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Autor Thema: OLG Hamm, Urt. v. 06.03.08 - 2 U 114/07  (Gelesen 6604 mal)

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Offline RR-E-ft

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OLG Hamm, Urt. v. 06.03.08 - 2 U 114/07
« am: 07. März 2008, 01:30:16 »
Das Urteil, mit welchem die Sammelklage gegen die Stadtwerke Essen in der Berufung abgewiesen wurde, ist in der Rechtsprechungsdatenbank NRW veröffentlicht.

Bis zur Textziffer 95 ist das Urteil eindeutig.

Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung liegen schon deshalb nicht vor, weil nach den Ausführungen in Textziffer 85 der Wegfall der Preisanpassungsklausel schon nicht zu einer unbilligen Härte für den Gasversorger führt.

OLG Düsseldorf gegen ergänzende Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel im Gasliefervertrag.

Zudem ist es nicht haltbar, dass die Parteien jedenfalls eine Regelung getroffen hätten, wonach der Versorger berechtigt ist, gestiegene Beschaffungskosten jedenfalls weiterzugeben.

Selbst im Urteil des BGH vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 ist klargestellt, dass die Weitergabe gestiegener Bezugskosten dann unbillig und mithin unwirksam ist, wenn der entsprechende Kostenanstieg durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird.

Es ist deshalb keinesfalls so, dass angenommen werden könnte, die Kunden wären mit einer Preiserhöhung jedenfalls im Umfange jedweden Bezugskostenanstiegs einverstanden gewesen, unbesehen, ob die Vorlieferantenpreise marktunüblich überhöht sind und/oder der Anstieg durch Kostensenkungen in anderen Bereichen (z.B. Rückgang der Netzkosten infolge Regulierung) teilweise oder vollständig ausgeglichen werden können. Es ist wohl vielmehr so, dass die Kunden allenfalls im Umfang der Änderung der Erdgasimportpreise mit einer Preisänderung einverstanden gewesen wären, zudem nur mit einem erhöhten Preis, welcher der gestzlichen Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Gas entspricht.

In diesem Zusammenhang ist es verfehlt von einem \"tatsächlichen Bezugskostenanstieg\" zu sprechen.  

Tatsächlich handelt es sich um einen Verstoß gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Das OLG Hamm verweist die Kunden gerade in eine Situation, die es selbst als unangemessen benachteiligend bezeichnet, wenn nämlich mit ungewissem Ausgang eine gerichtliche Billigkeitskontrolle erfolgen muss, um eine Preiserhöhung zu kontrollieren.

Das Urteil ist auch nicht auf andere Kunden übertragbar. Aus Textziffer 104 ergibt sich, dass sich die Tatsache, dass Bezugskostensteigerungen vorgelegen hätten, die nicht durch rückläufige Kosten ausgeglichen werden konnten, sich aus nicht (mehr) bestrittenem Vortrag der Stadtwerke ergeben hätte. Es ist also offen, wie die Entscheidung im Falle eines weiteren Bestreitens ausgefallen wäre....

Es bleibt deshalb  zu hoffen, dass gegen das Urteil Revision eingelegt wird, die aus genannten Gründen Aussicht auf Erfolg hat.

Einlegung der Revision angekündigt.

Offline RR-E-ft

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OLG Hamm, Urt. v. 06.03.08 - 2 U 114/07
« Antwort #1 am: 29. April 2008, 16:28:20 »
Nach dem Urteil des BGH vom 29.04.2008 - KZR 2/07 wird sich die vom OLG Hamm vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung - abgesehen von der weiteren Kritik an dieser - wohl nicht halten lassen.

Die Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung liegen schon überhaupt nicht vor, wenn sich der Gasversorger selbst durch Kündigung in überschaubarer Zeit aus dem Vertragsverhältnis lösen kann. Es sei einem Gasversorger nämlich durchaus nicht unzumutbar, die Gaspreise zwei Jahre lang nicht erhöhen zu können.

Im Übrigen greifen - unter strengen Vorsussetzungen- allenfalls §§ 313, 314 BGB, die einen solchen Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage wegen geänderter wirtschaftlicher Verhältnisse konkret regeln. Wird einem Vertragsteil aus Gründen, die er nicht vorhersehen und beeinflussen konnte, die Vertragsdurchführung zu unveränderten Konditionen unzumutbar, so kann er vom Vertragspartner eine Anpassung an die geänderten Verhältnisse verlangen, bei Verweigerung oder Fehlschlagen einer solchen Anpassung das Vertragsverhältnis außerordentlich kündigen.

Der ergänzenden Vertragsauslegung steht entgegen, dass es keinesfalls nur eine einzige Preisanpassungsregelung denkbar und möglich ist.

 

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