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Autor Thema: Gefahr für weiteres Klagen - OLG-Urteil mindert Rückzahlungsanspruch  (Gelesen 3594 mal)

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Offline janto

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Das OLG Oldenburg hat seine seit Januar im Raum stehende \"Drohung\" wahrgemacht und beschlossen, dass Rückzahlungsansprüche für Privatkunden nicht auf der Preisbasis von 4,11 Cent je kWh, sondern erst ab der höheren Preisbasis von 4,51 Cent bestehen. Der Rückzahlungsanspruch vermindert sich dadurch um 0,4 Cent für jede kWh, die vom 1.4.08 bis 30.6.09 verbraucht wurde. Für Kunden mit Geschäftstarifen mindert sich der Anspruch entsprechend - hier geht das OLG von einer Preisbasis von 4,21 Cent statt 3,81 Cent aus.

Für Kunden, die die Scherfzahlung schon erhalten haben, mindert sich der durchschnittliche Anspruchsbetrag von 0,7 Cent auf 0,3 Cent je kWh.

Kunden, die die Scherfzahlung erhalten haben und auf der Basis 4,11 Cent (Geschäftskunden 3,81 Cent) klagen und im Durchschnitt 0,7 Cent einklagen wollen, werden künftig vor dem OLG nur für 0,3 Cent (43%) Recht bekommen und für 0,4 Cent (57%) verlieren.

Kunden, die die Scherfzahlung noch nicht erhalten haben und im Durchnitt 1,16 Cent einklagen wollen, werden künftig vor dem OLG nur für 0,716 Cent (66%) Recht bekommen und für 0,4 Cent (34%) verlieren.

Von nun an kommt es vor Gericht daher auf zweierlei an:

1. Ob die unteren Gerichte (Amtsgerichte und Landgerichte) dem OLG folgen und ebenfalls von einem niedrigeren Rückzahlungsanspruch ausgehen.

2. Ob Berufung von den unteren Gerichten zugelassen wird oder wegen einer Forderungshöhe von mehr als 600 € ohnehin zulässig ist.

Es muss damit gerechnet werden, dass mehr Richter als bisher Berufungen zulassen und dass sich zumindest einzelne Amtsrichter und vielleicht auch Landgerichte von vornherein der OLG-Preisbasis anschließen.

Das Risiko, den Prozess für einen Teil der Forderungen (57% oder 34%) zu verlieren, steigt von nun an somit deutlich.

Für den verlorenen Prozessteil werden die anteiligen Prozesskosten zu bezahlen sein. Das wird für Privatkunden, die die Scherfzahlung bereits erhalten haben, schon in erster Instanz ein Verlustgeschäft. Ihr durchschnittlicher Anspruch auf Basis 4,51 Cent beträgt unter 100 €, die anteiligen Prozesskosten für einen zu 57% verlorenen Prozess aber etwa 150 €. Wenn nicht in der ersten, sondern wegen Berufung erst in einer höheren Instanz verloren wird, sind die Kosten, auf denen die Kläger sitzen bleiben, deutlich erhöher.

Aus unserer Sicht empfiehlt es sich daher, auf weitere Klagen zu verzichten bzw. in den noch laufenden Verfahren den von EWE angebotenen Vergleich, der vollständige Rückzahlung auf Basis 4,11 Cent beinhaltet, anzunehmen.

Nach dem OLG-Urteil wird noch deutlicher: Der Erfolg, dass den Anteilseignern der EWE nach monatelangem Kampf die Zusage abgerungen wurde, allen Gaskunden für die Zeit von April 2008 bis Juni 2009 eine vollständige Rückzahlung auf Basis 4,11 Cent anzubieten, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Wir haben eine höhere Rückzahlung erreicht, als uns laut OLG zustehen soll und wir haben erreicht, dass die Kunden für diese Rückzahlung nicht mehr klagen, sondern nur einen Antrag an EWE stellen müssen.

Janto Just
Verein \"Bezahlbare Energie\" e.V.
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Offline RR-E-ft

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Gefahr für weiteres Klagen - OLG-Urteil mindert Rückzahlungsanspruch
« Antwort #1 am: 14. Oktober 2011, 00:10:58 »
Zitat
BGH, Urt. v. 13.07.11 Az. 342/09 Rn. 35:

Hinsichtlich der zu beurteilenden Erhöhungen der Gaspreise bestehen auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung (Urteil vom 17. Dezember 2008 - VIII ZR 274/06, BGHZ 179, 186 Rn. 13 ff.) zwar weder Bedenken gegen die vom Berufungsgericht angenommene Unwirksamkeit der in § 2 des als Sonderkundenverhältnis zu qualifizierenden Versorgungsvertrages (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 23 f.) enthaltenen Preisanpassungsklausel noch dagegen, dass sich ein Preisanpassungsrecht der Klägerin auch nicht aus der in § 5 des Versorgungsvertrages enthaltenen Verweisung auf die AVBGasV herleiten lässt.

Anders verhält es sich dagegen mit der weiteren Annahme, die bis zum 1. Juli 2005 von der Klägerin vorgenommenen Preisbestimmungen seien dadurch, dass der Beklagte bis einschließlich der Jahresendabrechnung vom 18. November 2005 jede Abrechnung beanstandungslos entgegengenommen habe und die festgesetzten Nach- und Abschlagszahlungen von seinem Konto habe abbuchen lassen, als vereinbart anzusehen, so dass die von der Klägerin festgesetzten Gaspreise als vereinbarte Preise keiner Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterlägen.

Zwar wird in einem Tarifkundenvertrag, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er wei-terhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbartenPreis und kann deshalb nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft werden (zuletzt Senatsurteil vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 41 mwN).

Demgegenüber hat der Senat nach Erlass des Berufungsurteils klargestellt, dass seine auf einen Tarifkundenvertrag bezogene Rechtsprechung sich nicht auf Sonderkundenfälle übertragen lässt, in denen nicht (nur) die Billigkeit der Preiserhöhung im Streit steht, sondern in denen es bereits an einem wirksamen Preisanpassungsrecht des Versorgungsunternehmens fehlt, weil die Preisanpassungsregelung nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam ist (Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 57 ff; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 42).

Fraglich deshalb, auf welche Preisbasis abzustellen ist.

Zumeist hatte EWE wohl die Kunden nach Vertragsabschluss automatisch in einen Sondervertrag (Belieferung zum Sonderabkommen- Preis)  eingestuft (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 26) und es fehlte an einer wirksamen Einbeziehung einer Preisänderungsklausel, da die Kunden die Bedingungen vor Vertragsabschluss nicht ausgehändigt bekamen und sich auch nicht mit der Einbeziehung wirksam einerstanden erklärt hatten. Selbst wo Preisänderungsklauseln  wirksam einbezogen wurden, steht deren Vereinbarkeit mit EU- Recht und folglich deren Wirksamkeit in Frage (vgl. BGH, B. v. 09.02.2011 Az. VIII ZR 162/09).

Deshalb waren die Preisänderungen oft bereits vor dem 01.04.2007 unwirksam und auch die aktuellen AGB - wenn sie denn überhaupt wirksam in die Verträge einbezogen wurden- vermitteln wohl kein wirksames Preisanpassungsrecht.

 

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