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Autor Thema: Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln  (Gelesen 11281 mal)

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Offline Black

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #30 am: 12. September 2008, 17:18:48 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Zitat
Original von Black
Ich verstehe die Rechtsprechung so, dass eine Anwendung des § 315 BGB möglich ist, sofern die betreffende Klausel zugleich den Anforderungen des § 307 BGB entspricht. Da dies in den jeweiligen Entscheidungen nicht der Fall war kippte die klausel nach § 307 BGB und dieser Mangel konnte auch durch eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB nicht \"geheilt\" werden.

@Black
Das hätten Sie dann falsch verstanden.

§ 307 BGB erfordert eine derartige Konkretisierung, dass der weite Spielraum der Billigkeit einer solchen von Anfang an überhaupt nicht genügen kann, vgl. nur BGH, Urt. v. 13.07.2004 (KZR 10/03) unter II.6.
Der weite Spielraum der Billigkeit passt nicht in das enge Korstett des § 307 BGB. Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr.

Wenn der AGB- Verwender schon mit der Verwendung der Klausel selbst ein eigenes berechtigtes Interesse wahrnimmt, dann kann er nicht später durch eine nach billigem Ermessen zu treffenden Ermessensentscheidung nochmals ein eigenes Interesse wahrnehmen wollen. Das wäre ganz offensichtlich  zuviel Verfolgung eigener Interessen.

Die Zulässigkeit der Einbeziehung des § 315 BGB bei einer zweistufigen Prüfung (§§ 307, 315 BGB) wird übrigens auch von Ulmer vertreten:

Ulmer/Brandner/Hensen, AGB Recht, zu Vorb. § 307, Rdn. 67

Zitat
Ulmer Vorb. § 307, Rdn. 67§ 315 BGB ist dagegen anwendbar, sofern tatsächlich in AGB ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht wirksam vereinbart wurde. Die vorformulierte Einräumung eines solchen einseitigen Gestaltungsrechts in AGB unterliegt der Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 307-309, wobei insbesondere (...) die Anforderungen des Transparenzgebotes zu beachten sind. Nur wenn diese erste Stufe erfolgreich absolviert und die klausel wirksam ist kommt es auf einer zweiten Stufe zu der Untersuchung, ob die Ausübung der eingeräumten Gestaltungsmacht im Einzelfall dem billigen Ermesen entspricht.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #31 am: 12. September 2008, 17:26:00 »
@Black

Ulmer sagt ja auch, dass zuerst die Hürde des § 307 BGB zu nehmen sei. Diese ist mit einem im Übrigen uneingeschränkten Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB nicht zu nehmen. Eher käme ein Kamel durchs Nadelöhr.

Wenn etwa § 4 AVBGasV als AGB einbezogen worden wäre, so ergäbe sich aus einer solchen Klausel  weder auf Tatbestands- noch auf Rechtsfolgenseite etwas zur Änderung eines vereinbarten Gas- Sonderpreises, geschweige denn zu Anlass und Richtlinien einer solchen Anpassung.

Offline Black

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #32 am: 12. September 2008, 17:33:17 »
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Ulmer sagt ja auch, dass zuerst die Hürde des § 307 BGB zu nehmen sei. Diese ist mit einem im Übrigen uneingeschränkten Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB nicht zu nehmen. Eher käme ein Kamel durchs Nadelöhr.


Was denn nun? Es ist ein Unterschied ob etwas rechtlich unzulässig ist, oder die Hürde in der Praxis nur schwer zu überwinden ist.

Sie meinen Ulmer beschreibt extra eine zweistufige Prüfungsfolge, obwohl bereits Stufe 1. rechtlich niemals erfüllt werden kann?
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #33 am: 12. September 2008, 17:40:21 »
@Black

Die Motive von Ulmer sind mir nicht bekannt.

Die Hürde des § 307 BGB ist m.E. nicht zu nehmen.
Nicht meint gar nicht und nicht etwa schwer.

Wird eine Preisänderung allein von einer der Billigkeit entsprechenden Ermessensentscheidung abhängig gemacht, ist dies nicht geeignet,  eine notwenig hinreichende Konkretisierung hinsichtlich Anlass und Richtlinien zu gewährleisten.

Hätte man eine notwendig hinreichende Konkretisierung, so muss sich die Anpassung nach dieser richten, nicht aber nach dem weiten Spielraum der Billigkeit.

Nochmals:

Der BGH verlangt, dass man die Preisänderung anhand der Klausel selbst auf ihre Berechtigung hin kontrollieren kann. Das ist dann nicht der Fall, wenn dafür erst noch eine gerichtliche Billigkeitskontrolle erforderlich ist. Das eine schließt das andere aus.

Offline Black

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #34 am: 12. September 2008, 17:46:24 »
Zitat
Original von RR-E-ft

Nochmals:

Der BGH verlangt, dass man die Preisänderung anhand der Klausel selbst auf ihre Berechtigung hin kontrollieren kann. Das ist dann nicht der Fall, wenn dafür erst noch eine gerichtliche Billigkeitskontrolle erforderlich ist. Das eine schließt das andere aus.

Also vertritt Ulmer eine vom BGH abweichende Ansicht?

Zitat
Original von RR-E-ftDie Hürde des § 307 BGB ist m.E. nicht zu nehmen.
Nicht meint gar nicht und nicht etwa schwer .

Dann würde Ulmer sinnlose Phrasen schreiben. Wenn er ein Ergebnis in Aussicht stellt - Klausel X ist wirksam unter Bedingung Y und Bedingung Y niemals erfüllt werden könnte, dann wäre diese Aussage wertlos und in einem Kommentar überflüssig.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #35 am: 12. September 2008, 17:50:49 »
@Black

Ich weiß nicht, ob Ulmer eine vom BGH abweichende Meinung vertritt. Es wäre ihm jedenfalls nicht verboten.

Bezieht sich Ulmer denn überhaupt auf Preisänderungsklauseln, also auf die nachträgliche Änderung der vertraglichen Haupt- Gegenleistung?

Das kann entscheidend sein, vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 (KZR 2/07) Rdn. 23.

Zitat
Wird eine Preisänderung allein von einer der Billigkeit entsprechenden Ermessensentscheidung abhängig gemacht, ist dies nicht geeignet, eine notwenig hinreichende Konkretisierung hinsichtlich Anlass und Richtlinien zu gewährleisten.

Hätte man eine notwendig hinreichende Konkretisierung, so muss sich die Anpassung nach dieser richten, nicht aber nach dem weiten Spielraum der Billigkeit.

Nochmals:

Der BGH verlangt, dass man die Preisänderung anhand der Klausel selbst auf ihre Berechtigung hin kontrollieren kann. Das ist dann nicht der Fall, wenn dafür erst noch eine gerichtliche Billigkeitskontrolle erforderlich ist. Das eine schließt das andere aus.



Ich habe da dieses Werk von BBH zu § 315 BGB. Das ist auch voller Phrasen. Von denen weiß ich jedoch, dass es ihnen dabei ums Geldverdienen ging. Möglicherweise gilt es manchmal, einfach noch ein paar Seiten zu füllen. Wie gesagt, die Motive des Autors sind mir nicht bekannt.

Offline Black

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #36 am: 12. September 2008, 18:05:43 »
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Ich weiß nicht, ob Ullmer eine vom BGH abweichende Meinung vertritt. Es wäre ihm jedenfalls nicht verboten.

Bezieht sich Ullmer denn überhaupt auf Preisänderungsklauseln, also auf die nachträgliche Änderung der vertraglichen Haupt- Gegenleistung?

Das kann entscheidend sein, vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 (KZR 2/07) Rdn. 23.

Ich habe da dieses Werk von BBH zu § 315 BGB. Das ist auch voller Phrasen. Von denen weiß ich jedoch, dass es ihnen dabei ums Geldverdienen ging. Möglicherweise gilt es manchmal, einfach noch ein paar Seiten zu füllen. Wie gesagt, die Motive des Autors sind mir nicht bekannt.

