterliegen der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB, für welche der weite Spielraum der Billigkeit nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung viel zu weit ist, vgl. BGH. Urt. v. 13.07.2004 (KZR 10/03) unter II.6:

Zitat
Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum
der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer
Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).

Ich meine, das sei eindeutig.

BGH, Urt. v. 19.10.1999 (XI ZR 8/99) = NJW 2000, 651:

Zitat
Die konkrete Ausgestaltung der beanstandeten Klauseln verstößt unabhängig davon auch gegen das sich aus § 9 AGBG ergebende Transparenzgebot. Danach sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (grundlegend: BGHZ 106, 42, 49 f.; 106, 259, 264 f.). Deshalb verstoßen Anpassungsklauseln, die dem Verwender ein uneingeschränktes Änderungsrecht vorbehalten, ohne daß der Kunde vorhersehen kann, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ihn höhere oder weitere Gebühren treffen, gegen das Transparenzgebot und sind unwirksam (BGHZ 136, 394, 402). Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlaß, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben (Brandner, in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 8. Aufl. § 9 Rdn. 100).

Auch eindeutig.

Nach der Rechtsprechung des BGH kommt § 4 AVBGasV in Bezug auf Preisänderungsklauseln ausdrücklich keine Leitbildfunktion zu, vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 (KZR 2/07) Rdn. 26:

Zitat
Hiernach kommt § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV Leitbildfunktion für die streitige Preisänderungsklausel nicht zu.

Das finde ich auch eindeutig.

@Black

Möglicherweise sprechen Sie vorgenannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes die Relevanz für die aktuelle juristische Diskussion nicht vollständig ab. Es kommt indes auch nicht darauf an, was Sie nun für relevant ansehen oder nicht.

Offline Black

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #9 am: 12. September 2008, 14:08:52 »
Zitat
Original von RR-E-ft

Zitat
Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum
der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer
Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).

Diese Wertung ist eigentlich der Tod für jede AGB rechtliche Festlegung eines Preisbestimmungsrechts nach § 315 BGB in Sonderverträgen (sofern man die gesondert zu betrachtende Leitbilddiskussion einmal aussen vor läßt).
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #10 am: 12. September 2008, 14:17:41 »
@Black

Wem sagen Sie das.

Es ist schlichtweg unmöglich, ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv. § 315 BGB als AGB- Preisänderungsklausel zu vereinbaren. Davon führe ich nicht erst seit 2004 die Rede.

Es entspricht schon lange der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Nach der Rechtsprechung des BGH muss sich nämlich die Berechtigung einer Preisänderung anhand der Klausel selbst kontrollieren lassen, vgl. BGH, Urt. v. 18.11.2007 (III ZR 274/06) Rdn. 33:

Zitat
Die fragliche Klausel erlaubt eine einseitige Preisänderung durch die Beklagte, ohne dass der Abonnent aus der Formulierung der Klausel ersehen kann, in welchem Umfang Preiserhöhungen auf ihn zukommen können und nach welchen Maßstäben die Preise erhöht werden. Dies benachteiligt die Abonnenten der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unngemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn die Bestimmung weicht vom Grundsatz der Vertragsbindung ab, ohne eine Preisänderung auf Fälle zu beschränken, bei denen Anlass und Ausmaß der Preiserhöhung vom Gebot des angemessenen Interessenausgleichs beherrscht werden. Die Klausel ermöglicht somit eine unzulässige Verschiebung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses [vgl. dazu BGHZ 158, 149, 158].

BGH, Urt. v. 18.11.2007 (III ZR 274/06) Rdn. 10:

Zitat
Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).

Für \"Strom- und Gas- Abonnenten\" gilt nichts anderes.

@Ronny

Also zumindest für Black ist es jetzt wohl sonnenklar geworden.

Offline Black

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #11 am: 12. September 2008, 14:26:59 »
Zitat
Original von RR-E-ft

Zitat
Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).

Leider mischt diese Rechtsansicht die Voraussetzungen von starren Kostenelementklauseln (sämtliche Bezugsgrößen offengelegt) bei denen auch der Versorger kein Ermessen mehr ausüben kann mit der Idee des § 315 eine einseitige Preisbestimmung nach billigem Ermessen ausüben zu können. Ich halte das für verfehlt, da hier verschiedene Prinzipien durcheinander geworfen werden.

Wenn der Versorger vorab Zeitabstände, Bezugsgrößen und Kostengewichtung einer Anpassung nennen kann, dann braucht er das Ermessen nach § 315 BGB ohnehin nicht mehr.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #12 am: 12. September 2008, 14:35:43 »
@Black

Der weite Spielraum der Billigkeit genügt den Anforderungen, die § 307 BGB an die Konkretisierung stellt, nicht.

Der Vorbehalt von Preiserhöhungen für den Fall, dass sich die Kosten nicht erhöhen, wäre sowieso unangemssen benachteiligend. Also können Preiserhöhungen nur für den Fall von Kostenerhöhungen vorbehalten werden, um eine Gewinnschmälerung zu vermeiden.

Eine solche Preisänderung infolge nachträglich eintretender Kostenerhöhungen muss sich jedoch anhand der Klausel selbst kontrollieren lassen, woraus sich die vom BGH  weiter aufgestellten  Voraussetzungen zwingend ergeben.

Ich gestehe jedoch zu, dass auch nach meiner Auffassung der BGH nicht davor gefeit ist, Regelungssysteme durcheinanderzubringen, so zB. in BGH, Urt. v. 13.06.2007 (VIII ZR36/06) den Regelungsgehalt des § 315 BGB einerseits und das Regelungsregime der §§ 145 ff. BGB andererseits. Das kommt schon mal vor. Hinsichtlich der Inhaltskontrolle von Preisänderungsklauseln gem. § 307 BGB  liegt ein solcher Verstoß jedoch nicht vor.

Offline Black

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« Antwort #13 am: 12. September 2008, 14:38:44 »
Zitat
Original von RR-E-ft

Der Vorbehalt von Preiserhöhungen für den Fall, dass sich die Kosten nicht erhöhen, wäre sowieso unangemssen benachteiligend. Also können Preiserhöhungen nur für den Fall von Kostenerhöhungen vorbehalten werden, um eine Gewinnschmälerung zu vermeiden.

Eine Preiserhöhung ohne gestiegene Bezugskosten hätte aber im Rahmen einer Billigkeitskontrolle auch keinen Bestand.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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« Antwort #14 am: 12. September 2008, 14:39:41 »
@Black

Mag sein.

Darauf kommt es jedoch für die Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB nun wirklich nicht an, vgl. nur BGH, Urt. v. 13.07.2004 (KZR 10/03) unter II.6.

Bei der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB geht es nicht um eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB.

Da bringen Sie etwas durcheinander.

Im Übrigen fiele eine Preiserhöhung bei der Billigkeitskontrolle auch bei gestiegenen Beschaffungkosten dann durch, wenn diese gestiegenen Beschaffungskosten durch rückläufige andere Kosten kompensiert werden.

Damit eine Preiserhöhung anhand einer Preisänderungsklausel selbst kontrolliert werden kann, erfordert § 307 BGB deshalb, dass die preisbildenden Faktoren und deren Gewichtigung an der Kalkulation des Preises bereits in der Klausel selbst offen gelegt werden.

 

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