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Autor Thema: LG Oldenburg setzt Verfahren aus  (Gelesen 4622 mal)

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Offline jroettges

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LG Oldenburg setzt Verfahren aus
« am: 14. Januar 2010, 18:24:51 »
Ein EWE-Beklagter aus dem schönen Hude hat den Aussetzungsbeschluss seines Verfahrens vom LG Oldenburg erhalten.

Zitat
Die 3. Kammer für Handelssachen des LG Oldenburg schrieb:

Das Verfahren wird gemäß § 148 ZPO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Revisionsverfahrens VIII ZR 246/08 ausgesetzt, da es darin ebenfalls um die Frage der Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit von Gaspreiserhöhungen seitens der Klägerin bei ihren Sondervertragskunden geht.

Die Kammer sieht also die Kunden der EWE als \"Sondervertragskunden\" an und nicht als \"Tarifkunden\", wie EWE/Clifford Chance den Richtern in ellenlangen Begründungen weismachen will.

Offline Schwalmtaler

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LG Oldenburg setzt Verfahren aus
« Antwort #1 am: 15. Januar 2010, 08:57:24 »
Ist doch schon mal ein gutes Zeichen!

Offline bolli

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LG Oldenburg setzt Verfahren aus
« Antwort #2 am: 15. Januar 2010, 10:11:07 »
Zitat
Original von jroettges
Die Kammer sieht also die Kunden der EWE als \"Sondervertragskunden\" an und nicht als \"Tarifkunden\", wie EWE/Clifford Chance den Richtern in ellenlangen Begründungen weismachen will.
Das hilft aber herzlich wenig, wenn der BGH dieses im anhängigen Revisionsverfahren anders sehen sollte als die Kammer.

Offline RR-E-ft

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LG Oldenburg setzt Verfahren aus
« Antwort #3 am: 15. Januar 2010, 23:29:02 »
Die Kammer für Handelssachen bei dem LG Oldenburg macht es sich - unzulässig - zu einfach.

Bei dem Revisionsverfahren steht eine Rückverweisung zu erwarten.

Sollte der BGH eine Klausel, die § 4 AVBGasV unverändert als AGB in einen Sondervertrag übernimmt, für wirksam erachten (so BGH VIII ZR 56/08, VIII ZR 225/07), dann kommt es darauf an, ob die Bedingungen der AVBGasV gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB iVm. § 305 Abs. 2 BGB wirksam in die einzelnen betroffenen Sonderverträge einbezogen wurde, was LG Oldenburg und OLG Oldenburg jeweils offen gelassen hatten.


Die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel hängt zudem davon ab, dass dem Kunden ein Sonderkündigungsrecht für den Fall von Preiserhöhungen eingeräumt ist und er so rechtzeitig über die Preisänderung informiert wird, dass er sich aus dem Vertragsverhältnis lösen kann, bevor die beabsichtigte Preiserhöhung wirksam wird (Urt. v. 13.12.2006 Az. VIII ZR 25/06 Tz. 30 m. w. N.).

Auch daran fehlt es hier.

 
BGH, Urt. v. 18.10.2009 – VIII ZR 320/07 Tz. 34:

Eine rechtzeitige Information des Kunden, die es ihm ermöglicht, vor Wirksamwerden der Preisänderung zu kündigen, ist bei der in den Preisänderungsbestimmungen der Beklagten vorgesehenen Anpassung der Sonderkundenpreise durch öffentliche oder individuelle Bekanntmachung nicht hinreichend sichergestellt. Außerdem kann die Preisanpassung unmittelbar nach der Bekanntgabe wirksam werden, während die Kündigung fristgebunden ist. Das entspricht zwar den in § 4 Abs. 1 und 2, § 32 Abs. 2 AVBGasV – für den Fall einer Preisanpassung auf gesetzlicher Grundlage – getroffenen Regelungen. Dadurch kann aber die vorstehend (unter II 2 b bb (2)) ausgeführte unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten durch die vertragliche Preisanpassungsklausel nicht kompensiert werden (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2009 – VIII ZR 225/07, aaO., Tz. 32 f.).

