Warum es ein Ammenmärchen darstellt, dass das gestörte Äquivalenzverhältnis durch ergänzende Vertragsauslegung geheilt werden kann; Akzeptanz durch fehlenden Widerspruch des Verbrauchers und mittels Schweigen:
Dass dies nicht angängig ist, hat der 8.ZS. ja bereits schon im Jahre 2005 (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005) gewusst. Gegenstand der Entscheidung war eine inkriminierte Preisanpassungsklausel. Der seinerzeitige juristischer Ansatz des 8. ZS war dort noch vom Verbraucherschutz geleitet sowie von der Marktmacht eines Klauselverwenders. Dort musste eine unwirksame Klausel (§ 307 BGB) auch nicht durch Phantasieprodukte „ergänzt“ werden.
1.)
Preisanpassungsklauseln, welche der 8.ZS. gestattet, müssen als Kostenelementeklauseln ausgestaltet sein (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005, - unter II 2).
„Kostenelementeklauseln dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerung zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (Senat, Urteil vom 12. Juli 1989 – VIII ZR 297/88, WM 1989, 1729 = NJW 1990, 115 unter II 2 b). Wird die Preisanpassung auf der Grundlage der Entwicklung von Kostenelementen herbeigeführt, so darf die Regelung andererseits aber - bei Meidung ihrer Unwirksamkeit nach § 307 BGB - nicht zu einer ausschließlichen oder überwiegenden Wahrung der Verwenderinteressen führen.“
Daraus folgt, die Anpassung muss sich auf Kosten beziehen und weiter, die zur Abwälzung berechtigenden Kostenänderungen müssen konkret in der Anpassungsklausel bezeichnet sein.
Es stellt schließlich keinen Unterschied dar, ob Risikozuschläge beim Vertragsschluss gemacht werden oder – scheibchenweise später- erst im Rahmen von künftigen einseitigen, intransparenten Preisanpassungen, welche niemand nachvollziehen kann.
2.)
Konkret bezeichnete Kosten müssen transparent sein, Gewichtung und Bedeutung für die Kalkulation müssen erkennbar sein, eine Bilanz der Gesamtkosten muss dargestellt sein (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005, - unter II 3).
a.)
Betriebskosten die unbekannt sind, ziehen für den Kunden eine unkalkulierbare Unsicherheit nach sich (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005, - unter II 3.a):
„[…]die Bindung der Befugnis zur einseitigen Erhöhung des Gaspreises an die Entwicklung der Betriebskosten im Unternehmen der Beklagten für deren Kunden eine unkalkulierbare Unsicherheit zur Folge hat, weil die Klausel nicht auf Marktpreise, sondern auf Kostenentwicklungen abstelle, die – wie etwa freiwillige übertarifliche Lohnzahlungen, Gratifikationen und Ähnliches – wesentlich von unternehmensinternen Entscheidungen abhängen könnten. [……]die Kopplung der Preisänderungsbefugnis an die Entwicklung der im Unternehmen der Beklagten entstehenden Kosten die Vertragspartner der Beklagten vor allem deswegen unangemessen, weil es sich dabei - anders als bei Marktpreisen oder Tariflöhnen - um betriebsinterne Berechnungsgrößen handelt, die die Kunden der Beklagten weder kennen noch mit zumutbaren Mitteln in Erfahrung bringen können. Das gilt für die Gestehungspreise (Einkaufspreise) der Beklagten ebenso wie für die bei ihr anfallenden Material-, Lohn-, Transport- und Lagerkosten. Ob, wann, wodurch und in welchem Maße bei diesen Kosten Änderungen eintreten, bleibt den Kunden der Beklagten verborgen.“
b.)
Die Gewichtung der einzelnen Kostenelemente im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Gesamtpreises muss erkennbar sein (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005, - unter II 3.b):
„In Ermangelung einer solchen Gewichtung (s. dazu beispielsweise die bei de Wyl/Essig/Holtmeier in Schneider/Theobald, Handbuch zum Recht der Energiewirtschaft, 2003, § 10 Rdnr. 398 wiedergegebene „Kohle-Lohn-Klausel“) ist für die Kunden der Beklagten nicht vorhersehbar, wie sich etwa ein allgemeiner Anstieg der Gaspreise - eines wesentlichen Elements der Gestehungskosten der Beklagten – oder eine Erhöhung der Tariflöhne auf den vereinbarten Gaspreis auswirken werden. Ebenso wenig sind sie imstande, eine Erhöhung des Gaspreises durch die Beklagte darauf zu überprüfen, ob der von der Beklagten geforderte Preisaufschlag durch einen entsprechenden Kostenanstieg im Unternehmensbereich Flüssiggasvertrieb der Beklagten gerechtfertigt ist.“
c.)
