0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.
Leitsatz des Gerichts: Im Sonderkundenbereich kann ein Gasversorger das Recht zur einseitigen Preiserhöhung nicht allein dadurch begründen, dass er in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) bzw. die Verordnung zum Erlass von Regelungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung im Energiebereich (GasGVV) verweist.
EWE geht im Gaspreisstreit vor den BGH Oldenburg (energate) - Die EWE geht gegen das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg in Revision vor den Bundesgerichtshof... 18.09.2008 - 13:43
Das Unternehmen ist weiterhin von der Wirksamkeit der Verträge überzeugt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum ein Erdgasanbieter kein Recht haben solle, Erdgaspreise zu senken oder zu erhöhen, sagte EWE-Vertriebsleiter Christian Haferkamp. Insbesondere dann nicht, wenn die eigenen Bezugskosten für Erdgas gesunken oder gestiegen seien.
Die von der Beklagten verwendeten Bestimmungen sind unwirksam, weil sie gegen das Transparenzgebot verstoßen (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Transparenzgebot ist aus zwei Gründen verletzt. Zum einen kann - selbst der juristisch vorgebildete - Kunde aus § 4 AVBGasV sowie § 5 Abs. 2 GasGVV nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass der Versorger hiermit ein einseitiges Preisanpassungsrecht zu seinen Gunsten begründen will. Zum anderen sagen die Bestimmungen nichts darüber aus, nach welchen Regeln eine Preisanpassung vollzogen werden soll. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (BGHZ 106, 49. BGH NJW 2000, 651. 2001, 2014,16). Begründet eine Klausel wirtschaftliche Belastungen, ist es ein Gebot von Treu und Glauben, die Nachteile so klar zu formulieren, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH NJW 1999, 2279. BGH NJW 2001, 2014, 2016). Für die Wirksamkeit einer Preisanpassungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt es danach entscheidend darauf an, dass der Vertragspartner des Verwenders die Möglichkeit und den Umfang der auf ihn zukommenden Preissteigerungen beim Vertragsschluss aus der Formulierung der Klausel erkennen und die Berechtigung einer von dem Verwender vorgenommenen Erhöhung an der Ermächtigungsklausel selbst messen kann. Das Transparenzgebot soll verhindern, dass der Verwender durch einen ungenauen Tatbestand oder eine ungenaue Rechtsfolge ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume in Anspruch nehmen und das vertragliche Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zu seinen Gunsten verschieben kann (OLG Stuttgart NJWRR 2005, 858. OLG Bremen a.a.O. = Bd. III Bl. 68, 78 d.A.. PalandtGrüneberg § 307 Rz. 23 ). Die tatbestandlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen der Klausel müssen deshalb für den anderen Vertragsteil aus der Sicht eines aufmerksamen und sorgfältigen Betrachters nachprüfbar sein und dürfen keine Irreführung bewirken. Dies muss insbesondere im Rahmen einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, die sich ein Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen vorbehält, beachtet werden. Solche Rechte sind in besonderer Weise geeignet, das Interesse des Vertragspartners an jederzeitiger Kenntnis der vertraglichen Rechts und Pflichtenlage unzumutbar zu beeinträchtigen. Klauseln, die eine Preisanpassung wegen und auf der Grundlage sich verändernder Kosten (sog. Kostenelementeklauseln) vorsehen, sind danach unwirksam, wenn sie dem Verwender nicht nur einen Ausgleich für gestiegene Kosten, sondern eine zusätzliche Gewinnerzielung ermöglichen (BGH NJW 2005, 1717. NJW 2007, 1054, 1055. OLG Frankfurt vom 13.12.2007 – 1 U 41/07 = Bd. III Bl. 2664, 270 d.A.. OLG Köln OLGR 2006, 341). Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (BGH NJW 2007, 1054, 1055. OLG Bremen a.a.O. = Bd. III Bl. 68, 79. OLG Celle vom 17. Januar 2008 – 13 U 152/07 = Bd. IV Bl. 122, 124 d.A.). Diesen Anforderungen genügen die Regelungen in § 4 AVBGasV und § 5 GasGVV offensichtlich nicht. Zunächst lassen sie nicht erkennen, dass hiermit überhaupt ein Preisanpassungsrecht begründet werden sollte. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zum Wortlaut und zum rechtlichen Hintergrund der Vorschriften Bezug genommen werden. Selbst wenn man insoweit dem Rechtsstandpunkt der Beklagte folgen wollte, so erschließt sich die Absicht, durch die Verweisung ein Preisänderungsrecht zu schaffen, für den juristischen Laien erst über einen Rückschluss sowie durch eine Auswertung einzelner energierechtlicher Kommentarstellen bzw. der erst in neuerer Zeit ergangenen Rechtsprechung zur Rechtslage bei allgemeinen Tarifkunden. Außerdem sind die Regelungen inhaltlich intransparent. Sie nennen kein einziges Kriterium, aus dem sich die sachlichen Voraussetzungen und der zulässige Umfang einer Preisänderung ergeben könnten. Das gleiche gilt für die ergänzende Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Beklagte ab dem 1. April 2007 ihren Verträgen zugrunde legen will. Zwar heißt es dort, dass sich die Preise im Sonderkundenbereich in gleicher Weise ändern würden wie im Bereich der Grundversorgung. Da es aber an einer transparenten Regelung für die Grundversorgung fehlt, erfasst dieser Mangel auch die Bestimmung über die Sonderkunden. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass den Bestimmungen der AVBGasV bzw. GasGVV eine „Leitbildfunktion im weiteren Sinne“ zukommen kann und sie damit einen Hinweis darauf geben können, was auch im Vertragsverhältnis mit Sonderabnehmern als (noch) im Einklang mit § 307 BGB anzusehen ist (vgl. BGH vom 29. April 2008 – KZR 2/07. NJW 1998, 1640, 1642. Wolf/Horn/LindacherHorn a.a.O. § 23 Rz. 143. abl. etwa Münchener KommentarBasedow a.a.O. § 310 Rz. 16). Selbst wenn für die hier in Rede stehenden § 4 AVBGasV bzw. § 5 GasGVV das Leitbild zeigen sollte, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit von Preisänderungen im laufenden Vertragsverhältnis befürwortet, gibt es zumindest keine Antwort auf die entscheidungserhebliche Frage, unter welchen Voraussetzungen, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Umfang Preise erhöht werden dürfen oder auch wieder gesenkt werden müssen (OLG Hamm vom 6. März 2008 – 2 U 114/07). Ein Leitbild für eine ausgewogene Regelung, die beiden Vertragsseiten gerecht wird, müsste die Kriterien aufzeigen, nach denen die Anpassung der Preise stattfinden soll. Denn nur dadurch würde dem Kunden die erforderliche Kontrollmöglichkeit verschafft werden. Ohne Festlegung dieser Voraussetzungen hätte er insbesondere im Fall einer Kostensenkung keine Möglichkeit, eine Preisermäßigung durchzusetzen. Da er nicht einmal weiß, welche Kosten mit welcher Gewichtung in die Kalkulation eingehen, könnte beispielsweise sein Hinweis auf gesunkene Bezugskosten ohne weiteres durch das Argument entkräftet werden, es seien inzwischen Kostensteigerungen in anderen Bereichen eingetreten. Im Übrigen wäre es unbillig, wenn Preisanpassungsklauseln, welche die für eine Preisänderung maßgebenden Kostenelemente (detailliert) benennen und damit für den Verbraucher eine gewisse Transparenz schaffen, bei