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Autor Thema: Erdgas Schwaben und das Rechtsbewusstsein - 2 Welten treffen sich  (Gelesen 4285 mal)

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Offline RuRo

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Ab heute abend hier zu lesen:

http://www.all-in.de/nachrichten/allgaeu/kaufbeuren/Kaufbeuren-lok-geo_kaufbeuren-geo_augsburg-boxfoto-konzessionsabgabe;art2759,496489

Wer gedacht hatte, dass der Widerstand gegen die Preisgestaltung durch Erdgas Schwaben mit dem Urteil vom 27.01.09 beendet sei, sieht sich eines Besseren belehrt.

Die Äusserungen vom Marketingleiter lösen nur noch Kopfschütteln aus. Fakt ist,

1. das zitierte Urteil behandelt Preiserhöhungen bis einschl. Okt. 2006. Zu diesem Zeitpunkt galt das EnWG 2005 und ergänzend die AVBGasV. Diese Verordnung kennt nur den Begriff des \"Tarifkunden\" (vgl. § 1 AVBGasV).

2. Die Konzessionsabgabenverordnung (KAV) regelt in § 1 Abs. 3 und 4:

(3) Tarifkunden im Sinne dieser Verordnung sind Kunden, die auf Grundlage von Verträgen nach den §§ 36 und 38 sowie § 115 Abs. 2 und § 116 des Energiewirtschaftsgesetzes beliefert werden; Preise und Tarife nach diesen Bestimmungen sind Tarife im Sinne dieser Verordnung.

(4) Sondervertragskunden im Sinne dieser Verordnung sind Kunden, die nicht Tarifkunden sind.

Anmerkung: § 36 EnWG2005 regelt den Kunden in der Grundversorgung.

3. EGS war im Augsburger Verfahren  mit der Klage gegen Haushaltskunden angetreten. Die eingereichten Schriftsätze bestreiten für die Tarife Classic, Comfort 1 bis 3, Vario 1 bis 2, die Sondervertragssituation. Das Gericht ist der Klageschrift von EGS vollinhaltlich gefolgt und hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Anmerkung: Schon im Verfahren konnte man nicht den Eindruck einer Waffengleichheit und Prozess-Fairness gewinnen. Jetzt, Zitat Dr. Blümm, von \"aus einem juristischen Kontext heraus eins zu eins in einen ganz neuen Zusammenhang übertragen\" zu sprechen, bedarf schon erheblicher gedanklicher und geistiger Anstrengung (siehe KAV).

4. Richtig ist, dass das Augsburger Urteil nicht rechtskräftig ist. Wer jedoch, wie EGS, grenzwertig an der Wahrheit balancierend aufgetreten ist, braucht nicht in großes Wehklagen ausbrechen, wenn die Verbraucher die einbehaltene Abgabe auch in der Kasse ihrer Gemeinde wieder sehen wollen.
Leiderln hoits z\'sam, sonst gehts nimma recht lang

Offline RR-E-ft

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Erdgas Schwaben und das Rechtsbewusstsein - 2 Welten treffen sich
« Antwort #1 am: 12. Februar 2009, 20:46:41 »
@RuRo

Den Artikel aus der Presse bitte sofort nach Lichtstadt übermitteln !!!

In der Klageerwiderung in dem Verfahren vor dem Landgericht Augsburg war vorgetragen, dass es sich um Sondervertragskunden handelt, in den vertraglichen Gaspreisen deshalb auch nur die dafür gesetzlich höchstzulässige Konzessionsabgabe in Höhe von 0,03 Ct/ kWh eingerechnet war. Das Verfahren vor dem Landgericht ist bisher noch nicht abgeschlossen, da Gehörsrüge gem. § 321a ZPO erhoben wurde.

Soweit der entsprechende Vortrag in der Klageerwiderung von der Klägerin ggf. bestritten wurde, besteht ggf. Veranlassung, die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Augsburg in eine gesonderte Prüfung eintreten zu lassen.

Immerhin wird die Richtigkeit des gerichtlichen Vortrags der verklagten Kunden nun durch den Marketingleiter des Unternehmens öffentlich eingeräumt.

Das könnte auch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Augsburg interessieren, möglicherweise auch die Richter am Oberlandesgericht.

