Forum des Bundes der Energieverbraucher

Energiepreis-Protest => Grundsatzfragen => Thema gestartet von: Stadt/Versorger am 29. September 2011, 20:23:55

Titel: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: Stadt/Versorger am 29. September 2011, 20:23:55
Aud der Internetseite des AGFW\"Die Anpassung von Fernwärmepreisen in laufenden Verträgen\" ist unter V .Der Leistungsbestimmungsvorbehalt Pkt 2. Billigkeitskontrolle
ausgeführt: Besitzt das FVU ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und kann deshalb den Preis einseitig festsetzen,ist die direkte Anwendung von § 315 möglich.
Das leuchtet mir ein.
Ich gehe davon aus ,daß es im Bereich Fernwärme kein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht gibt(entgegen z.B. Gas)(?). Somit müsste ein Leistungsbestimmungsrecht doch wohl direkt zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden (?)
Ist dies nicht vereinbart,kann das FVU die Preise wohl nur nach § 24/3 ändern(?)
Ist keine PA Klausel vereinbart,gibt es keine Preisänderung(?)

Wenn jetzt das FVU durch Wärmesatzung eine Monopolstellung inne hat,es keine schriftlichen Verträge abschliesst(Vertrag nur durch Entnahme),es selbst in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen keinen Hinweis auf ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gibt ,besitzt es allein aus der Monopolstellung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und sind deshalb die Preisänderungen nach 315 prüfbar ?

Worauf kann ein FVU (Monopolist) sich ansonsten beziehen,wenn es seine Preise ändert?
Unterliegen solche festgesetzen Preise §315 BGB ,oder wie sind diese prüfbar bzw. ist
vg. Handeln überhaupt erlaubt? (Fehlen Leistungsbestimmungsrecht ? )
Titel: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: RR-E-ft am 30. September 2011, 09:28:33
Es kommt darauf an, ob bei Vertragsabschluss ein Preis wirksam vereinbart wurde. Dann ist dieser vereinbarte Preis  für beide Vertragsteile verbindlich.

Ein Vertragsabschluss kann nicht nur ausdrücklich erfolgen, sondern es kommt auch der konkludente Abschluss eines Vertrages allein durch Entnahme von Fernwärme aus dem Netz gem. § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV in Betracht (vgl. BGH Az. VIII ZR 138/05).  

Ausnahmsweise bei Anschluss- und Benutzungszwang des betroffenen Kunden bzw. Monopolstellung des betroffenen Versorgers kommte eine Billigkeitskontrolle eines vereinbarten Anfangspreises in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB in Betracht.  

Eine nachträgliche Preisänderung setzt im Fall der verbindlichen Vereinbarung eines Preises bei Vertragsabschluss  die wirksame Vereinbarung einer wirksamen Preisänderungsklausel voraus.

Dies setzt zunächst die wirksame Einbeziehung einer Preisänderungsklausel in das konkrete Vertragsverhältnis voraus.

Handelt es sich bei der wirksam einbezogenen Preisänderungsklausel  um eine AGB des Versorgers, findet zudem eine Inhaltskontrolle der Klausel vorrangig am Maßstab des § 24 Abs. 4  AVBFernwärmeV statt (vgl. BGH Az. VIII ZR 339/10).

Eine AGB-Preisänderungsklausel, die dieser Inhaltskontrolle nicht standhält, ist unwirksam, so dass auch keine Preisänderungen darauf gestützt werden können. Eine ergänzende Vertragsauslegung findet nicht statt, wenn sich der Versorger durch ordnungsgemäße Kündigung in überschaubarer Frist aus dem betroffenen Vertragsverhältnis lösen kann. Dies gilt grundsätzlich auch bei einer Monopolstellung des Versorgers (vgl. BGH VIII ZR 320/07).

Es sind auch Fälle denkbar, bei denen sich die Parteien bei Abschluss eines Fernwärmevertrages nicht auf einen Preis geeinigt haben.

Auch bei Abschluss eines Fernwärmelieferungsvertrages ist es möglich, dass sich die Parteien statt sich auf einen Preis zu einigen ausdrücklich vereinbaren, dass dass FVU nach Vertragsabschluss (berechtigt und) verpflichtet sein soll, den jeweiligen Preis einseitig zu bestimmen. Im Falle einer solchen vertraglichen Abrede findet § 315 Abs. 3 BGB unmittelbare Anwendung.