So kann man auch mit abweichenden Rechtsansichten umgehen. Der Mann heißt Ulmer, nicht Ullmer.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #37 am: 12. September 2008, 18:08:08 »
@Black

Mein Fehler. Kein Wunder, dass ich dessen Nummer nicht im Telefonbuch finde, um ihn ggf. wegen des Hintergrundes zu befragen.

In der Entscheidung BAG v. 12.01.2005 (5 AZR 364/04) ging es um die Frage der Wirksamkeit eines Widerrufsrechts in den AGB des Arbeitsvertrages. Dabei heißt es:

Zitat
Die Vertragsregelung der Parteien wird den formellen Anforderungen von §308 Nr.4, §307 BGB nicht gerecht.

a)Was die Vertragsregelung enthalten muss, richtet sich nicht allein nach §307 Abs.1 Satz2 BGB. Die Bestimmung muss nicht nur klar und verständlich sein. Sie darf auch als solche nicht unangemessen benachteiligen; die Vereinbarung des konkreten Widerrufsrechts muss zumutbar sein. Das bedeutet: Die Bestimmung muss die Angemessenheit und Zumutbarkeit erkennen lassen. Der Maßstab von §307 Abs.1, Abs.2, §308 Nr.4 BGB muss nach dem Text der Klausel zum Ausdruck kommen. Es muss sich aus der Regelung selbst ergeben, dass der Widerruf nicht ohne Grund erfolgen darf (BGH v. 3.6.1998 … VIII ZR 317/97, NJW 1998, 3114, zu III 3 der Gründe; BGH v. 17.2.2004 … XI ZR 140/03, BGHZ 158, 149 = ZIP 2004, 798, zu II 2 b bb der Gründe, dazu EWiR 2004, 587 (Hensen)).

b)Voraussetzungen und Umfang der vorbehaltenen Änderungen müssen möglichst konkretisiert werden. Die widerrufliche Leistung muss nach Art und Höhe eindeutig sein, damit der Arbeitnehmer erkennen kann, was ggf. ¹auf ihn zukommt“. Diese Anforderung lässt sich auch angesichts der Besonderheiten des Arbeitsrechts (§310 Abs.4 Satz2 BGB) im Regelfall erfüllen. Bei den Voraussetzungen der Änderung, also den Widerrufsgründen, lässt sich zumindest die Richtung angeben, aus der der Widerruf möglich sein soll (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers). Welches die Gründe sind, ist keineswegs selbstverständlich und für den Arbeitnehmer durchaus von Bedeutung. Der Grad der Störung (wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, negatives wirtschaftliches Ergebnis der Betriebsabteilung, nicht ausreichender Gewinn, Rückgang der bzw. Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung, unterdurchschnittliche Leistungen des Arbeitnehmers, schwerwiegende Pflichtverletzungen) muss konkretisiert werden, wenn der Verwender hierauf abstellen will und nicht schon allgemein auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Leistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers gestützte Gründe nach dem Umfang des Änderungsvorbehalts ausreichen und nach der Vertragsregelung auch ausreichen sollen.

c)Der Arbeitsvertrag der Parteien nennt keine Widerrufsgründe. Vielmehr soll die Beklagte das Recht haben, die genannten Leistungen \"jederzeit unbeschränkt“ zu widerrufen. Dieser Änderungsvorbehalt ist nicht zumutbar.

Zitat
Neben der Inhaltskontrolle steht weiterhin die Ausübungskontrolle im Einzelfall gem. §315 BGB. Die Erklärung des Widerrufs stellt eine Bestimmung der Leistung durch den Arbeitgeber nach §315 Abs.1 BGB dar. Der Widerruf muss im Einzelfall billigem Ermessen entsprechen. Daran hat die generelle Regelung der §§305ff. BGB nichts geändert. Der Umfang des Widerrufsrechts wird hier nicht durch objektive Beurteilungsmaßstäbe abschließend festgelegt (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO, §315 BGB Rz.6; Preis, aaO, §§305 bis 310 BGB Rz.8, 51, 52, 61 m.w.N.).

Das bedeutet nun jedoch nicht, dass es zulässig wäre, in die AGB einen Widerrufsvorbehalt aufzunehmen, wonach der Verwender ein allein nach billigem Ermessen auszuübendes Widerrufsrecht hat. Ein solcher Widerrufsvorbehalt verstieße gegen § 307 BGB, ohne dass es danach erst  noch zu einer Ausübungskontrolle im Einzelfall gem. § 315 BGB kommt.

Für eine Preiserhöhungsklausel bedarf es eines berechtigten Interesses. Ein solches besteht in Bezug auf einen unvorhersehbaren, vom Klauselverwender nicht beeinflussbaren nachträglichen Kostenanstieg.
Erforderlich ist aber, dass Anlass, Richtlinien einer Preiserhöhung in der Klausel konkret festgelegt werden. Die Kalkulation muss bereits in der Klausel selbst offen gelegt werden.

Offline RR-E-ft

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Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln
« Antwort #38 am: 16. September 2008, 14:52:40 »
@Black

OLG Oldenburg, Urt. v. 05.09.2008 (12 U 49/07)

@Ronny

Was sagen Sie denn ggf. zum Inhalt dieses Urteils des OLG Oldenburg?

Zitat
Die von der Beklagten verwendeten Bestimmungen sind unwirksam, weil sie gegen das Transparenzgebot verstoßen (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Transparenzgebot ist aus zwei Gründen verletzt. Zum einen kann - selbst der juristisch vorgebildete - Kunde aus § 4 AVBGasV sowie § 5 Abs. 2 GasGVV nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass der Versorger hiermit ein einseitiges Preisanpassungsrecht zu seinen Gunsten begründen will. Zum anderen sagen die Bestimmungen nichts darüber aus, nach welchen Regeln eine Preisanpassung vollzogen werden soll.

Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (BGHZ 106, 49. BGH NJW 2000, 651. 2001, 2014,16). Begründet eine Klausel wirtschaftliche Belastungen, ist es ein Gebot von Treu und Glauben, die Nachteile so klar zu formulieren, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH NJW 1999, 2279. BGH NJW 2001, 2014, 2016). Für die Wirksamkeit einer Preisanpassungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt es danach entscheidend darauf an, dass der Vertragspartner des Verwenders die Möglichkeit und den Umfang der auf ihn zukommenden Preissteigerungen beim Vertragsschluss aus der Formulierung der Klausel erkennen und die Berechtigung einer von dem Verwender vorgenommenen Erhöhung an der Ermächtigungsklausel selbst messen kann. Das Transparenzgebot soll verhindern, dass der Verwender durch einen ungenauen Tatbestand oder eine ungenaue Rechtsfolge ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume in Anspruch nehmen und das vertragliche Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zu seinen Gunsten verschieben kann (OLG Stuttgart NJWRR 2005, 858. OLG Bremen a.a.O. = Bd. III Bl. 68, 78 d.A.. PalandtGrüneberg § 307 Rz. 23 ). Die tatbestandlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen der Klausel müssen deshalb für den anderen Vertragsteil aus der Sicht eines aufmerksamen und sorgfältigen Betrachters nachprüfbar sein und dürfen keine Irreführung bewirken. Dies muss insbesondere im Rahmen einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, die sich ein Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen vorbehält, beachtet werden. Solche Rechte sind in besonderer Weise geeignet, das Interesse des Vertragspartners an jederzeitiger Kenntnis der vertraglichen Rechts und Pflichtenlage unzumutbar zu beeinträchtigen. Klauseln, die eine Preisanpassung wegen und auf der Grundlage sich verändernder Kosten (sog. Kostenelementeklauseln) vorsehen, sind danach unwirksam, wenn sie dem Verwender nicht nur einen Ausgleich für gestiegene Kosten, sondern eine zusätzliche Gewinnerzielung ermöglichen (BGH NJW 2005, 1717. NJW 2007, 1054, 1055. OLG Frankfurt vom 13.12.2007 – 1 U 41/07 = Bd. III Bl. 2664, 270 d.A.. OLG Köln OLGR 2006, 341). Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (BGH NJW 2007, 1054, 1055. OLG Bremen a.a.O. = Bd. III Bl. 68, 79. OLG Celle vom 17. Januar 2008 – 13 U 152/07 = Bd. IV Bl. 122, 124 d.A.).