Viele Unternehmen  fordern  von Drittlieferanten im eigenen Netzgebiet entsprechend einer PWC/WIBERA- Empfehlung (Mandantebrief vom 11.02.2009)  sogar erhöhte Konzessionsabgaben, möglicherweise ohne solche an die Kommunen abzuführen. Das wäre was.

Offline RR-E-ft

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Erdgas Schwaben und das Rechtsbewusstsein - 2 Welten treffen sich
« Antwort #2 am: 12. Februar 2009, 23:05:58 »
Dem Landgericht Augsburg wurde zum Verfahren 2 HK O 1154/08 schriftsätzlich mitgeteilt:

Zitat
Die Beklagten hatten in der Klageerwiderung vom 17.06.2008 auf Seite 8 zutreffend ausgeführt:


„Es ist zutreffend, dass sich die Gaspreise der Klägerin aus einer verbrauchunsabhängigen „Servicepauschale“ und einem verbrauchsabhängigen Arbeitspreis zusammensetzen und dass die Klägerin diese Gaspreise nach dem 01.10.2003 zum 01.10.2004, 01.07.2005, 01.01.2006, 01.04.2006 und 01.10.2006 einseitig neu festgesetzt hatte.

Zutreffend ist ferner, dass alle Beklagten den von der Klägerin einseitig (erhöht) neu festgesetzten Gaspreisen widersprochen und diese der Klägerin gegenüber zudem vorsorglich gem. § 315 Abs. 3 BGB unverzüglich als unbillig gerügt hatten.

Zutreffend führt die Klägerin aus, dass sie bereits unter Geltung des § 6 Abs. 1 EnWG 1935 unter Geltung der Bundestarifordnung Gas – BTOGas -  (v. 10.02.1959, BGBl. I, S. 46) Allgemeine Tarife für die Gasversorgung aufgestellt hatte. Dabei handelte es sich um die gem. § 1  BTOGas geregelten Allgemeinen   Tarife, nämlich Kleinverbrauchstarif K und Grundpreistarif G (vgl. BGH RdE 1998, 24 [26], re.Sp.).

Die Bedeutung der Bundestarifordnung Gas hielt sich von Anfang an in engen Grenzen, weil die Gaswirtschaft ihre „Wärmemarkt – Kunden“ in aller Regel über Sonderabnehmerverträge versorgte. Dies gab ihr die Möglichkeit, die Versorgung außerhalb der Anschluss- und Versorgungspflicht des EnWG abzuwickeln. In der Praxis spielte die BTOGas kaum eine Rolle, da sie nur für den eher geringfügigen Kochgasmarkt von Relevanz war (vgl. Danner in: Zenke/ Wollschläger, § 315 BGB, Streit um Versorgerpreise, VWEW Verlag 2007, S. 15 f.).

Die Klägerin führte diese Allgemeinen Tarife zum Allgemeinen Tarif „Classic Preise“ zusammen. Daneben bot die Klägerin- wie in der Gaswirtschaft üblich – die Belieferung zu Sonderabkommen an. Die dabei angebotenen Sonderpreise für Gaslieferungen waren immer deutlich günstiger als die Allgemeinen Tarife, was seine Ursache u. a. darin hat, dass für Gaslieferungen aufgrund solcher Sonderabkommen die höchstzulässige Konzessionsabgabe gem. § 2 Abs. 3 Nr. 2 KAV (v. 09.01.1992 – BGBl. I, S. 12, 407) auf 0,03 Ct/ kWh begrenzt war. Dementsprechend unterschied die Klägerin deutlich zwischen dem Allgemeinen Tarif („Classic- Preis“) und den davon geschiedenen Sonderpreisen („Comfort- Preise“ und „Vario Preise“), vgl. Anlage K 31, S. 1.

Die Belieferung der Beklagten erfolgte nicht zum Allgemeinen Tarif der Klägerin. Die Beklagten sind keine Tarifkunden der Klägerin, weil ihre Belieferung von Anfang an  zu den von der Klägerin angebotenen Sonderpreisen  und gerade nicht zu deren veröffentlichten Allgemeinen Tarifen erfolgen sollte.“

Diesen Vortrag hat die Klägerin in ihrer Replik vom 17.07.2008 nicht zugestanden, sondern ausdrücklich bestritten (vgl. Seite 19).

