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Autor Thema: Vorsicht: Gaspreiserhöhung der Stadtwerke Jena/ Pößneck  (Gelesen 9992 mal)

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Offline RR-E-ft

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Vorsicht: Gaspreiserhöhung der Stadtwerke Jena/ Pößneck
« am: 29. Dezember 2005, 11:05:25 »
Die Jenaer Stadtwerke sollen nach aktuellen Medienberichten (JenaTV vom 28.12.2005, TLZ/ OTZ Jena vom 29.12.2005)  mit ihrem Vorlieferanten Erdgasversorgung Thüringen- Sachsen GmbH (50 % E.ON Ruhrgas, 50 % VNG Verbundnetz Gas Leipzig) gesprochen haben, um günstigere Bezugsbedingungen auszuhandeln.

http://www.stadtwerke-jena.de/005/presse/pressetext.php?id=01

Es wurde wohl, wie bereits in vielen anderen Gaslieferungsverträgen neben einer Freimenge auch ein sogenannter zweiter Arbeitspreis vereinbart, bei dem die Gaspreise ab einer bestimmten Heizölnotierung weniger stark ansteigen.

Dies hatten viele andere Stadtwerke schon längstens getan.

Der Vorlieferant ist an den Jenaer Stadtwerken als Gesellschafter beteiligt.

Die Stadtwerke hätten jedoch auch die Möglichkeit gehabt, den alten, aus Monopolzeiten stammenden Gaslieferungsvertrag mit dem Vorlieferanten aufzukündigen.

So wechselten etwa der kommunale Gasversorger der oberfränkischen Stadt Dinkelsbühl, an welcher der bisherige Vorlieferant, die Nürnberger N-Ergie zu 50 Prozent beteiligt ist, ab Oktober 2005 komplett zur Wingas.

Nach Aussage des Dinkelsbühler Oberbürgermeisters Hammer sollen die Kommune und ihre Bürger allein dadurch weit über 300.000 EUR im Jahr beim Erdgasbezug einsparen.

Der Präsident des Bundeskartellamtes Dr. Böge wies erst gestern aktuell darauf hin, dass die Ölpreisbindung beim Erdgas sachlich nicht gerechtfertigt ist, die Verbraucher benachteiligt und volkswirtschaftlich schädlich ist, zudem den Wettbewerb behindert.

Das Bundeskartellamt will diese Ölpreisbindung vorrangig durch das Verbot langfristiger Gasbezugsverträge aufheben.


Für Verbraucher ist allerhöchste Vorsicht geboten:

Die Stadtwerke Jena wollen nun die besseren Einkaufskonditionen an ihre Kunden weitergeben. Die Kunden müssten dafür jedoch vollkommen neue Gaslieferungsverträge des Unternehmens unterschreiben.

Keinem Kunden kann angeraten werden, einen neuen Gaslieferungsvertrag abzuschließen, der die verbraucherfeindliche Ölpreisbindung festschreibt.

Ein solcher neuer Vertragsabschluss ist schon nicht notwendig:

Die Stadtwerke sind gem. §§ 1, 2 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz gesetzlich verpflichtet, ihre Kunden preisgünstig zu verbraucherfreundlichen Bedingungen mit Erdgas zu versorgen.
 
Daraus folgt zum einen, dass sie Einkaufsvorteile in jedem Falle an die Kunden weiterzugeben haben und zudem, dass in Erdgaslieferverträgen mit Verbrauchern die vom Bundeskartellamt als verbraucherfeindlich eingestufte Ölpreisbindung nicht praktiziert werden darf.

Nach einem Urteil des OLG Rostock, RdE 2005, S. 171 ff. sind Vertragsklauseln, die den Gasbezugspreis an den Preis für leichtes Heizöl koppeln, allenfalls zwischen Energieversorgungsunternehmen untereinander zulässig, weil in diesem Bereich innerhalb der Branche ein entsprechender Handelsbrauch bestehén soll.

Handelsbräuche gelten nur im kaufmännischen Bereich.