der Wirksamkeitsprüfung einer strengeren Kontrolle unterlägen als eine Klausel, die sich allein auf einen nichts sagenden Verordnungstext bezieht (OLG Celle vom 17. Januar 2008 – 13 U 152/07). Die Intransparenz der Regelungen in § 4 AVBGasV bzw. § 5 GasGVV wird auch nicht durch ein Kündigungsrecht der Kläger oder die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB ausreichend kompensiert. Die Einräumung eines Kündigungsrechts kann den Mangel der Preisanpassungsklausel allenfalls unter bestimmten Bedingungen ausgleichen. Dies hängt von der konkreten Ausgestaltung des Kündigungsrechts ab. Dabei sind die Art des Vertrages, die typischen Interessen der Vertragsschließenden und die die jeweilige Klausel begleitenden Regelungen zu berücksichtigen (BGH NJW 2007, 1054, 1056). Eine Kompensation scheidet im vorliegenden Fall schon deshalb aus, weil den Klägern das Recht zur Lösung vom Vertrag nicht spätestens gleichzeitig mit der Preiserhöhung, sondern erst nach deren Wirksamwerden zugebilligt wird. Ein angemessener Ausgleich setzt aber voraus, dass der Kunde vorab über die beabsichtigte Preisänderung informiert wird und sich vom Vertrag lösen kann, bevor sie wirksam wird (BGH a.a.O.). Das Kündigungsrecht der Kläger nach § 32 Abs. 2 AVBGasV besteht jedoch erst “mit zweiwöchiger Frist auf das Ende des der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Kalendermonats“. Nach den vorliegenden Ankündigungen traten die Preiserhöhungen bereits zum 1. des Folgemonats in Kraft, so dass für die Kläger keine rechtzeitige Kündigungsmöglichkeit bestand (vgl. OLG Hamm vom 6. März 2008 – 2 U 114/07). Im Übrigen besteht ein weiterer Nachteil, der geeignet ist, den Kunden von einer vorzeitigen Kündigung Abstand nehmen zu lassen. Ein Ausweichen auf einen anderen Energieträger ist in aller Regel nur mit erheblichem Kostenaufwand durchführbar bzw. für Mieter ohnehin unmöglich (ebenso OLG Hamm vom 6. März 2008 – 2 U 114/07. vgl. auch OLG Dresden vom 11. Dezember 2006 – U 1426/06Kart, S. 19ff. OLG Bremen vom 16. November 2007 – 5 U 42/06). Auch dieser Gesichtspunkt schließt es aus, in der Kündigungsmöglichkeit eine ausreichende Kompensation für die Intransparenz der Klausel zu sehen. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Kläger mangels Wettbewerbs von keinem anderen Versorger Erdgas beziehen konnten und deshalb nur die Möglichkeit gehabt hätten, in die teurere Grundversorgung zu wechseln. Auch eine gerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB kann keinen angemessenen Ausgleich für die fehlende Transparenz der Regelung des § 4 AVBGasV bzw. § 5 GasGVV bieten. Der Kunde hat mangels Kenntnis der Preiskriterien keine realistische Möglichkeit, eine Erhöhung des vereinbarten Preises auf ihre Berechtigung zu überprüfen. Dementsprechend kann er nicht beurteilen, ob eine gerichtliche Billigkeitsprüfung überhaupt Aussicht auf Erfolg hat. Folglich kann eine solche Prüfung keinen angemessenen Ausgleich für die fehlende Transparenz der Preisklausel darstellen. Das aus § 307 Abs. 1 BGB folgende Bestimmtheits und Transparenzgebot soll nach Möglichkeit gerade verhindern, dass es im Einzelfall zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt und der Kunde eine Preiserhöhung nur deshalb hinnimmt, weil sich das zulässige Ausmaß nicht beurteilen lässt (OLG Hamm a.a.O.). Insofern kann die Kontrollmöglichkeit nach § 315 Abs. 3 BGB die notwendige Eingrenzung und Konkretisierung einer AGBKlausel nicht ersetzen (OLG Frankfurt vom 13. Dezember 2007 – 1 U 41/07).
Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz