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BGH-Preiserhöhungsklausel in Erdgassondervertrag unwirksam
kamaraba:
Pressemeldung des BGH:
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in einem Rechtsstreit entschieden, in dem etwa 160 private Kläger mit dem beklagten Gasversorgungsunternehmen, das Ostsachsen mit Erdgas beliefert, um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen streiten. Die Kläger sind keine Tarifkunden, sondern Sondervertragskunden der Beklagten. In den Gaslieferungsverträgen heißt es jeweils, dass die Beklagte berechtigt sei, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch den Vorlieferanten der Beklagten erfolge. Die Beklagte erhöhte den Arbeitspreis zum 1. Juni und 1. November 2005 sowie zum 1. Januar und 1. April 2006.
Das Landgericht Dresden hat festgestellt, dass die Preiserhöhungen unwirksam seien. Das Oberlandesgericht Dresden hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Auch die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof sieht in der Preisänderungsklausel des Gaslieferungsvertrags eine nach § 307 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung. Die Klausel stelle eine den Geboten von Treu und Glauben widersprechende unangemessene Benachteiligung der Gaskunden dar. Bei der Prüfung, ob eine mehrdeutige Allgemeine Geschäftsbedingung wirksam sei, müsse von der für den Kunden ungünstigsten Auslegung ausgegangen werden. Danach berechtige die hier in Rede stehende Preisänderungsklausel die Beklagte zwar, verpflichte sie aber nicht, bei einem veränderten Gaseinkaufspreis den Lieferpreis anzupassen. Nach dieser Auslegung sei die Beklagte nicht verpflichtet, eine Preisanpassung nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich der Einstandpreis seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt habe. Damit würden die Folgen von Schwankungen des Einkaufspreises einseitig dem Kunden auferlegt.
Dem Argument der Beklagten, die Preisänderungsklausel sei deshalb wirksam, weil auch die (bis zum 7. November 2006 für Tarifkunden geltende) Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) keine Kriterien für Preisanpassungen formuliere, ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Da der Gasversorger, wie der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13. Juni 2007 (BGHZ 172, 315) entschieden hat, nach der Verordnung den allgemeinen Gastarif nach billigem Ermessen zu bestimmen habe, sei er bereits von Gesetzes wegen verpflichtet, Kostensteigerungen wie Kostensenkungen nach gleichen Maßstäben Rechnung zu tragen. Eine entsprechende Verpflichtung sehe demgegenüber die vertragliche Preisanpassungsklausel gerade nicht vor.
Schließlich hat es der Bundesgerichtshof auch abgelehnt, der Beklagten an Stelle der unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung in ergänzender Vertragsauslegung ein Preisanpassungsrecht einzuräumen. Da beide Vertragsparteien den Vertrag nach zweijähriger Laufzeit mit einer Frist von drei Monaten kündigen könnten, sei es für die Beklagte nicht unzumutbar, wenn sie den Gaspreis innerhalb der Vertragslaufzeit nicht erhöhen könne.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. April 2008 – KZR 2/07 – Gassondervertrag
LG Dresden – 10 O 3613/05 – Urt. v. 30.6.2006 OLG Dresden – U 1426/06 Kart – Urt. v. 11.12.2006, RdE 2007, 58
Karlsruhe, den 29. April 2008
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
Quelle
wulfus:
Na, super! Die Herren Richter scheinen nun gründlicher nachgedacht zu haben!
Beharrlicher Widerstand lohnt sich also!
Was bedeutet das nun für jeden einzelnen Rebellen von uns?
Können/müssen wir nun unter Hinweis auf dieses Urteil die Gaspreisreduzierung auf den Anfangswert schriftlich fordern?
--- Zitat ---Schließlich hat es der Bundesgerichtshof auch abgelehnt, der Beklagten an Stelle der unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung in ergänzender Vertragsauslegung ein Preisanpassungsrecht einzuräumen. Da beide Vertragsparteien den Vertrag nach zweijähriger Laufzeit mit einer Frist von drei Monaten kündigen könnten, sei es für die Beklagte nicht unzumutbar, wenn sie den Gaspreis innerhalb der Vertragslaufzeit nicht erhöhen könne.
--- Ende Zitat ---
Was mache ich, wenn mein Versorger den Vertrag nun kündigt und ich habe keinen Alternativversorger?
egn:
--- Zitat ---Original von wulfusWas mache ich, wenn mein Versorger den Vertrag nun kündigt und ich habe keinen Alternativversorger?
--- Ende Zitat ---
Landest Du dann nicht automatisch in der Grundversorgung?
ESG-Rebell:
--- Zitat ---Original von egn
--- Zitat ---Original von wulfusWas mache ich, wenn mein Versorger den Vertrag nun kündigt und ich habe keinen Alternativversorger?
--- Ende Zitat ---
Landest Du dann nicht automatisch in der Grundversorgung?
--- Ende Zitat ---
Ja, genau das passiert dann.
Natürlich sollte jeder so Zurückgestufte sofort gegen den nun neu für ihn geltenden Grundtarif umgehend Unbilligkeitseinwand erheben. Dies sollte schon dadurch unproblematisch sein, da der Grundtarif in aller Regel ja teurer ist als der bisherige Sondertarif.
Tut er dies nicht, so kann ihm dies nach Lesart des BGH (Zivil-Senat) später als konkludente Vereinbarung des Anfangspreises ausgelegt werden.
Der Grundversorger muss dennoch - auch bei umgehendem Widerspruch - die Gasversorgung fortsetzen!
Gruss,
ESG-Rebell.
jroettges:
Diese Zwangsversetzung in die Grundversorgung haben viele erlebt, die neuen Verträgen widersprochen haben.
Das sind in der Mehrzahl diejenigen, die ohnehin auf Preisstände 2004/2005 kürzen und folglich nicht mehr zahlen als zuvor.
Ich schwebe in diesem Zustand nun seit einem Jahr und fühle mich ganz wohl dabei.
Auf den Widerspruch gegen die Zwangsversetzung vergesse ich allerdings im Schreibekrieg mit dem Versorger nie hinzuweisen.
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