Zwischen Energieverbrauchern und Gasversorgen gibt es entsprechendes nicht. Es wäre vielmehr in Anbetracht von §§ 1, 2 Abs. 1 EnWG und angesichts vieler Erdgaslieferungen ohne Ölpreisbindung auch vollständig unzulässig.  

Wegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur preisgünstigen Erdgasversorgung haben die Stadtwerke sämtliche Einkaufsvorteile zugleich an alle ihre Kunden weiterzugeben.

Damit ist es völlig unvereinbar, dass die von den Stadtwerken als Freimengen außerhalb des Gasbezugsvertrages mit dem Vorlieferanten günstiger bezogenen Erdgasmengen als limitierte Sonderkontingente nur einem beschränkten Kundenkreis angeboten werden.


Auch diese Praxis stimmt nicht mit den gesetzlichen Bestimmungen des neuen Energiewirtschaftsgesetzes vom 13.07.2005 überein und ist deshalb dringend abzustellen.


Verbraucher müssen nach alldem dringend davor gewarnt werden, mit den Stadtwerken rückwirkend zum 01.01.2006 schriftlich neue Gaslieferungsverträge abzuschließen, welche eine Ölpreisbindung festschreiben.

Die betroffenen Verbraucher müssen vielmehr darauf hingewiesen werden, dass sie sich gegen weitere Gaspreiserhöhungen mit dem Unbilligkeitseinwand gem. § 315 BGB und entsprechenden Musterbriefen zur Wehr setzen können (vgl. im einzelnen: Fricke, \"Wohnungswirtschaft und Mietrecht\", Heft 9/2005, S. 547 ff.).


Bezüglich des Angebots der Weitergabe von besseren Bezugskonditionen nur bei Neuabschluss von Verträgen wünscht man sich Ede Zimmermann mit seinem Aufklärungswerk zurück:

Die Aussage der Stadtwerke:

Das heißt, dass alle Heizgas-Kunden Anfang Januar ein neues Vertragsangebot erhalten und mit Vertragsunterzeichnung die Kostensteigerung auf ca. 8,75 EUR im Monat reduzieren können. Die neuen Konditionen gelten dann rückwirkend ab 1. Januar 2006.


Man möchte fragen, wie man denn entsprechend den Leitlinien des Unternehmens partnerschaftlich, fair und ehrlich die bisherigen Verträge überhaupt unverändert fortsetzen und die Preise kräftig erhöhen wollte, wenn schon jetzt vollkommen klar ist, dass die Vorlieferantenpreise gerade  weniger stark steigen und somit eine solche Preiserhöhung nicht erfordern, ohne den eigenen Gewinn unbillig zu erhöhen?

Die Leitmotive des Unternehmens sind auf der Startseite im Internet nachzulesen:

www.stadtwerke-jena.de (Unternehmen)

In einer Universitäts- und Wissenschaftsstadt sollte man nicht unbedingt unbedarfte Verbraucher vermuten....




Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Offline Hennessy

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Vorsicht: Gaspreiserhöhung der Stadtwerke Jena/ Pößneck
« Antwort #1 am: 29. Dezember 2005, 13:06:49 »
@RR-E-ft

Zitat
Die Stadtwerke sind gem. §§ 1, 2 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz gesetzlich verpflichtet, ihre Kunden preisgünstig zu verbraucherfreundlichen Bedingungen mit Erdgas zu versorgen.

Daraus folgt zum einen, dass sie Einkaufsvorteile in jedem Falle an die Kunden weiterzugeben haben und zudem, dass in Erdgaslieferverträgen mit Verbrauchern die vom Bundeskartellamt als verbraucherfeindlich eingestufte Ölpreisbindung nicht praktiziert werden darf.


Hier handelt es sich ausschließlich um Ihre eigene Meinung, die durch nichts belegt werden kann und völlig unpraktikabel ist - in anderen Threads qualifizieren Sie das Rostocker Urteil als völlig abwegig und juristisch unsauber ab!  Man sollte sich nicht immer die Passagen rauspicken, die dem eigenen Weltbild entsprechen :-), damit Sie überhaupt Recht haben könnten, bräuchte man eine richterlich festgelegte Höchstmarge in der Gasversorgung - mir ist dazu nichts bekannt.