Aus den als Anlage B 10 vorgelegten Preisblättern der Klägerin geht hervor, dass in deren Allgemeinen Tarifen und Erdgas- Sonderpreisen immer die gesetzlich höchstzulässige Konzessionsabgabe enthalten war.

Beweis:    Preisblätter der Klägerin in Kopie (Anlage B 10, b. b.)

Nunmehr erscheint am 13.02.2009 in der „Allgäuer Zeitung“, Kaufbeuren ein Artikel unter der Überschrift „Rebellen“ machen keine Konzessionen, welchen wir mit der

Anlage B 11

vorlegen.


Darin wird unter anderem vom vorliegenden Rechtsstreit u. a. wie folgt berichtet.

Die «Rebellen» wurden zur Zahlung der offenen Beträge verurteilt. In seiner Urteilsbegründung stellt das Gericht fest, dass es sich bei den Beklagten um «Tarifkunden» handelt.

Bei diesem Begriff wurde die Interessengemeinschaft hellhörig. Denn die Höhe der Konzessionsabgabe ist abhängig vom Status «Tarifkunde» oder «Sondervertragskunde». Für erstere gilt ein erhöhter Konzessionsabgabensatz von 0,22 Cent pro Kilowattstunde (kWh), für Sondervertragskunden sind es lediglich 0,03 Cent. Erdgas Schwaben räumt ein, für die meisten Kunden lediglich den geringstmöglichen Betrag in Höhe von 0,03 Cent abgeführt zu haben, was das Unternehmen als korrekt ansieht. Nun werde eine Definition aus einem juristischen Kontext heraus eins zu eins in einen ganz neuen Zusammenhang übertragen, so Marketingleiter Dr. Christian Blümm. Erdgas Schwaben möchte den Ausgang des noch nicht rechtskräftigen Gerichtsverfahrens abwarten, um «danach größere Klarheit gewonnen zu haben».

Die Beklagten sehen es so, dass durch diese Presseveröffentlichung klar hervorgeht, dass die Beklagten als Sondervertragskunden beliefert wurden, die dafür höchstzulässige Konzessionsabgabe dafür 0,03 Ct/ kWh beträgt und deshalb nur diese von der Klägerin an die Kommunen abgeführt wurden. Die zitierten Äußerungen des Marketingleiters der Klägerin, Dr. Christian Blümm sind insoweit eindeutig.

Diese Tatsache die wir hiermit durch

Zeugnis des Herrn Dr. Christian Blümm, Marketingleiter der Klägerin, zu laden über diese

unter Beweis stellen, macht aus Sicht der Beklagten deutlich, dass das entsprechende Bestreiten der Klägerin im Schriftsatz vom 17.07.2008 wahrheitswidrig erfolgte.

Hätte die Klägerin diese Tatsache nicht wahrheitswidrig bestritten, hätte auch das Gericht erkannt, dass die streitgegenständlichen Gaslieververhältnisse der Parteien auch von der Klägerin selbst als Erdgas- Sonderverträge eingeordnet und behandelt werden, die geringere Konzessionsabgabe für Sonderverträge  zudem Auswirkungen auf die Kalkulation derer Erdgas- Sonderpreise hat.

In der als von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche GmbH stammende Bescheinigung vorgelegten Anlage K 31 auf Seite 4, welchen die Klägerin zum Inhalt ihres Vortrages gemacht hatte wurde auf Seite 4 ausgeführt:

„Die Konzessionsabgabe wird abhängig von der Gasabnahmemenge pro kWh erhoben. Sie wurde ab 1.Mai 2007 aufgrund der Änderung durch die Gasgrundversorgungsverordnung (GVV) für Tarifkunden von 0,03 Ct/ kWh auf 0,22 Ct/ kWh erhöht.“

Die Klägerin hat sich auf diese Anlage als Privaturkunde berufen  (Replik vom 17.07.2008 auf Seite 11) und das Gericht hat diese deshalb in der Urteilsbegründung als urkundlichen Beweis gewertet.

Die hier zitierten Angaben, welche die Klägerin ebenfalls zum Inhalt ihres Vortrages gemacht hatte, sind offensichtlich ebenfalls unzutreffend.

