Pressemitteilung OLG Düsseldorf zu Urt. v. 13.06.12 Az. VI- 2 U 2(Kart) 10/11Nach dem Urteil des 2.Kartellsenats des OLG Düsseldorf sind Preiserhöhungen
gegenüber grundversorgten Kunden unwirksam, wenn der betroffene Kunde nicht vor der Preisänderung brieflich über diese informiert und über ein bestehendes Sonderkündigungsrecht belehrt wurde. Dies ergebe sich aus einer EU- Richtlinie.
Der Senat geht davon aus, dass die GasGVV und die AVBGasV entsprechend den europarechtlichen Vorgaben auszulegen seien. So verpflichte die
Erdgasbinnenmarktrichtlinie 2003/55/EG die Mitgliedstaaten, transparente Vertragsbedingungen festzulegen. Die Richtlinie verlange u.a., dass Gasversorger jede Gebührenerhöhung ihren Kunden unmittelbar mit angemessener Frist vorab mitteilen und dabei auch über das Kündigungsrecht des Kunden informieren. Die GasGVV berücksichtige diese europarechtlichen Vorschriften jedoch nur unzureichend, weil die GasGVV keine Belehrung über das Kündigungsrecht des Kunden normiere. In der bis November 2006 geltenden AVBGasV sei darüber hinaus auch nicht die unmittelbare Mitteilung per Brief an den Gaskunden vorgesehen gewesen. Da im vorliegenden Fall nicht auf das Kündigungsrecht und auf Gaspreiserhöhungen nur teilweise per Brief hingewiesen worden seien, könnten die seit September 2005 geforderten Erhöhungen nicht verlangt werden.
Es sei auch unerheblich, dass die Gaskundin sich erst im Oktober 2006, mehr als ein Jahr nach der ersten hier streitigen Preiserhöhung, gegen die Gaspreiserhöhung gewandt habe. Das bloße Schweigen könne nicht als stillschweigende Zustimmung zur Preiserhöhung verstanden werden.
Die Revision wurde zugelassen.
Weil die Revision zugelassen wurde, war das OLG Düsseldorf nicht selbst gehalten, das Verfahren auszusetzen und die Rechtsfrage gem. Art. 267 AEUV dem EuGH vorab vorzulegen.
Vorinstanz:
LG Mönchengladbach, Urt. v. 15.09.11 Az. 6 O 61/11 (Niederrheinwerke Viersen)Damit ändert das OLG Düsseldorf wohl seine bisherige Rechtsprechung zu Gaspreiserhöhungen gegenüber grundversorgten Tarifkunden, siehe noch
OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.12.11 Az. VI-3 U (Kart) 4/11 Zur Billigkeitskontrolle GaspreiserhöhungenDas Urteil ist geeignet, erhebliche Bedeutung für die Branche zu erlangen, da Grundversorger zwar regelmäßig sechs Wochen vor einer beabsichtigten Preisänderung die Kunden brieflich informieren, dabei jedoch bisher regelmäßig nicht über ein bestehendes Sonderkündigungsrecht belehren.Im Falle einer Revision wird der BGH das Verfahren voraussichtlich aussetzen und die europrechtliche Vorfrage gem. Art. 267 AEUV dem EuGH vorab zur Entscheidung vorlegen, ähnlich BGH, B. v. 24.01.12 Az. VIII ZR 236/10 und VIII ZR 158/11.
Im Falle der Unwirksamkeit könnte sich hiernach wieder die Frage einer ergänzenden Vertragsauslegung stellen, vgl. BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11 und VIII ZR 93/11.
Wenn die vom OLG Düsseldorf aufgestellten Grundsätze für die Grundversorgung gelten, so gelten sie für Sonderverträge mit Haushaltskunden wohl
erst recht, jedenfalls soweit es um Allgemeine Geschäftsbedingungen geht, da den richtlinienkonform ausgelegten Verordnungen Leitbildfunktion zukommen könnte.
Sollten die gesetzlichen Regelungen über das Preisanpassungsrecht wie vom OLG Düsseldorf ausgeführt europarechtswidrig sein, so wären sie wohl unwirksam.
Wurde dem Versorger jedoch ein Preisanpassungsrecht (vom Gesetzgeber) aus genannten Gründen
nicht wirksam eingeräumt, so dürfte es wohl eigentlich erst gar nicht mehr darauf ankommen, ob der Versorger etwaig über ein Sonderkündigungsrecht im konkreten Fall hinreichend belehrt hatte oder nicht.