Heute habe ich an die Stadtwerke Hannover, die Mainova, N-Ergie und Badenova die folgende Anfrage gerichtet:
Betrifft: kartellrechtliche Fragen zum Thüga-Kauf
Sehr geehrte Damen und Herren,
laut Presseberichten vom 11.8.2009 soll der E.ON-Konzern seine Stadtwerkeholding Thüga für 3 Mrd. Euro an ein Bündnis der Stadtwerke Hannover, Mainova, N-Ergie und Kom9 verkaufen. Das Problem an dieser Transaktion ist, dass E.ON bzw. Thüga wegen schwerer Kartellverstöße mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht Eigentümer der Stadtwerke-Beteiligungen ist. Denn E.ON hat mutmaßlich über 10 Jahre ein höchst effektives Gebietskartell im Sinne von § 1 GWB errichtet.
Das Gebietskartell wird vertraglich nicht nur durch Gesellschaftsverträge abgesichert, sondern vor allem durch Konsortialverträge mit den Stadtwerken und durch Lieferverträge für Ferngas und Strom. Damit wollte E.ON vermutlich die Gebietskartelle aufrecht erhalten, die der Gesetzgeber 1998 durch Verbot der sogenannten Demarkationsverträge abschaffen wollte. Für meine Vermutung sprechen folgende Fakten:
• die von den Beteiligungen ausgehende Bündelwirkung auf Vorleistungs- und Endkundenmärkte (vgl. z. B. Sondergutachten „
Strom und Gas 2007“ der Monopolkommission in Bundestagsdrucksache 16/7087 vom 20.11.2007
• der bis heute fehlende Wettbewerb auf deutschen Energiemärkten (vgl. stellvertretend für viele Berichte von Bundesnetzagentur, Bundeskartellamt und EU-Kommission nur das Sondergutachten „
Strom und Gas 2009“ der Monopolkommission vom 4.8.2009 unter
http://www.monopolkommission.de/sg_54/s54_volltext.pdf)
• die Akzeptanz von deutlich überhöhten Preisen für Ferngas und Strom durch Stadtwerke, wenn man die Überteuerung am Maßstab der Erdgasimportpreise oder der Stromerzeugungskosten misst
• der Verzicht der Stadtwerke auf Schadenersatz von ihrem Mitgesellschafter E.ON, wenn E.ON gegen Kartellrecht verstoßen hat, z. B.
o gestützt auf die Entscheidung B8-113/03-1 des Bundeskartellamtes zu langfristigen Ferngas-Verträgen von E.ON Ruhrgas (bestätigt durch BGH-Urteil KVR67/07 vom 10.2.2009) oder
o gestützt auf die Verfügung B8-88/05-2 des Bundeskartellamtes vom 26.9.2007 zur kartellrechtswidrigen Einpreisung von kostenlosen CO2-Zertifikaten im Strompreis
• die Geschäftsstrategie E.ONs mit Thüga (siehe auf S. 86 in deren Geschäftsbericht 2005 unter
http://www.eon.com/de/downloads/GB_D_komplett_geschuetzt_060309.pdf)
• die faktische Beherrschung der Stadtwerke-Beteiligungen durch E.ON, wie sie das Bundeskartellamt erkannte, siehe besonders Seite 83/84 in ZNER, Heft 1/2009, mit einem Auszug aus dem „
Schriftsatz des Bundeskartellamtes an das OLG Düsseldorf vom 30.11.2006 im Fusionskontrollverfahren E.ON Energie AG/Stadtwerke Eschwege GmbH – VI-2 Kart 7/04 [V]“
• der ökonomische Zweck der Beteiligungen an Stadtwerken als Instrument E.ONs zur Absatzsicherung für Strom und Gas.
Die Beteiligungen E.ONs an Stadtwerken sind kartellrechtlich nie im Hinblick auf § 1 GWB geprüft worden. Der Wunsch E.ONs, eine Beteiligung an einem Stadtwerk zu erwerben, wurde in der Vergangenheit nur im Rahmen der Fusionskontrolle nach den §§ 35 GWB untersucht. Die beiden Berliner Professoren Siegfried Klaue und Hans-Peter Schwintowski kommen in ihrem Buch „
Strategische Minderheitsbeteiligungen in der deutschen Energiewirtschaft - Im Spannungsfeld zwischen Fusionskontrolle und Kartellverbot“ aus dem Jahr 2004 zu dem Ergebnis:
„
Mit Blick auf die hier zu beurteilenden Sachverhalte folgt daraus, dass der jeweilige Anteilserwerb wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 1 GWB i.V.m. § 134 BGB von Anfang an nichtig ist. Der Erwerber ist niemals wirksam Inhaber von Geschäftsanteilen des Veräußerers geworden. Auch ein gutgläubiger Erwerb der GmbH-Geschäftsanteile von einem Nichtberechtigten ist nicht möglich. Einem solchen im GmbH-Recht gar nicht vorgesehenen gutgläubigen Erwerb steht die prinzipielle Nichtigkeitsfolge bei einem Verstoß gegen das Kartellverbot nach § 1 GWB entgegen. Das ist auch der Grund, warum die möglicherweise konkludente Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäftes nach § 141 BGB vorliegend keine Rolle spielt. Das wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz – wie hier – nichtige Rechts¬geschäft kann nämlich nur dann wirksam bestätigt werden, wenn inzwischen das Verbot entfallen ist.“
Der Verstoß gegen § 1 GWB hat demnach zur Folge, dass sämtliche Rechtsgeschäfte, durch die Geschäftsanteile auf den Erwerber übertragen wurden, nach § 134 BGB von Anfang an nichtig sind und damit von Anfang an unwirksam. Der Erwerber E.ON bzw. Thüga ist zu keinem Zeitpunkt Gesellschafter geworden, vielmehr ist der Veräußerer Gesellschafter geblieben. Was wollen nun vor diesem Hintergrund die Stadtwerke Hannover, Mainova, N-Ergie und Kom9 von E.ON kaufen? Ich empfehle vor dem Kauf dringend eine kartellrechtliche Prüfung der Stadtwerke-Beteiligungen.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche