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Autor Thema: Beanstandungslos und vorbehaltlos geleistete Zahlungen kein Einverständnis mit Preiserhöhung!  (Gelesen 4167 mal)

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Offline jofri46

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Aus einem Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 26.02.2010, 2 U 178/09, zur Zulässigkeit von Preisanpassungsklauseln in einem Mietvertrag über eine Telefonanlage (http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de):

\"...den kommentarlosen Zahlungen kann nicht die Wirkung einer konkludenten Vertragsänderung beigemessen werden, da es insoweit bereits an einer auf eine einvernehmliche Vertragsänderung gerichteten Willenserklärung der Klägerin fehlt.

Zwar kann beanstandungslos und vorbehaltlos über einen längeren Zeitraum geleisteten Zahlungen aus der Empfängersicht die Bedeutung einer Einverständniserklärung mit einer Preiserhöhung zukommen... Die Beklagte hat sich jedoch deshalb nicht konkludent einverstanden erklärt mit einem Verlangen um Zustimmung zu einer Mieterhöhung, weil ihr ein entsprechendes Angebot nicht unterbreitet worden war. Die Klägerin hat die mehrfachen Preiserhöhungen gegenüber der Beklagten in ihren ankündigenden Schreiben vielmehr einseitig aufgrund der Preisanpassungsklausel... der \"Weiteren Vertragsbedingungen\" und damit auf ein ihr vermeintlich zustehendes einseitiges Preisanpasssungsrecht gestützt, so dass sie die kommentarlosen Zahlungen nicht als Annahmeerklärung ansehen konnte. Sie hat ihr Erhöhungsverlangen vielmehr als Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechts begriffen, nicht als Angebot an die Beklagte. Das Preiserhöhungsverlangen einer Vertragspartei stellt kein Angebot zum Abschluss einer Mieterhöhungsvereinbarung dar und kann auch nicht in ein solches umgedeutet werden, wenn es sich auf ein vermeintlich einseitiges Preisbestimmungsrecht aufgrund einer Vertragsklausel stützt. Denn in diesem Fall kann der Empfänger nicht davon ausgehen, die Erklärung seines Vertragspartners beinhalte ein Angebot auf Abänderung des ursprünglichen Vertrages...

Ein einseitiges Preiserhöhungsrecht stand der Klägerin nicht zu, da die Klausel Ziffer 4.3 wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist...

In den vorbehaltlosen Zahlungen der Beklagten ist kein deklatorisches oder tatsächliches Einverständnis mit einer Preiserhöhung auch für die zukünftigen Mieten zu erblicken...

...Der Umstand, dass eine Rechnung vorbehaltlos beglichen wird, enthält über seinen Charakter als Erfüllungshandlung hinaus keine Aussage des Schuldners, zugleich den Bestand der erfüllten Forderungen außer Streit stellen zu wollen...\"

Im Ergebnis sprach das OLG Frankfurt der Klägerin nur die zwischen den Parteien bei Vertragsschluss vereinbarte Miete zu.

Die Urteilsgründe des OLG Frankfurt können m. E. auf Energie-Sonderverträge mit ebenfalls unwirksamer Preisanpassungsklausel entsprechend angewandt werden.

Offline RR-E-ft

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Zitat
Original von jofri46

Die Urteilsgründe des OLG Frankfurt können m. E. auf Energie-Sonderverträge mit ebenfalls unwirksamer Preisanpassungsklausel entsprechend angewandt werden.

Man muss es wohl gar nicht so weit herholen.
Die Welt hat sich weitergedreht.

Der BGH hat bereits  mehrfach entschieden, dass im Falle nicht wirksam einbezogener oder unwirksamer Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen einseitige Preisänderungen des Energieversorgers  durch die bloße beanstandungs- und vorbehaltlose Zahlung des Kunden  nicht als vereinbart gelten können (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08 Rn. 57 - 59, zuletzt B. v. 07.09.11 VIII ZR 14/11 Rn. 2 - 4; siehe auch BGH, Urt. v. 20.07.05 VIII ZR 199/04 unter II. 2 b) zum Mietrecht).


Zitat
BGH, B. v. 07.06.11 VIII ZR 333/10 Rn. 2

Die Maßstäbe, nach denen zu beurteilen ist, ob einem Gasversorgungsunternehmen gegenüber einem Normsonderkunden ein einseitiges Preisänderungsrecht zusteht, sind durch die Rechtsprechung des Senats geklärt.