Entscheidend für die Verpflichtung des GVU ist das, was im Vertrag bezüglich der Preisänderungen als Grundlage geregelt ist. Der §1 EnWG kann hier nicht als Rechtsgrundlage für Ihre sehr pauschale und abolut formulierte Behauptung herangezogen werden.

Offline Graf Koks

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Vorsicht: Gaspreiserhöhung der Stadtwerke Jena/ Pößneck
« Antwort #2 am: 29. Dezember 2005, 13:28:38 »
Zitat:

\"Hier handelt es sich ausschließlich um Ihre eigene Meinung, die durch nichts belegt werden kann und völlig unpraktikabel ist - in anderen Threads qualifizieren Sie das Rostocker Urteil als völlig abwegig und juristisch unsauber ab!  Man sollte sich nicht immer die Passagen rauspicken, die dem eigenen Weltbild entsprechen :-), damit Sie überhaupt Recht haben könnten, bräuchte man eine richterlich festgelegte Höchstmarge in der Gasversorgung - mir ist dazu nichts bekannt.\"


Veto: Kollege Fricke gibt hier zu § 1 EnWG keine persönliche Meinung ab, es sei denn, Sie trauen ihm zu, dass er ganz nebenbei für das Amtsgericht Heilbronn, das LG Mühlhausen, das OLG München und das LG Neuruppin schreibt und selbstverständlich Joachim Held auch nur ein Aliasname ist. Die Vorgenannten jedenfalls folgern aus § 1 EnWG eben auch die Pflicht des Versorgers zu rationeller Wirtschaftsführung und einer preiswürdigen Versorgung, dies schließt wohl die Weitergabe von Einkaufsvorteilen ein und steht der sonst im Wirtschaftsleben üblichen Gewinnmaximierung entgegen. Der BGH hat dies für die Anwendung von § 315 BGB auf Energieversorgungsverträge in der Entscheidung NJW-RR 1992, 183, 186 bestätigt.

Offenbar haben Sie KEINES der genannten Urteile einmal gelesen. Vielleicht lässt sich dieses ja \"zwischen den Jahren\" nachholen. Der Qualität Ihrer Beiträge hier wäre es u.U. ganz zuträglich.


M.f.G. aus Berlin
Graf Koks

Offline RR-E-ft

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Vorsicht: Gaspreiserhöhung der Stadtwerke Jena/ Pößneck
« Antwort #3 am: 29. Dezember 2005, 14:00:21 »
@Hennessy

Das Energiewirtschaftsgesetz ist bekanntlich das Grundgesetz der leitungsgebundenen Energieversorgung.

Alle Verbraucherverträge müssen sich an dessen Bestimmungen messen lassen.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des BGH vom 18.10.2005 - KZR 36/04, zudem Sie ggf. meine Besprechung gelesen haben, aus dem dies nochmals ganz deutlich hervorgeht:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=2167


Tragendes Argument des Urteils des OLG Rostock ist der Handelsbrauch zwischen EVU.

Warum dieses Urteil im Übrigen hinsichtlich des im Streit stehenden Doppelbesteuerungseffekts von falschen Tatsachen ausgeht, kann man im Tätigkeitsbericht des BKartA nachlesen. Demnach gewähren nämlich Vorlieferanten Preisnachlässe zum Ausgleich des Doppelsbesteuerungseffekts.

Einen enstprechenden Nachlass hatten die Stadtwerke Jena gegenüber ihren Vorliefernaten schon seit langem durchgesetzt.

Fakt ist:

Es gibt Erdgasmengen ohne Ölpreisbindung auf dem deutschen Markt. Diese sind oft günstiger als z.B. sog.  Citygate- Produkte und können grundsätzlich von allen Gasversorgern bezogen werden.