Diesen Anforderungen genügen die Regelungen in § 4 AVBGasV und § 5 GasGVV offensichtlich nicht.

Zunächst lassen sie nicht erkennen, dass hiermit überhaupt ein Preisanpassungsrecht begründet werden sollte. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zum Wortlaut und zum rechtlichen Hintergrund der Vorschriften Bezug genommen werden. Selbst wenn man insoweit dem Rechtsstandpunkt der Beklagte folgen wollte, so erschließt sich die Absicht, durch die Verweisung ein Preisänderungsrecht zu schaffen, für den juristischen Laien erst über einen Rückschluss sowie durch eine Auswertung einzelner energierechtlicher Kommentarstellen bzw. der erst in neuerer Zeit ergangenen Rechtsprechung zur Rechtslage bei allgemeinen Tarifkunden.

Außerdem sind die Regelungen inhaltlich intransparent. Sie nennen kein einziges Kriterium, aus dem sich die sachlichen Voraussetzungen und der zulässige Umfang einer Preisänderung ergeben könnten. Das gleiche gilt für die ergänzende Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Beklagte ab dem 1. April 2007 ihren Verträgen zugrunde legen will. Zwar heißt es dort, dass sich die Preise im Sonderkundenbereich in gleicher Weise ändern würden wie im Bereich der Grundversorgung. Da es aber an einer transparenten Regelung für die Grundversorgung fehlt, erfasst dieser Mangel auch die Bestimmung über die Sonderkunden.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass den Bestimmungen der AVBGasV bzw. GasGVV eine „Leitbildfunktion im weiteren Sinne“ zukommen kann und sie damit einen Hinweis darauf geben können, was auch im Vertragsverhältnis mit Sonderabnehmern als (noch) im Einklang mit § 307 BGB anzusehen ist (vgl. BGH vom 29. April 2008 – KZR 2/07. NJW 1998, 1640, 1642. Wolf/Horn/LindacherHorn a.a.O. § 23 Rz. 143. abl. etwa Münchener KommentarBasedow a.a.O. § 310 Rz. 16). Selbst wenn für die hier in Rede stehenden § 4 AVBGasV bzw. § 5 GasGVV das Leitbild zeigen sollte, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit von Preisänderungen im laufenden Vertragsverhältnis befürwortet, gibt es zumindest keine Antwort auf die entscheidungserhebliche Frage, unter welchen Voraussetzungen, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Umfang Preise erhöht werden dürfen oder auch wieder gesenkt werden müssen (OLG Hamm vom 6. März 2008 – 2 U 114/07). Ein Leitbild für eine ausgewogene Regelung, die beiden Vertragsseiten gerecht wird, müsste die Kriterien aufzeigen, nach denen die Anpassung der Preise stattfinden soll. Denn nur dadurch würde dem Kunden die erforderliche Kontrollmöglichkeit verschafft werden. Ohne Festlegung dieser Voraussetzungen hätte er insbesondere im Fall einer Kostensenkung keine Möglichkeit, eine Preisermäßigung durchzusetzen. Da er nicht einmal weiß, welche Kosten mit welcher Gewichtung in die Kalkulation eingehen, könnte beispielsweise sein Hinweis auf gesunkene Bezugskosten ohne weiteres durch das Argument entkräftet werden, es seien inzwischen Kostensteigerungen in anderen Bereichen eingetreten.

Im Übrigen wäre es unbillig, wenn Preisanpassungsklauseln, welche die für eine Preisänderung maßgebenden Kostenelemente (detailliert) benennen und damit für den Verbraucher eine gewisse Transparenz schaffen, bei der Wirksamkeitsprüfung einer strengeren Kontrolle unterlägen als eine Klausel, die sich allein auf einen nichts sagenden Verordnungstext bezieht (OLG Celle vom 17. Januar 2008 – 13 U 152/07).

