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Autor Thema: OLG Thüringen, Urt. v. 26.09.2007 – 2 U 227/07, Verjährung Rückforderung bei Zahlung unter Vorbehalt  (Gelesen 7044 mal)

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OLG Thüringen, Urt. v. 26.09.2007 – 2 U 227/07, Verjährung Rückforderung bei Zahlung unter Vorbehalt

Besteht ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und ist die Bestimmung des zur Leistungsbestimmung Berechtigten gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unbillig, so besteht von Anfang an keine fällige Forderung des Leistungsbestimmungsberechtigten.

Geleistete Zahlungen erfolgen deshalb insgesamt auf eine Nichtschuld und begründen somit  einen sofort fälligen Rückforderungsanspruch gem. § 812 BGB, welcher der regelmäßigen Verjährung unterliegt.

Zitat
Eine unbillige Leistungsbestimmung führt im Hinblick auf die
Leistung des Schuldners dazu, dass die Leistung von Anfang an unwirksam ist, und zwar insbesondere dann, wenn, wie im vorliegenden Falle, die Leistung unter Vorbehalt erfolgt (so auch LG Mainz aaO.).

Die Unverbindlichkeit nach § 315 BGB tritt dabei automatisch ein und muss nicht gesondert geltend gemacht werden (vgl. Staudinger/Rieble, BGB, § 315 Rdnr. 149). Dass der Gesetzgeber in § 315 BGB nicht wie in anderen Regelungen den Begriff der Nichtigkeit verwendet, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn die Wortwahl bringt lediglich die anders schwer zu fassende „Halbseitigkeit“ der Unwirksamkeit zum Ausdruck, die
darauf zurückzuführen ist, dass die unbillig entscheidende Vertragspartei an die eigene Erklärung gebunden bleibt (Staudinger/Rieble, BGB, § 315 Rdnr. 151).

Die Unverbindlichkeit hat grundsätzlich zur Konsequenz, dass die Forderung für den Schuldner weder fällig noch erfüllbar ist[Staudinger/Rieble, BGB, § 315 Rdnr. 278].

Eine dennoch unter Vorbehalt erbrachte Leistung ist rechtsgrundlos und kann ab dem Zeitpunkt ihrer Erbringung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB zurückgefordert werden.

Die Leistung ist nicht unwirksam, jedoch die unbillige Leistungsbestimmung des Gläubigers gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB für den anderen Vertragsteil unverbindlich (unwirksam) und mithin kann sie keinen wirksamen Rechtsgrund für die Leistung (Zahlung) des Schuldners  darstellen, so dass die Zahlung des Schuldners von Anfang an rechtsgrundlos erfolgt. Siehste auch hier.

Die Unwirksamkeit der Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB tritt für den anderen Vertragsteil dabei automatisch ein.

Dies hat zur Folge, dass die Leistung des Schuldners (Zahlung) insgesamt rechtsgrundlos erfolgte, da im Zeitpunkt der Leistung gar keine fällige Forderung des Gläubigers bestand, auf die hätte geleistet werden können.

Der deshalb sofort fällige Rückforderungsanspruch gem. § 812 BGB unterliegt der regelmäßigen Verjährung, unabhängig davon, ob die Zahlung vorbehaltlos oder unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet wurde. Die Zahlung unter Vorbehalt ändert an der Verjährung des bereits fälligen Rückforderungsanspruchs nichts.

Die Verjährung der Rückforderungsansprüche hinsichtlich rechtsgrundlos geleisteter Zahlungen haben all jene Verbraucher zu besorgen, die entweder aufgrund unbilliger Preisfestsetzungen des gesetzlich zur einseitigen Leistungsbestimmung berechtigten Grundversorgers oder infolge unwirksamer Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen rechtsgrundlose Zahlungen an den Energielieferanten  geleistet haben.

Oft ergibt sich das der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegende einseitige Leistungsbestimmungsrecht aus dem Gesetz.

Hierzu hatte der Kartellsenat des BGH im Urteil vom 04.03.2008 - KZR 29/06 in Randnummer 20 ausgeführt:

Zitat
Ebenso wie der Gesetzgeber den Energieversorgern, die nach § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jederman geltende Tarife aufzustellen haben, hierdurch ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hat (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17), ist damit den Netzbetreibern, die allein über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse verfügen, das Recht gegeben worden, unter Beachtung der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes und ggf. der durch Rechtsverordnung konkretisierenden Kriterien allgemeine Entgelte für die Netznutzung zu bilden.

Entsprechendes gilt für die vom Versorger einseitig zu bildenden Allgemeinen Preise der Grund- und Ersatzversorgung mit Elektrizität und Gas gem. §§ 36, 38 EnWG, bei denen sich ebenfalls das einseitige Leistungsbestimmungsrecht aus dem Gesetz ergibt.

Hierzu hatte der Kartellsenat in seiner Pressemitteilung zum Urteil vom 29.04.2008 - KZR 2/07 festgestellt, dass das einseitige Leistungsbestimmungerecht des Versorgers gem. § 10 EnWG 1998 i.V.m. § 4 AVBV es erfordert, dass die einseitige Leistungsbestimmung jederzeit der Billigkeit entspricht und damit bereits von Gesetzes wegen auch die Verpflichtung zu Preisabsenkungen nach Vertragsabschluss einschließt.

Die einseitigen Preisbestimmungen des Grundversorgers müssen jederzeit der gesetzlichen Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen Versorgung entsprechen.

Auch wenn das Thüringer OLG die Auffassung vertritt, die Unverbindlichkeit trete automatisch ein, so sollte man doch die infolge eines (gesetzlichen) einseitigen Leistungsbestimmungsrechts neu festgesetzten Entgelte immer wieder vorsorglich schriftlich insgesamt, bestehend aus Grund- und Arbeitspreis, als unbillig rügen und sich gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auf deren Unverbindlichkeit berufen.

Und natürlich achte man tunlichst darauf, dass durch weitere rechtsgrundlose Zahlungen gar nicht erst ein Rückforderungsanspruch entsteht, der dann verjähren/ verwirken kann, wenn er nicht unter großem Aufwand rechtzeitig zurückgeklagt wird.


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Siehe auch LG Nürnberg-Fürth, Urt. vom 19.5.2006 – 4 HK O 11647/05

 

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