Deshalb ist es überhaupt nicht einsehbar, warum die Verkaufspreise ausschließlich an HEL gekoppelt werden können, weil dies die Bezugsseite und somit die resultierende Kostensituation niemals zutreffend wiederspiegeln kann.


Die Preise haben sich an der Kostensituation bei energiewirtschaftlich- rationeller Betriebsführung zu orientieren, also bei Ausnutzung aller Kostenvorteile bei günstigeren Bezugsmöglichkeiten.


Alles andere ist mit der Verpflichtung zu preisgünstiger Versorgung schlicht unvereinbar.

Dazu braucht es keiner richterlich festgesetzten Höchstmarge.
Ich weiß nicht, wo Sie diese Auffassung hernehmen.

Von Höchtsmargen war in der gesamten Rechtsprechung bisher keine Rede, sondern von der Verpflichtung, unter Berücksichtiogung aller anderen Kritereien so billig wie möglich zu versorgen. Und es geht eben billiger als bei Langfristverträgen mit HEL- Preisbindung, eben weil es andere Bezugsmöglichkeiten (auch) gibt, mögen diese auch nicht den Gesamtbezug abdecken.


Nun mögen Sie meine Meinung für eine Einzelstimme halten.

Dabei würde jedoch vernachlässigt, dass ich keinesfalls irgendwelche Behauptungen in den Raum stelle, sondern entsprechend meiner wissenschaftlichen Ausbildung immer eng an der BGH- Rechtsprechung argumentiere und mich zudem auf eine umfangreiche Ausbildung auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts auch in den hochkarätig besetzten  Rechtsabteilungen von Energiekonzernen stützen kann.

Für die fundierte Ausbildung, die mir dabei zuteil wurde,  bin ich noch heute dankbar.

Ich habe immer soweit wie möglich alle Aussagen mit den entsprechenden Fundstellen in der Rechtsprechung und der Literatur belegt, so dass alles - wohl auch  auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügend - nachvollzogen werden kann. Sonst wird man auch nicht in der Neuen Juristischen Wochenschrift mit einem Spitzenaufsatz avisiert.

Und deshalb sehe ich keine Veranlassung irgend eine Aussage zu revidieren.

Es ist noch keiner dagewesen, der mich mit guten Argumenten vom Gegenteil überzeugen konnte.

Ich sehe die BGH- Rechtsprechung gerade im Hinblick auf die Preisgestaltung von EVU und die anzulegenden Grundsätze als vollkommen eindeutig an, die für Interpretationen also wenig Raum lässt.


Meine Meinung deckt sich also mit der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung. Es gibt durchaus auch andere Meinungen, die aus dem Bereich der Energiewirtschaft und deren Umfeld stammen, die jedoch nicht nur ich für wenig nachvollziehbar erachte.

Nochmals:

Vertragliche Regelungen zu Preisanpassungen, die vom EVU vorgegeben werden und gegen §§ 1, 2 Abs. 1 EnWG verstoßen oder intransparent sind, sind in Ansehung der §§ 307, 315 BGB unwirksam.

Vorrangig ist also nicht die vertragliche Regelung sondern der Zweck des Energiewirtschaftsgesetzes, eine preisgünstige Energieversorgung im Interesse der Allgemeinheit sicherzustellen.

Alle Verträge sind im Lichte dieser Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers auszulegen, wie der BGH im Urteil vom 18.10.2005 nochmals herausstellte.

Sie können doch selbst alles nachlesen.


Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Offline Hennessy

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Vorsicht: Gaspreiserhöhung der Stadtwerke Jena/ Pößneck
« Antwort #4 am: 29. Dezember 2005, 15:39:46 »
@Graf Koks
@RR-E-ft

Dann erkläre mir mal bitte einer, warum dann nicht die Weitergabe einer Bezugspreiserhöhung

Zitat
Daraus folgt zum einen, dass sie Einkaufsvorteile in jedem Falle an die Kunden weiterzugeben haben und zudem, dass in Erdgaslieferverträgen mit Verbrauchern die vom Bundeskartellamt als verbraucherfeindlich eingestufte Ölpreisbindung nicht praktiziert werden darf.


den Voraussetzungen der Billigkeit entspricht? Oder hat das Gesetz nur eine Richtung (Weitergabe von sinkenden Einkaufspreisen) gemeint? Das würde mich allerdings wundern!