BGH, aaO. Tz. 38

Sind allgemeine Geschäftsbedingungen – hier die formularmäßigen Preisänderungsklauseln – nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich nach § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam und richtet sich nach seinem Inhalt gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften.

Der BGH hat ausgeführt, dass es keine gesetzlichen Vorschriften gibt, wonach ein Gasversorgungsunternehmen gegenüber seinen (Norm-) Sondervertragskunden zur einseitigen Preisanpassung berechtigt ist (vgl. BGH VIII ZR 320/07 Tz. 39 ff.).

Auch eine ergänzende Vertragsauslegung, die zu einer entsprechenden Anpassungsmöglichkeit führt, ist regelmäßig ausgeschlossen (vgl. BGH B. v. 27.10.2009 – VIII ZR 204/08, zuletzt BGH, Urt. v. 13.01.2010 – VIII ZR 81/08, siehe auch Pressemitteilung des BGH Nr. 8/10 vom 13.01.2010).


Und - sollte dies der Fall sein - käme es weiter darauf an,  ob die einzelnen Gaspreisänderungen nach oben und nach unten jeweils der Billigkeit entsprachen, was die Gerichte ebenfalls offen gelassen hatten.

Diese Frage wird der BGH selbst in der jetzigen Revision VIII ZR 246/08 deshalb nicht klären.

Ein Grund, die aktuellen Verfahren beim LG Oldenburg deshalb nach § 148 ZPO auszusetzen besteht deshalb nicht, weil es nicht um eine Vorgreiflichkeit geht. Die Aussetzung ist sogar unzulässig, was durch eine sofortige Beschwerde geltend gemacht werden kann.

Sollte in dem ausgesetzten Verfahren die wirksame Einbeziehung der Bestimmungen der AVBGasV in den Sondervertrag bestritten sein und dieser Einwand durchgreifen, käme es weder auf die Wirksamkeit der einbezogenen Klausel noch auf die Billigkeit an.

Offline biene

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LG Oldenburg setzt Verfahren aus
« Antwort #4 am: 16. Januar 2010, 08:01:14 »
Hallo Herr Fricke,

hab ich es als \"Laie\" dann richtig verstanden, dass das LG diese Verfahren erst mal wieder zum AG zurückweisen kann?

Wie sollen wir als Verbraucher dann reagieren?

Biene

Offline angeljustus

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LG Oldenburg setzt Verfahren aus
« Antwort #5 am: 16. Januar 2010, 12:00:46 »
Warum die Panikmache? Erstmal sind wir noch gar nicht soweit, bis dahin ist es noch ein langer Weg!

Außerdem wird der Rechtsbeistand dann wohl die passende Maßnahme bereitstellen, soweit man einen beauftragt hat.

Offline RuRo

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LG Oldenburg setzt Verfahren aus
« Antwort #6 am: 16. Januar 2010, 12:40:16 »
@biene
Nach dem hier gelesenen, ist das Verfahren wohl beim LG Oldenburg in 1. Instanz anhängig. Das Gericht will aber eine BGH-Entscheidung abwarten, bevor es selber ein Urteil verkündet.  Das hat nichts mit einer Zurückweisung wegen Unzuständigkeit an ein Amtsgericht zu tun.
Leiderln hoits z\'sam, sonst gehts nimma recht lang

Offline RR-E-ft

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LG Oldenburg setzt Verfahren aus
« Antwort #7 am: 16. Januar 2010, 21:53:02 »
Die KfH des LG Oldenburg hat nicht gesagt, dass sie nicht zuständig oder gem. § 281 ZPO nicht an einen Verweisungsantrag gebunden wäre. Die Aussetzung nach § 148 ZPO erfolgte, weil das Gericht meint, der BGH würde wohl die Frage der Billigkeit der EWE- Preiserhöhungen klären, was jedoch nicht der Fall ist. Es liegt gar kein Fall vor, nach welchem eine Aussetzung nach § 148 ZPO zulässig wäre.