Fehlt es an einer wirksamen Preisvereinbarung bei Vertragsabschluss und an der ausdrücklichen Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts bei Vertragsabschluss und wurde darüber hinaus der gegenseitige Leistungsaustausch jedoch bereits in Gang gesetzt, kommt - zur Schaffung der Wirksamkeit des Vertrages mit Rücksicht auf § 154 Abs. 1 BGB - eine (ergänzende) Vertragsauslegung in Betracht, wonach dem FVU gem. §§ 316, 315 BGB das einseitige Leistungsbestimmungsrecht zufällt. Dies bezieht sich auf den Anfangspreis. Auch dabei findet § 315 BGB Anwendung. Daraus ergibt sich dann jedoch nicht ohne weiteres, dass der Versorger, der den Anfangspreis gem. §§ 316, 315 BGB einseitig zu bestimmen hatte, diesen so bestimmten und verbindlich gewordenen Preis im laufenden Vertragsverhältnis nachträglich noch einseitig abändern darf.
Titel: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: RR-E-ft am 30. September 2011, 16:36:15
Fernwärme- Preisänderungsklausel ab 01.07.11 (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=85981#post85981)
Titel: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: Stadt/Versorger am 01. Oktober 2011, 18:44:14
Wenn dem Kunden bei einem A+B Zwang letztendlich nur die eine Möglichkeit der Beheizung mittels Fernwärme bleibt, ist dann die Entnahme von Fernwärme schon als konkludentes Handeln auszulegen ? Wenn unter konkludentem Verhalten zu verstehen ist,daß derjenige \"mit seinem Verhalten gewolltes Tun zum Ausdruck bringt\",dann kann es doch bei einem A+B Zwang kein schlüssiges Verhalten geben,aus dem abzuleiten wäre,der Betroffene habe gewollt Fernwärme abzunehmen.Er muß es doch !
Ist der Preis ,der zum Zeitpunkt der (zwangsweisen) Entnahme von Fernwärme gilt ,ein
wirksam vereinbarter Preis ,der mittels PÄ Klausel überhaupt verändert werden kann ?

Sollte der Fernwärmelieferant noch nie ein Recht gehabt haben,die Preise zu erhöhen(bzw. zu ändern), ist der zum Zeitpunkt der FW- entnahme bestehende Preis ein wirksam vereinbarter (rechtmäßiger) Preis ?
Titel: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: RR-E-ft am 04. Oktober 2011, 11:48:27
Auch der Kunde, der einem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegt, wird regelmäßig nur auf vertraglicher Grundlage mit Fernwärme beliefert.

Ohne Vertrag hat der Kunde keinen vertraglichen Lieferanspruch.
Ohne Vertrag hat der Versorger keinen vertraglichen Zahlungsanspruch.
Beide haben deshalb regelmäßig ein rechtlich anerkannhtes Interesse daran, dass die Belieferung auf vertraglicher Grundlage erfolgt.


Ein solcher Vertrag kann - wie ausgeführt - auch konkludent zustande kommen (BGH Az.  VIII ZR 138/05).

Und dann kommt es eben-  wie oben aufgezeigt -  darauf an, was dabei ausdrücklich oder konkludent über Preise und Preisänderungen im konkreten Vertrag wirksam vereinbart wurde.


Siehe aber auch:

BGH, Urt. v. 13.07.11 Az. 342/09 Rn. 35 ff. (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=1&nr=57381&pos=34&anz=751)
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: petersport am 21. Mai 2014, 15:07:33
In Kenntnis der Tatsache, dass die vorangehenden Beiträge bereits längere Zeit zurückliegen, möchte ich aufgrund des Sachzusammenhangs dennoch nochmals folgende Nachfrage hierzu nachschieben, falls möglich:

Würde in einem Nahwärmevertrag zunächst ein konkreter Preis festgelegt sein UND darüber hinaus in dem Vertrag eine Klausel stehen, welche dem Versorger ein einseitiges Änderungsrecht bezüglich dieses festgelegten Preises einräumt ("Der Preis kann jährlich zum 01.01. durch den Versorger an die aktuelle Ertrags- und Kostenentwicklung des Unternehmens angepasst werden"), so ist letztere Klausel

a) zwar zulässig, jedoch wäre die hierauf ausgesprochene Preisbestimmung an 315 BGB zu messen und somit mangels Bestehens genauer durch die Rechtsprechung festgelegter Kriterien für diese Prüfung, stets in der Gefahr unzulässig ausgeübt zu werden

oder

b) wegen Verstoßes gegen die § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV und die vom BGH zu dieser Norm festgelegten Grundsätze unzulässig?