Sie müssen doch wohl zugeben, dass bei unserer Meinungsverschiedenheit nach wie vor nicht gerichtlich entschieden ist, was unter den Begriffen \"Offenlegung der Kalkulationsgrundlage, Billigkeit, Preisgünstigkeit und Effizienz\" im Sinne der einschlägigen Gesetze zu verstehen ist - denn ich habe nicht nur die von Ihnen erwähnten Urteile gelesen, aber scheinbar ein anderes Verständnis hierzu aufgebaut als Sie !? Ich freue mich jedenfalls auf den anstehenden Weg zum BGH, denn dann werden wir hoffentlich eine diesbezügliche Klarstellung bekommen.

Offline RR-E-ft

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Vorsicht: Gaspreiserhöhung der Stadtwerke Jena/ Pößneck
« Antwort #5 am: 29. Dezember 2005, 16:04:05 »
@Hennessy

Das haben wir doch schon oft dargelegt:

In einem wettbewerblichen Umfeld gäbe es - jedenfalls nach Auffassung des Bundeskartellamtes und der Monopolkommission - keine Ölpreisbindung, die auch die Wirkung einer kartellrechtlich unzulässigen Preisbindung gem. § 14 GWB in sich birgt.

Wenn dem so ist, und der BGH eine Preisbestimmung fordert, wie sie sich im Wettbewrb bilden würde, mithin ohne die Preisbindung, müsste man wohl konsequent nach einem als-ob- Wettbewerbspreis bzw. einem sog. wettbewerbsanalogen Preis suchen....

Die Preiserhöhungen sollen ausschließlich auf den kartellrechtswidrigen Langfristverträgen und der darin vereinbarten -aus unserer Sicht ebenfalls europarechts- und kartellrechtswidrigen - Preisbindung beruhen.

Wenn es diese im wettbewerblichen Umfeld als solche gar nicht gäbe, müsste man sie nach den Grundsätzen des BGH also wohl hinwegdenken.

Dann gäbe es jedoch gar keinen von der Rechtsprechung anerkannten Grund für Bezugskostensteigerungen.

Demnach müsste man sich konsequenterweise auch die Bezugskostensteigerungen hinwegdenken.

Sie sind zwar real dar, dürften jedoch nicht anerkannt weden.

Das ist der umgekehrte Fall von kalkulatorischen Kosten, die real gerade nicht vorhanden sind , jedoch von der Rechtsprechung anerkannt werden.

Hier wie dort ein \"Griff in die Trickkiste\", bei denen gar nicht auf reale Kosten abgestellt wird.

Wollte man dem nicht folgen, müsste man wohl konsequent nur auf reale Kosten abstellen.

Auch dann würden die Preise ein anderes Bild zeichnen als die Zahlen, die gerade veröffentlicht wurden.

Ob man nun ausschließlich auf reale Kosten abstellt oder ausschließlich auf virtuelle wettbewerbsanaloge Kosten, muss eben entschieden werden.


Ungeachtet dessen:

Man kann zudem jedenfalls nicht nur auf gestiegene Bezugskosten abstellen, da diese an anderer Stelle ganz oder teilweise kompensiert sein können.

All das ist doch umfassend erörtert.

Nun warten wir erst einmal weiter das LG Hamburg ab.

Bis zum BGH ist es möglicherweise ein kurzer Weg.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
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Offline Graf Koks

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« Antwort #6 am: 29. Dezember 2005, 16:29:29 »
@Hennessy:

Zur Frage der Anforderungen an eine Offenlegung i.S.d. § 315 BGB hat sich die obergerichtliche Rechtsprechung immer wieder geäußert. Es ist eben - und ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt - aber so, dass man dieses auf Versorgerseite nicht wahrhaben möchte und eine gewisse Sammelleidenschaft hinsichtlich derlei Urteile entwickelt hat.