Die Intransparenz der Regelungen in § 4 AVBGasV bzw. § 5 GasGVV wird auch nicht durch ein Kündigungsrecht der Kläger oder die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB ausreichend kompensiert. Die Einräumung eines Kündigungsrechts kann den Mangel der Preisanpassungsklausel allenfalls unter bestimmten Bedingungen ausgleichen. Dies hängt von der konkreten Ausgestaltung des Kündigungsrechts ab. Dabei sind die Art des Vertrages, die typischen Interessen der Vertragsschließenden und die die jeweilige Klausel begleitenden Regelungen zu berücksichtigen (BGH NJW 2007, 1054, 1056). Eine Kompensation scheidet im vorliegenden Fall schon deshalb aus, weil den Klägern das Recht zur Lösung vom Vertrag nicht spätestens gleichzeitig mit der Preiserhöhung, sondern erst nach deren Wirksamwerden zugebilligt wird. Ein angemessener Ausgleich setzt aber voraus, dass der Kunde vorab über die beabsichtigte Preisänderung informiert wird und sich vom Vertrag lösen kann, bevor sie wirksam wird (BGH a.a.O.). Das Kündigungsrecht der Kläger nach § 32 Abs. 2 AVBGasV besteht jedoch erst “mit zweiwöchiger Frist auf das Ende des der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Kalendermonats“. Nach den vorliegenden Ankündigungen traten die Preiserhöhungen bereits zum 1. des Folgemonats in Kraft, so dass für die Kläger keine rechtzeitige Kündigungsmöglichkeit bestand (vgl. OLG Hamm vom 6. März 2008 – 2 U 114/07). Im Übrigen besteht ein weiterer Nachteil, der geeignet ist, den Kunden von einer vorzeitigen Kündigung Abstand nehmen zu lassen. Ein Ausweichen auf einen anderen Energieträger ist in aller Regel nur mit erheblichem Kostenaufwand durchführbar bzw. für Mieter ohnehin unmöglich (ebenso OLG Hamm vom 6. März 2008 – 2 U 114/07. vgl. auch OLG Dresden vom 11. Dezember 2006 – U 1426/06Kart, S. 19ff. OLG Bremen vom 16. November 2007 – 5 U 42/06). Auch dieser Gesichtspunkt schließt es aus, in der Kündigungsmöglichkeit eine ausreichende Kompensation für die Intransparenz der Klausel zu sehen. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Kläger mangels Wettbewerbs von keinem anderen Versorger Erdgas beziehen konnten und deshalb nur die Möglichkeit gehabt hätten, in die teurere Grundversorgung zu wechseln.

Auch eine gerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB kann keinen angemessenen Ausgleich für die fehlende Transparenz der Regelung des § 4 AVBGasV bzw. § 5 GasGVV bieten. Der Kunde hat mangels Kenntnis der Preiskriterien keine realistische Möglichkeit, eine Erhöhung des vereinbarten Preises auf ihre Berechtigung zu überprüfen. Dementsprechend kann er nicht beurteilen, ob eine gerichtliche Billigkeitsprüfung überhaupt Aussicht auf Erfolg hat. Folglich kann eine solche Prüfung keinen angemessenen Ausgleich für die fehlende Transparenz der Preisklausel darstellen. Das aus § 307 Abs. 1 BGB folgende Bestimmtheits und Transparenzgebot soll nach Möglichkeit gerade verhindern, dass es im Einzelfall zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt und der Kunde eine Preiserhöhung nur deshalb hinnimmt, weil sich das zulässige Ausmaß nicht beurteilen lässt (OLG Hamm a.a.O.). Insofern kann die Kontrollmöglichkeit nach § 315 Abs. 3 BGB die notwendige Eingrenzung und Konkretisierung einer AGBKlausel nicht ersetzen (OLG Frankfurt vom 13. Dezember 2007 – 1 U 41/07).

 

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