Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: EU-Richlinie Gasbinnenmarkt - 2003/55/EG  (Gelesen 3883 mal)

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Offline RuRo

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EU-Richlinie Gasbinnenmarkt - 2003/55/EG
« am: 09. November 2009, 20:19:08 »
Wer von den Forumsteilnehmern kann zur nationalen Umsetzung, insbesondere zu den Belangen des Verbraucherschutzes, einen Sachstandsbericht abgeben?
Leiderln hoits z\'sam, sonst gehts nimma recht lang

Offline tangocharly

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EU-Richlinie Gasbinnenmarkt - 2003/55/EG
« Antwort #1 am: 09. November 2009, 21:34:26 »
Also wenn Sie den Herrn Brüderle fragen, dann war der erste Wurf der, dass  der Verbraucher wechseln darf (z.B. zwischen Pest und Cholera) und im Übrigen war der große Wurf die Netzentflechtung, wo wundersame Dinge geschehen.
Ja, das war\'s dann wohl. Und im Übrigen will man da oben halt unter sich bleiben.

Wenn man dann noch einen Blick in\'s BMELV wirft, dann zeigt sich wiederum deutlich, wo noch wahrlich Verbraucherpolitik gemacht wird: in der Spielzeug-Richtlinie, die leider nicht weit genug geht ....
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline Lothar Gutsche

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EU-Richlinie Gasbinnenmarkt - 2003/55/EG
« Antwort #2 am: 09. November 2009, 22:40:02 »
@ RuRo

Zielen Sie mit Ihrer Frage auf das Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission am 25.6.2009 gegen Deutschland eröffnet hat?

Demnach sieht die EU-Kommission Schwierigkeiten der deutschen Verbraucher, die Vorteile des europäischen Binnenmarktes für Strom und Erdgas zu genießen. Die EU-Kommission bemängelt, dass Streitbeilegungsverfahren für Verbraucher in Deutschland fehlen. In der Pressemitteilung IP/09/1035 der EU-Kommission vom 25.6.2009 heißt es: „Es ist eine Grundprämisse der Strom- und der Erdgasrichtlinie, dass alle Bürger, denen die wirtschaftlichen Vorteile des Binnenmarktes zugute kommen, auch ein hohes Verbraucherschutzniveau genießen sollten. Ohne transparente, einfache und wenig kostenaufwändige Verfahren für den Umgang mit den Beschwerden kann es jedoch dazu kommen, dass die Verbraucher zögern, die Möglichkeiten des Binnenmarkts aktiv zu nutzen. Die Elektrizitäts- und die Erdgasrichtlinie enthalten eindeutig die Verpflichtung, dass solche Verfahren vorhanden sein und den Verbrauchern tatsächlich Alternativen zur Verfügung stehen müssen.“
(Quelle: http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/09/1035&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en)

U. a. wegen dieses schweren Verstoßes gegen den Verbraucherschutz eröffnete die EU-Kommission am 25.6.2009 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, siehe auch http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/8570_de.htm.

Was aus diesem Vertragsverletzungsverfahren konkret geworden ist, kann ich allerdings nicht sagen. Wegen der Neubesetzung der EU-Kommission könnte es auch vorläufig ruhen.

Viele Grüße
Lothar Gutsche

Offline Wolfgang_AW

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EU-Richlinie Gasbinnenmarkt - 2003/55/EG
« Antwort #3 am: 09. November 2009, 23:03:28 »
Ich weiß nicht, welche spezifische Verbraucherrechte Sie im Auge haben, aber das EnwG 2005 ist mit ein Ausfluß der EU-Richtlinie 2003/55/EG.

Dazu gab es im Jahr 2007 einen \"Entwurf (Stand 13.7.2007) Evaluierungsbericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag und den Bundesrat nach § 112 des Energiewirtschaftsgesetzes über die Erfahrungen und Ergebnisse mit der Regulierung Kurzfassung\"

Entwurf-Evaluierungsbericht-EnwG

Zitat
Das EnWG sowie Rechtsverordnungen zum Netzzugang und zu Netzentgelten haben im Jahre 2005 grundlegend neue Rahmenbedingungen für die leitungsgebundene
Energiewirtschaft geschaffen. Damit wurden auch die Binnenmarktrichtlinien 2003/55/EG und 2003/55/EG in nationales Recht umgesetzt.
(...)
Seit 2005 ist das Energiewirtschaftsrecht bereits weiterentwickelt worden, insbesondere in Bezug auf die Wettbewerbsbedingungen bei der Belieferung von Haushaltskunden. Durch den Erlass der Rechtsverordnungen zur Ausgestaltung von Netzanschluss, Anschlussnutzung und Grundversorgung wurden die Verbraucherrechte deutlich gestärkt und die Rahmenbedingungen für Lieferantenwechsel weiter verbessert. (...) Derzeit ist zu erwarten, dass der Wettbewerb in diesem Bereich an Fahrt gewinnt. Dieses Anliegen unterstreichen entsprechende Appelle aus Politik und Verbraucherverbänden. Durch einen Lieferantenwechsel können Verbraucher auch selbst dazu beitragen, dass der Marktmacht von Energieversorgern Grenzen gesetzt werden.

Allerdings wird die 2003/55/EG zukünftig durch 2009/73/EG vom 13.Juli 2009 ersetzt und ist zum 03.März 2011 anzuwenden.

http://energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Gesetze/EU-Richtlinie-Erdgasbinnenmarkt__447/

Zitat
Die Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt war ein wichtiger Beitrag zur Schaffung des Erdgasbinnenmarktes.
Die Freiheiten, die der Vertrag den Bürgern der Union garantiert unter anderem der freie Warenverkehr, die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr, sind nur in einem vollständig geöffneten Markt erreichbar, der allen Verbrauchern die freie Wahl ihrer Lieferanten und allen Anbietern die freie Belieferung ihrer Kunden gestattet.
(...)
Die Kommission legt ... einen detaillierten Bericht über die Fortschritte bei der Schaffung des Erdgasbinnenmarktes vor. In dem Bericht wird insbesondere Folgendes geprüft: ...
die Frage, inwieweit der volle Nutzen der Marktöffnung Kleinunternehmen und Haushaltskunden zugute kommt, insbesondere im Hinblick auf die Qualitätsstandards der gemeinwirtschaftlichen Leistungen, ...
die Frage, inwieweit die Kunden tatsächlich den Versorgerwechseln und die Tarife neu aushandeln ...

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang_AW
„Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.“

(Alfred Polgar)

Offline nomos

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EU-Richlinie Gasbinnenmarkt - 2003/55/EG
« Antwort #4 am: 10. November 2009, 11:09:21 »
In den USA genügt fast ein Mausklick – und der geschädigte Verbraucher wird zum Kläger.

z.B. WIWO
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Wahlwerbung zur Europa-Wahl eines Mitglieds des Europäischen Parlaments (Sozialdemokratischen Fraktion (SPE)):
    Verbrauchersammelklagen für Europa[/B]

    In 13 Mitgliedstaaten gibt es bereits Verbrauchersammelklagen. Diese erlauben es Verbrauchern sich zusammenzuschließen, wenn sie von unlauteren Geschäftspraktiken eines Unternehmens betroffen sind. Besonders hilfreich sind Verbrauchersammelklagen bei so genannten Streuschäden, bei denen sich für den einzelnen Bürger der mit einer Klage verbundene Aufwand nicht lohnt, der Gesamtschaden aber durchaus beträchtlich sein kann. Wenn wir die Bürger und Bürgerinnen ermutigen wollen, den EU- Binnenmarkt zu nutzen, dann müssen wir ihnen auch entsprechende Rechte an die Hand geben. Dazu gehört ein EU- weites System an Sammelklagen.
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Für viele Verbraucher sind nicht nur die Anwalts- und Gerichtskosten eine Hürde, sondern vor allem die möglichen Gutachterkosten, die in keinem Verhältnis zum Schaden des einzelnen Verbrauchers stehen. Der Verbraucher wird dadurch abgehalten sein Recht durchzusetzen. Ob es da um das EnWG, die Billigkeit der Preise nach § 315 BGB, um Ansprüche aus dem Verstoß gegen das GWB oder um die Einhaltung der Beschränkungen des kommunale Wirtschaftsrechts geht, das Kostenrisiko ist für einzelne Verbraucher in aller Regel untragbar und abschreckend bzw. es bestehen noch zusätzliche Hindernisse die Rechte durchzusetzen. Verbraucherverbände helfen da bisher nur sporadisch.

Die Verhinderung der Klagen zum Schutz der Gerichte etc. ist die erkennbare Absicht der deutschen Politik (Kartellrecht). Sammelverfahren würden die Gerichte allerdings nicht nur entlasten, eine einheitlichere und insgesamt qualitativ bessere Rechtssprechung wäre zu erwarten.

Bei GWB-Verstoß sind private Schadensersatz- und Unterlassungsklagen nicht vorgesehen. Da die Art. 81 und 82 EGV jedoch Schutzgesetz im Sinn des § 823 II BGB sind, kann und muss als zivilrechtliche Sanktion auch eine Klage auf Schadensersatz oder Unterlassung vor den ordentlichen deutschen Gerichten möglich sein.

PS: Europa ...... und wie sieht die Situation mit  der Vereinbarkeit des deutschen Grundgesetzes aus?

Offline tangocharly

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EU-Richlinie Gasbinnenmarkt - 2003/55/EG
« Antwort #5 am: 12. November 2009, 21:02:57 »
Ja, Verbraucher gibt es in der neuen Richtlinie (14.8.2009  DE - Amtsblatt der Europäischen Union 14.8.2009   -   Auszug aus den \"Erwägungen\") auch :

Zitat
(47)
Die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und die sich daraus ergebenden gemeinsamen Mindeststandards müssen weiter gestärkt werden, damit sichergestellt werden kann, dass die Vorteile des Wettbewerbs und gerechter Preise allen Verbrauchern, und insbesondere schutzbedürftigen Verbrauchern, zugute kommen. Die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen sollten auf nationaler Ebene, unter Berücksichtigung der nationalen Bedingungen, festgelegt werden; das Gemeinschaftsrecht sollte jedoch von den Mitgliedstaaten beachtet werden. Die Bürger der Union und, soweit die Mitgliedstaaten dies für angezeigt halten, die Kleinunternehmen sollten sich gerade hinsichtlich der Versorgungssicherheit und der Angemessenheit der Tarifsätze darauf verlassen können, dass die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen erfüllt werden. Ein zentraler Aspekt in der Versorgung der Verbraucher ist der Zugang zu objektiven und transparenten Verbrauchsdaten. Deshalb sollten die Verbraucher Zugang zu ihren Verbrauchsdaten und den damit verbundenen Preisen und Dienstleistungskosten haben, so dass sie die Wettbewerber auffordern können, ein Angebot auf der Grundlage dieser Daten zu unterbreiten. Auch sollten die Verbraucher Anspruch darauf haben, in angemessener Form über ihren Energieverbrauch informiert zu werden. Vorauszahlungen sollten sich nach dem wahrscheinlichen Erdgasverbrauch richten, und die unterschiedlichen Zahlungssysteme sollten nichtdiskriminierend sein. Sofern die Verbraucher ausreichend häufig über die Energiekosten informiert werden, schafft dies Anreize für Energieeinsparungen, da die Kunden auf diese Weise eine direkte Rückmeldung über die Auswirkungen der Investitionen in die Energieeffizienz und der Verhaltensänderungen erhalten.

(48 )
Im Mittelpunkt dieser Richtlinie sollten die Belange der Verbraucher stehen, und die Gewährleistung der Dienstleistungsqualität sollte zentraler Bestandteil der Aufgaben von Erdgasunternehmen sein. Die bestehenden Verbraucherrechte müssen gestärkt und abgesichert werden und sollten auch auf mehr Transparenz ausgerichtet sein. Durch den Verbraucherschutz sollte sichergestellt werden, dass allen Kunden im größeren Kontext der Gemeinschaft die Vorzüge eines Wettbewerbsmarktes zugute kommen. Die Rechte der Verbraucher sollten von den Mitgliedstaaten oder, sofern ein Mitgliedstaat dies vorgesehen hat, von den Regulierungsbehörden durchgesetzt werden.

(49)
Die Verbraucher sollten klar und verständlich über ihre Rechte gegenüber dem Energiesektor informiert werden. Die Kommission sollte nach Absprache mit den relevanten Interessenträgern, einschließlich der Mitgliedstaaten, der nationalen Regulierungsbehörden, der Verbraucherorganisationen und der Erdgasunternehmen, eine verständliche, benutzerfreundliche Checkliste für Energieverbraucher erstellen, die praktische Informationen für die Verbraucher über ihre Rechte enthält. Diese Checkliste für Energieverbraucher sollte allen Verbrauchern zur Verfügung gestellt und öffentlich zugänglich gemacht werden.

(50)
Die Energiearmut wird in der Gemeinschaft zu einem immer größeren Problem. Mitgliedstaaten, die davon betroffen sind, sollten deshalb, falls dies noch nicht geschehen
ist, nationale Aktionspläne oder einen anderen geeigneten Rahmen zur Bekämpfung der Energiearmut schaffen, die zum Ziel haben, die Zahl der darunter leidenden Menschen
zu verringern. Die Mitgliedstaaten sollten in jedem Fall eine ausreichende Energieversorgung für schutzbedürftige Kunden gewährleisten. Dazu könnte auf ein umfassendes Gesamtkonzept, beispielsweise im Rahmen der Sozialpolitik, zurückgegriffen werden, und es könnten sozialpolitische Maßnahmen oder Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz von Wohngebäuden getroffen werden. Zuallermindest sollte mit dieser Richtlinie die Möglichkeit dafür geschaffen werden, dass schutzbedürftige Kunden durch politische Maßnahmen auf nationaler Ebene begünstigt werden.

(51)
Ein besserer Verbraucherschutz ist gewährleistet, wenn für alle Verbraucher ein Zugang zu wirksamen Streitbeilegungsverfahren besteht. Die Mitgliedstaaten sollten Verfahren zur schnellen und wirksamen Behandlung von Beschwerden einrichten.

(52)
Die Einführung intelligenter Messsysteme sollte nach wirtschaftlichen Erwägungen erfolgen können. Führen diese Erwägungen zu dem Schluss, dass die Einführung solcher Messsysteme nur im Fall von Verbrauchern mit einem bestimmten Mindestverbrauch an Erdgas wirtschaftlich vernünftig und kostengünstig ist, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, dies bei der Einführung intelligenter Messsysteme zu berücksichtigen.
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