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Autor Thema: OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.07.2007 - I 22 U 46/07 (§ 315 BGB bei unwirksamer Klausel?)  (Gelesen 4282 mal)

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Offline RR-E-ft

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Die von Freshfields Bruckhaus Deringer dankenswerter Weise mitgeteilte  Entscheidung  des OLG Düsseldorf ist abgedruckt in OLG Report Hamm Düsseldorf Köln,  Heft 2/2008 S. 38 und findet sich auch hier.

Das OLG Düsseldorf (Berufung nach LG Krefeld, Urt. v. 14.12.2006 -3 O 525/05) bestätigt die Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel in einem Gaslieferungsvertrag gem. § 307 BGB und befasst sich sodann mit der ergänzenden Vertragsauslegung wie folgt:

Zitat

Entgegen der Ansicht des LG ist die durch die Unwirksamkeit der Klausel entstandene Lücke nicht durch Anwendung des § 315 BGB in der Weise zu schließen, dass der Beklagten Preiserhöhungen im Rahmen der Aufrechterhaltung der Gewinnspanne zugestanden werden. Zwar ist eine durch die Unwirksamkeit einer Klausel entstandene Lücke grundsätzlich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu schließen, wenn sie nicht durch andere dispositive Vorschriften geschlossen werden kann und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel unbillig wäre, weil sie die Ausgewogenheit der beiderseitigen vertraglichen Leistungen verändern und zu einer mit der Zielsetzung des AGB- Gesetzes nicht zu vereinbarenden Benachteiligung des Klauselverwenders führen würde.

An die Stelle der Bestimmung tritt dann eine Gestaltung, die die Partei bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingungen bekannt gewesen wäre (BGH, Urt. v. 26.10.2005 - VIII ZR 48/05, BGHReport 2006, 552 m. Anm. Lenz NJW 2006, 996 [999]).

Die ergänzende Vertragsauslegung setzt jedoch voraus, dass sich Anhaltspunkte dafür finden lassen, welche Regelungen die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel vereinbart hätten. Kommen unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht, ohne dass erkennbar ist, welche die Parteien gewählt hätten, sind die Gerichte zu einer Vertragsauslegung weder in der Lage noch befugt (BGH, aaO.).

Nach diesen Grundsätzen hat das LG hier zu Unrecht die entstandene Lücke durch § 315 BGB geschlossen. Eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB findet nämlich nur statt, wenn es sich um Tarife eines Monopolunternehmens handelt, das Leistungen der Daseinsvorsorge anbietet, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfalle angewiesen ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 144/06). Eine Anwendbarkeit von § 315 BGB scheidet vorliegend aus, weil der Kunde einem Anschluss- und Benutzungszwang nicht unterlag und auch nicht auf eine Belieferung mit Flüssiggas durch die Beklagte angewiesen war. Vorliegend war es auch nicht sachgerecht, die durch die unwirksame Klausel entstandene Lücke mit der Annahme zu schließen, die bei Parteien hätten bei Kenntnis der Vertragslücke die Zulässigkeit von Preiserhöhungen der Beklagten im Rahmen tatsächlicher Kostensteigerungen - zur Aufrechterhaltung der Gewinnspanne - vereinbart.

Es bestehen nämlich keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien die Vertragslücke in dieser Form geschlossen hätten. So ist z.B. nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin bei Kenntnis der Vertragslücke damit einverstanden erklärt hätte, sich an steigenden Personalkosten durch Erhöhung des Gaspreises zu beteiligen. Da auch im Übrigen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, welche Regelungen die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel  vereinbart hätten - es käme auch die Orientierung an bestimmten Marktindexen, beispielsweise an der Entwicklung der Marktpreise in Betracht, ist der Senat entsprechend der vorgenannten Rechtsprechung des BGH eine ergänzende Vertragsauslegung verwehrt.

Bei Gas- Sonderabkommen ist zu beachten, dass die Vorschriften der AVBGasV und der GasGVV für diese nicht gelten (Vgl. § 1 AVBGasV, § 1 GasGVV). Bei den Bestimmungen der AVBGasV und der GasGVV handelt es sich schon um kein dispositives Recht, welches im Falle der Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel gem. § 306 Abs. 2 BGB herangezogen werden könnte.

Es lässt sich dazu wohl feststellen:

Folgt man der Auffassung vom Bestehen eines einheitlichen Wärmemarkt, wonach  Gasversorgungsunternehmen keine Monopolstellung inne haben, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung zu § 315 BGB somit nicht in Betracht. Schließlich darf die Rechtsprechung  Erdgaslieferanten auf dem einheitlichen Wärmemarkt nicht gegenüber Wettbewerbern bevorteilen. Was dem einen recht ist, soll dem anderen billig sein. Müssen sich eben alle wieder auf dem Wärmemarkt neu hinten anstellen...

Folgt man dem jedoch nicht und nimmt man eine Monopolstellung der Gasversorger auf dem sachlich relevanten Markt anhand des nachgefragten Gutes Erdgas an (vgl. BGH, B. v. 25.09.2007 - KZR 33/06) , so führt dies auch zur Anwendung des § 315 BGB, selbstredend dann bezogen auf den Gesamtpreis in entsprechender Anwendung des § 315 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2006 - KZR 8/05 und KZR 9/05).

Die Anwendung des § 315 BGB folgt dann jedoch möglicherweise nicht erst aus einer ergänzenden Vertragsauslegung, sondern schon aus der sog. Monopolsrechtsprechung des BGH, so dass die Preisbestimmungen insgesamt auch dann der Billigkeitskontrolle unterliegen, wenn sich eine Vertragsklausel nicht als unwirksam erweist.

Im gleichen Urteil meint das OLG Düsseldorf weiter, dass eine, aufgrund einer unwirksamen Klausel unbeanstandet vorbehaltlos geleistete  Zuvielzahlung nicht mehr zurückverlangt werden könne. Das Gericht vertritt dazu die Auffassung, dass der Rückforderungsanspruch sich  nur auf den Teil beziehen könne, der nach dem Zeitpunkt liegt, zu welchem man das Preisänderungsrecht bestritten hatte, weil die Zahlung zu einer konkludenten Einigung führe (so schon OLG Hamm vom 08.08.2006).

Diese Auffassung teile ich nicht, weil einer \"schweigenden Zahlung\" (eines Verbrauchers) keinerlei Erklärungsgehalt beigemessen werden kann.

Die Zahlung erfolgte entweder auf eine wirksam bestehende Forderung und somit mit Rechtsgrund oder aber eben ohne eine solche und mithin rechtsgrundlos und unterliegt deshalb der Rückforderung.
Soweit das Abstraktionsprinzip.

 

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