Beweis:   Zeugnis des Herrn Dr. Christian Blümm, b. b.

Es wird deshalb bereits jetzt beantragt, die Akte nach Abschluss des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft beim dem Landgericht Augsburg abzugeben, damit diese den zu Grunde liegenden Sachverhalt unter allen rechtlichen Gesichtspunkten selbständig überprüfen kann.

Offline RuRo

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Erdgas Schwaben und das Rechtsbewusstsein - 2 Welten treffen sich
« Antwort #3 am: 13. Februar 2009, 11:41:17 »
Mit dem Abstand einer geruhsamen Nacht und dem erholsamen Schlaf der Gerechten noch ein paar er-änzende Anmerkungen zum gestrigen Beitrag:

Zitat
EGS
Laut Erdgas Schwaben haben sich bisher sechs Kommunen gemeldet und um Überprüfung gebeten.

Das ist nur die Spitze des Eisbergs – dazu muss man kein Prophet sein. Hoffentlich kommt EGS dem Aufklärungsverlangen der Kommunen so zügig nach, wie der vermeintliche gerichtliche Erfolg presse- und medienwirksam verkündet wurde. Siehe hier:  Landgericht urteilt zugunsten EGS

Zitat
EGS
Erdgas Schwaben räumt ein, für die meisten Kunden, lediglich den geringst möglichen Betrag in Höhe von 0,03 Cent abgeführt zu haben, was das Unternehmen als korrekt ansieht.

Diese rechtliche Bewertung lässt tief blicken. Um es einfach zu sagen: \"Hier werden Verbraucher und Kommunen an der Nase herum geführt.\"

Zitat von Frau Benesch; Leiterin Mediale Kommunikation bei EGS, nach der Urteilsverkündung: \"Das ist ein wenig wie Schwarzfahren. Die einen erwischt man, die anderen nicht.\"

Zitat
Dr. Christian Blümm, Marketingleiter EGS
Erdgas Schwaben möchte den Ausgang des noch nicht rechtskräftigen Gerichtsverfahrens abwarten.

Siehe oben zur Verkündung evtl. kurzlebiger Erfolgsmeldungen.

Zitat
Dr. Christian Blümm, Marketingleiter EGS
Damit den Kommunen keine Nachteile entstehen, wolle das Unternehmen auf eine zwischenzeitlich eintretende weitere Verjährung eventueller Ansprüche verzichten. Gleichzeitig werde man den Vorgang prüfen, «um eine für alle optimale Lösung zu finden».

Meint Herr Dr. Blümm jetzt zwischenzeitlich eintretende, also für die Zukunft, oder eingetretene Verjährung, also auch für die Vergangenheit, die dann natürlich bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts reichen würde. Die optimale Lösung wird hoffentlich auch die Rechte der Verbraucher einschließen  :rolleyes:

Zitat
Dr. Christian Blümm, Marketingleiter EGS
weist darauf hin, dass die Kunden von Erdgas Schwaben in jedem Fall profitiert hätten, da die Konzessionsabgabe wie die Energie- und Mehrwertsteuer ein Preisbestandteil sei. Das Unternehmen werde keine Nachforderungen an seine Kunden stellen oder Preise erhöhen, egal wie der Streit endet.

Die EGS-eigenen Sprachregelungen bringen immer wieder erstaunliche Blüten zu Tage. Liebe treue, brave, zähneknirschend zahlenden Kunden, die bösen Rebellen schaden euch mit ihrem lästigen Preisprotest. Wir halten die Begehrlichkeiten von euch fern und schützen euch.

Interessant wäre, wie EGS die Angemessenheit der Preiserhöhung ggf. belegen wollte. Gestiegene Bezugskosten, die nicht mal in voller Höhe weitergegeben wurden, könnten es wohl nicht sein. Fraglich wäre in Anbetracht der neueste Rechtsprechung des LG Köln  auch, zu welchem Zeitpunkt man das fehlende Glied in der Kette festmachen wollte.

Dies alles gilt natürlich nur, wenn man der \"schlüssigen\" Argumentation von EGS weiter folgen möchte.  :)

Ggf. lauern noch weit größere Gefahren im allgemeinen Tarif- und Klausel-Dschungel  ;)
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