Der Ausgleich des Anstiegs bei einem der Kostenfaktoren durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen muss erkennbar sein damit klar wird, wie sich der Ausgleich darstellt und daher insgesamt keine höheren Kosten zu tragen sind (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005, - unter II 3.c):
„Die Klausel stellt nicht auf die Gesamtbelastung, sondern ausdrücklich auf die Veränderungen der im Einzelnen benannten „Kostenfaktoren pro Liefereinheit“ ab. Entgegen der Auffassung der Revision ist mit dieser Formulierung nach dem Verständnis eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Verbrauchers nicht hinreichend klargestellt, dass die Erhöhung einer oder mehrerer Kostenfaktoren nicht zu einer Erhöhung des Gaspreises führen kann, wenn es bei anderen Positionen Kostensenkungen gegeben hat, die die Erhöhung im Ergebnis ausgleichen.“
Und schließlich brachte der 8.ZS. es auf den Punkt (vgl. BGH, 21.09.2005, Az.: VIII ZR 38/2005, - unter II 4):
„Die Klausel macht das Recht des Kunden, eine Neufestsetzung des Gaspreises zu verlangen, von der Entwicklung derselben Kostenfaktoren abhängig, die für das Recht der Beklagten zur einseitigen Preiserhöhung maßgeblich sein sollen und in die der Kunde, wie oben zu 3. a) bereits ausgeführt wurde, keinen Einblick hat. Infolge der Kopplung an diese betriebsinternen Berechnungsgrößen ist der Kunde ebenso wenig in der Lage zu erkennen, wann und in welchem Umfang er eine Senkung des Gaspreises verlangen kann, wie er die Berechtigung einer auf Veränderungen der in der Klausel benannten Kostenfaktoren gestützten Preiserhöhung durch die Beklagte nachprüfen kann.“
Die Klarheit, weshalb es dem Kunden nicht anzulasten ist, nach einseitiger Diktion, Dinge zu akzeptieren, die weder bekannt sind, noch bekannt gemacht werden, ist mit der Entscheidung des 8.ZS. nicht zu überbieten.
Der 8. ZS wird doch hoffentlich nicht so blauäugig sein anzunehmen, dass die Kunden in dieser Situation mit dem Institut der „ergänzenden Vertragsauslegung“ umgehen können. Insbesondere wenn gar nichts darüber bekannt ist, welche angesprochenen Kostenelemente in Betracht zu ziehen sind, ob diese überdies sachgerecht eingewürdigt und schließlich korrekt berücksichtigt werden.
Dazu genügt auch nicht ein Blick in die ständige Rechtsprechung des BGH. Das fordert auch der EuGH mit seiner Entscheidung vom 23.10.2014 nicht; im Gegenteil. Der Verbraucher muss nicht erst zum Anwalt gehen, um zu entscheiden ob eine Chance besteht, die Preisanpassung des Versorgers zu überprüfen.
Der Kunde muss überdies rein gar nichts akzeptieren, was er nicht kennt und nicht verstanden hat, auch nicht durch widerspruchslose Zahlung; erst recht nicht wenn er von der Gegenseite, entgegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) „über den Tisch gezogen“ wurde.
Wenn es dem 8. ZS. mit dem Institut der „Ergänzenden Vertragsauslegung“ um Interessenausgleich geht, dann muss er sich in diesem Moment der Feststellung einer unwirksamen Klausel schon auch fragen, wo die Interessen der anderen Vertragsseite sind.
Diese Antwort ist der 8. ZS. am 21.09.2005 nicht schuldig geblieben.
Heute sieht es – zumindest seit der Entscheidung vom 03.12.2014 - so aus: „was interessiert mich mein Geschwätz von gestern; heut ist heut“.