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Autor Thema: Bei bestehendem Leistungsbestimmungsrecht gilt immer § 315 BGB  (Gelesen 3139 mal)

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Offline hollmoor

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Hallo,

Bekannte von uns haben mich angesprochen,wegen Widerspruch gegen den Gaspreis.

Zum 1.9. u.zum 1.10.diesen Jahres haben unsere Stadtwerke wieder Gaspreiserhöhungen angekündigt.(Mittlerweile müßte es die dritte dann diese Jahr sein.)
Nun möchten unsere Bekannten diese Preiserhöhungen auch nicht mehr hinnehmen und widersprechen.
Ich bin mir nun nicht sicher,ob Dieses möglich sein wird,da es für unser Versorgungsgebiet inzwischen einen alternativ Anbieter(E-wie Einfach mit dem MeinCentTarif Gas) gibt.Sie hatten bisher nicht widersprochen!
Für eine kurze Rückmeldung vom Fachmann wäre ich dankbar.

Es handelt sich nicht um Sondervertragskunden.

(Bei uns gibt,s nur einen Vollversorgungstarif u.Grundpreistarif.Wenn man sehr wenig verbraucht,wird gerechnet und man wird dann automatisch in den Grundpreistarif eingeordnet bzw.abgerechnet,je nachdem,mit welchem Tarif man nach seinem Verbrauch günstiger wegkommt.PLZ Gebiet 29633)


Danke im voraus hollmoor
Gruß aus der Lüneburger Heide

Offline RR-E-ft

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Bei bestehendem Leistungsbestimmungsrecht gilt immer § 315 BGB
« Antwort #1 am: 22. August 2008, 13:21:03 »
@hollmoor

Preise können im laufenden Vertrag nur dann einseitig erhöht werden, wenn ein Recht dazu besteht. Ein solches Recht kann sich aus einem Gesetz oder aus dem Vertrag ergeben. Das ist immer zuerst zu prüfen.

Ihre Frage führe ich darauf zurück, dass die Weiterentwicklung der Rechtsprechung im Forum nicht verfolgt wurde. Kurze Zusammenfassung dazu:


I.

Wenn es sich um die Grundversorgung handelt, so hat der BGH mittlerweile Folgendes entschieden und für Klarheit gesorgt:

1. Bundesgerichtshof - Entscheidung aus 2007

Es besteht ein (gesetzliches) Leistungsbestimmungsrecht (AVBGasV/ GasGVV), welches der grichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliegt. Dies gilt gerade auch dann, wenn der Versorger keine Monopolstellung gegenüber dem Kunden einnimmt (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 Rn. 14 ff.).

2. Bundesgerichtshof - Entscheidung aus 2008

Im Falle eines (gesetzlichen) Leistungbsestimmungsrechts (AVBGasv/ GasGVV) besteht nicht nur ein Recht zur Entgelterhöhung im Falle steigender Gesamtkosten, sondern auch eine Verpflichtung zur Absenkung, wenn es die Gesamtkostenentwicklung zulässt und dies für die Kunden günstig ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008- KZR 2/07 Rn. 23, 26).

Folge:

Dies kann auch eine Verpflichtung zur Absenkung unter die bei Vertragsabschluss geltende Entgelthöhe bedeuten (folglich kein vereinbarter \"Preissockel\").

3.

Daraus folgt nach meiner Einschätzung:

Es kommt darauf an, das einseitig neu festgesetzte Entgelt, welches sich aus einem Grund- und einem Arbeitspreis zusammensetzt, insgesamt  gem. § 315 BGB als unbillig zu rügen.

Das einseitig neu festgesetzte Entgelt ist - wie schon zuvor - das Ergebnis der Ermesensentscheidung des gesetzlich zur Leistungsbestimmung berechtigten Unternehmens (Grundversorger), die vom Kunden zu zahlenden Entgelte anhand der eigenen Kostenkalkulation des Unternehmens zu erhöhen, herabzusetzen oder stabil zu halten.

Diese Ermessensentscheidungen unterliegen allesamt der gerichtlichen Billigkeitskontrolle.

Ob die Entgeltfestsetzung der Billigkeit entspricht, kann nur anhand der konkreten Kostenentwicklung und Kostenkalkulation des Unternehmens (seit der letzten Tariffestsetzung) beurteilt werden, wobei gefragt werden muss, welche Kosten in die Kalkulation der Grundpreise und welche in die Kalkulation der Arbeitspreise einfließen und wie sich diese Kostenbestandteile  zwischenzeitlich verändert haben (vgl. KG Berlin, B. v. 12.02.2008, Az. 21 U 160/06).

Bei einseitigem Leistungsbestimmungsrecht müssen die Interessen beider Vertragsteile gegeneinander abgewogen werden.

Auf der einen Seite steht das Interesse des Versorgers an Kostendeckung und Gewinnerzielung. Auf der anderen Seite das in §§ 2 Abs. 1, 36, 36 EnWG rechtlich anerkannte Interesse der Kunden an einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Energieversorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen. Der Versorger kann also nicht einseitig nur seine eigenen Interessen verfolgen, sondern hat zugleich auch die Interessen seiner betroffenen Vertragspartner mit in die Ermessensentscheidung einzubeziehen.

