Meine These:
Seit 2000 erteilte Stromabrechnungen aller EVU ausnahmslos falsch
Kunden haben Erstattungsansprüche in MilliardenhöheProblemaufriss:
Im Jahre 2000 traten das EEG und das KWKG in Kraft.
Die Gesetze wurden in der Folgezeit novelliert.
I. Regelungsgehalt
Nach allen Gesetzen hatten und haben die Netzbetreiber besondere Strommengen aufzunehmen und zu vergüten. Es erfolgt eine Kostenwälzung zwischen den Netzbetreibern. Im jeweils folgenden Jahr sollte ein bundesweiter Belastungsausgleich stattfinden. Bis dahin gelten jeweils vorläufige Vorauszahlungen zwischen den Unternehmen.
In den verschiedenen Gesetzen war nicht vorgesehen, dass die den EVU entstehenden finanziellen Lasten auf die Endverbraucher umgelegt werden.
Zunächst gab es eine juristische Auseinandersetzung darüber, ob es sich bei diesen finanziellen Lasten der EVU um Steuern und Abgaben handelt, die zu Preiserhöhungen berechtigen. Diese Auseinandersetzung fand mit einem entsprechenden Urteil des BGH ihren Abschluss, wonach es sich zwar nicht um Steuern und Abgaben handelt, jedoch gleichwohl eine Analogie gleichwohl den EVU Preiserhöhungen gestattet, wenn eine sog. Steuer- und Abgabenklausel im Stromlieferungsvertrag vereinbart ist:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=9848ee65ae46f52668e0580c29aedcd0&nr=28024&pos=0&anz=1II. Tatsächliche Durchführung
Der VDN Verband der Netzbetreiber beim VDEW prognostizierte seit 2000 die entsprechenden Strommengen für das Folgejahr und die Abschläge, die deshalb auf den späteren bundesweiten Belastungsausgleich zu zahlen sind. Die tatsächlichen Strommengen und Belastungen für die Jahre 2000 und 2001 wurden jedoch vom VDN erst im Jahre 2004 abschließend ermittelt:
http://www.vdn-berlin.deDie Stromversorger haben mit den Strompreisen von den Verbrauchern entsprechende Abschläge basierend auf den Prognosen des VDN in Rechnung gestellt und kassiert.
Allein bis zum Ende des Jahres 2003 soll es nach Berechnungen des BEE, VZBV und BdE dabei allein im Bereich des EEG zu Überzahlungen in Höhe von 500 Mio. EUR gekommen sein. Die Verbände hatten dabei zutreffend kritisiert, dass ohne eine Valuierung über einen bundesweiten Belastungsausgleich vom VDN die bereits zu hohen Prognosen des Jahres 2003 in 2004 fortgeschrieben wurden, was zu einer weiteren Überzahlung in Höhe von 400 Mio. EUR führen würde:
http://www.stromtarife.de/archiv/04/01/1505.html http://www.energienetz.de/pre_cat_41-id_89-subid_1094-subsubid_1492__content_news_detail=2534&back_cont_id=1129.html http://www.zdf.de/ZDFheute/inhalt/7/0,3672,2118599,00.html http://www.eeg-aktuell.de/ezfilemanager/downloadtemp/BZ%20-%20Strompreis%202003-12-10.pdf III. Urteil des LG Münster
Ausgehend davon, dass die auf das einzelne EVU entfallenden tatsächlichen Belastungen erst nach einem bundesweiten Belastungsausgleich feststehen, hat das LG Münster in einem rechtskräftigen Urteil vom 09.02.2005 (RdE Heft 8/2005) festgestellt, dass die Forderungen des EVU aufgrund o. g. Steuer- und Abgabenklausel frühestens dann fällig sein können, wenn der bundesweite Belastungsausgleich durchgeführt wurde und endgültig feststeht, welche Belastungen auf das einzelne EVU pro Abrechnungsjahr auf dessen abgesetzte Strommengen pro Kilowattstunde entfielen. Dies ist erst nach einer Spitzabrechnung möglich.