Über eine Anmerkung hierzu wäre ich sehr dankbar.
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: RR-E-ft am 21. Mai 2014, 15:57:30
@petersport

Es ist etwas komplizierter.

Zunächst käme es darauf an, ob dieser Vertrag kraft Gesetzes unter den Regelungsgehalt der AVBFernwärmeV fällt [was unter anderem vom Fernwärmebegriff abhängt] oder aber die Regelung des  § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV vertraglich einbezogen wurde, mithin ob die Regelung des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV kraft Gesetzes oder kraft vertraglicher Vereinbarung auf das Vertragsverhältnis Anwendung findet.

Wenn dies der Fall wäre, müsste sich die Preisänderungfsklausel an § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV messen lassen.

Zitat
Preisänderungsklauseln dürfen nur so ausgestaltet sein, daß sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Sie müssen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen. Bei Anwendung der Preisänderungsklauseln ist der prozentuale Anteil des die Brennstoffkosten abdeckenden Preisfaktors an der jeweiligen Preisänderung gesondert auszuweisen.

Die Regelung des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV knüpft an die Kostenentwicklung des Versorgers und an die Marktpreisentwicklung an.
Die genannte Klausel mag an die Kostenentwicklung anknüpfen, lässt jedoch einen Bezug zur Markpreisentwicklung [Verhältnisse auf dem Wärmemarkt] vollkommen vermissen.

Wurde bei Anwendbarkeit des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV den entsprechenden Erfordernissen nicht Rechnung getragen, ist die Preisänderungsklausel regelmäßig unwirksam.

Findet hingegen die Regelung des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV auf den Vertrag gar keine Anwendung, so würde sich die Frage stellen, ob es sich bei der Preisänderungsklausel um eine vom Versorger gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung  iSv. § 305 BGB handelt.
Wäre dies der Fall, käme es auf eine Inhaltskontrolle der Klausel gem. § 307 BGB an.

Einer solchen Inhaltskontrolle wird die genannte Klausel wohl nicht standhalten können, da sie nicht mit Sicherheit ausschließt, dass bei deren Anwendung der Gewinnanteil des Versorgers am Preis nachträglich erhöht wird.  So fehlt es an einer Verpflichtung zur Preissenkung bei sinkenden Kosten.
Gemessen an § 307 BGB wäre wohl von einer Unwirksamkeit der Klausel auszugehen.

Handelt es sich bei der Klausel hingegen um eine Individualvereinbarung, womöglich gar unter Kaufleuten, könnte die Klausel hingegen wirksam sein.
In diesem Fall müsste eine auf ihrer Grundlage vorgenommene Preisänderung als einseitige Leistungsbestimmung der Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB unterliegen (vgl. BGH, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 Tz. 10 f.; B.v. 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10 Tz. 17).

Zitat
Ist einem Energieversorger aufgrund Gesetzes oder vertraglicher Vereinbarung ein Preisanpassungsrecht eingeräumt, so unterliegt eine auf der Grundlage dieses Rechts erfolgte Preiserhöhung als einseitige Leistungsbestimmung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, sofern und soweit es sich nicht um vereinbarte Preise handelt (st. Rspr. des Senats; zuletzt Beschlüsse vom 18. Mai 2011 – VIII ZR 71/10, aaO unter III 2 a;  vom 9.Februar 2011 –VIII ZR 162/09, WM 2011, 850 Rn.18; jeweils mwN).
     
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: petersport am 21. Mai 2014, 16:22:06
@ RR-E-ft

Vielen Dank für diese Anmerkung und Ihre erfreulich differenzierende und bündige Subsumtion. Sie lässt zu diesem Punkt keine Fragen offen.
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: tetraeder am 18. Juni 2014, 19:08:56
@ RR-E-ft Angenommen, es handelt sich nicht um eine Preisänderungsklausel, sondern nur um eine Bestimmung die lautet "Änderungen der Wärmepreise werden dem Kunden schriftlich bekanntgegeben", ist das dann eine wirksam vereinbarte AGB?

Oder ist - wie Sie in einem anderen Beitrag geschrieben haben - das ein Fall, in welchem zwar der "erste Preis" vertraglich vereinbart wurde, dann aber keine Preisänderungsklausel vorliegt und dann der Versorger kein Preisänderungsrecht hat?

Zitat von Ihnen:
"Enthält ein Fernwärmelieferungsvertrag von Anfang an schon keine Preisänderungsklausel im Sinne des § 24 AVBFernwärmeV, so steht dem Versorger noch weniger eine Preisänderungsbefugnis zu als bei wirksamer Einbeziehung einer Preisänderungsklausel, die sich als unwirksam erweist."

In diesem Statement berufen sie sich explizit für diese Aussage auf BGH, Urt. v. 06.04.11 Az. VIII ZR 273/09, jedoch konnte ich das beim Studium des Urteils im Volltext in dieser Klarheit nicht schlussfolgern. Ich konnte lediglich die Sonderstellung des § 24 IV AVB Fernwärme V erkennen, wonach eine Kontrolle nach § 307 BGB auf wirksame Einbeziehung nicht stattfindet, sondern nur nach dieser Vorschrift in den AVB. Aber dass in einem solchen Fernwärmevertrag der Versorger kein Recht auf Preisanpassung hat, das kann ich dem Urteil nicht entnehmen.
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: RR-E-ft am 18. Juni 2014, 20:10:05
@ RR-E-ft Angenommen, es handelt sich nicht um eine Preisänderungsklausel, sondern nur um eine Bestimmung die lautet "Änderungen der Wärmepreise werden dem Kunden schriftlich bekanntgegeben", ist das dann eine wirksam vereinbarte AGB?

@tetraeder

Die Entscheidung BGH, Urt. v. 06.04.11 Az. 273/09 betraf die Frage nach einem weiteren Zahlungsanspruch des Fernwärmeversorgers, nachdem der Kunde den Preisänderungen in 2006 widersprochen und nur einen, von ihm anerkannten Preis aus 2005  weitergezahlt hatte.

Der BGH kam dabei zu dem Ergebnis, dass der betroffene Vertrag in den Anwendungsbereich der AVBFernwärmeV fällt, eine im Vertrag enthaltene Preisanpassungsklausel den Erfordernissen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV nicht entsprach und deshalb unwirksam war, dem Fernwärmeversorger deshalb gegenüber dem betroffenen Kunden keine Befugnis zur Preisanpassung zustand, die vom Fernwärmeversorger vorgenommenen und vom Kunden beanstandeten Preisanpassungen deshalb unwirksam waren und dem Fernwärmeversorger deshalb der eingeklagte weitere Zahlungsanspruch nicht zustand, weshalb die Klage abzuweisen war, so wie es bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt habe. Folglich wurde die dagegen gerichte Revision der Klägerin  (Fernwärmeversorger) kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die genannte Bestimmung "Änderungen der Wärmepreise werden dem Kunden schriftlich bekanntgegeben" würde den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV ebenso nicht genügen.

Würde es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handeln, die der Wärmeversorger verwendet und die in einen Vertrag einbezogen wurde, der nicht in den Geltungsberich der AVBFernwärmeV fällt [so dass die Regelung über Preisanpassungen schon nicht erst den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entsprechen muss], so würde sie einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegen und einer solchen wegen unzureichender Konkretisierung und Transparenz nicht standhalten und deshalb unwirksam sein.

Denkbar wäre eine solche Bestimmung, wenn sie indivduell ausgehandelt wurde bei Abschluss eines Vertrages, der nicht in den Anwendungebereich der AVBFernwärmeV fällt und bei dem zum Preis lediglich vereinbart wurde, dass der Wärmeversorger [nach Vertragsabschluss] den jeweiligen Wärmepreis bestimmen soll, was zur unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB auch in Bezug auf den Anfangspreis führen würde.  Dazu könnte die genannte Bestimmung nämlich passen.