Insbesondere ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen bei einem Normsonderkundenvertrag (auf den das für den Tarifkundenvertrag geltende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV bzw. [seit dem 8. November 2006] § 5 Abs. 2 GasGVV weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung findet, vgl. nur Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 23; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, NJW 2011, 50 Rn. 25, zur Veröffentlichung in BGHZ 186, 180 ff. vorgesehen, und VIII ZR 327/07, RdE 2010, 384 Rn. 12; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 Rn. 25; jeweils mwN) von einer wirksamen vertraglichen Vereinbarung eines Preisänderungsrechts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgegangen werden kann (vgl. nur Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 26 ff.; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 32 ff., 38 ff.; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, aaO Rn. 17; jeweils mwN), ob beim Fehlen einer wirksamen Vereinbarung eines Preisänderungsrechts ein solches aus der ergänzenden Auslegung des Versorgungsvertrages hergeleitet werden kann (Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 38 f.; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 49 ff.; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, aaO Rn. 26 ff.; jeweils mwN) und ob in einer vorbehaltlosen Zahlung der vom Gasversorgungsunternehmen einseitig erhöhten Gaspreise durch den Kunden eine stillschweigende Zustimmung zu dem erhöhten Preis gesehen werden kann, wenn es bereits an einem wirksamen Preisanpassungsrecht des Gasversorgungsunternehmens fehlt, weil die Preisanpassungsregelung nicht Vertragsbestandteil des Sonderkundenvertrags geworden oder unwirksam ist (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 57-59, 65 f.; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 40-42; jeweils mwN; vgl. hingegen für den Fall einer wirksamen Einbeziehung der AVBGasV mit dem sich hieraus ergebenden Preisänderungsrecht in den Normsonderkundenvertrag: Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 327/07, aaO Rn. 18].


Zitat
BGH, Urt. v. 09.02.11 VIII ZR 295/09 Rn. 40 ff.:

3. Da der Beklagten kein wirksam vereinbartes Preisänderungsrecht zugestanden hat, kann auch die Annahme des Berufungsgerichts keinen Bestand haben, der bei Inanspruchnahme des Preisänderungsrechts bestehende Preissockel sei als vereinbarter Preis einer Billigkeitskontrolle entzogen.

a) Zwar wird in einem Tarifkundenvertrag, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, der zum Zeitpunkt der Jahresabrech-nung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien ver-einbarten Preis und kann deshalb nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft werden (Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 36; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 15 f.).

b) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, lässt sich diese Rechtsprechung jedoch nicht auf Fälle übertragen, in denen nicht (nur) die Billigkeit der Preiserhöhung im Streit steht, sondern in denen es bereits an einem wirksamen Preisanpassungsrecht des Versorgungsunternehmens fehlt, weil die Preisanpassungsregelung nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam ist (Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 59). Da hier die von der Beklagten seit November 2001 verwendeten Bedingungen für ihren Tarif E. kein wirksames Preisanpassungsrecht enthalten, sind alle auf der Grundlage dieser Bedingungen vorgenommenen Preisänderungen unwirksam.

Zitat
BGH, Urt. v. 20.07.05 VIII ZR 199/04 unter II 2 b:

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß die Schreiben der Beklagten nicht als Angebot zum Abschluß einer Änderungsvereinbarung zu werten sind, weil in ihnen - aufgrund des in § 3 Ziff. 4 des Mietvertrags enthaltenen Erhöhungsrechts des Vermieters (vgl. oben 1.) - die Miete einseitig festgelegt wurde.

Dies läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Aus der Sicht eines verständigen Mietershat die Beklagte durch ihre Schreiben, in denen sie die zukünftig zu zahlendeMiete festlegte, erkennbar auf der Grundlage der - unwirksamen - vertraglichenRegelung ihr einseitiges Bestimmungsrecht ausüben wollen.

Hierin lag daher, vom Empfängerhorizont der Mieter ausgehend, kein Angebot zum Abschluß einer Mieterhöhungsvereinbarung.

Es war für sie bereits nicht ersichtlich,daß es ihnen frei stand, der Mieterhöhung zuzustimmen oder es auf einetwaiges Mieterhöhungsverfahren ankommen zu lassen. Die Rechtslage mußte sich ihnen vielmehr so darstellen, als seien sie schon aufgrund der einseitigen Erklärung der Beklagten zur Zahlung verpflichtet.
 