Das LG Neuruppin führt in der Entscheidung vom 05.06.2005 unter Bezugnahme auf den BGH wie folgt aus:

„Im Rahmen der Offenlegung der Kalkulation hat der Versorger mithin im Einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die durch die Belieferung des Kunden mit Fernwärme entstehen, abzudecken sind; ferner, welchen Gewinn er zur Bildung von Rücklagen, zur Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des aufgenommenen Kapitals bzw. der Einlagen seiner Gesellschafter mit dem den Kunden berechneten Preis erzielen wollte (BGH NJW-RR 92, 183 ff.).“



Zunächst einmal muss aber wohl die Einsicht weitere Kreise ziehen, dass die gegenwärtige Preisbildungsmechanik, aus der die massiven Preiserhöhungen nach Versorgerverlautbarung alleine resultieren, einen Preismissbrauch i.S.d. Art. 82 Abs. 2 lit. a EGV darstellt, weil sie ohne sachlichen Grund in jeder nur denkbaren Konstellation zu Preishöhen führt, die über dem Preisniveau eines tatsächlich von Gas- zu- Gas- Wettbewerbs liegen. Sie hindert zugleich auch den Wettbewerb auf den nachgelagerten Marktstufen und erhält sich damit immer weiter selbst am Leben.  Also gleich zwei Verstöße gegen europäisches Recht.  

Von daher könnte es durchaus sein, dass durch die Aktivität der EU- Kommission bzw. des BKartA sehr viel Bewegung in den Wettbewerb und auch in die Preise kommt, noch bevor sich der BGH mit § 315 BGB befassen muss. Da ich Sie geschäftlich eher auf Letztverteilerebene verorte, sollte dieses für Sie doch eine erfreuliche Entwicklung sein.

Eines muss klar sein: Die Kunden können nicht für die Regionalversorger in den Ring steigen, und schon gar nicht ANSTELLE der Letztverteiler. Wir können nur aufzeigen, wo der Hebel anzusetzen ist.  Ich denke dies dürfte nun klar geworden sein.


M.f.G. aus Berlin
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« Antwort #7 am: 29. Dezember 2005, 17:11:45 »
@Hennessy

Das alles weiß mein Kollege so gut, weil er das Werk von Däupner sorgfältig studiert hat, dessen Lektüre Sie wohl leider  in den Wind schlugen.

Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
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Vorsicht: Gaspreiserhöhung der Stadtwerke Jena/ Pößneck
« Antwort #8 am: 30. Dezember 2005, 10:17:08 »
Die Branche selbst kann sich keinen Wettbewerb schaffen, ohne dass einzelne Unternehmen deutliche Kostenvorteile beim Gaseinkauf erzielen.

Wenn ich nicht günstiger als andere beschaffe, wie will ich dann in fremden Gebieten günstigere Preise trotz zusätzlichem Aufwand anbieten?

Man kann es so machen, wie Yello und einige hundert Millionen Euro verbrennen. Wer wünscht sich einen solchen defizitären Versorger, der günstiger verkauft, als es seine eigene (Real-) Kostenbasis zuläßt - auch als Dumping bezeichnet?

Der Wettbewerb im Strom ist ausschließlich auf Grund unterschiedlicher Kraftwerksportfolios und damit unterschiedlicher Erzeugungskosten entstanden. Hier hatte man die Möglichkeit Beschaffungsvorteile in fremden Gebieten zur Kundenakquisition zu nutzen - heute ist es auch auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Spaltung der Konzerne attraktiver diese Strommengen an die Börse zu bringen.

Der Vorwurf der überhöhten Netzentgelte sollte sich innerhalb der nächsten Monate erledigen, denn der Gesetzgeber hat in den NEVs festgelegt, wie zu rechnen ist. Wenn das dann überhöht ist, sollte man sich an den Gesetzgeber als Verursacher wenden!

