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Autor Thema: Sperrandrohung trotz Gerichtsurteil  (Gelesen 3995 mal)

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Offline gasol

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Sperrandrohung trotz Gerichtsurteil
« am: 21. August 2006, 23:54:55 »
Trotz Urteil des LG Oldenburg im Februar 2006 hat die EWE erneut einer Gaskundin die Versorgungssperre mit konkreter Datumsnennung angekündigt.

Mit o.a. Urteil war der EWE für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro, im Fall der Nicht-Beitreibung Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht worden.

Die Kundin hat mit unserer Hilfe die vorgesehenen Maßnahmen einschließlich Schutzschrift durchgeführt.

Inzwischen hat sich die EWE schriftlich entschuldigt und die Sperrandrohung als gegenstandslos zurück genommen.

Sollte hier nur mal wieder jemand eingeschüchtert werden?

Mit freundlichem Gruß

gasol

Offline RR-E-ft

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Sperrandrohung trotz Gerichtsurteil
« Antwort #1 am: 22. August 2006, 11:12:59 »
@gasol

Offensichtlich besteht immer noch ein großes Missverständnis.

Eine Gerichtsentscheidung eines Zivilgerichts betrifft immer nur die daran beteiligten Parteien.

Ebenso verhält es sich mit dem Beschluss des LG Oldenburg vom 15.02.2006.

Mit diesem wurde dem Versorger lediglich untersagt, dem Antragsteller die Versorgungseinstellung anzudrohen. Keinesfalls wurde dem Versorger damit untersagt, allen vergleichbaren Kunden die Versorgungseinstellung anzudrohen.

Ebenso verhält es sich mit Urteilen, die eine Preiserhöhung für unwirksam erklären oder Rückzahlungen zuviel gezahlter Energiepreisforderungen anordnen.

Deshalb muss sich ja jeder selbst zur Wehr setzen, jeder seinen Prozess führen, den er besser oder schlechter führen kann, was dann auch andere Ergebnisse zeitigen kann.

Wer also meint, er partizipiere etwa direkt an einer Entscheidung des LG Hamburg in Sachen E.ON Hanse ohne selbst beteiligter Kläger zu sein, der ist auf deutsch gesagt, auf dem Holzweg !!!


Ebenso wird es sich mit den Entscheidungen des BGH nach den Urteilen der LG Heilbronn und Karlsruhe verhalten. Allein die Entscheidung in Rechtsfragen wird übertragbar sein, nicht jedoch die Entscheidung in Tatsachenfragen.

Es wird Zeit, dass dieser vollkommene Irrtum, auf den immer wieder hingewiesen wurde,  nun endlich einmal bewusst wird.

Aufwachen !!!

Wer eine abschließende Klärung für sich und seinen konkreten Fall sucht, kommt nicht umhin, selbst einen Prozess zu führen, ob nun passiv als Beklagter oder aktiv als Kläger.

Deshalb ist es auch vollkommen unsinnig, etwa als Vorbehaltszahler auf eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung in einem anderen Verfahren zu warten, an dem man selbst nicht beteiligt ist.

Bis dahin können eigene Rückforderungsansprüche auch schon längst verjährt sein.

Deshalb ist das oft propagierte Abwarten und Aussitzen  nicht unbedingt zielführend.

Nochmals:

Gerichtsentscheidungen werden nur zwischen den am konkreten Verfahren beteiligten Parteien bindend.

Deshalb sind die Versorger so froh, dass sie es weitgegehend selbst in der Hand haben, ob nun Gerichte über die Zulässigkeit der Preiserhöhungen entscheiden oder nicht:

Wo kein Kläger, da kein Richter.

In Bremen, Berlin, Dresden, Hamburg, Heilbronn, Oldenburg oder aber Delmenhorst wird nicht über die Zulässigkeit von Preiserhöhungen andernorts entschieden!!!



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline gasol

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Sperrandrohung trotz Gerichtsurteil
« Antwort #2 am: 22. August 2006, 23:28:06 »
So weit, so gut.

Aber dann können wir uns alle in irgendwelchen Beiträgen und Dokumenten die ständigen Hinweise auf Gerichtsentscheidungen sparen.

Wozu dann die Gier, Gerichtsurteile nach Möglichkeit schon gestern als Download vorzufinden?

Mit freundlichem Gruß

gasol

Offline RR-E-ft

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Sperrandrohung trotz Gerichtsurteil
« Antwort #3 am: 23. August 2006, 22:58:04 »
@gasol

Wenn in meiner obigen Antwort etwas von "Aufwachen" stand, so habe ich Sie damit nicht persönlich gemeint.

Mir ging es allein darum, noch einmal generell darauf hinzuweisen, dass über die Zulässigkeit der  Preisanpassungen vor Ort nicht irgendwo anders in der Republik entschieden wird.

Möglicherweise haben viele noch die Vorstellung über die Zulässigkeit der Preiserhöhung des eigenen Versorgers werde in Hamburg oder Heilbronn entschieden und es bedürfe deshalb keiner weiteren Verfahren.

Es gibt auch keine Gier, Entscheidungen zu veröffentlichen.

Wichtig sind die Rechtsausführungen in den Urteilen, die uns immer weiter voranbringen. Dabei ist die Entwicklungslinie wohl sehr deutlich.

Noch schneller haben die Versorger die neuesten Gerichtsentscheidungen untereinander ausgetauscht und stellen ihre Argumentation darauf ein:

http://www.bgw.de/recht/gasversorgung/rechtsprechungsuebersicht


Für die Sache der Verbraucher besteht ein  Bedürfnis, schnell an die Entscheidungen zu gelangen, welche die Argumentation des eignen Standpunktes in rechtlicher Sicht untermauern.

Es geht um die entsprechnden Rechtsausführungen.

Eine Entscheidung wie das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 27.05.2005 wäre sonst überhaupt nicht veröffentlicht worden.

Davon deutlich zu unterscheiden sind jedoch die Tatsachenfragen, die überall und in jedem Verfahren gesondert zu klären sind.

Tatbestand und Würdigung der Rechtslage zusammen führen erst zu einem Urteil.

 

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