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OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.06.12 Az. VI- 2 U (Kart) 10/11 unter II. 2: Der weiteren rechtlichen Beurteilung des Landgerichts, wonach die Klägerin das ihr durch § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV sowie durch die (seit dem 8.11.2006 geltende) Nachfolgebestimmung in § 5 Abs. 2 GasGVV eingeräumte Preisänderungsrecht beanstandungsfrei ausgeübt habe, ist im Ergebnis indes nicht beizupflichten.a) Zuzustimmen ist allerdings dem rechtlichen Ansatz des Landgerichts. Die Rechtsprechung entnimmt den genannten Vorschriften im Rahmen von Grundtarifverträgen das Recht des Gasversorgers, die Abgabepreise nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) einseitig zu ändern, wobei das Versorgungsunternehmen dieses in den genannten Normen nicht näher präzisierte Recht nicht nach freiem Belieben ausüben darf, sondern unter anderem Senkungen der Bezugskosten ebenso zu berücksichtigen hat wie Kostenerhöhungen (vgl dazu im Einzelnen BGH, Urt. v. 29 4.2008 - KZR 2/07 Rn. 26; Urt. v. 13.1.2010 - VIII ZR 81/08, Rn. 18 rn.w.N.). Die danach an Preiserhöhungen anzulegenden Voraussetzungen hat das Landgericht nach Beweisaufnahme und Berücksichtigung weiterer Unterlagen für gegeben erachtet. Mit Blick auf die Vorgaben der im Anspruchzeitraum geltenden Erdgasbinnenmarktrichtlinie 2003/55/EG kommt es darauf im Streitfall jedoch nicht an.Entweder ist § 4 Abs 1 und 2 AVBGasV sowie § 5 Abs. 2 GasGVV ein Preisanpassungsrecht des Versorgers zu entnehmen und steht dieses im Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie 2003/55/EG (so u.a. BGH, Entscheidung. v. 18.5.2011 - VIII ZR 71/10, Rn. 15, 16; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13 .4.2011 - VI-2 U (Kart) 3/09). Oder eine solche notwendige Übereinstimmung ist zu verneinen. Dann ist einem Grundversorger ein Preisanpassengsrecht jedenfalls bei Grundtarifverträgen im Wege einer ergänzenden Auslegung des Versorgungsvertrags zuzuerkennen. Dafür ist bestimmend, dass das Gasversnrgungsunternehmen die Grundversorgung nicht aufkündigen darf. Es ist nach § 36 Abs. 1 EnWG zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung verpflichtet. Dies ist ihm indes nur zuzumuten, wenn der Eingriff in die Vertragsabschlussfreiheit mit einer Preisanpassungsberechtigung gekoppelt ist (so auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.12.2011 - VI-3 U (Kart) 4/11, UA 11 m.w.N.). b) Gleichviel, ob das Preisanpassungsrecht bei Grundversorgungsverträgen auf den §§ 4 Abs. 1 und 2 AVGasV, 5 Abs. 2 GasGVV oder auf einer ergänzenden Vertragsauslegung beruht, haben die Mitgliedstaaten sowie deren Behörden (zu denen auch die Klägerin als Kommunalunternehmen gehört) und Gerichte jedenfalls vom Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Umsetzung einer Unionsrichtlinie an, hier der Erdgasrichtlinie 2003/55/EG, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten.Dies hat, wenn die Richtlinienbestimmungen inhaltlich nicht hinreichend genau und untiedingt sind (insbesondere sich, wie hier, das Umsetzungsgebot nur an die Mitgliedstaaten richtet und jenen bei der Umsetzung der Richtlinie die Wahl der Form und der Mittel zusteht), durch eine richtfinienkonfornie Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften zu erfolgen, sofern diese für eine solche Auslegung Raum belassen (d.h. eine richtfintenkonforme Auslegung nicht gegen den Wortlaut der nationalen Norm verstößt, vgl, u.a. EuGH, Urt. v. 4. 7.2005 - C-212/04 Adeneler, NJW 2006, 2465, Rn. 110 ff.; BGH, Beschl. v. 18.5.2011 VIII ZR 71/10, Rn. 16). Im Streitfall endete die Umsetzungsfrist am 1.7.2004, mithin vor Beginn des Anspruchszeitraums (Art. 33 Abs. 1 Richtlinie 2003/55). Dies eröffnet eine rinhtlinienkonforrne Auslegung.Die Erdgasbinnenmarktrichtlinie 2003/55 verpflichtet die Mitgliedstaaten durch Regelungen in Anhang A und Art. 3 Abs. 3 zu einem hohen Verbraucherschutz in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen und allgemeine Informationen (Satz 4). Die dazu im Anhang A genannten Maßnahmen stellen im Fall von Haushaltskunden, wie der Beklagten, den sicherzustellenden Mindeststandard dar (Satz 6). Einseitige Preisänderungen durch das Versorgungsunternehmen unterliegen danach und zwar gemäß Anhang A zu Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2003/55 neben jenen, die der Bundesgerichtshof im Anschluss an § 315 BGB entwickelt hat (s.o.) - zusätzlichen Anforderungen. Die Regelungen des Anhangs A sind Bestandteil der Richtlinie, wie sich daran zeigt, dass in Satz 6 des Art. 3 Abs. 3 auf sie verwiesen wird. Nach Buchst. c des Anhangs A haben die Mitgliedstaaten insbesondere durch Transparenz der Vertragsbedingungen einen hohen Kundensschutz dadurch herzustellen, indem- Kunden bei einer Änderung der Vertragsbedingungen ein Rücktritterecht (Kündigungsrecht) gewährt wird, - Kunden über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen vorher unterrichtet werden,- dabei (d.h. zugleich) eine Information über das Rücktrittsrecht (Kündigungsrecht) erfolgt,Kunden jede Gebührenerhöhung mit angemessener Frist (d.h. rechtzeitig) auch direkt mitgeteilt wird.Diese Richtlinienvorgaben sind uneingeschränkt auch auf Preisanpassungen durch das Versorgungsunternehmen anzuwenden. Sie sind nicht auf Änderungen sonstiger Vertragsbedingungen begrenzt, sondern beziehen sich entgegen der Ansicht der Klägerin auf sämtliche Geschäftsbedingungen, zu denen - als unverzichtbare und aus erkennbarer Sicht der Kunden in der Wirklichkeit sogar besonders wichtige Kriterien - auch dar Preis sowie namentlich dessen Erhöhung zählen. Davon geht auch der Bundesgerichtshof aus (vgl. Beschl. v. 18.05.2011 - VIII ZR 71/10, Rn. 14; Beschl. v. 9.2.2011 - VIII ZR 162/09, Rn. 28; ebenso: Derleder/Rott, WuM 2005, 423, 430, Schöre, WM 2004, 262. 269 f.).Die Vorgaben der Richtlinie 2003/55 sind in der AVBGasV und in der GasGVV nicht vollständig umgesetzt worden.- Zwar haben Tarifkunden bei Preisänderungen ein Kündigungsrecht (§ 32 Abs. 1 und 2 AVBGasV, § 5 Abs. 3 GasGVV).- Auch soll durch öffentliche Bekanntgabe von Bezugspreisänderungen vorher unterrichtet werden (§ 4 Abs. 2 AVBGasV, § 5 Abs 2 GasGVV).- Eine Belehrung über das Kündigungsrecht ist indes nicht vorgesehen.Ebenso ist eine direkte (unmittelbare, briefliche) Mitteilung einer Preisänderung gegenüber Kunden erst in § 5 Abs. 2 GasGVV (seit dem 8.11.2006) vorgeschrieben worden.Aufgrund dessen sind die Richtlinienbestimmungen und die darin an Preisanpassungen normierten Anforderungen im Wege richtlinienkonformer Auslegung in die genannten Vorschriften der AVBGasV und der GasGVV hineinzulesen und genauso bei der ergänzenden Vertragsauslegung zu berücksichtigen. Der Verordnungswortlaut steht einer richtlinienkonformen Auslegung nicht entgegen. Gegebenenfalls widerstreitende Motive des nationalen Gesetzgebers und der diesbezügliche Vortrag der Klägerin sind unbeachtlich. Das Richttinienrecht der Union geht nationalen Rechtsvorschriften und deren Interpretation vor.c) Daran gemessen hat die Klägerin Haushaltskunden wie die Beklagte durch Bekanntmachungen bei Preiserhöhungen zu keinem Zeitpunkt auf ihr Kündigungsrecht hingewiesen. Das Kündigungsrecht ist bei Verbrauchern nicht als ohne Weiteres bekannt vorauszusetzen. Die Klägerin hat außerdem lediglich selektiv unmittelbar (brieflich) von Preiserhöhungen unterrichtet (Anlage K 40). Mithin hat sie - ungeachtet der Anforderungen des § 315 BGB - die durch Anhang A Buchst. c der Richtlinie 2003/55 geforderten Voraussetzungen für Preiserhöhungen nicht erfüllt.Wegen dieser Mängel sind die von der Klägerin vorgenommenen Preiserhöhungen rechtlich nicht durchsetzbar. Zahlung kann nicht verlangt werden. Verbraucher wie die Beklagte sind entgegen der Meinung der Klägerin (wie die Klägerin auch Hartmann. in Danner/Theobald Energierecht, § 5 StromGVV, Rn. 16) insoweit nicht lediglich auf Schadensersatzansprüche beschränkt. Dies widerspricht der Bedeutung und dem Rang, die dem Verbraucherschutz, insbesondere denn Schutz von Haushaltskunden, sowie dem Transparenzgebot in der Richtlinie 2003/55 zuerkannt worden sind. Der Umstand. dass die Beklagte auf Preiserhöhungen der Klägerin zunächst geschwiegen und diesen erst mit Schreiben vom 5.10.2006 widersprochen hat, ist ihr unschädlich. Bloßem Schweigen kommt im Rechtsverkehr keine Erkiarungsbedeutung zu. Nach alledem ist ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV zur Auslegung von Bestimmungen der Erdgasbinnenmarktrichtlinie nicht angezeigt
ANHANG AMaßnahmen zum Schutz der KundenUnbeschadet der Verbraucherschutzvorschriften der Gemeinschaft, insbesondere der Richtlinie 97/7/EG des EuropäischenParlaments und des Rates (1) und der Richtlinie 93/13/EG des Rates (2), soll mit den in Artikel 3 genannten Maßnahmensichergestellt werden, dass die Kundenb) rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und dabei über ihr Rücktrittsrecht unterrichtetwerden. Die Dienstleister teilen ihren Kunden direkt jede Gebührenerhöhung mit angemessener Frist mit, aufjeden Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode, die auf die Gebührenerhöhung folgt. Die Mitgliedstaatenstellen sicher, dass es den Kunden freisteht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nichtakzeptieren, die ihnen ihr Gasdienstleister mitgeteilt hat
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