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Autor Thema: Gaspreisurteil LG Berlin vom 19.06.2006 - 34 O 611/05  (Gelesen 5441 mal)

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Offline RR-E-ft

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Gaspreisurteil LG Berlin vom 19.06.2006 - 34 O 611/05
« am: 29. August 2006, 19:54:00 »
[ 34-O-611-05  19-06-2006 ]

Über das Urteil des LG Berlin vom 19.06.2006 - 34 O 611/05 wurde bereits berichtet.

http://www.morgenpost.de/content/2006/06/20/wirtschaft/836431.html


Das Urteil wird sich hoffentlich demnächst in der Urteilssammlung befinden.

Die wesentlichen Aussagen des Urteils sind Folgende:

Bei Gaslieferungsverträgen ist zu unterscheiden zwischen Tarif- bzw. nunmehr Grundversorgungsverträgen gem. § 36 EnWG - für welche b.a.w. die Bestimmungen der AVBGasV gelten - und Sonderverträge mit Haushaltskunden gem. § 41 EnWG.

Die Unterscheidung habe das Gasversorgungsunternehmen in der Hand.

Nur auf echte Tarifkundenverträge im vorgenannten Sinne finden die Bestimmungen der AVBGasV direkte Anwendung, nicht jedoch bei allen Formen von Sonderpreisregelungen (auch Norm- Sonderverträge genannt).

Es ist dem Gasversorger verwehrt, Kunden, die zu Sonderpreiskonditionen beliefert werden, als Tarifkunden zu deklarieren und sich auf die direkte Anwendung der Bestimmungen der AVBGasV kraft normativer Einbeziehung zu berufen.

Preisanpassungsklauseln in solchen Sonderverträgen müssen dem Transparenzgebot entsprechen, § 307 BGB.

Der Kunde muss erkennen können, woran sich eine Preiserhöhung bemisst. Das Versorgungsunternehmen soll als AGB- Verwender nicht durch ungenaue Voraussetzungen oder eine ungenaue Rechtsfolge die Möglichkeit erhalten, ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume in Anspruch zu nehmen und dadurch das bisherige Verhältnis von Leistung und Gegenleitsung zu seinen Gunsten zu verändern (BGH NJW-RR 2005, 1717; OLG Stuttgart, NJW-RR 2005, 852).

Letzteres wird aber möglich, wenn die Preisanpassungsklausel es ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Die Voraussetzungen einer Preisanhebung müssen deshalb möglichst klar festgelegt sein.


Dem würde auch § 4 AVBGasV als Vertragsklausel in einem Sondervertrag nicht entsprechen.

Denn die konkrete Art einer Preisanpassung ist darin nicht geregelt.

Einer Inhaltskontrolle wäre § 4 AVBGasV zu unterziehen, wenn er in einem Sondervertrag Verwendung fände. Denn die Regelungen der AVBGasV haben im Rahmen von Sondervertragsverhältnissen nicht Gesetzes- bzw. Verordnungsqualität, sondern nur die Qualität von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Gesetzesqualität haben sie nur in ihrem eigentlichen Geltungsbereich, dem Tarifkundenbereich bzw. dem Bereich der Grundversorgung.

Für den Sonderkundenbereich bzw. den Sondervertragsbereich gilt die AVBGasV aber gar nicht.

Daher können ihre Regelungen auch nicht qua Gesetz und als Gesetz unwirksame AGB- Klauseln ersetzen.

Die Preiserhöhung kann auch nicht ersatzweise auf § 4 AVBGasV gestützt werden, weil diese Norm etwa ein Leitbild beinhalte:

Als Leitbild würde die Norm nur zeigen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit von Preiserhöhungen im laufenden Vertragsverhältnis befürwortet, aber gerade nichts hergeben für die relevanten Fragen, unter welchen Voraussetzungen zu welchen Zeitpunkten in welchem Umfange Preise erhöht werden dürfen oder auch wieder gesenkt werden müssen.

Eine gesetzliche Bestimmung, die an die Stelle der unwirksamen Klausel treten könnte, besteht mithin nicht.

Insbesondere § 4 AVBV ist keine gestzliche Bestimmung, die für Sonderverträge gilt.

Auf unwirksame Klauseln können Preiserhöhungen nicht gestützt werden.

Fehlt es an einer vertraglichen Rechtsgrundlage, sind darauf gestützte Preiserhöhungen zugleich unwirksam.


Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
Rechtsanwalt

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Gaspreisurteil LG Berlin vom 19.06.2006 - 34 O 611/05
« Antwort #1 am: 04. September 2006, 11:58:38 »
Ich konnte das Urteil in der Urteilssammlung noch nicht finden, obschon es in diese längst eingestellt sein soll:

http://www.energieverbraucher.de/de/Allgemein/energiepreise_runter/site__1711/

Offline RR-E-ft

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Gaspreisurteil LG Berlin vom 19.06.2006 - 34 O 611/05
« Antwort #2 am: 05. September 2006, 14:14:21 »
Das Urteil steht hier zum Download bereit:

http://www.energieverbraucher.de/files_db/dl_mg_1156922719.pdf

 

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