Dem Kunden darf es nicht zum Nachteil gereichen, wenn der bundesweite Belastungsausgleich – entgegen den gesetzlichen Vorgaben – erst spät erfolgt, da er darauf keinerlei Einfluss hat. Schließlich handelt es sich beim VDN um den Verband der Netzbetreiber, dem die einzelnen EVU angehören.
IV. Würdigung
Dieses Ergebnis ist – entgegen der Besprechung von Salje – auch zutreffend:
Erst hiernach kann ermittelt werden, welche Belastungen dem EVU im Abrechnungsjahr tatsächlich entstanden waren und in welcher Höhe diese pro Kilowattstunde auf den Stromkunden entfielen.
Multipliziert mit dem tatsächlichen Verbrauch des Kunden im betreffenden Abrechnungsjahr kann dann erst ermittelt werden, welche Lasten der einzelne Stromkunde deshalb zu tragen hat.
Mithin ist dabei auf den tatsächlichen Verbrauch des Kunden im betreffenden Abrechnungsjahr abzustellen.
Weil der bundesweite Belastungsausgleich für die Jahre 2000 bis 2003 erst in 2004 erfolgte, können die entfallenden Rechnungsbeträge erst hiernach durch ein Aufgreifen des Verbrauchs aus den vorangegangenen Verbrauchsabrechnungen ermittelt und in Rechnung gestellt werden.
Die EVU haben jedoch von den Verbrauchern – ohne rechtliche Rechtfertigung – Abschläge auf diese erst später fällig werdenden Zahlungsverpflichtungen erhoben und sich hierdurch eine zinslose Außenfinanzierung verschafft.
Zudem hat der VDN wohl selbst gar keine Spitzabrechnungen vorgenommen, sondern die Vorauszahlungen durch Zu- und Abschläge bei den kommenden Vorauszahlungen verrechnet, was jedoch nicht möglich ist:
Hierdurch variiert zwar die Höhe der Abschläge, jedoch steht am Ende keine zutreffende Spitzabrechnung auch gegenüber dem Kunden.
Grob unbillig wird das Ergebnis, wenn der Kunde in den folgenden Abrechnungsperioden einen ganz anderen Verbrauch hatte.
Immerhin ist der tatsächliche Verbrauch in der betreffenden Abrechnungsperiode mit den in genau dieser Abrechnungsperiode entstehenden exakten Belastungen zu multiplizieren.
Zudem steht zu besorgen, dass selbst die ÜNB gegenüber den REVU und diese gegenüber den Stadtwerken gar keine Spitzabrechnungen durchführten, sondern vielmehr bei den ÜNB eine Poolbildung über alle REVU in der Regelzone erfolgte, quasi ein „großer Topf“ für alle nachgelagerten Unternehmen. Dabei kann wohl noch nicht einmal sicher ausgeschlossen werden, dass etwa Positionen nach den einzelnen Gesetzen unzulässig gegeneinander verrechnet wurden.
Hierdurch entstehen erhebliche windfall profits bei den ÜNB und REVU.
Nach den o. g. Schätzungen könnten diese sich auf über eine Milliarde EUR belaufen.
Solche sind jedoch weder im EEG noch im KWKG oder den Nachfolgeregelungen vorgesehen. Vielmehr sollten lediglich die tatsächlich entstandenen finanziellen Belastungen vollkommen gerecht auf die Gesamtheit aller Stromkunden verteilt werden.
Nunmehr behaupten die EVU gegenüber den Kunden zudem, sie seien diesen gegenüber nicht zu einer Spitzabrechnung verpflichtet. Mithin wollen sie sich die Vorteile aus von Anfang an zu pessimistischen Prognosen des VDN und somit zuviel vereinnahmten Abschlagszahlungen der Kunden erhalten, ohne Rechenschaft abzulegen und eine Endabrechnung zu erstellen.
Dabei wird die Behauptung aufgestellt, die auf die Kunden entfallenden Belastungen seien in den Stromtarifen abschließend geregelt gewesen.
Dies ist jedoch schon schlicht denknotwendig unmöglich, weil ja schon die auf das einzelne EVU im konkreten Abrechnungsjahr entfallenden tatsächlichen Belastungen bis zum endgültigen Ergebnis des bundesweiten Belastungsausgleiches im Rahmen einer Spitzabrechnung zwischen den Unternehmen gar nicht feststehen konnten.
Mithin konnten auch Tarifgenehmigungen keinerlei Präjudiz schaffen. Zwar wäre ein entsprechender Vorbehalt in den erteilten Tarifgenehmigungen wünschenswert gewesen, jedoch schaffen die Tarifgenehmigungen sowieso keinen Präjudiz im Verhältnis zwischen Kunden und EVU (vgl. nur BGH, Urt. v. 05.07.2005 – X ZR 60/04 unter II. 1 c.).
V. Fazit
Es kann festgestellt werden, dass alle Verbrauchsabrechnungen, in denen in den Strompreisen auf die EEG- und KWK- Umlage entfallende Abschläge enthalten waren, falsch sind.
Die entsprechenden Beträge wurden ohne Rechtsgrundlage in Rechnung gestellt. Eine Spitzabrechnung gegenüber den Stromkunden erfolgte bisher nicht.
Insoweit liegen bisher lediglich Überzahlungen vor, welche an die Verbraucher unverzüglich mit marktüblicher Verzinsung auszukehren sind.
Als \"marktüblich\" wird man die Eigenkapitalrenditen der Versorgungsunternehmen zu Grunde zu legen haben.
Diese soll bei 30 Prozent liegen:
http://www.rbi-aktuell.de/cms/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=29&idart=1682Erst nach erfolgtem bundesweiten Belastungsausgleich und endgültiger Feststellung der auf das einzelne EVU entfallenden tatsächlichen Belastungen pro Abrechnungsjahr kann eine entsprechende Abrechnung anhand des Verbrauches im betreffenden Abrechnungsjahr erfolgen.
Eine solche wird gem. § 27 Abs. 2 AVBEltV frühestens 14 Tage nach Rechnungszugang fällig.
Das gleiche Problem besteht bei zur Abrechnung gebrachten Netznutzungsentgelten, in denen entsprechende Preisbestandteile enthalten waren.
Es muss sichergestellt werden, dass die entsprechenden Erstattungsbeträge nebst Zinsen unverzüglich an die Stromkunden ausgekehrt werden, ohne dass diese erst darauf verwiesen werden, ihre Ansprüche einzeln gerichtlich zu verfolgen.
Der Staat, der mit den o. g. Gesetzen den EVU die Möglichkeit verschafft hat, entsprechende Beträge zu vereinnahmen, hat auch dafür Sorge zu tragen, dass die Abrechnung korrekt erfolgt, die Energiekonzerne keine windfall profits generieren können.
Lösungsmöglichkeiten:
Bei allen EVU auf allen Ebenen handelt es sich dabei insbesondere in Gestalt der Netzbetreiber um marktbeherrschende Unternehmen.
Weil die oben aufgezeigte Abrechnungspraxis aller EVU aufgrund deren eigener „Regelwerke“ des VDEW bzw. des VDN erfolgte, stellt sich die Frage, ob es sich dabei nicht um ein Kartell handelt, welches insgesamt gegenüber der Marktgegenseite, nämlich den Stromkunden und Netznutzern, handelte.
Dann muss es mit dem kartellrechtlichen Instrumentarium möglich sein, durch entsprechende Verfügungen eine Auskehr anzuordnen.
Eine entsprechende Anordnung könnte auch durch die Bundesnetzagentur im Rahmen deren Zuständigkeit erfolgen.
Sollte dies nicht möglich sein, würde es eines entsprechenden Nachtragsgesetzes zu den o. g. Gesetzen bedürfen.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt