Die Entscheidung OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.04.22 Az. 5 W 2/22 (Kart) zur Zulässigkeit der Preisspaltung zwischen Neu- und Bestandskunden in der Grundversorgung ist veröffentlicht:
https://openjur.de/u/2393985.htmlAnmerkung:
Unter der Prämisse, dass der Grundversorger die Energie zur Deckung des Bedarfs der Gesamtheit seiner grundversorgten Kunden regelmäßig diversifiziert beschafft, d. h. zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu unterschiedlichen Preisen, ggf. von unterschiedlichen Quellen (Lieferanten), so kann eine solche Preisspaltung zwischen Neu- und Bestandskunden wohl allenfalls bis zu dem Zeitpunkt sachlich gerechtfertigt erscheinen, zu dem der Grundversorger den Mischpreis aus diversifizierten Beschaffungskosten einem einheitlichen Preis der Grundversorgung durch Neubekanntmachung zu Grunde legen kann, um hierdurch Preisspitzen bei beschafften Teilmengen im Interesse der Gesamtheit der grundversorgten Kunden teilweise zu glätten.
In Anbetracht des Umstandes, dass die Rechtsprechung des BGH die Nachholung von Kostensteigerungen bei Preisänderungen gem. § 36 EnWG zulässt und solche Preisänderungen gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 GVV bereits sechs Wochen nach Ankündigung zum Monatsersten erfolgen können, erscheint die sachliche Rechtfertigung für eine solche Preisspaltung zwischen Neu- und Bestandskunden doch insgesamt fraglich.
Werden zum Beispiel nur 10 Prozent der gesamten Bezugsmenge ausschließlich für Neukunden benötigt, müssen deshalb zusätzlich beschafft werden und sind allein von einer 200 %igen Kostensteigerung betroffen, so steigen die Gesamtbeschaffungskosten dieses Grundversorgers für die Beschaffung der für Neu- und Bestandskunden in der Grundversorgung insgesamt benötigten Mengen dabei doch nur um 20 % (0,9 x P + 0,1 x 3 P = 0,9 P + 0,3 P = 1,2 P).
Die Beschaffungskosten machen neben den Netzentgelten und staatlichen Preisbestandteilen wie Steuern und Abgaben sowie der Vertriebsmarge nur einen Teil des Endverbraucherpreises aus.
Steigen die Beschaffungskosten insgesamt um 20 Prozent, können - unter sonst gleichen Bedingungen - deshalb die Allgemeinen Preise der Grundversorgung nicht um 20 Prozent erhöht werden.
Wird diese Kostensteigerung jedoch nur an die betroffenen Neukunden weitergegeben, werden diese - ohne Not - ungleich schwerer belastet.
Die ständige Rechtsprechung des BGH unterstellt auch bei einem konkludenten Vertragsabschluss durch Energienentnahme die vertragliche Vereinbarung des Anfangspreises, der deshalb auch bei einer Monopolstellung des Grundversorgers im Bereich der Daseinsvorsorge keiner Billigkeitskontrolle (mehr) unterliege. Entgegen OLG Düsseldorf, openJur 2022, 8005 Rn. 26 lässt die Preisspaltung gerade deshalb eine dauerhafte Benachteiligung der betroffenen Kundengruppe besorgen.
Grundversorger haben gem. § 36 Abs. 1 EnWG iVm. §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG Haushaltskunden zu Allgemeinen Preisen zu versorgen und diesen dadurch eine möglichst preisgünstige, sichere, verbraucherfreundliche Versorgung zu gewährleisten. Die gesetzliche Verpflichtung aus § 36 Abs. 1 EnWG darf deshalb nicht isoliert, d. h. ohne Rücksicht auf die Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen, sicheren, verbraucherfreundlichen Versorgung betrachtet werden (so aber wohl schon OLG Köln, B. v. 02.03.22 Az. 6 W 10/22
https://www.verbraucherzentrale.nrw/sites/default/files/2022-03/olg-koln_beschluss_zuruckweisung-geschwarzt_final_neu.pdf) . Die Verpflichtung zur Gewährleistung einer möglichst preisgünstigen, sicheren, verbraucherfreundlichen Versorgung gilt gegenüber Neu- und Bestandskunden gleichermaßen. Bei der der genannten Preisspaltung werden Nekunden wohl nicht möglichst preisgünstig und verbraucherfreundlich versorgt, sondern erfahren verbraucherunfreundlich die ungeglättete Preisspitze.