Deshalb durfte die Beklagte auch der Zahlung der erhöhten Miete keine Erklärungsbedeutung beimessen,wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Ansichtin Rechtsprechung und Schrifttum rechtsfehlerfrei angenommen hat (vgl. OLG Karlsruhe WuM 1986, 166, 168; OLG Hamburg WuM 1986, 82; LG HamburgWuM 1989, 580; LG München I WuM 1992, 490; LG Aachen WuM 1995,545; LG Mannheim WuM 2000, 308; LG Bautzen WuM 2002, 497; LG BerlinGE 2003, 807; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 8. Aufl., § 557 Rdnr. 4; Sternel,Mietrecht, 3. Aufl., III Rdnr. 422; Staudinger/Weitemeyer, BGB (2003), § 557Rdnr. 33 f.; MünchKommBGB/Artz, 4. Aufl., § 557 Rdnr. 39; Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl., § 2 MHG Rdnr. 123; Soergel/Heintzmann, BGB, 12. Aufl., § 10 MHG Rdnr. 8; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 8. Aufl., § 557 Rdnr. 22 f.).

Die Welt hat sich noch weiter gedreht:

Zu berücksichtigen sind zudem die EuGH- Vorlagen des BGH; B. 09.02.11 VIII ZR 162/09, B. v. 18.05.11 VIII ZR 71/10 und B. v. 29.06.11 VIII ZR 211/10, die erbringen sollen, ob die gesetzliche Regelung des §§ 4 AVBV / 5 GVV bzw. entsprechende AGB- Klauseln dem Energieversorger überhaupt wirksam ein Preisänderungsrecht vermitteln.  

Die einseitige Willenserklärung im Sinne des § 315 Abs. 2 BGB zur Ausübung eines (vermeintlichen) einseitigen Leistungsbestimmungsrechts ist per se schon kein Angebot auf Abschluss einer Vertragsänderungsvereinbarung iSv. §§ 145 ff. BGB  [siehe nur: § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB].

Ohne Angebotserklärung iSv. § 145 BGB scheidet auch jede konkludente Annahme von vornherein aus.

Siehe auch Fricke, ZNER 15/2/2011, S. 130 ff.

Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB besteht für den Energieversorger immer nur dann, wenn dieser aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder kraft Gesetzes verpflichtet ist, den zu zahlenden Preis nach Vertragsabschluss einseitig zu bestimmen (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.07 VIII ZR 36&06 Rn. 32, Urt. v. 19.11.08 VIII ZR 138/07 Rn. 16, Urt. v. 08.07.09 VIII ZR 314/07 Rn. 16).

Besteht eine solche Verpflichtung kraft vertraglicher Vereinbarung oder aufgrund einer gesetzlichen Regelung, so findet auf die enseitige Preisbestimmung die Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB statt.

Zitat
BGH, B. v. 29.06.11 VIII ZR 211/10 Rn. 17:

Ist einem Energieversorger aufgrund Gesetzes oder vertraglicher Vereinbarung ein Preisanpassungsrecht eingeräumt, so unterliegt eine auf der Grundlage dieses Rechts erfolgte Preiserhöhung als einseitige Leistungsbestimmung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, sofern und soweit es sich nicht um vereinbarte Preise handelt (st. Rspr. des Senats; zuletzt Beschlüsse vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO unter III 2 a; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 162/09, WM 2011, 850 Rn. 18; jeweils mwN).



Zitat
BGH, B. v. 18.05.11 VIII ZR 71/10 Rn. 10 f.:

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Gasversorgungsunternehmen das ihm nach dem Regelungsgehalt des § 4 Abs. 1 oder 2 AVBGasV kraft Gesetzes zukommende und dort nach Anlass, Voraussetzungen und Umfang nicht präzisierte Recht zur Preisänderung nicht nach freiem Belieben ausüben; eine solche Preisänderung hat vielmehr gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen.

Sie ist deshalb für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Zu diesem Zweck kann dieser die Preisänderung auch gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen lassen (BGH, Urteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 29. April 2008 - KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 26; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 26; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 19 f.).

b) Aus dieser gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit folgt nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Preisänderung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Preisänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisänderung auch die Pflicht hierzu, wenn die Änderung für den Kunden günstig ist (BGH, Urteile vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 Rn. 18 mwN).

Eine solche gesetzliche Preisbestimmungspflicht ergibt sich m.E. unmittelbar aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1   EnWG, § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 6 Abs. 1 EnWG 1935.