Will man diese dem Grunde nach zulässige Ermessensentscheidung auf Richtigkeit kontrollieren, so muss der Versorger also darlegen, welche Überlegungen er seiner Entscheidung in dem Zeitpunkt, als er sie getroffen hat, zu Grunde gelegt hatte, wie er dabei auch die Interessen der betroffenen Kunden berücksichtigt haben will.

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

 

4.

Was in die Preiskalkulation einfließt:

In die Grundpreise gehen zum überwiegenden Teil Netzkosten ein (Grundpreis Netznutzung, Messpreis für Zähler und Abrechnungsentgelt des Netzbetreibers, vgl. Preisblatt des jeweiligen Netzbetreibers). Werden die Netzkosten von der Regulierungsbehörde abgesenkt, müssten deshalb auch die Grundpreise abgesenkt werden.

Da in die Grundpreise (netto) keine Steuern und Abgaben einfließen, ist die Differenz zwischen den vorgenannten Netzkosten (Netzentgelten) reine Vertriebsmarge. Diese Vertriebsmarge ist, soweit nicht von Vertriebskosten untersetzt Vertriebsgewinn.

In die Arbeitspreise (netto) gehen die Bezugskosten, die Arbeitspreise der Netznutzung, die Konzessionsabgaben sowie die Energiesteuer ein. Bis 2006 war die Energiesteuer in den (Gas-) Bezugskosten enthalten.

Darüber hinaus verbleibt dem Versorger wiederum eine Vertriebsmarge....

Ist der Versorger zugleich Netzbetreiber, stellt sich die Frage nach den Netzkosten und der in den Netzentgelten enthaltenen Marge.

5.

Liegen die Margen zu hoch, müsste die gesetzliche Verpflichtung zur Entgeltsenkung greifen, die der BGH im Urteil vom 29.04.2008 - KZR 2/07 festgestellt hatte.

Es kann also gerade unbillig sein, die Grundpreise nicht abzusenken.

Gerdae zu den mit den Grundpreisen abzudeckenden Kosten und deren  zwischenzeitlicher Entwicklung schweigen sich die Versorger gern aus.

II.

Bei Sonderabkommen (Preise günstiger als der Allgemeine Tarif bzw. Preis der Grund- und Ersatzversorgung) besteht in der Regel kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, wenn ein solches hinsichtlich der vom Kunden zu zahlenden Preise nicht ausnahmsweise gem. § 315 Abs. 1 BGB bei Vetrtragsabschluss vertraglich vereinbart wurde (dann wie bei gesetzlichem Leistungsbestimmungsrecht).

Es kommt entscheidend darauf an, ob in den Vertrag überhaupt eine Preisanpssungsklausel einbezogen wurde und ggf. ob eine solche der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhält (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07).

Wurde kein Leistungsbetimmungsrecht vereinbart und kommt eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB  mangels Monopolstellung bzw. Anschluss- und Benutzungszwang auch nicht in Betracht, so sind Kunde und Lieferant an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden.

Eine Verpflichtung zur Preisherabsetzung bei rückläufigen Kosten besteht- soweit vertraglich nicht besonders vereinbart - nicht.


III.

Es bestehen also deutliche rechtliche Unterschiede zwischen einer Belieferung in der gesetzlichen Grund- bzw. Ersatzversorgung gem. §§ 36, 38 EnWG und der Beliefrung außerhalb dieser aufgrund von Sonderabkommen.

Dies alles gilt sowohl bei der leitungsgebundenen Gas- wie auch Elektrizitätsversorgung gleichermaßen.

Offline enerveto

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Bei bestehendem Leistungsbestimmungsrecht gilt immer § 315 BGB
« Antwort #2 am: 23. August 2008, 21:23:03 »
@RR-E-ft
Zitat
@RR-E-ft 19.08.08
Diese Ermessensentscheidungen unterliegen der Billigkeitskontrolle, nicht der Preis als solcher.

Im Musterbrief zum Einwand gem. § 315 BGB wird der Gesamt-Preis gerügt.
Nun unterliegen die Ermessensentscheidungen der Billigkeitskontrolle.
Wie ist diese Abgrenzung/Unterscheidung zu verstehen?

Offline RR-E-ft

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Bei bestehendem Leistungsbestimmungsrecht gilt immer § 315 BGB
« Antwort #3 am: 24. August 2008, 10:55:51 »
@enerveto

Der neu festgesetzte Preis, zumeist bestehend aus Grund- und Arbeitspreis, ist das Ergebnis der Ermessensentscheidung, Grund- und/ oder Arbeitspreis abzusenken/ zu erhöhen/ stabil zu halten.

Insofern besteht kein Unterschied.

Es ist indes zu fragen, was der Ermessensentscheidung zu Grunde liegen soll (welche Gesichtspunkte bei der Abwägung der naturgemäß gegenläufigen Interessen beider Vertragspartner einflossen) um die Ermessensentscheidung selbst  beurteilen zu können. Der gesamte Abwägungsprozess, der schließlich zu dem Ergebnis geführt haben soll, ist also zu hinterfragen.

Bei bestehendem Leistungsbestimmungsrecht waren es schon immer die konkreten Ermessensentscheidungen der zur Leistungsbestimmung berufenen Vertragspartei, die der Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB unterliegen.

Offline RR-E-ft

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