In einem anderen EWE- Fall hatte das OLG Oldenburg deshalb wohl schon einmal einen solchen Beschluss auf eine sofortige Beschwerde hin kassiert.

Offline jroettges

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LG Oldenburg setzt Verfahren aus
« Antwort #8 am: 10. Februar 2010, 20:28:17 »

Offline uwes

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LG Oldenburg setzt Verfahren aus
« Antwort #9 am: 11. Februar 2010, 11:57:27 »
Zitat
Original von RR-E-ftBei dem Revisionsverfahren steht eine Rückverweisung zu erwarten.

Warum nicht eine Vorlage an den EuGH deswegen?

Die Frage, die sich stellt, ist, ob Preiserhöhungen auf der Basis der AVBGasV oder GasGVV im Rahmen eines - wie hier vorliegend - Sondervertrages und (unterstellter) wirksamer Einbeziehung in den Vertrag angesichts der in der EG- Gasrichtlinie vorgesehenen Preistranzparenz ab dem 1.7.2007 noch möglich ist.

Ich glaube, niemand - auch der VIII Zivilsenat des BGH nicht  - würde die Auffassung vertreten, die Regelungen der §§ 4 AVBGasV und 5 GasGVV würden dem Tranzparenzgebot nach AGB-rechtlichen Maßstäben genügen.

Da der bundesdeutsche Gesetzgeber von der Ermächtigungsgrundlage des § 41 EnWG noch keinen Gebrauch gemacht hat, die RiLi 2003/55 aber die Umsetzung zum 1.7.2004 bereits vorschreibt, fehlt es an der Umsetzung der Verpflichtung zur Durchführung von Maßnahmen, die einen \"hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen, allgemeine Informationen und Streitbeilegungsverfahren\" gem. Art 3 Abs. 3 RilI 2003/55 EG \"gewährleisten\".

Man könnte sich daher auch die Frage stellen, ob Art. 3 Abs. 3 der RiLi 2003/55 in richtlinienkonformer Auslegung einem deutschen Gericht verbietet, einer Preiserhöhung im Sonderkundenvertrag die Zustimmung zu erteilen, wenn diese ausschließlich auf der Grundlage der Ausübung eines vertraglichen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gem. § 4 AVBGasV vom Energieversorger verlangt wird.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline uwes

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LG Oldenburg setzt Verfahren aus
« Antwort #10 am: 11. Februar 2010, 12:28:13 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Die KfH des LG Oldenburg hat nicht gesagt, dass sie nicht zuständig oder gem. § 281 ZPO nicht an einen Verweisungsantrag gebunden wäre. Die Aussetzung nach § 148 ZPO erfolgte, weil das Gericht meint, der BGH würde wohl die Frage der Billigkeit der EWE- Preiserhöhungen klären, was jedoch nicht der Fall ist. Es liegt gar kein Fall vor, nach welchem eine Aussetzung nach § 148 ZPO zulässig wäre.

In einem anderen EWE- Fall hatte das OLG Oldenburg deshalb wohl schon einmal einen solchen Beschluss auf eine sofortige Beschwerde hin kassiert.

Das ist richtig: Mit Beschluss vom 3.11.2006 Az.: 12 W 27/06 hatte das OLG Oldenburg einen gleichlautenden Aussetzungsbeschluss des Landgerichts (Az.: 9 O 403/06) kassiert=aufgehoben.

Nachdem in einem anderen Verfahren ein weiterer Aussetzungsbeschluss der 9. Kammer (9 S 574/06) angegriffen wurde aber zwischenzeitlich der o.g. OLG Beschluss vorlag, setzte die 9. Kammer von sich aus den Aussetzungsbeschluss wieder außer Kraft und setzte das Verfahren fort. (Beschluss vom 7.12.2006 Az.: 9 S 574/06)
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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