Einer der Leitsätze der Entscheidung des Kartellsenats vom 12.11.1991 lautet:
b) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß die Behinderung eines Unternehmens unbillig im Sinne des § 26 Abs. 2 GWB ist, trägt derjenige, der daraus Rechte herleiten möchte.
Da ist man also wiederum beim Unterschied zwischen Energiewirtschaftsrecht und Kartellrecht. Denn dort hat der Gesetzgeber die Beweislastfrage im Sinne des Kartellrechts grundsätzlich nach den allgemeinen Beweisregeln kodifiziert. Für den § 315 BGB kommt man über diese Hürde hinweg, weil dort kodifiziert ist, dass der unbillige Preis \"unverbindlich\" ist. Somit ist derjenige, der Rechte aus dem Versorgungsvertrag herleitet geradewegs eben der Versorger. So gelangt der Versorger zur Beweislast und hieraus erwächst die Offenlegungspflicht.
Die Entscheidung vom 12.11.1991 besagt dann weiter:
Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend ausgeführt, daß das Tatsachenvorbringen der Klägerin nicht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen ist, auch wenn die Beklagte ihrerseits ihre Kalkulationsgrundlagen für den Vertrieb des »Stadtkurier« nicht offengelegt hat. Die Parteien sind zwar nach § 138 Abs. 1 ZPO verpflichtet, ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Der Umfang ihrer Substantiierungspflicht richtet sich aber nach den Umständen des Einzelfalles; sie findet ihre Grenze im subjektiven Wissen der Partei und in der Zumutbarkeit weiteren Vorbringens. Eine allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweispflichtigen Partei besteht nicht (vgl. BGHZ 100, 190, 195; BGH, Urt. v. 11.6.1990 - II ZR 159/89, NJW 1990, 3151). Daß es hier der Beklagten nicht zumutbar war, die Kostenstruktur ihres Anzeigenblattes und insbesondere ihre Gewinnsituation im Rechtsstreit offenzulegen, folgt – wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat - bereits daraus, daß die Parteien miteinander in hartem Wettbewerb stehen. In einem solchen Fall ist die Aufdeckung derartiger Betriebsinterna grundsätzlich geeignet, die Erfolgsaussichten eines Unternehmens im Wettbewerb nachhaltig zu beeinträchtigen.
Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin die Beweislast dafür trägt, daß sie von der Beklagten im Sinne des § 26 Abs. 2 GWB unbillig behindert wird. Dies gilt auch für die Unbilligkeit der Behinderung (vgl. zu dieser Problematik BGH, Urt. v. 8.6.1967 - KZR 5/66, WuW/E 863, 869 f. - Rinderbesamung II; Urt. v. 10.2.1987 - KZR 6/86, WuW/E 2360, 2365 - Freundschaftswerbung; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rdn. 646; Benisch in Gemeinschaftskommentar zum GWB, 4. Aufl., § 26 Abs. 2 und 3 Rdn. 82; Markert, Diskriminierung und Behinderung in der kartellrechtlichen Praxis, 3. Aufl. S. 58; v. Gamm, Kartellrecht, 2. Aufl., § 26 Rdn. 49). Diese Beweislastverteilung liegt als Grundsatz auch der Vorschrift des § 26 Abs. 5 GWB zugrunde, welche durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 22. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2486) in das Gesetz eingefügt wurde. Sie hat ihren Grund darin, daß der Begriff der Behinderung in § 26 Abs. 2 GWB weit zu verstehen ist und jedes Marktverhalten erfaßt, das objektiv nachteilige Auswirkungen für den Betroffenen hat (vgl. BGHZ 81, 322, 327 - Original-VW-Ersatzteile II; vgl. weiter Möschel aaO. Rdn. 647, m.w.N.). Die Feststellung einer Behinderung besitzt daher keine Indizwirkung dafür, daß das beanstandete Marktverhalten auch rechtswidrig ist (vgl. BGH WuW/E 863, 869 f. - Rinderbesamung II; Möschel aaO. Rdn. 646). Dies ist im Fall einer Ungleichbehandlung unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Satz 1 Altern. 2 GWB anders. Ein Marktverhalten wird allerdings vielfach beide Alternativen des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB erfüllen (vgl. BGHZ 52, 65, 70 - Sportartikelmesse; BGH WuW/E 863, 868 - Rinderbesamung II). Dies kann aber kein Grund dafür sein, dem Anspruchsgegner im Fall einer Behinderung die Beweislast dafür, daß die Behinderung nicht unbillig ist, ebenso aufzubürden wie im Fall einer Diskriminierung die Beweislast für das Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Grundes für die Ungleichbehandlung (vgl. hierzu BGHZ 41, 271, 279 - Werkmilchabzug, st. Rspr.). Die Beweislast ist vielmehr im Rahmen des Behinderungstatbestandes des § 26 Abs. 2 GWB ebenso zu verteilen wie im Rahmen des § 1 UWG, der bei Vorliegen einer sittenwidrigen Behinderung vielfach ebenso wie § 26 Abs. 2 GWB erfüllt ist. Auch bei Anwendung des § 1 UWG sind die Umstände, aus denen sich die Sittenwidrigkeit einer Behinderung ergeben soll, von demjenigen zu beweisen, der daraus Rechte herleiten will (vgl. Baumgärtel/Ulrich, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 3, § 1 UWG Rdn. 13; v. Gamm, UWG, 2. Aufl., § 1 Rdn. 341). Dies schließt nicht aus, daß dann, wenn eine Behinderung ihrer Art nach in aller Regel unbillig ist, eine tatsächliche Vermutung für die Unbilligkeit bestehen kann.
Und schließlich wirft der BGH die Vorinstanz damit über den Haufen:
Der vom Berufungsgericht bestellte Sachverständige hat - vom Berufungsgericht gebilligt - seine Begutachtung in der Weise vorbereitet, daß er, ohne die Klägerin zu unterrichten, bei der Beklagten Einsicht in diejenigen Geschäftsunterlagen genommen hat, deren Kenntnis seiner Ansicht nach für die Erstellung seines Gutachtens erforderlich war (insbesondere Jahresabschlüsse und eine von der Beklagten für betriebsinterne Zwecke erstellte Kostenträgerzeitrechnung). Diese Unterlagen wurden auch in der Folgezeit weder dem Gericht noch der Klägerin zur Kenntnis gegeben. Auch in seinen beiden schriftlichen Gutachten und in seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme hat der Sachverständige wesentliche Grundlagen seiner Begutachtung nicht offengelegt, weil sie seiner Ansicht nach Geschäftsgeheimnisse der Beklagten betrafen. Die Klägerin hat sich im Rechtsstreit wiederholt nachdrücklich gegen diese Art der Gutachtenerstattung gewandt.
Die Verwertung der unter diesen Umständen zustandegekommenen Sachverständigengutachten entsprach nicht dem Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und der Vorschrift des § 286 ZP0, nach der das Gericht verpflichtet ist, Gutachten gerichtlicher Sachverständiger sorgfältig und kritisch zu würdigen (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 9.5.1989 - VI ZR 268/88, NJW 1989, 2948 ). Die Erfüllung dieser Pflicht setzt voraus, daß der Gutachter die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen seines Gutachtens offenlegt (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.1963 - IV ZR 12/63, LM § 144 ZPO Nr. 4). Andernfalls ist sein Gutachten grundsätzlich unverwertbar (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZP0, 50. Aufl., § 286 Anm. 3 C). So liegt der Fall auch hier, weil dem Gericht entscheidende Grundlagen des Gutachtens unbekannt blieben.
Somit liegt es nicht im Belieben der Parteien, oder eines außergerichtlich tätigen Sachverständigen, und auch nicht eines gerichtlich bestellten Sachverständigen, die Frage einer \"Tangierung von Geschäftsgeheimnissen\" zu prüfen und zu beantworten. Auch und selbst dann, wenn Geschäftsgeheimnisse tangiert sein sollten, so ist der Richter aus dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) verpflichtet, der beweisbelasteten Partei \"diesen Zahn zu ziehen\" und diese Fakten kritisch zu würdigen.
Nicht ohne Grund beschäftigt sich das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung mit der sogenannten \"in-camera\"-Prüfung, will heißen, die Fakten bleiben im kleinen Kreis, gehen nur an zur Berufsverschwiegenheit verpflchtete Personen, die sich bei Weitergabe der strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt sehen.
Dass die Massstäbe der Entscheidung vom 12.11.1991 nicht 1:1 auf die Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB übertragen werden kann, folgt auch aus dem Umstand, dass die Parteien eines solchen Rechtsstreits \"nicht im harten Wettbewerb\" stehen.