Original von andi013
Warum sollen die Preiserhöhungen unwirksam sein?
Bedeutet es, da das BGH-Urteil v. 13.6.2007 nur für Tarifverträge gilt, daß es zu Sonderverträgen kein Urteil gibt und man weiter anfechten kann? Oder gibt es dazu andere Urteile? Wer legt fest, was ein Tarifvertrag ist? Dieses Sonderprodukt könnte von den WSW ja auch Sondertarif genannt werden.
Wäre für weiter Hilfe und mehr Klarheit sehr dankbar!
@andi013
Das einfachste zuerst: Ein Tarifvertrag (Grundversorgungsvertrag) liegt dann vor, wenn KEIN Sondervertrag abgeschlossen wurde. Es gelten dann die gesetzlichen Bestimmungen (u.a. GasGVV) für diesen Vertrag.
Ein Sondervertrag liegt dann vor, wenn von diesen gesetzlichen Bestimmungen abgewichen wird. Ein typisches Beispiel hierfür ist, dass Sonderverträge oft eine Mindestlaufzeit haben (z.B.: \"...der Vertrag kann nach einer Laufzeit von 12 Monaten jeweils 6 Wochen zum Quartalsende gekündigt werden. ...\"). Aber auch individuelle Kündigungsfristen, die von der gesetzlichen Regelung abweichen, können hierfür ein Indiz sein.
Liegen solche individuellen Regelungen vor, handelt es sich wohl um einen Sondervertrag.
Bei einem solchen Sondervertrag wird nicht die Billigkeit der Preisanpassung (gem. § 315 BGB) geprüft sondern ob die AGB zu diesem Vertrag eine solche Preisanpassung zulassen. Dazu müssen sie (die AGB-Regelungen) dem § 307 BGB genügen, d.h. sie dürfen den Kunden nicht unangemessen benachteiligen, ausreichend u.a transparent sein. In der Vergangenheit hat der BGH hierzu oftmals Mängel in den AGB festgestellt. Die wichtigste Entscheidung für die Gas-/Stromverbraucher war wohl die Entscheidung zu den unwirksamen Preisanpassungsklauseln in Gas-Sonderverträgen
BGH, Urt. v. 17.12.2008, VIII ZR 274/06 .
Meiner Meinung nach handelt es sich bei dem Vario-Tarif um einen Sondervertrag, da er lt. Anbieterseite AGB\'s einbezieht, die bei der Grundversorgung nicht einbezogen sind, also individuelle, püber die gesetzliche Regelung hinausgehende Bedingungen enthält. In diesen AGBs spricht er zum einen selbst von einem Sondervertrag aber, und das ist sicher das bedeutsamste, weicht auch von den gesetzlichen Regelungen ab, z.B. in §6 \"Vertragsanpassungsrecht\".
Insofern sind die Urteile zu den Tarifkunden tatsächlich einigermaßen unbedeutend. Und zu dem vereinbarten Preisanpassungsrecht hat RA Fricke (
RR-E-ft) inhaltlich ja schon was gesagt.
Also den WSW mitteilen, dass Sie einen Sondervertrag haben und daher die genannten Urteile für Sie nicht maßgeblich sind. Sie widersprechen den erhöhten Preisen weiterhin, aber, wegen unwirksamer Preisanpassungsklausel, §307 BGB.
Ein Tip noch: Zahlen Sie am Besten als Abschlagszahlung NUR maximal den von Ihnen akzeptierten Preis, egal ob das nun der Widerspruchspreis von (in Ihrem Fall) 2006 oder den Ursprungspreis Ihres Vertrages ist (derzeit ist noch etwas unklar, ob bei einer unwirksamen Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag der ursprünglich vereinbarte Preis des Vertrages gilt oder ob ein widerspruchsloses Zahlen der erhöhten Preise quasi ein konkludentes Anerkenntnis der höheren Preise beinhaltete. Die OLGs haben hier bisher unterschiedlich entschieden und eine BGH-Entscheidung dazu steht noch aus).
Fakt ist aber, dass Sie am besten keine Rückforderungsansprüche haben sollten, da die Vergangenheit zeigt, dass Sie diese wohl gerichtlich geltend machen müssen, um an Ihr Geld zu kommen. Das bedeutet für Sie Zusatzaufwand und ein Risiko, welches Sie ja nicht eingehen müssen. Kürzen Sie Ihre Abschläge auf eine der o.g. Preise, so muss der Versorger seinerseits Klagen, wenn er mehr Geld haben will. Dabei wird er sehr wohl abwägen, in was für einer Position er ist, d.h. wie hoch seine Chancen vor Gericht sind. Lassen Sie sich auch nicht durch vorprozessuale Spielchen (Mahnungen, Drohungen mit Inkassobüros oder Schufa-Einträgen) drohen. Das sind alles nur beliebte Varianten, den Kunden zu verunsichern. Kommt ein Mahnbescheid und Sie widersprechen diesem, hat der Versorger die Möglichkeit Klage zu erheben. Und NUR dann, wenn er dieses tut, kommt es zum Gerichtsverfahren. Selbst in diesem Stadium ziehen viele Versorger noch zurück und erheben diese eben nicht.
Sollten Sie schon zuviel gezahlt haben, können Sie versuchen, dieses zuviel gezahlte Geld durch Verrechnung mit zukünftigen Zahlungen wieder herein zu bekommen, auch wenn dieses möglichweise durch eine rechtmäßige Einbeziehung der GasGVV nicht zulässig sein sollte (§ 17 Abs. 3 GasGVV lässt eine Aufrechnung nur bei unbestrittenen Forderungen zu und das ist bei Ihnen wohl nicht der Fall, da der Versorger Ihre Sichtweise ja nicht teilt). Aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Versorger sich oft scheuen, hier in ein verfahren zu laufen, da dabei dann auch die anderen Vertragsbestandteile auf den Prüfstand kommen. Sie sollten aber bei der Aufrechnung nicht alles auf einmal gegenrechnen sondern immer einen geringen Betrag bezahlen und nur einen Teil einbehalten. Sind Ihre Überzahlungen verrechnet, zahlen Sie danach den von Ihnen berechneten Abschlagsbetrag auf Basis des geringeren Basisarbeitspreises.
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