 
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: tetraeder am 18. Juni 2014, 21:06:16

Denkbar wäre eine solche Bestimmung, wenn sie indivduell ausgehandelt wurde bei Abschluss eines Vertrages, der nicht in den Anwendungebereich der AVBFernwärmeV fällt und bei dem zum Preis lediglich vereinbart wurde, dass der Wärmeversorger [nach Vertragsabschluss] den jeweiligen Wärmepreis bestimmen soll, was zur unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB auch in Bezug auf den Anfangspreis führen würde.  Dazu könnte die genannte Bestimmung nämlich passen.

Hallo RR-E-ft
Was ich über individuell ausgehandelte Klauseln weiss, ist dass sie ernsthaft zur Disposition gestellt werden müssen. Weder der Ausgangspreis wurde verhandelt, sondern vorgelegt, wie auch der ganze Vertrag mit dieser Klausel einfach so vorgelegt wurde zur Unterschrift. Außerdem lässt sich Mehrfachverwendung nachweisen.

Dann ist auch noch ein Vertragspassage enthalten "Ergänzende Bedingungen", die besagt, dass die AVB Fernwärme V in der jeweils gültigen Fassung Vertragsgegenstand ist.

Verstehe ich Sie also richtig, dass ein solches Leistungsbestimmungsrecht, wenn es AGB ist und nicht individuell ausgehandelt ist in einem Vertrag, auf den AVB Fernwärme V anzuwenden ist, den Bestimmungen des § 24 IV AVB genügen muss? Die Klausel wäre dann ja tatsächlich total konträr zu dieser Bestimmung, was ja auch nicht verwundert, denn eine Preisänderungsklausel ist es ja gerade nicht. Oder ist es so dass dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht also für künftige Preise, wenn sich z.B. die Beschaffungskosten am Markt geändert haben grundsätzlich auch bei AVB Fernwärme-Gültigkeit in Ordnung ist, wenn es wenigstens konkrete Hinweise gibt? Solche konkreten Hinweise sehe ich in der Klausel auch nicht, es ist ja lediglich eine Information nach dem Motto "wenn sich die Preise ändern, dann teilen wir Ihnen das schriftlich mit".
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: RR-E-ft am 18. Juni 2014, 21:24:15
Weder der Ausgangspreis wurde verhandelt, sondern vorgelegt, wie auch der ganze Vertrag mit dieser Klausel einfach so vorgelegt wurde zur Unterschrift. Außerdem lässt sich Mehrfachverwendung nachweisen.

Dann ist auch noch ein Vertragspassage enthalten "Ergänzende Bedingungen", die besagt, dass die AVB Fernwärme V in der jeweils gültigen Fassung Vertragsgegenstand ist.

@tetraeder

Der Ausgangspreis soll vorgelegt und deshalb wohl mit Vertragsabschluss vereinbart worden sein.
Um einen bereits vereinbarten Preis nachträglich einseitig abzuändern, bedarf es einer Preisanpassungsbefugnis für den Wärmeversorger.

Eine solche Preisanpassungsbefugnis will sich der Versorger zumeist einräumen lassen. Dies geschieht durch Verwendung und Einbeziehung einer sog. Preisanpassungsklausel bzw. Preisänderungsklausel, d. h. einer Klausel im Vertrag = Vertragsklausel, die sich zu Preisanpassungen verhält bzw. Preisänderungen zum Gegenstand hat. Die Einbeziehung einer solchen Preisanpassungsklausel ist also notwendige, aber noch nicht hinreichende Bedingung für eine Preisanpassungsbefugnis des Wärmeversorgers. Gibt es eine solche Klausel im Vertrag nicht, fehlt es schon von Anfang an an einer Preisanpassungsbefugnis des Wärmeversorgers.

Bei einem Vertrag, auf den § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV Anwendung findet, ist die genannte Bestimmung aus genannten Gründen unwirksam,
so dass es an einer Preisänderungsbefugnis in Bezug auf einen bereits vereinbarten Preis fehlt.

Fehlt es aber an einer Preisanpassungsbefugnis für den Wärmeversorger, so kann dieser einen bereits vereinbarten Preis  nachträglich nicht einseitig abändern, so dass einseitige Preisänderungen des Wärmeversorgers unzulässig und unwirksam sind.
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: tetraeder am 18. Juni 2014, 22:04:19
@ RR-E-ft
Ich habe das verstanden.

Also gibt es im Gültigkeitsbereich der ABV Fernwärme V nicht die auf der Homepage von AGFW unter "Die Anpassung von Fernwärmepreisen in laufenden Verträgen" getroffene Unterscheidung von Klauseltypen in a) Preisänderungsklauseln b) Leistungsbestimmungsvorbehalt c) Neuverhandlungspflicht?

Demnach müssen die Klauseltypen a) "echte" Preisänderungsklauseln und b) Leistungsbestimmungsvorhebalte immer den Anforderungen nach § 24 Abs. IV ABV FW V genügen?

Der Klauseltyp b) wird dort in dem Abschnitt V "Bewertung" wie folgt eingeschätzt:

"Das einseitige Leistungebestimmungsrecht mag zwar für das FWU den erheblichen Vorteil haben, dass es durch einseitige Bekanntgabe des neuen Preises schnell und ohne langwierige Verhandlungen die Preise ändern kann.

Es stellt sich aber die Frage, ob der Verordnungsgeber mit der Regelung des § 24 Abs. 3 AVB Fernwärme V zum Ausdruck gebracht (hat), dass Preisänderungen überhaupt nur nach dieser Vorschrift zulässig sind."

Wenn ich Ihre Ausführungen richtig verstehe, hat sich diese Frage zwischenzeitlich geklärt.

Preisanpassungsklauseln jeglicher Art also konkret mit Formeln oder auch der Art, "künftige Preise legen wir selbst fest (natürlich dürfen Sie das dann auf Billigkeit prüfen wenn Sie wollen)" müssen immer der Wirksamkeitsprüfung des § 24 Abs. 4 AVB genügen.

Und wenn sie das also nicht tun, dann würden alle Preiserhöhungen innerhalb der Verjährungsfrist von 3 Jahren unwirksam sein. Also bei einer Preiserhöhung im Januar 2011 würden die monatlichen Abrechnungen nach den Preisen vor Januar 2011 neu zu berechnen sein (Verjährung beginnt ja immer Ende des Jahres).

Vielen Dank schon mal, Sie haben gerade sehr weitergeholfen. Warum wird denn dieser irreführende Beitrag auf AGFW nicht weggenommen und in einem Rechtsgutachten von Prof. Büdenbender ist diese offenbar falsche Rechtsauffassung, wonach eine einseitige Leistungsbestimmung in Fernwärmeverträgen möglich sei (halt nur der Billigkeitskontrolle unterliegen würde) ja auch noch so zu lesen und dass ist ja für eine Kanzlei mit wohlklingendem Namen geschrieben worden ...
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: RR-E-ft am 19. Juni 2014, 11:37:03
@tetraeder

Im Anwendungsbereich der AVBFernwärmeV müssen Preisanpassungsklauseln zu ihrer Wirksamkeit den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entsprechen.

Bei Anschluss- und Benutzungszwang zur Fernwärme mit Monopolstellung des Versorgers kann eine entsprechende Anwendung von § 315 BGB auf den Anfangspreis in Betracht kommen.
Im Übrigen kommt § 315 BGB nur zur Anwendung, wenn vertraglich vereinbart wurde, dass der Wärmeversorger nach Vertragsabschluss den jeweiligen Wärmepreis (also auch schon den Anfangspreis) bestimmen soll. In diesem Fall besteht von Anfang an kein vereinbarter Wärmepreis, sondern eine Verpflichtung des Versorgers zur Preisbestimmung.

Inwieweit der AGFW seine Publikationen zu überarbeiten hat, soll uns hier nicht interessieren.   

Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: tetraeder am 20. Juni 2014, 16:14:30
danke schön!

Letzte Frage: könnte mir der Versorger, er ist Monopolist, nicht einfach drohen und sagen okay dann stell dich schon mal darauf ein, dass ich dir in ein paar Jahren den Vertrag kündige. Kriegst nur noch heissen Dampf dann von mir zu einem neu kalkulierten Preis und die Fernwärmeanschlussstation kannst du ja selber bauen, die bauen wir ab (die Anschlussstation ist aus den 90er Jahren).
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: RR-E-ft am 20. Juni 2014, 17:26:28
@tetraeder

Letzte Anwort: ;)

Das Recht des Versorger zur ordentlichen Kündigung bleibt unberührt.

Sollte das Recht des Versorgers zur ordentlichen Kündigung für noch länger als zwei Jahre vertraglich ausgeschlossen sein, kann gem. § 313 BGB unter dort genannten Voraussetzungen ein Vertragsanpassungsverlangen des Versorgers und bei Nichteinigung über ein solches eine außerordentliche Kündigung gem. § 314 BGB in Betracht kommen.
 
Ein Versorger mit Monopolstellung wird wohl die Kündigung mit einem neuen Vertragsangebot verbinden bzw. zu verbinden haben.
Auch ein neuer Vertragsabschluss durch bloße Energieentnahme gem. § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV erscheint möglich, nachdem der derzeitige Vertrag durch eine Kündigung wirksam beendet wurde.
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: tetraeder am 20. Juni 2014, 17:55:04
Ein Versorger mit Monopolstellung wird wohl die Kündigung mit einem neuen Vertragsangebot verbinden bzw. zu verbinden haben.

Danke, gerade der letzte Halbsatz macht doch Mut. Scheint ja doch so etwas wie einen Schutz zu geben gegen Willkür. Aber was heisst das schon Monopolstellung, könnte der Versorger nicht sagen, bau dir doch einen Heizkessel ein und lass' dich mit Öl beliefern. So gesehen gibt es doch gar keine Monopolstellung. Ich denke, ich werde Sie mal kontaktieren.
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: Stadt/Versorger am 20. Juni 2014, 18:46:16
@tetraeder
Naja, wenn Sie diese Aussage positiv sehen,ist das Ihre Sichtweise.
Meine Sichtweise ist dazu nicht gerade positiv.
Wenn ein Monopolist bei einem Anschluss-und Benutzerzwang durch ordentliche Kündigung sich seiner Probleme entledigen kann,dann braucht er sich eigentlich  um den Par. 24 der AVB FV etc. keine Sorgen zu machen. Er braucht nicht einmal eine Preisanpassungsklausel zu haben. Es bedarf auch keinerlei schriftlicher Verträge mit dem Kunden. Der Monopolist setzt einfach die Preise für Fernwärme in einem ihm genehmen Rahmen neu fest. Entsprechende Verträge ,die ihm nicht mehr passen,werden halt gekündigt ,denn der Kunde muss sowieso Fernwärme entnehmen(da A+B Zwang) und schon ist ein neues Vertragsverhältnis ,zu den nunmehr zum Zeitpunkt der Entnahme geltenden Preisen , entstanden.
Ich hoffe nur,ich irre hier gewaltig.
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: tetraeder am 21. Juni 2014, 10:00:46
in meinem Fall gibt es keinen Anschlusszwang. Im Preis enthalten ist auch die Hausanschlussstation und der Warmwasserspeicher nebst Wartung. Der Vertrag läuft noch eine Weile.

Und die Preissetzung, die unterliegt ja wieder der Billigkeitskontrolle. Der neue Preis im Falle einer Kündigung kann ja jetzt nicht einfach mal so von dem gerade festgesetzten abweichen.

Bliebe im Ergebnis eine Rückzahlung der überhöhten Preise für 3 Jahre und in einem neuen Vertrag dann wird der jetzige Preis fortgeschrieben.

Das wäre doch eine gute Position für eine Verhandlung.
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: Stadt/Versorger am 29. Juni 2014, 17:05:52
@ RR-E-Ft

Zitat RR -E-Ft

"Ein konkludenter Vertragsabschluss setzt die Energieentnahme an einer Abnahmestelle voraus, für welche bisher mit noch niemandem ein Lieferungsvertrag besteht. Besteht nämlich schon ein Liefervertrag vermöge der Versorger zu seiner Lieferung verpflichtet ist, erfolgt die Energielieferung als Erfüllungshandlung an den bereits vorhandenen Vertragspartner des Versorgers und stellt somit keine Realofferte auf Vertragsabschluss an einen Dritten dar.  "

Wenn nun ein Versorger von seinem Recht auf ordentliche Kündigung Gebrauch macht,kann dann tatsächlich ein neuer Konkludenter Vertrag geschlossen werden? Es bestand doch schon vorher ein Liefervertrag für diese Abnahmestelle .Und zwar mit dem gleichen Kunden.

Wenn der Neuabschluss möglich ist,dann ist doch - gerade beim A.u.B. Zwang- Tür und Tor für einen Missbrauch d.d. FWU gegeben. Die Forderung nach Preisanpassungen mittels Preisänderungsklauseln oder Par 315 BGB  sind letztendlich in diesem Falle wirkungslos.
Damit könnten letztendlich gewünschten Preisänderungen immer durch Kündigung und konkludenten Neuvertragsabschluss vorgenommen werden. Der Zweck des Par. 24 AVBFV wäre letztendlich ausgehebelt.
Es bedarf dann wohl auch nicht mehr der Feststellung,ob das FWU  zur einseitigen Preisfestsetzung/Erhöhung  berechtigt ist oder nicht.
Das dürfte eigentlich nicht im Sinne des Erfinders der AVBFV sein?
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: RR-E-ft am 29. Juni 2014, 19:20:54
Wird ein bisher bestehender Vertrag durch ordentliche Kündigung beendet, kann nach Ablauf dieses Vertrages allein durch Energieentnahme konkludent ein neues Vertragsverhältnis begründet werden (vgl. § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV). Unterliegt der betroffene Kunde einem Anschluss- und Benutzungszwang, so kann der Anfangspreis einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliegen. Hat der Wärmeversorger in seinem Leistungsberich eine Monopolstellung, kann sein Preisgebaren zudem kartellrechtlich daraufhin überprüft werden, ob es missbräuchlich oder diskriminierend ist. Den betroffenen Kunden können dabei entsprechend § 33 GBW Ansprüche gegen den Versorger erwachsen.
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: Stadt/Versorger am 29. Juni 2014, 20:32:39
@RR-E-ft

Einige Fragen hätte ich noch. Lt. AVBFV  beträgt die Kündigungsfrist 10 bzw. 5 Jahre .
Fängt nach  Kündigung d.d. Versorger und weiterer Entnahme von Fernwärme ein neues Vertragsverhältnis gem. AVBFV mit 10 Jahren Erstlaufzeit erneut an ?
Oder welche Vertragslaufzeit gilt dann ?
Versäumen es Kunde und Versorger ,gem. AVBFV fristgemäß zu kündigen, setzt sich das Vertragsverhältnis nach den alten Bedingungen weitere 5 Jahre fort.
Selbst wenn das FWU nun länger als 2 Jahre keine ordentliche Kündigung vornehmen kann gilt die AVBFV.
Für den Fall ,dass das FWU nicht rechtzeitig reagiert und die für das FWU ungünstigen Vertragsbedingungen gem. AVBFV weiter festgeschrieben werden,müsste sich das FWU doch an die automatisch verlängerte Vertragslaufzeit halten?
In diesem Falle hat das FWU den Zustand doch selbst verschuldet. Das BGB steht doch in diesem Falle
nicht über der AVBFV ? Vertrag ist doch Vertrag ?
,
Titel: Re: einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für FVU
Beitrag von: RR-E-ft am 30. Juni 2014, 11:27:58
Kommt ein Fernwärmelieferungsvertrag konkludent durch Energieentnahme zustande, so ist er auf unbestimmte Zeit geschlossen und § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV findet deshalb keine Anwendung (vgl. BGH, Urt. v. 15.01.14 Az. VIII ZR 111/13). Ein solcher Vertrag kann von beiden Seiten kurzfristig ordentlich gekündigt werden.

Ist der Vertrag hingegen anders zu stande gekommen und wurde eine Vertragslaufzeit wirksam vereinbart, so dass für den Versorger die ordentliche Kündigung noch für länger als zwei Jahre ausgeschlossen ist (er sich erst nach mehr als zwei Jahren aus dem Vertragsverhältnis lösen kann), so wird er, wenn sich seine  Kosten unvermeidlich erhöhen, er jedoch mangels wirksamen Preisänderungsrechts die Preise nicht ändern kann, gem. § 313 BGB eine Vertragsanpassung verlangen können, und wo eine solche nicht zustande kommt, gem. § 314 BGB deshalb ein außerordentliches Kündigungsrecht haben, so dass er sich dann aus dem betroffenen Vertragsverhältnis lösen kann.