Zitat
BGH, Urt. v. 04.03.08 KZR 29/06 Rn. 20:

Ebenso wie der Gesetzgeber den Energieversorgern, die nach § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jedermann geltende Tarife aufzustellen haben, hierdurch ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hat (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17), ist damit den Netzbetreibern, die allein über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse verfügen, das Recht gegeben worden, unter Beachtung der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes und gegebenenfalls der durch Rechtsverordnung konkretisierten Kriterien allgemeine Entgelte für die Netznutzung zu bilden.[



Zitat
BGH, Urt. v. 18.10.05 KZR 36/04 Rn. 9 f.:

Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmung ist nach § 315 Abs. 1 BGB, dass die vertragliche Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden soll.

Ein derartiges einseitiges Leistungsbestimmungsrecht haben die Parteien der Beklagten eingeräumt. Denn die von der Klägerin zu entrichtenden Entgelte sollten sich nach der \"jeweils geltenden\" Anlage 3 bestimmen.

Das Recht des Netzbetreibers, künftige Netznutzungsentgelte ohne Mitwirkung des Netznutzers festzusetzen, kann nicht anders behandelt werden.

Aber auch das zum Zeitpunkt des Vertragschlusses von dem Netzbetreiber geforderte Entgelt ist regelmäßig ein nach dem Willen der Vertragsparteien einseitig bestimmtes Entgelt, das der Netzbetreiber zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt und das - schon zur Vermeidung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung - für eine bestimmte Zeitdauer sämtlichen Vertragsbeziehungen mit gleichen Nutzungsprofilen unabhängig davon zugrunde liegen soll, wann der Vertrag geschlossen wird.

Auch dann, wenn das Entgelt betragsmäßig bereits feststellbar ist, wird - wie im Streitfall der Verweis auf die \"jeweils geltende Anlage 3\" verdeutlicht - nicht dieser Betrag als Preis vereinbart.

Der Betrag gibt vielmehr lediglich das für einen bestimmten Zeitpunkt ermittelte Ergebnis des gleichen Preisbestimmungsverfahrens wieder, das dem Netzbetreiber auch für die Zukunft zustehen soll, an dem der Netznutzer nicht teilnimmt, dessen konkrete preisbestimmende Faktoren ihm nicht bekannt sind und dessen Ergebnis er weder nachvollziehen noch beeinflussen kann.

Es ist daher nicht weniger einseitig bestimmt als die künftige Höhe des Entgelts.

Es wäre eine künstliche Aufspaltung der äußerlich und inhaltlich einheitlichen Preisvereinbarung und führte zu Zufallsergebnissen, wollte man einen vereinbarten Anfangspreis von (vom Zeitpunkt der ersten ausdrücklich oder stillschweigend vorgesehenen Neuberechnung an maßgeblichen) einseitig bestimmten Folgepreisen unterscheiden.

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Gemäß § 36 Abs. 1 EnWG sind Energieversorgungsunternehmen gesetzlich verpflichtet, für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.

Bei den vom Grundversorger aufgrund dieser gesetzlichen Verpflichtung bestimmten jeweiligen Allgemeinen Preisen  handelt es sich ebenfalls um ein  Entgelt, das der Grundversorger zu bestimmten Zeitpunkten ohne Mitwirkung der Kunden ermittelt und das - nicht nur zur Vermeidung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung, sondern aufgrund eindeutiger gesetzlicher Verpflichtung  - für eine bestimmte Zeitdauer sämtlichen Vertragsbeziehungen mit gleichen Nutzungsprofilen unabhängig davon zugrunde liegen muss, wann der Vertrag geschlossen wird.

Diese gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers wird m. E. über § 6 Abs. 2 GVV in den Grundversorgungsvertrag implementiert. Die Grundversorgung soll demnach zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen erfolgen, die der Grundversorger zu bestimmen gesetzlich verpflichtet ist und die an den Maßtsb der Billigkeit unter Beachtung der Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG gebunden sind, so dass m. E. die Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers als eigentliche vertragliche Hauptabrede über den Preis erscheint.

Der VIII. Zivilsenat des BGH unterscheidet hingegen zwischen einer Preisvereinbarung bei Vertragsabschluss und einem gesetzlichen Preisänderungsrecht, welches er als eine Art Preisänderungsklausel (Nebenabrede) auffasst (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.07 VIII ZR 36/06 Rn. 22, 32).

Der Gesetzgeber wollte gerade nicht, dass Grundversorger mit Haushaltskunden für den Bereich der Grundversorgung Preise vereinbaren und somit von der gesetzlichen Verpflichtung zu ihnen möglichen  Preissenkungen, die den betroffenen Kunden günstig sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.10 VIII ZR 81/08 Rn. 18] befreit werden; die Vornahme von Preissenkungen, die dem Grundversorger möglich sind, in dessen Belieben gestellt werden.

 

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