Also - wo soll der Wettbewerb unter diesen Randbedingungen im Gas denn herkommen ???????? Da hilft m.E. weder das Kartellamt noch Brüssel wirklich weiter!

Offline RR-E-ft

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Vorsicht: Gaspreiserhöhung der Stadtwerke Jena/ Pößneck
« Antwort #9 am: 30. Dezember 2005, 11:15:03 »
@Hennessy

Zur Branche gehören auch E.ON Ruhrgas und Wingas.

Woher wollen Sie einschätzen können, dass deren Margen nicht ausreichen, um sofort loslegen zu können?

Die Marge beträgt ggf. die Differenz zwischen den veröffentlichten Erdgasimportpreisen und den Abgabepreisen an Stadtwerke, abzüglich der Transportkosten im Inland.

Eine solche Marge dürfte sehr auskömmlich sein und einen Preiswettbewerb zulassen.

Wie man bei den Preiskalkulationen der E.ON- Filialen sehen kann, soll sich das Gasgeschäft ja bereits bei kleinsten Margen bezahlt machen....

Auf die nächsten Geschäftsberichte des E.ON- Konzerns darf man gespannt sein.


Nur ist es eben so, dass Wettbewerb die Margen abschmelzen ließe und wer will das schon, wenn man nicht dazu gezwungen wird.

Wettbewerb braucht Wettbewerber. Nur steht eben nirgends, dass man zum Wettbewerb verpflichtet wäre.

Anscheindend genügt es, wenn man behauptet, es bestünde Wettbewerb, der gar nicht vorhanden ist.

Erst einmal muss das alte System weg.

Wenn ich es richtig verstanden habe, sind doch die Gasmengen, die nach Deutschland importiert werden, wie auch der Gasabsatz an GVU aufgrund europrachts- und kartellrechtswidriger Langfristverträge gebunden, stehen deshalb für einen Wettbewerb gar nicht zur Verfügung.

Wer nicht selbst auf einer Gasblase sitzt, die er ausbeuten kann, braucht zu aller erst einmal die Handelsware Gas selbst, um in einen Wettbewrb eintreten zu können.

Also muss der Markt zunächst aus seiner Starrheit befreit und flüssig gemacht werden. Im Weg stehen die vorgenannten Langfristverträge.

Bei wirksamen Gas- zu- Gas- Wettbewerb, der bisher im Anbetracht des gesamten Gasabsatzes allenfalls  rudimentär vorhanden ist, würden sich nach allen wissenschaftlichen Untersuchungen der Monopolkommission, der Dissertation von Däupner und der Stellungnahmen des Bundeskartellamtes günstigere Erdgaspreise von allein einstellen, die nicht von einer Ölpreisbindung determiniert werden, sondern den Gesetzen von Angebot und Nachfrage folgen werden, was zu einer Preisbildung für Erdgas auf einem Erdgasmarkt führt, so wie auf jedem anderen Produktmarkt auch.


Die Netzkosten sind eine andere Baustelle. Auch dazu sind genügend Stellungnahmen abgegeben.


EnBW ist wegen der Aktivitäten der 100% igen Tochter Yello wohl nicht in Insolvenz gefallen. Möglicherweise liegt das Geheimnis von Yello in günstigem EdF- Atomstrom aus Frankreich.

Der deutsche Strommarkt ist auf Nachfrageseite relativ starr.
So erhöhte sich der Verbrauch wegen kühler Witterung nur um 1 Prozent.

Würde aller Strom aus deutschen Kraftwerken über die Börse gehandelt und würden zudem die hohen \"Zölle\" wegen begrenzter Kuppelkapazitäten zum Auslland beseitigt, könnte man davon sprechen, dass Strompreise Marktpreise sind.

Bei vollständigem, vollkommenem Wettbewerb, der dann an der Börse zu verzeichnen wäre, bei der das vorhandene  Angebot auf die relativ starre Inlandsnachfrage trifft, müssten sich die Marktpreise nach aller volkswirtschaftlichen Theorie in Höhe der Grenzkosten der Stromerzeugung einstellen.

Im vollständigen Wettbewerb entsprechen die Grenzerlöse den Grenzkosten.


Von solchen Preisen, welche sich an den Grenzkosten orientieren, sind die Börsenpreise aus bekannten Gründen derzeit weit entfernt. Die Grenzkosten für die Stromerzeugung, insbesondere in längst abgeschriebenen Atommeilern dürften weit unter 2 Cent/ kWh liegen.

Weil diese Großhandelspreise weit von den Grenzkosten entfernt sind, sehen es ja Unternehmen wie die Deutsche Affinerie oder auch Stadtwerke aktuell als wirtschaftlich an, eigene Kraftwerkskapazitäten aufzubauen, weil die Eigenerzeugung billiger ist als die Großhandelspreise.


Wenn die Verbraucher mit den Strompreisen in Monopolzeiten die Errichtung der deutschen Kraftwerkskapazitäten finanziert haben, sollten den Verbrauchern auch Preise geboten werden, die sich an den Grenzkosten der Erzeugung orientieren und nicht an künstlich hochgehaltene Großhandelspreisen, die den Konzernen zusätzliche Gewinne verschaffen.


Die Verpflichtung zur preigünstigen Versorgung mit leitungsgebundener Energie trifft eben die gesamte deutsche Energiewirtschaft und nicht nur das  letzte Glied in der gesamten Wertschöpfungskette.


Es gibt außer EEG- Anlagen wohl keine Erzeugungskapazitäten, deren Kosten bei der Erzeugung in der Nähe der Großhandelspreise lägen.

Das liegt allein daran, dass das Angebot an der Börse künstlich verknappt ist. Die Liqiudität des Strommarktes fehlt auch dort aufgrund langfristiger Verträge.

Absurd wird es dann, wenn in diesen Langfristverträgen die Preise der Vorliferanten nicht nach billigem Ermessen erhöht werden, sondern an die künstlich überteuerten Großhandelspreise gekoppelt werden.

Das hat die selbe Wirkung wie die volkswirtschaftlich schädliche Ölpreisbindung im Gasbereich.

Deshalb betont der VDEW, die Strompreise seien keine Kostenpreise mehr, sondern Marktpreise.

Erstens funktioniert der Markt jedoch aus genannten Gründen ersichtlich nicht. Und zweitens würden in einem vollkommenem Wettbewerb die Marktpreise sich exakt an den Kosten orientieren, vgl. oben.

Der Widerspruch zwischen Markt- und Kostenpreisen wäre somit aufgelöst.

Eine preisgünstige Versorgung hat sich immer an den Kosten zu orientieren und darf nicht zu Profitmaximierungen führen.

Marktpreise in einem vollständigen, vollkommenem Wettbewerb lassen auch keine Monopolrenditen durch ein künstlich verknapptes Angebot zu, sondern führen zu Preisen, bei denen die Grenzerlöse den Grenzkosten entsprechen:

http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=12779

Ich hatte dereinst meinen VWL- Schein bei Prof. Helga Luckenbach/ Dr. Michael Hüther gemacht.

Prof.Dr. Hüther ist heute Direktor des DIW.

Vielleicht könnte man da ja mal nachfragen, ob mir etwa etwas falsches beigebracht wurde oder sich die volkswirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten zwischenzeitlich grundsätzlich geändert haben.....


Wenn natürlich zu besorgen stünde, dass energiehungrige Asiaten den ganzen Strom an der Börse wegkaufen, müsste ggf. daran gedacht werden, diese aus Gründen der Sicherstellung der nationalen Energieversorgung zeitweilig oder dauernd vom Handel auszuschließen....


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
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« Antwort #10 am: 30. Dezember 2005, 16:56:01 »
Alle Jahre wieder:

Die Fixpreisfalle, exklusiv für Schnellentschlossene.

Zahle jetzt schon mal mehr in der Heizperiode, damit nach der Heizperiode die Preise nicht weiter steigen:

http://www.jenatv.de/index.php?main=nachrichten&lf=detail&id=1135946406

Wo ist Ede Zimmermann?


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
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